Next

Eine Neigung, die sich nicht heilen lässt Etwa jeder 100. Mann ist pädophil / Ein Berliner Projekt versucht, zumindest Übergriffe zu verhindern
MARKAL0020070302e332000oc
LOHMARHE
346 Words
02 March 2007
Märkische Allgemeine
MAN
German
Copyright 2007 Märkische Allgemeine – Brandenburgs beste Seiten. All rights reserved. For further information see http://www.MaerkischeAllgemeine.de

HENRY LOHMAR

POTSDAM Hätte Mitjas Tod verhindert werden können? Diese Frage beschäftigt die Öffentlichkeit, seit bekannt wurde, dass der mutmaßliche Mörder des Neunjährigen einschlägig vorbestraft ist. Mehrere Politiker, darunter Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und dessen bayerischer Amtskollege Günther Beckstein (CSU), forderten gestern schärfere Auflagen für Sexualstraftäter. Darüber hinaus stellt sich aber die Frage, ob Männer mit pädophilen Neigungen zumindest soweit beeinflussbar sind, dass es gar nicht erst zu Übergriffen kommt.

Etwa jeder 100. Mann, so Schätzungen von Psychiatern, hat einen auf Kinder gerichteten Sexualtrieb. Therapieren, also heilen, kann man diese Neigung ebenso wenig wie Homosexualität. Wissenschaftler vermuten, dass die sexuelle Orientierung teils angeboren ist, teils in der Kindheit geprägt wird. Einige Pädophile (wie laut Medienberichten auch der mutmaßliche Mörder von Mitja) sind in ihrer Kindheit selbst Opfer von Missbrauch geworden.

An der Berliner Charité gibt es seit eineinhalb Jahren ein bundesweit einzigartiges Präventionsprojekt. Nach einer Plakatkampagne mit dem Titel „Lieben Sie Kinder mehr als ihnen lieb ist?“ haben mehr als 500 Männer um Hilfe gebeten. Sie alle hatten Angst, pädophil zu sein und eines Tages ein Kind zu missbrauchen. Mehr als 100 von ihnen werden inzwischen dauerhaft und streng anonym therapiert. „Sie können nicht dafür, dass sie diese Neigung haben. Aber sie tragen die volle Verantwortung für das, was sie tun. Das wollen wir ihnen klarmachen“, sagt Projektsprecherin Cornelie Kunkat.

In der Therapie gehe es zunächst darum, die eigene Pädophilie zu akzeptieren. In Rollenspielen sollen sich die Männer in die Position eines Kindes versetzen. Sie sollen lernen, dass ein Kind, das einen Fremden anlächelt, keine sexuellen Hintergedanken hat. Manchmal werden begleitend auch Medikamente verabreicht, die den Sexualtrieb dämpfen.

Der beste Schutz für Kinder sei ein starkes Selbstvertrauen, so Cornelie Kunkat. Das zu fördern, sei die wichtigste Aufgabe der Eltern. „Die Kinder müssen stark genug sein, nein zu sagen, wenn sie etwas nicht wollen.“ Auch könne man vor bestimmten Situationen warnen – etwa davor, dass Fremde mit Versprechungen locken.

812423 | pol
Previous | Next

Umgang mit Pädophilie - "Ganz wichtig ist eine klare Ansage"
SPGLO00020070301e32s0002j
Panorama / Justiz
475 Words
28 February 2007
Spiegel Online (Deutsch)
0
German
© 2007 SPIEGEL net GmbH. All rights reserved.

(News)

Hätte sich der Tod des kleinen Mitja aus Leipzig verhindern lassen? Können Eltern ihre Kinder überhaupt vor pädophilen Tätern schützen? Im Interview mit SPIEGEL ONLINE spricht Experte Klaus Michael Beier über gefährliche Neigungen, Restrisiko und die Angst vor sozialer Vernichtung.

SPIEGEL ONLINE: Der neunjährige Mitja aus Leipzig wurde vermutlich von einem vorbestraften Kinderschänder umgebracht. Lassen sich solche Straftaten durch Therapie verhindern?

Beier: Ich kenne den mutmaßlichen Täter nicht. Grundsätzlich gilt: Die pädophile Präferenz von Männern kann nicht einfach wegtherapiert werden. Wir an der Charité können nur versuchen, unseren Patienten Techniken beizubringen, um ihrem Drang zu widerstehen. Wir wollen ihnen helfen, dass aus der Neigung keine Straftat wird. Das ist schwierig genug. Und es gibt keine Garantie, dass die Patienten tatsächlich lebenslang straffrei leben.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es nach Ihrer Einschätzung Männer, die ihre auf Kinder gerichtete Sexualität so wenig unter Kontrolle haben, dass sie lebenslang weggesperrt werden müssen?

Beier: Bei einigen Tätern, die ihre Gefährlichkeit schon unter Beweis gestellt haben und die entsprechende Risikofaktoren in ihrer Sexualstruktur aufweisen, muss selbstverständlich die Sicherung Vorrang haben. Wir versuchen, potentiellen Tätern, die nicht justizbekannt sind und daher zum Dunkelfeld zählen, therapeutische Hilfe anzubieten, bevor etwas passiert. Die Neigung selbst ist ja nicht strafbar. Und sie ist ja auch nicht aus Mutwillen erworben, sondern eine schicksalhafte Heimsuchung, unter der viele Betroffene schwer leiden. Wenn der Pädophile sein Problem kennt und verantwortlich mit seiner Neigung umgeht, gibt es gute Chancen für eine sichere Selbstkontrolle.

SPIEGEL ONLINE: Wie hoch ist das Restrisiko?

Beier: Das erforschen wir gerade mit unserem Projekt. Fest steht nur: Je größer das Dunkelfeld, umso höher das allgemeine Risiko. Jeder, der sich zu einer Therapie entschließt, bevor er eine Straftat begeht, verringert das Risiko. Aber es gibt leider auch viele Pädophile, die eine Therapie ablehnen.

SPIEGEL ONLINE: Was sind die Gründe?

Beier: Es gibt Menschen, die auch eine solche Neigung ausleben möchten, ohne Rücksicht auf die Opfer. Und es gibt andere, die sich nicht trauen, sich zu outen. Sie haben Angst vor sozialer Vernichtung. Stellen Sie sich vor, wie schwer es zum Beispiel für einen Juristen oder einen Theologen ist, sich zu einer so geächteten Neigung zu bekennen.

SPIEGEL ONLINE: Was können Eltern tun, damit ihr Kind nicht zum leichten Opfer wird?

Beier: Ganz wichtig ist eine klare Ansage. Wenn Kinder strikt darauf beharren, mit keinem Fremden mitzugehen, sich nicht durch Süßigkeiten oder ähnliches locken lassen, ist schon viel gewonnen. Die Kinder müssen das sichere Gefühl haben, damit etwas Richtiges zu tun, denn der Erwachsene handelt falsch. Die meisten Täter lassen bei konsequenter Ablehnung von ihrem Opfer ab. Das gilt natürlich nicht für Täter, die von vorne herein Gewalt anwenden. Aber das ist eher die Ausnahme.

Das Interview führte Bruno Schrep

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,469104,00.html

PMGSPON-xPMG-spiegel-469104
Previous | Next

Kontrolle, lebenslang // Die Rückfallquote bei Sexualstraftätern ist besonders hoch. Was kann medizinisch gegen Pädophilie getan werden?
TAGSS00020070228e32s0001z
ZWEITE
Von Hannes Heine und Bas Kast
710 Words
28 February 2007
Der Tagesspiegel
002
19474
German
Copyright 2007. Verlag Der Tagesspiegel GmbH. All rights reserved. For future information see http://www.tagesspiegel.de

Was ist wissenschaftlich über Pädophilie bisher bekannt?

Pädophile träumen von Sex mit Kindern, meist Kindern zwischen 10 und 13 Jahren. Oft bleibt es nicht beim Träumen. Sie nehmen Kontakt zu Kindern auf, verführen sie, geben Ihnen Aufmerksamkeit, Geschenke. Das kann sich langsam steigern, vom normalen Körperkontakt zu sexuellem Kontakt bis hin zu Vergewaltigungen. In vielen Fällen sind sich die Pädophilen dabei keiner Schuld bewusst: Sie wissen intellektuell, dass das, was sie wollen und tun, strafbar ist - emotional aber fühlt es sich für sie so richtig an wie für andere Menschen normaler Sex.

Die meisten Psychiater gehen davon aus, dass unsere sexuelle Orientierung teils angeboren, teils in frühen Kinderjahren geprägt wird. Es gibt Anzeichen dafür, dass einige Pädophile in ihrer Kindheit missbraucht wurden. Andere meinen: Bei Pädophilen handelt es sich um Kinderseelen in einem erwachsenen Körper, die sich nur mit Kindern wohlfühlen. Wieder andere versuchen, Pädophile biologisch zu ergründen. So hat man festgestellt, dass bei Pädophilen der vordere Hirnbereich weniger aktiv ist als üblich. Dieser Hirnbereich ist für die Kontrolle von Impulsen von Bedeutung. Somit seien Pädophile regelrecht enthemmt. "Aber Studien wie diese grenzen schon an Kaffeesatzleserei", sagt Frank Wendt von der Berliner Charité. "Über die Biologie wissen wir noch sehr wenig."

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Pädophilie und gewalttätigem Missbrauch?

Es ist nicht so, dass Pädophile grundsätzlich mehr zu Gewalt neigen oder aggressiver sind als andere. Aber ihr Einfühlungsvermögen ist gestört. Das heißt: Sie verstehen es nicht intuitiv, dass das Kind ganz andere Bedürfnisse hat als sie selbst. In der Konsequenz bedeutet das, dass sie Gewalt eher hinnehmen als andere, obwohl sie nicht, wie Sadisten, Vergnügen daraus ziehen, anderen Gewalt anzutun.

Welche Möglichkeiten gibt es, Pädophile zu therapieren?

"Man hat es in der Psychiatrie mittlerweile aufgegeben, Pädophile heilen zu wollen", sagt Psychiater Wendt. "Man kann ihnen höchstens dabei helfen, ihre Wünsche zu kontrollieren." Zu diesem Schluss kommen heutzutage so gut wie alle Experten: Das Bedürfnis nach Sex mit Kindern lässt sich wohl ebenso schwer "austreiben" wie man einem erwachsenen Heterosexuellen beibringen kann, homosexuell zu werden. Was man in der Therapie statt dessen versucht, ist das Schuldbewusstsein bei Pädophilen zu ändern. Die meisten meinen zum Beispiel, das Kind würde im Grunde ihre Lust teilen. Sie flüchten sich in Ausreden wie: Der Junge hat sich doch auf meinem Schoß gesetzt. In Gruppensitzungen versucht man, den Menschen klarzumachen, dass es sich eben nicht so verhält. "Dabei geht es darum, die Selbstkorrumpierung zu durchbrechen", sagt Wendt. Der Erfolg dieser Therapien hält sich in Grenzen. Je nach Studie liegt die Rückfallquote bei unbehandelten Sexualstraftätern bei 20, bei Pädophilen auch bei bis zu 40 Prozent oder noch höher. Dank einer Therapie kann diese Quote auf deutlich unter 20 Prozent fallen. "Aber es ist extrem schwer vorherzusehen, von wem weiterhin Gefahr ausgeht und von wem nicht", sagt Wendt. Neben den Psychotherapien gibt es auch medikamentöse Behandlungen, die eine gewisse Wirkung entfalten, darunter Antidepressiva und Präparate, die das männliche Sexualhormon Testosteron herunterfahren. "Sie verändern nicht grundsätzlich etwas an den Fantasien, aber am Antrieb", sagt Wendt.

Seit Januar 2006 gibt es an der Charité ein freiwilliges Therapieangebot. Wie wird es angenommen?

Rund eineinhalb Jahre nach dem Start des bundesweit einzigartigen Projektes "Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld" an der Berliner Charité haben mehr als 500 Männer um Hilfe gebeten. Sie alle befürchteten, aufgrund pädophiler Neigungen eines Tages ein Kind zu missbrauchen. Die Anrufer seien zwischen 20 und 65 Jahre alt und stammten laut Projektleitung aus allen Milieus der Gesellschaft. Die freiwilligen Melder werden nach einer Überprüfung auf ihre Therapietauglichkeit in entsprechenden Einzel- oder Gruppensitzungen behandelt. Mehr als 100 von ihnen werden inzwischen dauerhaft und anonym therapiert. Dabei geht es in erster Linie darum, dass sie mit ihrer sexuellen Störung leben können - ohne tatsächlich ein Kind zu missbrauchen. Die Charité betrat mit dem Projekt Neuland. Bisher wird vor allem mit potenziellen Opfern gearbeitet, präventive Ansätze bei Tätern sind selten. So selten, dass Männer, die sich zu Kindern hingezogen fühlen, aus dem gesamten Bundesgebiet nach Berlin reisen, um sich hier helfen zu lassen. Einige Patienten nähmen dazu jede Woche 500 Kilometer Anfahrtsweg in Kauf, hieß es aus der Charité.

200702283110503
Fotos: dpa (2), ddp
Previous | Next

Nein, ich will das nicht! - Nach dem Mord an Mitja: Kann man Kinder vorbeugend vor sexuellen Übergriffen schützen?
BERLRZ0020070227e32r00076
Vermischtes
Cornelia Geißler
809 Words
27 February 2007
Berliner Zeitung
32
German
(c) 2007 Berliner Zeitung

Es wird sich nie ganz aufklären lassen, was sich Ende vergangener Woche in Leipzig zwischen Mitja und seinem Mörder abgespielt hat.

Warum stieg der Junge nicht an seiner Station aus der Straßenbahn?

Weshalb spazierte Mitja mit dem Fremden in einen Bäckerladen?

Lernt nicht jedes Kind zu Hause, dass man nicht mit Fremden mitgehen sollte?

Gestern suchten im Leipziger Vorort Lindenthal fast 200 Polizeibeamte nach dem flüchtigen Mörder des Grundschülers.

Was hatte der Mann, das Mitja vertrauen ließ?

Der Schulweg als Falle

Es gibt in Deutschland verschiedene Möglichkeiten für Kinder in Not, sich helfen zu lassen.

Wer sich nicht an die Eltern oder Lehrer wenden will, findet bei Telefon-Hotlines, Beratungsstellen und Internet-Foren Rat.

Doch hat man, wenn man in der Straßenbahn angesprochen wird, nicht gerade die Telefonnummer vom Kindernotdienst parat.

Die hätte dem 13-jährigen Mädchen Stephanie, das im Januar 2006 in Dresden in einen Wagen gezerrt und dann 36 Tage in einer Wohnung versteckt gehalten und dort wiederholt vergewaltigt wurde, auch nicht geholfen.

Und Mitja, den man auf den Bildern der Überwachungskamera so friedlich neben dem Mann sitzen sieht, der ihn später missbrauchte und tötete, dem stand anfangs offenbar gar nicht der Sinn danach, Hilfe zu suchen.

Mitja ist zum ersten Mal allein von der Schule nach Hause gefahren.

Er war neun Jahre alt.

Überall in dieser Republik steigen neunjährige Kinder allein in Busse, Straßenbahnen, U- und S-Bahnen.

Sie gehen allein über Straßen, legen zu Fuß den Weg zur und von der Schule zurück.

Und die Eltern werden ermuntert dazu, dem Kind diese Selbstständigkeit zuzutrauen und nicht als persönlicher Chauffeur immer mit dem Auto bereit zu stehen.

Viele Kinder sind deutlich jünger aus als neun, wenn sie sich erstmals allein auf den Weg machen.

Die Schauspielerin Veronica Ferres hat gerade ein Buch zu dem Thema veröffentlicht.

Sie hat es selbst geschrieben, in schlichten Worten, aber sich in die Seele des Kindes einfühlend.

Das Mädchen Lia kann nicht von den Eltern vom Kindergarten abgeholt werden.

Die große Schwester eines anderen Kindes soll sie mitnehmen.

Doch dann sagt das größere Mädchen an der Straßenecke zum kleineren: "Von hier findest du doch allein heim, oder?

Einfach geradeaus.

Das weißt du ja selbst."

Für ein Kind kann auch ein kurzer vertrauter Weg unendlich lang werden.

Als ein Mann anbietet, Lia im Auto mitzunehmen, hat sie schon Lust einzusteigen, erinnert sich aber daran, dass sie mit niemandem mitgehen darf.

Als Lia dann von dem Mann bedrängt wird, ruft sie laut und vernehmbar Nein und: "Fassen Sie mich nicht an!"

Veronica Ferres erklärt im Vorwort, warum sie das Buch geschrieben hat.

Es ist Teil ihres Engagements für die Organisation Power-Child, deren Schirmherrin sie ist.

Power-Child versucht präventiv gegen sexuelle Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen aktiv zu werden.

Der Verein will Kinder bestärken, sie selbst zu sein.

Er schickt zwei Theater-Projekte durch die Lande; für Kindergarten- und für Grundschulkinder.

Auch beim so genannten Trillerpfeifentraining sollen Kinder lernen, Nein zu sagen, wenn ihnen etwas unangenehm ist, wie Lia in Veronika Ferres' Bilderbuch.

Und in einem Chat für Jugendliche geben Therapeuten Mädchen Rat, die in der Disko angetatscht werden, genauso wie Jungen, die sich von den Eltern zu sehr behütet fühlen.

Der Verein unterstützt sogar die Delfin-Therapie für jene Stephanie aus Dresden.

Power-Child finanziert sich aus Spenden.

Nicht die Opfer sind schuld

Doch so sinnvoll es sein mag, das Selbstbewusstsein eines Kindes zum Neinsagen zu stärken, wirkliche Sicherheit bietet diese Art der Vorbeugung nicht.

Denn nicht von Kindern, die nicht selbstbewusst genug sind, geht die Gefahr aus, sondern von Erwachsenen, die sich an ihnen vergreifen.

Ein Versuch, Menschen mit pädophilen Neigungen zu erreichen, bevor sie zu Tätern werden, läuft seit Ende 2005 an der Berliner Charité. 100 Männer unterziehen sich einer freiwilligen und kostenlosen Sexualtherapie.

Die Wissenschaftler, die sie dabei betreuen, erhoffen sich Erkenntnisse, wie man mit Pädophilie umgehen kann, bevor es zu spät ist.

Laut Polizeistatistik werden jährlich 20 000 Kinder in Deutschland Opfer sexueller Übergriffe.

Die Dunkelziffer liegt um ein Vielfaches höher.

------------------------------

Die Offenheit und das Böse

Sexualstraftäter nutzen die Zutraulichkeit von Kindern gezielt aus.

"Der Täter nimmt sich bewusst ein Kind, das beim ersten Kontakt positiv reagiert", sagt der Rechtspsychologe Steffen Dauer.

Dies sei der erste Missbrauch.

Der Missbrauch des Körpers sei dann der zweite Schritt.

Der Täter nutze zuvor geschickt Neugier und Offenheit eines Kindes in der Entwicklung.

"Ein Kind von neun Jahren denkt nicht, dass ihm ein Mensch etwas Böses tun könnte."

Das Buch "Nein, mit Fremden geh ich nicht!" von Veronica Ferres, illustriert von Julia Ginsbach, ist im cbj-Verlag, München (Random House) erschienen.

Es kostet 13,95 Euro; von jedem Exemplar geht ein Euro an Power-Child e.V.

------------------------------

Foto: "Fassen Sie mich nicht an!", ruft Lia, als der Mann zudringlich wird.

Previous | Next

"Pädophilie nicht heilbar"
STUNAC0020070227e32r0005j
Panorama
225 Words
27 February 2007
Stuttgarter Nachrichten
28
German
© 2007 Stuttgarter Nachrichten. http://www.stuttgarter-nachrichten.de

Wiesbaden/Leipzig (dpa) - Sexualstraftäter mit pädophilen Neigungen sind nach Auffassung des Rechtspsychologen Rudolf Egg nicht zu heilen. "Die Zuneigung zu Kindern ist eine dauerhafte sexuelle Störung. Diese gibt sich nicht von selbst und lässt sich auch nicht mit einer Therapie beseitigen", sagte der Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden am Montag. "Durch eine Behandlung können wir die Abweichung höchstens unter Kontrolle bekommen." Die Rückfallquote von Sexualstraftätern liegt nach seinen Angaben bei etwa 20 Prozent. Die Zentralstelle hat knapp 780 Personen analysiert, die seit 1987 wegen eines Sexualdelikts verurteilt wurden.

"Das Problematische ist, dass sich die pädophile Neigung in der Regel über die Jahre hinweg verstärkt", sagte Egg. Ein Ersttäter bringe in der Regel kein Kind um. "Ein Verbrechen wie im Fall Mitja ist das Delikt eines Rückfälligen." Da schlage eine Menge Planung durch. Das sei zumeist schon vorher ausgedacht und versucht worden.

Durch die Entwicklung entstehe in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass die Gesellschaft unzureichend vor Sexualstraftätern geschützt werde. "Die Statistiken belegen, dass es keine Zunahme der Sexualstraftaten gibt, sondern eher eine Abnahme. Durch die Präsenz in den Medien entsteht aber ein anderes Bild."

Gutachter könnten nur nach bestem Wissen und Gewissen sowie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Erkenntnissen Prognosen zur Gefährlichkeit eines Straftäters abgeben. "Es gibt aber keine hundertprozentige Sicherheit. Es bleibt ein Risiko."

Previous | Next

"Kinderschänder sind nicht heilbar"
GNLZGR0020070227e32r000ci
dpa
200 Words
27 February 2007
General Anzeiger
German
(c) 2007 General-Anzeiger, Bonn

VERBRECHEN Psychologe: Auch Therapie beseitigt Pädophilie nicht

WIESBADEN. Sexualstraftäter mit pädophilen Neigungen sind nach Auffassung des Rechtspsychologen Rudolf Egg nicht zu heilen. "Die Zuneigung zu Kindern ist eine dauerhafte sexuelle Störung. Dies lässt sich auch nicht mit einer Therapie beseitigen", sagt der Direktor der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) in Wiesbaden. "Das Problematische ist, dass sich die pädophile Neigung in der Regel über die Jahre hinweg verstärkt. So zynisch es klingen mag: Je länger die Vorgeschichte des Täters ist, desto sicherer lässt sich die Gefährlichkeit feststellen."

Ein Ersttäter bringe in der Regel kein Kind um. "Ein Verbrechen wie im Fall des neunjährigen Mitja ist das Delikt eines Rückfälligen", sagt der 58-jährige Kriminologie-Professor. "Da schlägt eine Menge Planung und Überlegung durch. Das ist zumeist schon vorher ausgedacht und versucht worden."

Durch diese Entwicklung entstehe in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass die Gesellschaft unzureichend vor Sexualstraftätern geschützt werde. "Hinzu kommt die mediale Aufmerksamkeit. Die Statistik belegt aber, dass es keine Zunahme der Sexualstraftaten gibt. Durch die Präsenz in den Medien entsteht aber ein anderes Bild, und die Politiker begegnen dem Bedürfnis nach Sicherheit mit populistischen Forderungen. Es gibt aber keine hundertprozentige Sicherheit. Es bleibt ein Risiko." dpa

Previous | Next

Theater im Hundsturm erinnert an Felix Salten
AUPAG00020070219e32j003h3
216 Words
19 February 2007
11:18 GMT
Austria Presse Agentur-OTS
German
OTS - "ORIGINAL TEXT-SERVICE UNTER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS"

Wien - Morgen, Dienstag (20.2.), ist in der Volkstheater-Dependance "Hundsturm" (5., Margaretenstraße 166) die Produktion "Lustspiel aus Freiwild an Rehbaein" zu sehen. Michaela Spiegel nimmt hierbei die zwei bekanntesten Werke des Schriftstellers Felix Salten (1869 - 1945) "Josefine Mutzenbacher" (1904/06) und "Bambi" (1923) als Grundtexte, um in einem radikal zugespitzten Musik, -Film- und Textarrangement unheimlich wirkende Verbindungen zwischen Männerphantasien und Pädophilie in den Anfängen des 20. Jahrhunderts aufzuzeigen. Es spielen u.a. Thomas Bauer, Karl Ferdinand Kratzl und Mario Soldo. Die dramaturgische Betreuung hat Sibylle Fritsch über.

Michaela Spiegel absolvierte die Hochschule für Angewandte Kunst in Wien und die Ecole nationale Supérieure des Beaux-Arts in Paris. Die 44jährige arbeitet zurzeit mittels von Marie Bonaparte, Alma Mahler und Josefine Baker an assoziativen filmischen Frauenporträts der Vergangenheit.

An Felix Salten erinnert derzeit auch noch eine bis 18. März im Jüdischen Museum Wien laufende Ausstellung.

o Information und Kartenbestellungen  
  Tel.: 52 111-400                    
  E-Mail: ticket@volkstheater.at      
  Internet:  http://www.volkstheater.at/      
  Ausstellung Felix Salten:  http://www.jmw.at

(Schluss) hch

Rückfragehinweis: PID-Rathauskorrespondenz: http://www.wien.at/vtx/vtx-rk-xlink/ Mag. Hans-Christian Heintschel Tel.: 4000/81 082 E-Mail: hch@m53.magwien.gv.at

*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT ***

Previous | Next

Glanzvolle Premiere; Nur vermeintlich sein schwächstes Werk - Fjodor Dostojewskis Roman «Ein grüner Junge» in Neuübersetzung
NEUZZ00020070217e32h0006i
1107 Words
17 February 2007
Neue Zürcher Zeitung
4
German
Besuchen Sie die Website der führenden Schweizer Internationalen Tageszeitung unter http://www.nzz.ch

Von Felix Philipp Ingold

Unter dem überraschenden, sicherlich gewöhnungsbedürftigen Titel «Ein grüner Junge» liegt seit kurzem jener grosse Gesellschafts- und Entwicklungsroman von Fjodor Dostojewski in deutscher Neuübersetzung vor, den man bisher gemeinhin als «Der Jüngling» kannte. Das Werk erschien erstmals 1875 als Fortsetzungsdruck in den «Vaterländischen Annalen» und wurde von der Kritik mehrheitlich mit Irritation aufgenommen. Auch Dostojewski selbst scheint sich seiner Sache nicht eben sicher gewesen zu sein; er hielt den 800-Seiten-Text, an dem er jahrelang gearbeitet hatte, für stark überfrachtet («vier Romane in einem») und allzu inkohärent ausgeführt.

Von Dostojewskis Ringen um Stoff und Form zeugen aufs Eindrücklichste die umfangreichen Entwürfe und Varianten zum «Jüngling», die man insgesamt - nach postmoderner Lektüreerfahrung - als ein eigenständiges Werk von staunenswerter gedanklicher wie künstlerischer Kühnheit lesen könnte. Dabei liegen die Zeiten gar nicht so lange zurück, da man diesen Roman weithin als «die schwächste Leistung», ja als einen eklatanten «Fehlschlag» des Autors einschätzte, der zuvor mit Meisterwerken wie «Verbrechen und Strafe» (1866) oder «Der Idiot» (1868) seine Exzellenz bewiesen hatte.

Tatsächlich weist «Ein grüner Junge» eine in sich vielfach gebrochene, gleichsam zentrifugal auseinanderstrebende Erzählstruktur auf, in der zahllose Fäden ausgelegt und vernetzt, aber auch liegengelassen oder abgerissen werden, eine disparate Textanlage, die man als mangelhaft empfinden mag, die aber im ebenso disparaten Plot des Romans ihre exakte Entsprechung und damit auch ihre Berechtigung findet.

SCHWER überschaubar

Das kaum überschaubare, durch prekäre Familienbande und fatale Zufälle zusammengewürfelte Personal der Erzählung vereinigt sämtliche Typen der damaligen russischen Gesellschaft - verarmte Adlige, abgetakelte Militärs, eitle Salonlöwen, kriminelle Emporkömmlinge, starke Frauen und leichte Mädchen, Spiesser und Rebellen, Gottsucher und Weltverächter, «Slawophile» und «Westler» - zu einem literarischen Wimmelbild, das in ständiger Wucherung begriffen ist und keinen Raum lässt für deskriptive Passagen. Personen-, Gegenstands-, Landschaftsbeschreibungen kommen bestenfalls in hastiger Skizzierung vor, alles scheint sich aufzulösen in einem misstönigen Stimmengewirr, das hauptsächlich Schreie, Flüche, Schluchzer, Seufzer, Gelächter, Gekicher und nur selten einen normal artikulierten Satz in sich aufnimmt. Dem wiederum entspricht die mechanistische Körpersprache der meisten Protagonisten, die sich ausschliesslich in punktuellen Intensitäten bewegen: aufschreckend, aufspringend, zupackend, zuschlagend, ausspuckend, errötend, sich krümmend, die Flucht ergreifend, torkelnd, hinstürzend.

Der punkt- und kommagenauen Übersetzung von Swetlana Geier könnte man, nebst einigen stilistischen Unsicherheiten, allenfalls zum Vorwurf machen, sie friere den hechelnden Redeschwall des Erzählers gleichsam Wort für Wort ein, womit sie ihn zwar buchstäblich konserviert, nicht aber in seiner mitreissenden Dynamik nachvollziehbar macht. Auch mag man sich fragen, ob ein «grüner Junge» eher als ein «Jüngling» oder ein «junger Mann» in der Lage ist, sein Erwachsenwerden auf vielen hundert Seiten so sprachgewaltig zu protokollieren und sein Erwachsenwordensein so souverän zu analysieren, wie Dostojewski es ihm abverlangt. Russisch «podrostok» heisst wörtlich «der Heranwachsende» und wird gleichermassen für einen «Herangewachsenen» verwendet, einen Jugendlichen an der Schwelle des Erwachsenenalters. Der «grüne Junge» evoziert gemeinhin ein früheres Lebensstadium und hat ausserdem die übertragene Bedeutung eines unerfahrenen, vorwitzigen jungen Menschen, der noch «grün hinter den Ohren» ist.

An der Wahnsinnsgrenze

Die physische und geistige Hektik seiner an der Wahnsinnsgrenze agierenden Antihelden bringt Dostojewski eindringlich - man könnte aber auch sagen: trivial - zum Ausdruck dadurch, dass er unentwegt das Umstandswort «plötzlich» verwendet, oft drei-, viermal pro Druckseite. Dass sich aus all diesen «Plötzlichkeiten» kein kontinuierlicher Erzählfluss ergeben kann, leuchtet ein - man hat es dem Autor oftmals zum Vorwurf gemacht.

Doch bei aller Verwirrlichkeit der Handlungs- und Stimmenführung lässt sich der Roman auf eine klare Grundstruktur zurückführen. Der Text besteht aus drei ungefähr gleich grossen Teilen zu je ungefähr gleich vielen Kapiteln, wobei jeder der drei Teile die Geschehnisse von jeweils drei Tagen zum Gegenstand hat. Der graphomanische Überschwang des jugendlichen Erzählers kontrastiert aufs Heftigste mit der extremen Zeitverdichtung, und seine charakterliche und intellektuelle Fahrigkeit wird letztlich in Schranken gehalten durch einen unverbrüchlichen Rest von Rationalität, der auch in der narrativen Komposition zum Tragen kommt.

Hysterischer Diskurs

Der als Beichte eines Halbwüchsigen konzipierte Monolog, der eine Vielzahl fremder Stimmen in ihrer Eigenart und Widersprüchlichkeit verschränkt, wird vorzugsweise in direkter beziehungsweise erlebter Rede vorgetragen. Erlebnis und Reflexion, haltlose Emotionalität und kalte Berechnung verbinden sich zu einem gewaltigen hysterischen Diskurs, der alles in sich aufnimmt, woran der fiktive Erzähler sich erinnert und was ihm dabei zusätzlich einfällt. Es sind dies vorab seine eigenen Erniedrigungen und Beleidigungen, angefangen mit seiner illegitimen Geburt, es sind seine Ängste und Lüste, besonders aber seine grossen «Ideen» über Gott und die Welt, Freiheit und Gesetz, Reichtum und Macht.

Der desolate Familien- und Bekanntenkreis (ein Patchwork von Betrügern, Lügnern, Dieben, Verschwörern, Verrätern, Erpressern, Glücksspielern, Bankrotteuren, Welterklärern und falschen Propheten) bildet den gesellschaftlichen Zusammenhang, dem der Berichterstatter entstammt, von dem er zutiefst geprägt ist und dem er niemals entkommen wird: Alle Beteiligten sind und bleiben befangen in einer grossen «zufälligen» Sippe, die aus lauter «unnatürlichen» Beziehungen (aussereheliche Affären, Vergewaltigung, Prostitution, Pädophilie) besteht und die alle erbarmungslos zum Alleingang verurteilt - dazu, ihren Lebensweg allein, also «frei» zu wählen und zu gestalten. Wie sie dies tun und nach welcher Fasson (Geld, Macht, Sex, Gott) sie selig zu werden hoffen, ist Gegenstand des atemlosen Berichts, der offenkundig werden lässt, dass der Mensch - und mit dem Menschen ist bei Dostojewski stets der Russe gemeint - zwar die «Freiheit von» begehrt, doch mit der «Freiheit zu» nichts anzufangen weiss.

Die Entwicklung des Jünglings zum erwachsenen Mann vollzieht sich, unausweichlich, als Teufelskreis. Um zu sich selbst zu kommen und so auch frei zu werden, begibt sich der Erzähler, von Hassliebe angetrieben, auf die Suche nach seinem mondänen Vater, der ihn mit der Frau eines frommen Bauern als «Bastard» gezeugt, sich aber nie um ihn gekümmert hat. Die Suche wird zur éducation sentimentale und führt auf endlosen Irrwegen zu einer klärenden Begegnung. Doch schon bald tritt der Vater dem nun «erwachsenen» Sohn als Nebenbuhler im Kampf um die gemeinsame Geliebte entgegen. Ernüchterndes Fazit: Der Sohn ist in seinem «zufälligen» Verhältnis zum Vater kein Anderer, mithin nicht «er selbst» geworden, sondern lediglich ein Gleicher, ein «Mensch wie du und ich», eine «Nullität» auf dem Schleuderkurs der ewigen Wiederkehr.

VORAUSWEISEND

Wie kein anderer Autor hat Fjodor Dostojewski in diesem - seinem angeblich schwächsten - Roman die gesellschaftlichen und psychischen Befindlichkeiten des «globalen Dorfs» vorausgeahnt und die künstlerischen Errungenschaften der Postmoderne vorweggenommen. Vieles von dem, was er hier vorführt, und auch die Art und Weise, wie er es tut, finden erst bei zeitgenössischen Erzählern vom Rang eines Harold Brodkey oder Thomas Pynchon eine adäquate Entsprechung. Ein Buch, mit dem Dostojewski einst scheiterte, beweist heute, mehr als ein Jahrhundert danach, neue Aktualität - seine Lektüre kann endlich zur glanzvollen Premiere werden.

Fjodor Dostojewski: Ein grüner Junge. Roman. Aus dem Russischen von Swetlana Geier. Ammann-Verlag, Zürich 2006. 829S., Fr. 110.-.

Previous | Next

Paris, Je t'aime: Paris, die mythische Stadt der Liebe. Sie ist aufgeteilt in 18...
SDDZ000020070214e32e000t4
Landkreis
282 Words
14 February 2007
Süddeutsche Zeitung
R4
German
Copyright 2007 Süddeutsche Zeitung

Paris, Je t'aime: Paris, die mythische Stadt der Liebe. Sie ist aufgeteilt in 18 Arrondissements. Und 18 Kurzfilme tragen ihrer urbanen Vielfältigkeit Rechnung - je fünf Minuten lange Beiträge, die das ganze menschliche Spektrum der Metropole widerspiegeln. In "Tuileries" von den Coen-Brüdern landet ein amerikanischer Tourist (Steve Buscemi) in der verstörenden Metro-Hölle. Bei Tom Tykwers "Faubourg Saint-Denis" verliebt sich ein blinder Sprachstudent (Melchior Beslon) in eine Aktrice (Natalie Portman). In "Quartier de la Madeleine" von Vincenzo Natali begegnet ein Reisender (Elijah Wood) einem Vampir. Über den Zauber von Paris schwärmendes Omnibus-Projekt mit internationaler Starbesetzung, bei denen 18 renommierte Regiemeister wie die Coens , Gus Van Sant oder Alexander Payne Hand angelegt haben.

Ladies First: Tagebuch eines Skandals (Mittwoch, 21. Februar, 19:45 Uhr): In der Reihe "Ladies First" - speziell für Frauen - präsentiert das Lichtspielberg Kino exklusiv vor dem Bundesstart "Tagebuch eines Skandals", mit den Hauptdarstellerinnen Cate Blanchett und Judi Dench. Dazu bekommen alle Kinobesucherinnen ein Glas Prosecco und eine kleine Aufmerksamkeit. Die St. George's School in Nordlondon hat einen Neuzugang: Kunstlehrerin Sheba Hart (Cate Blanchett), die schön, aber pädagogisch unvermögend ist. Ihre Kollegin Barbara Covett (Judi Dench) fühlt sich rasch von ihr sexuell angezogen, beobachtet aber entsetzt, wie Sheba mit Steven Connelly (Andrew Simpson), einem ihrer Schüler, schläft. Anstatt sie zu melden, entschließt sich Barbara, das skandalöse Geheimnis für sich zu behalten - und rettet damit Shebas Ehe mit Richard. Doch sie zahlt einen hohen Preis dafür. Pädophilie, Klassenneid, Erpressung - Richard Eyre schöpft aus dem Vollen. Seine von preisverdächtigen Schauspielleistungen getragene Literaturadaption mündet in ein düsteres Gothic-Melodram.

Neu im Lichtspielberg-Kino

A40562937
Previous | Next

Indiens vermisste Kinder
TAZ0000020070212e32d0003c
tazzwei
BERNARD IMHASLY
1169 Words
13 February 2007
taz - die tageszeitung
taz
13
German
(c) 2007 taz, die tageszeitung

Jährlich verschwinden in Indien zehntausende von Kindern, nicht nur aus armen Familien. Warum die Polizei nur selten reagiert – obwohl Pädophilie ein wachsendes Problem ist

AUS DELHI BERNARD IMHASLY

Als der dreijährige Sohn des Chefs von Adobe India Ltd. im vergangenen Oktober auf dem Schulweg verschwand, erregte dies sofort landesweites Aufsehen. Um das Wohnhaus der Familie in Noida, der boomenden Satellitenstadt von Delhi, hatte die Polizei Schranken errichtet, Uniformierte patrouillierten auf und ab, während vom Dach der Fernsehwagen die Kameras jede Bewegung um das Haus filmten. Mehrere Dutzend Frauen und Männer bildeten hinter den Abschrankungen Sprechchöre und schwenkten Fotos. Es waren die Bilder ihrer Kinder – über vierzig –, die in den letzten zwei Jahren im nahe gelegenen Slum von Nithari verschwunden waren. Fotografen schossen ein paar Bilder, doch sonst schien niemand von ihnen Notiz zu nehmen, weder die Polizei noch die Medien. Beide interessierte nur das Verschwinden des Kindes eines Mannes, der mit seiner Firma das „neue Indien” repräsentiert. Mit der Rückkehr des Kindes nach drei Tagen kehrten auch die Kameras der Vorstadt wieder ihren Rücken zu.

Seit Ende des Jahres weiß die indische Öffentlichkeit, worum es sich bei den vielen Kinderbildern handelt. Die Polizei verhaftete den Besitzer und den Angestellten eines großen Hauses am Rande von Nithari. Der Vater von Payal, einer jungen Prostituierten, war aus seinem Dorf in den Bergen gekommen und hatte die Polizei unablässig gedrängt, Nachforschungen über ihr Verschwinden anzustellen. Nach drei Monaten erst machte die Polizei eine Durchsuchung bei Hausbesitzer Mohinder Singh Pandher, einem häufigen Kunden von Payal. Sie ortete Payals Mobiltelefon – es lag im Haus Pandhers.

Rasch wurde klar, dass dieser – oder sein Angestellter Surender Kohli – nicht nur die Prostituierte ermordet hatte. Plötzlich begann die Polizei auf die vielen Anzeigen über vermisste Kinder aufmerksam zu werden, die sich über zwei Jahre lang angesammelt hatten, und deren Spuren die Polizei nicht ernsthaft verfolgt hatte. Im offenen Abwasserkanal hinter dem Haus wurden die sterblichen Überreste von nicht weniger als 17 Leichen gefunden, meist nur noch Knochen. Im Haus fand sich im Verlauf der letzten Wochen nicht nur pornografisches Material in Überfülle, sondern auch Teile von Körpergliedern und Organen. Kohli bekannte, dass er nicht nur Payal, sondern auch die Kinder erwürgt hatte, nachdem sein Arbeitgeber sie sexuell missbraucht hatte. Er habe sich an den Leichen, bevor er sie zerschnitt – und möglicherweise Teile davon verspeiste –, sexuell befriedigt. Es ist unklar, wie viele Opfer einer oder beide auf dem Gewissen haben – die Zahl neu entdeckter Leichenteile nimmt weiter zu.

Medien und Polizei agierten nun hektisch. Auch die Politiker standen Schlange, um die Opfer zu besuchen, ihnen Schmerzensgeld-Schecks auszustellen und die Regierung der Nachlässigkeit zu bezichtigen. Die Nachrichtenkanäle übten harsche Selbstkritik, um dann auch die Polizei heftig zu kritisieren. Ihr Zustand ist in der Tat problematisch. Die gewöhnlichen Polizeigefreiten sind schlecht bezahlt und können von Wohlhabenden damit leicht mit Schmiergeld zum Schweigen oder Nichtstun gebracht werden.

Polizei-Offiziere widmen sich derweil lieber dem Schutz und den Interessen ihrer politischen Dienstherren, die sie mit Versetzungen und Beförderungen nach Belieben belohnen und strafen können. Ein Beispiel war Subinspektorin Simranjeet Kaur, die ins Dorf des Vaters von Payal gegangen war, um die Leute dort zu überzeugen, dass Payal entlaufen sei und der Vater derweil einen ehrenwerten Mann – Pandher – erpresse. Kaur ist inzwischen aus dem Dienst entlassen worden.

Den Platz an den Schranken vor dem Haus Pandhers füllt inzwischen eine andere, größere Menschenmenge – ebenfalls mit Kinderbildern. Aus ganz Nordindien sind Leute zusammengeströmt, deren Kinder ebenfalls verschwunden sind. Sie wollen die Anwesenheit von TV-Kameras nutzen, um die Fotos einer breiten Öffentlichkeit vor Augen zu bringen, in der verzweifelten Hoffnung, Nachrichten der Vermissten zu erhalten. Die Angst, dass diese ebenfalls den Psychopathen Pandher und Kohli zum Opfer gefallen sein könnten, hat über vierhundert dieser Familien bewogen, bei der Noida-Polizei eine Vermisstenanzeige zu machen.

Die Tragödie von Nithari hat damit eine noch tiefer liegende Malaise offenbart. Jährlich werden über 44.000 Kinder in Indien als vermisst gemeldet. Laut P. M. Nair, der eine Studie über Frauen- und Kinderhandel in Indien geschrieben hat, dürfte die Zahl mindestens doppelt so hoch liegen, da viele Kinder gar nicht als vermisst gemeldet werden. Vikas Sawant, ein Vertreter der NGO Pratham in Bombay, schätzt die Gesamtzahl verschwundener Kinder in Indien auf rund drei Millionen.

Das große Gefälle zwischen Arm und Reich, zwischen prosperierenden und bitterarmen Regionen bewirkt einen Migrationsstrom vom Land in die Städte. Rund hundert Millionen Inder verdingen sich auf Arbeitsplätzen außerhalb ihrer Dorfgemeinschaften. Nithari ist das Beispiel eines solchen „Dorfs”: die erste Adresse von Menschen aus Bihar und Bengalen, um in Noida und dem nahen Delhi als Hausangestellte, Wächter, Putzleute, Gärtner Arbeit zu finden. Angesichts des Kommens und Gehens in diesem Slum bestand kaum ein Gemeinschaftsgefühl, und als Bürger ohne Identitätspapiere waren sie für die Polizei ohnehin Verdachtspersonen. Deren Untersuchungen richteten sich, entsprechend dem sozialen Vorurteil, dass Verbrechen von armen Menschen begangen werden, gegen diese Neuankömmlinge.

Rund zehn Prozent der hundert Millionen Migranten dürften Kinder sein, die entweder in der Begleitung eines Elternteils oder allein in den Städten unterwegs sind. Pratham schätzt, dass allein die Zari-Industrie (Silberfädensticken und -weben) in Bombay 60.000 Kinder beschäftigt. Die Kinder, die aus Not von zu Hause weglaufen und die in ihren Notbehausungen auf der Straße meist auf sich gestellt sind, sind extrem gefährdet. Sie können leicht entführt und missbraucht werden – sei es in mafiaähnlich organisierten Bettel-Syndikaten oder Prostitutionsringen, sei es als Heimarbeiter. Junge Knaben werden in die Emirate als Jockeys für die dort beliebten Kamel-Rennen geschmuggelt, viele werden zwangsverheiratet, einige dienen gar als Menschenopfer.

Die sexuelle Ausbeutung ist besonders verbreitet, auch wenn der bestialische Irrsinn des Duos Pandher/Kohli die Ausnahme bleibt. Die Aufmerksamkeit für Kindermissbrauch in der Familie ist auch in Indien gestiegen. Der Film „Monsoon Wedding” von Mira Nair hat vor einigen Jahren einer breiteren Öffentlichkeit die Virulenz der Kombination von sexueller Geheimhaltung und Zusammenleben in der Großfamilie gezeigt. Das Centre for the Prevention of Child Sexual Abuse hat vergangenes Jahr ermittelt, dass von 2.211 Schulkindern in Chennai 42 Prozent in irgendeiner Form sexuell missbraucht worden waren. Zu einem ähnlichen Resultat kam die NGO Rahi in Delhi: 457 von 600 Frauen aus dem oberen Mittelstand in Großstädten waren in ihrer Kindheit von Familienangehörigen und Freunden der Familie „belästigt” worden.

Pinki Virani, Autorin eines Buchs über sexuelle Kindesmisshandlungen mit dem Titel „Bitter Chocolate” zitierte in einem Beitrag in der Zeitschrift India Today den Ausspruch eines Scotland-Yard-Beamten, wonach Indien im Begriff sei, zum wichtigsten Umschlagplatz für internationale Pädophilie zu werden. Die familiäre und ökonomische Problematik wird verschärft durch den mangelnden Rechtsschutz für Kinder. Es gibt keine verbindliche Definition von „Kind”, sexueller Missbrauch ist nur bei Vergewaltigung strafbar. Es kommt nur selten zu Vermisstenanzeigen, weil das Gesetz für solche – im Gegensatz zum Tatbestand der Entführung – kaum polizeiliche Untersuchungsschritte verlangt. Die Polizei, sagte Sagar Hudda, ein hoher Polizeioffizier in Delhi, macht sich eher auf die Suche nach einem gestohlenen Auto als auf die Spur eines vermissten Kinds.

Es gibt keine verbindliche Definition von „Kind”, sexueller Missbrauch ist nur bei Vergewaltigung strafbar

Previous | Next

Hemmerle inszeniert "Blackbird" im Alten Schauspielhaus; Falsche Lebensentscheidungen
STUNAC0020070210e32a0003p
Kulturmagazin
Friedl, Armin
483 Words
10 February 2007
Stuttgarter Nachrichten
24
German
© 2007 Stuttgarter Nachrichten. http://www.stuttgarter-nachrichten.de

Einst hatte der Enddreißiger Raymond ein sexuelles Verhältnis mit der damals 12-jährigen Una. Dafür kam er für einige Jahre ins Gefängnis, sie kam in mehrere Therapien.

VON ARMIN FRIEDL

Jetzt, etwa 20 Jahre später, treffen sie sich wieder, indem sie in der Firma vorbeikommt, bei der er angestellt ist. Regisseur Klaus Hemmerle, viele Jahre Ensemblemitglied am Stuttgarter Staatsschauspiel, sucht die unmittelbare Reaktion in einem eher unwirtlichen, grell ausgeleuchteten Raum, in dem allerlei angebrochene Essensverpackungen herumliegen.

Gegenseitige Beleidigungen und Vorwürfe, überhaupt erhebliche Kommunikationsprobleme kennzeichnen den Anfang dieses Dialogs. Raymond, der inzwischen Peter heißt, bezweifelt zunächst ihre Authentizität, sie zieht ihn generell ins Lächerliche.

Mit geballter Kraft gehen Mirjam Barthel als Una und Michael Holz als Raymond in diesen Dialog. Panisch bewegt sich Holz zwischen Furcht, Hass und Vorsicht, während Barthel gelegentlich die Stimme ins Schrille zu kippen droht. So dauert es ziemlich lange, bis der Zuschauer in die Geschichte hineingezogen wird, bis er allmählich erfährt, wie sich hier was zu was gefügt hat.

Dann öffnet sich auch Harrowers Fragenkatalog: Der Missbrauch der Minderjährigen ist offensichtlich, doch wie hat diese sich davor, während und danach verhalten? Was bringt einen erwachsenen Mann dazu, sich an einem Kind sexuell zu erregen? - Das ist kein Stück über Pädophilie, das nach Erklärungen dafür sucht oder auf das Lolita-Syndrom aufmerksam machen möchte. Es geht hier auch nicht um sexuelle Erlebnisse, sondern um falsche Lebensentscheidungen und die Konsequenzen daraus, mit denen jeder selbst zurechtkommen muss.

Hemmerle leuchtet dies alles schonungslos aus: Das Wissen um den Tabubruch, die verbotene Begierde, das Sehnen beider nach Vertrauen und Intimität, das freilich jeweils ganz verschieden aussieht. Hier gibt es viele beklemmende Momente, aus denen der Zuschauer nicht entlassen wird. Das Bühnenbild von Julia Scholz lässt keine Chance zur Ablenkung: Drei große weiße Stoffbahnen beschränken die Spielfläche. Darauf befinden sich wenige Requisiten wie Stühle, ein Wasserspender, eine Mülltonne und ein Kleiderspind. Die Vorgabe, mit denselben Bühnenbildelementen der Parallelproduktion "Die weiße Rose" zu arbeiten, hat sie so auf einfache, effektvolle Weise eingelöst.

Einerseits ist es dem Paar zu wünschen, dass es nach dieser qualvollen Aufarbeitung wieder zusammenkommt, und die begehrlichen Umarmungen am Ende deuten darauf hin. Doch dann kommt wieder ein kleines Mädchen auf die Bühne und fordert ihren Vater zur Heimkehr auf. Und das ist auch konsequenter so.

Weitere Aufführungen bis zum 7. März

Tonmeister sind Musiker - und Diplomaten

Jubel

für Juli

Selbst eine starke

Erkältung von Sängerin Eva Briegel brachte die Popband Juli bei ihrem Auftritt im Congresscentrum B nicht aus dem konzept. Schon Virginia Jetzt!, als Vorband für Tele eingesprungen, verhieß "Mehr als das". Anschließend verkündeten Juli glaubhaft "Ich liebe dieses Leben" und genossen den Jubel für "Die perfekte Welle". Die Band schickte Luftballons ins Publikum, Eva Briegel fotografierte ihre Fans und zeigte sich zugabenfreudig. Eine Zuschauermeinung? "Wir hatten eine wirklich ,geile Zeit"."

Foto: Franziska

Kraufmann

Previous | Next

Wenn die Justiz dramatisch irrt
SLZNT00020070209e32a0004m
gericht
821 Words
10 February 2007
Salzburger Nachrichten
7
German
(c) 2007. SN. All rights reserved.

Die Geschichte von Irrtümern der Justiz, die Betroffene zu Unrecht ihrer Freiheit beraubten, ist lang. Geld und Entschuldigungen bringen Lebenszeit nicht zurück.

Ronald EscherAndreas WidmayerSalzburg (SN). „Es ist besser, ein Schuldiger geht der Justiz durch die Lappen, als ein Unschuldiger landet hinter Gittern.“

Dieser Satz, den erfahrene Juristen gelegentlich als Aphorismus zitieren, wird immer wieder durch Justizirrtümer widerlegt. Die Justizgeschichte in aller Welt ist voll von solchen Irrtümern, die für die Verantwortlichen dann meist mit einer Entschuldigung, für den Staat mit Entschädigungszahlungen, für die Justiz insgesamt mit einem Vertrauensverlust und für die Betroffenen nicht selten in Tragik enden.

✩ Der wohl folgenschwerste Justizirrtum in Österreich betrifft den Mord an der Salzburger Taxilenkerin Claudia Deubler, die im Juli 1993 in Wals bei Salzburg erschossen wurde. 1994 war der Gmundner Peter Heidegger deswegen zu 20 Jahren Haft verurteilt worden.

Knapp acht Jahre oder 2865 Tage saß Heidegger in Haft – letztlich unschuldig: Wie sich im Wiederaufnahmeprozess herausstellte, hatten Kripobeamte des Salzburger Landesgendarmeriekommandos fehlerhaft ermittelt. Konkret wurden demnach Beweise unterdrückt, Entlastungszeugen ignoriert, der Tatort unzureichend untersucht und Geständnisse erzwungen.

Nach seinem rechtskräftigen Freispruch in einem zweiten Prozess im Jahr 2003 wurden dem heute 33-Jährigen von der Republik Österreich 950.000 Euro Haftentschädigung zugestanden.

Inzwischen versucht das Justizministerium, Teile der Entschädigungszahlungen von den damals ermittelnden Beamten im Weg der Amtshaftung zurückzubekommen.

✩ Mehr als sechs Jahre saß der Linzer Peter L. unschuldig im Gefängnis. Im Zusammenhang mit einem Prostituiertenmord („Fall Tibor Foco“) war der nunmehr 62-Jährige im Jahr 1986 verhaftet und 1987 als vermeintlicher Komplize Focos zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. 1992 wurde Peter L. enthaftet und schließlich 1996 in einem spektakulären Wiederaufnahmeprozess freigesprochen.

Kriminalbeamte hatten laut Verteidigung bei ihren Ermittlungen „gedreht, gemauschelt und manipuliert“. Zudem waren massive Zweifel an den belastenden Aussagen der „Kronzeugin“ aufgetaucht.

Erst nach jahrelangem Rechtsstreit mit der Finanzprokuratur war das Ringen von Peter L. um Haftentschädigung von Erfolg gekrönt: Laut dem Online-Magazin „Blaulicht und Graulicht“ überwies ihm das Justizministerium im Herbst 2004 knapp 300.000 Euro. ✩ Gleichsam zum Synonym für hysterische „Kinderschänderjagd“ wurde ein Verfahren in Deutschland Mitte der 90er Jahre: Bei den so genannten „Wormser Prozessen“ waren 24 Männer und Frauen angeklagt, im Familienkreis 16 Kinder sexuell missbraucht zu haben. Erst 1997 – nach teilweise dreijähriger Untersuchungshaft – waren alle 24 Beschuldigten freigesprochen.

Der Vorsitzende Richter eines der drei Wormser Verfahren hatte in der Urteilsbegründung gesagt: „Der Massenmissbrauch fand nicht statt.“ Vielmehr seien die Kinder Opfer einer fanatischen Gruppe selbst ernannter Kinderschützer geworden. Die betroffenen Kinder seien bis zu 90 Mal befragt worden; in harmlose Äußerungen oder Spielen mit anatomischen Puppen wurden von Therapeuten und Sozialarbeitern Missbrauchssymptome hineininterpretiert.

✩ In Frankreich hat sich das Pädophilie-Verfahren von Outreau letztlich ebenfalls als Justizskandal entpuppt. Im von großem Medieninteresse begleiteten Kinderschänderprozess waren 17 Personen aus der nordfranzösischen Trabantenstadt im Jahr 2000 als Mitglieder eines Kinderpornorings angeklagt worden. Vier von ihnen wurden zwar verurteilt, die übrigen 13 aber – nach teils jahrelanger U-Haft – erst 2005 freigesprochen. Der damals 30-jährige Untersuchungsrichter Fabrice Burgaud – im französischen Justizsystem zugleich als Polizeiermittler tätig – hatte Beweise ignoriert, die die Unschuld der Angeklagten belegten.

Hintergrund: Der unerfahrene Richter witterte – ganz unter dem Eindruck der im benachbarten Belgien spielenden Dutroux-Affäre – einen Kinderschänderskandal ungeahnten Ausmaßes.

Zu den spektakulärsten Justizirrtümern der britischen Kriminalgeschichte zählen Prozesse, in denen Verdächtige wegen vermeintlicher Beteiligung an den blutigen Bombenanschlägen der IRA verurteilt wurden:

✩ Als 1974 bei Bombenanschlägen auf zwei Pubs in Birmingham 21 Menschen getötet wurden, startete die Polizei eine fieberhafte Jagd auf IRA-Terroristen. Sechs Männer, genannt „Birmingham Six“, wurden von den Ermittlern als überführt bezeichnet. 1975 wurden die Angeklagten zu lebenslanger Haft verurteilt. Erst 1988 kam es zu einem Berufungsverfahren, in dem der Richter bezüglich der Zeugen aus Kreisen der Polizei zum Ergebnis kam: „Sie müssen gelogen haben.“ Die „Birmingham Six“ wurden freigelassen.

✩ Ganz ähnlich der Fall der „Guildford Four“: Vier Verdächtige wurden im Oktober 1975 wegen eines Bombenanschlags auf einen Pub in Guildford (fünf Tote, 65 Verletzte) zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach 15 Jahren wurde dieses Urteil aufgehoben. Auch hier hieß es: „Lügengebäude der Polizei.“

„Im Namen des Vaters“: Er starb hinter Gittern Einer dieser Gruppe war der Ire Gerard Conlon. Als ihn sein Vater in der Haft besuchen wollte, wurde auch er verhaftet – und mit insgesamt sieben Mitgliedern der Familie angeklagt, für die IRA eine Bombenfabrik betrieben zu haben. Die „Maguire Seven“ mussten ihre Strafen verbüßen, obwohl ein Berufungsgericht später zum Ergebnis kam: Die London Metropolitan Police hatte Geständnisse aus ihnen herausgeprügelt. Der Vater Gerard Conlons starb in Haft. Diese Geschichte wurde später unter dem Titel „Im Namen des Vaters“ verfilmt.

✩ Mehrmals jährlich werden Fälle bekannt, bei denen Unschuldige von US-amerikanischen Gerichten verurteilt wurden – im Land der Todesstrafe mitunter mit tödlichen Konsequenzen. Seit 1973 wurden 123 Personen in 25 Bundesstaaten wegen erwiesener Unschuld aus den Todeszellen entlassen. Wesentlichen Anteil daran hat die DNA-Analyse. Auf ihr ruht für die Zukunft auch Hoffnung, dass Justizirrtümer reduziert werden können.

snstamm | SNZ41-857609303.03.2007 | 41-8576093
Previous | Next

Eine Drosselsuppe für den Herrn; Denken, fühlen, ekeln: Eine Stuttgarter Tagung diskutiert den Sinn von Tabus
SDDZ000020070209e3290003b
Feuilleton
ALEXANDER KISSLER
855 Words
09 February 2007
Süddeutsche Zeitung
12
German
Copyright 2007 Süddeutsche Zeitung

Defloration und Pornoboom, Skatologie und Orgasmusfähigkeit: Nicht häufig werden solche Worte in kirchlichen Räumen ausgesprochen. Die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart gab nun ein Beispiel forcierter Realitätsnähe. Sie gewährte den Tabus für drei Tage ein Obdach, ließ sie durch ein Dutzend Wissenschaftler benennen und schuf so ein an Tabubrüchen notwendig reiches Event. Zwischen „Mädchen, die sich selbst entdecken,” und einem „bösartigen Anal-Anarchisten” des 16. Jahrhunderts wuchs die Ahnung, dass jenes schillernde Wort im Zentrum der Tagung, dass das Tabu die Grenze, die es markiert, immer schon hinter sich lässt.

Seit James Cook 1777 auf den Tonga-Inseln den Begriff hörte – „wenn eine bestimmte Speise verboten ist oder etwas nicht benutzt werden darf, sagen sie, dass diese Sache Tabu sei” –, seitdem haben sozial sanktionierte Meidungsgebote einen gesellschaftskritischen Sinn. Sie bedrohen das Gebot durch dessen Aussprache. In archaischen Gesellschaften wie einst in Ozeanien verhinderte der sprachmagische Bedeutungsüberschuss die Destruktion des Gesagten. Kaum waren Cooks Schiffe aber in England gelandet, kaum besprachen Lord und Lady ihre Tabus, begann die Krise des Unstrittigen. Deshalb sind Ethnologen bemüht, den Begriff auf die, wie es lange hieß, „nichtgeschichtlichen Völker” zu begrenzen. Deshalb zweifelte nun Christoph Antweiler (Trier), ob es in komplexen Gesellschaften überhaupt allgemeine Tabus geben könne, und deshalb stellte sich Kollege Friedemann Schmoll (Tübingen) mit den Worten vor: Er sei europäischer Ethnologe, also kein Ethnologe.

Nichts nämlich fürchten die Ethnologen so sehr wie den Verdacht, ein Relikt aus den Zeiten des Kolonialismus zu sein. Sie nennen sich ungern Volkskundler, um dem Vorwurf des Chauvinistischen zu entgehen, und manchmal sprechen sie von sich selbst als empirische Kulturwissenschaftler. Der Aufstieg des Tabu-Begriffes in die Alltagssprache vollzog sich parallel zur Entmächtigung der Ethnologen. Antweiler definierte das Tabu überzeugend als „Denk- und Fühlfigur”, als „jegliches Unantastbare”, mit dessen Hilfe eine Gesellschaft Gefahren bearbeite und Ordnung etabliere – erklärte sich dann aber nicht zuständig für die deutsche Gegenwart. Aus der Metaphorisierung des Tabubegriffes ließen sich wissenschaftlich keine Funken schlagen. Bekanntlich brach laut einer Agenturmeldung auch Giorgio Armani Ende Januar ein „Tabu”. Der Modeschöpfer ließ seine eigentlich exklusive Haute-Couture-Schau im Internet übertragen.

Der Skepsis Antweilers zum Trotz wagte sich Schmoll an eine Analyse mitteleuropäischer Essgewohnheiten: Warum essen die Deutschen keine Singvögel? Noch im 19. Jahrhundert delektierte man sich an Lerche in Aspik und Helgoländer Drosselsuppe. Francois Mitterands letzte Speise waren in Alkohol ertränkte, in Fett gebratene Ortolane, possierliche Vögel, die man komplett in den Mund nimmt und schmatzend zerkaut. Jenseits des Rheins riefe der Brauch Unverständnis, ja Ekel hervor. Die „von der Psyche regulierten Magensäfte” rebellierten, die „verinnerlichten Selbstzwänge” setzten sich durch, so Schmoll.

Das Nahrungstabu ist Frucht einer späten Aufklärung. Das protestantisch dominierte Bürgertum wollte sich mit seiner Gefühlskultur abheben von den „katholischen Begierlichkeiten” in Frankreich und Italien. Die Vögel wurden „gefiederte Freunde” und damit unantastbar. Sie erschienen als „Idealbürger im Wertehimmel des 19. Jahrhunderts”, als Nest bauende Künstler und heimatverbundene Familienwesen mit einem dezenten, aber produktiven Sexualleben. Zudem war nach dem Ende der „Knappheitsökonomie” die Aufzucht und Verwertung von Schwein und Kuh effizienter als die Jagd nach den kleinen, flatterhaften Luftikussen. Die Vögel wanderten vom Kochtopf in die Herzen.

Gewiss ließe sich der Ekel bekämpfen und das Tabu negieren. Doch wäre es damit gebrochen? Der Germanist Wolfgang Braungart (Bielefeld) deutete die Eskapaden des „aggressiven, bösartigen Anal-Anarchisten” Till Eulenspiegel, der in der Erstfassung von 1515 seine Zu- und Abneigungen mit Notdurft und Körpersekret formulierte, so: Wer die derben Possen las, sollte im inszenierten Tabubruch die Sinnhaftigkeit des Tabus erfahren. Ähnlich verhielt es sich Klaus Ridder (Tübingen) zufolge schon im Spätmittelalter. Der oft verhandelte „Griff ans weibliche Geschlecht” war Teil einer „Logik des Falschen”, mittels der die dichtenden Künstler ein Monopol auf den Tabubruch beanspruchten.

Vermutlich hat auch David Hamilton diesen Anspruch – doch ist der fotografische Weichzeichner, der Schöpfer von „Bilitis” ein Künstler? Der Lüneburger Medienwissenschaftler Jörn Glasenapp hält ihn für einen Meister in der „Technik der unmissverständlichen Andeutung”. Massiv angedeutet werde auf den Fotos von – so ein Klappentext – „Mädchen, die sich selbst entdecken,” das „Tabuthema Pädophilie”. In einem atemlosen Parforceritt wurde Glasenapp deutlich: Die „motivarme Bilderwelt” des „großen Profiteurs der Freizügigkeit der siebziger Jahre” bediene die Sehnsucht alter Herren nach sexuellen Abenteuern mit Minderjährigen. Tatsächlich illustriert Hamilton sein nach eigener Aussage „verbotenes Verlangen” mit den immergleichen Posen vermeintlich auf Defloration drängender Lolitas. Silbe um Silbe, Bild für Bild wuchs in Stuttgart die Beklemmung und damit die Gewissheit: Pädophilie ist ein wirkmächtiges und sinnvolles Tabu. Glasenapp sah sich momentweise mit Ächtung bedroht. Dem Publikum wurden die obszönen Vokabeln und die kitschigen Fotos zu viel.

Ehe die Tagungsleitung eingreifen musste, beruhigte sich das Geschehen. Tags darauf ging man friedlich auseinander. Man hatte an einem Tabu als dem „kollektiven Bösen” (Karl Otto Hondrich) gerührt. Zurück blieb die Erkenntnis mancher Auslassung; kein Psychologe, kein Theologe, kein Soziologe wurden befragt. Zurück blieb auch die Frage: Wenn überkommene Tabus tatsächlich Gefahren abwehren sollten und Ordnungen situieren – welche Ordnung gibt sich dann eine Gesellschaft, die eher auf Risiken denn auf Gefahren errichtet ist?

A40548183
Auch ein Tabubruch? Szene aus dem Film „Bilitis” von David Hamilton (Frankreich 1979). Foto: Cinetext
Previous | Next

Die Oper - die uns gut gefiel - war ein großes Kinderspiel
DWELT00020070206e3260006s
FEUILLETON
Helmut Peters
260 Words
06 February 2007
Die Welt
DWHH-REG
38
31
German
Copyright 2007 Axel Springer AG . Zusatzhinweis: "Dieser Artikel darf ohne die vorherige Zustimmung des Verlages nicht weiter-verbreitet werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechte, die Ihnen generell hinsichtlich der Factiva-Dienste eingeräumt wurden." Notice: "This article may not be redistributed without the prior consent of the Publisher. This is a restriction on the rights granted under the terms of your subscription for Factiva Services."

Moritz Eggert versteht sich darauf, wie man verhärteten Nasenschleim, umgangssprachlich auch Popel genannt, zum Klingen bringt. Am Sonntag hatte auf Kampnagel seine fantastisch-unterhaltsame Kinderoper "Dr. Popels fiese Falle" Premiere. Mit fünfzig Kindern und Jugendlichen des Albert-Schweitzer-Gymnasiums allein im Orchester war diese Produktion die bislang aufwendigste in der Geschichte der Opera piccola. Und alle hatten ihren Spaß daran, auch wenn Regisseur Michael Sturm, wie mitwirkende Kinder nachher erzählten, bei den Vorbereitungen ein ziemlich strenges Tempo und eiserne Disziplin gefordert hatte.

Trotz knallbunter Dekoration und hinreißender Kostüme - am besten waren die blondierten "absolut unbezahlbaren Riesen" - ging es ihm mehr um die dunklen Seiten des Stoffes. Dr. Popel, großartig gesungen von Tom Schmidt, jagt Kinder und schickt sich an - die Anspielung auf Gewalt oder gar Pädophilie waren fast aufdringlich - seine Opfer in Gestalt von Gartenzwergen zu verkaufen. Ein Glück, dass die Kinder Abú (Jannik Semmelhaack) und Ola (Barbara Irrgang), als Sänger und Kontrahenten wundervoll agierend, ihm hier die Stirn boten.

Es ist ein Spiel mit und um die reiche Einbildungskraft von Kindern und deren Fähigkeit, die Realität in der Groteske zu spiegeln. Eggert schreibt dazu eine Neue Musik ohne Grenzen. Hier begleitet die Celesta ein sprechendes Vorhängeschloss, dort persifliert er den Manierismus des kommerzialisierten Musicals oder gibt der Musik den rhythmischen Impuls eines Westernsoundtracks à la Elmer Bernstein. Und doch ist sein Stil ganz eigenständig, hochdramatisch und spannend, egal ob er Saxofone mit E-Gitarren oder auf umgedrehte Kochtöpfe gelegte Spieluhren mit einem Blockflötenchor kombiniert. hpe

50446761
Previous | Next

Ein Prozent …
TAZ0000020070202e32300007
Dossier
CJG
241 Words
03 February 2007
taz - die tageszeitung
taz Magazin
II
German
(c) 2007 taz, die tageszeitung

aller Männer in Deutschland, so wird geschätzt, spürt pädophile Impulse, etwa ein Drittel davon lebt sie auch aus. Pädophil ist, wen Kinder sexuell erregen. Der Begriff „Pädophilie” sagt nichts über Verhaltensweisen aus. Woher diese Präferenz kommt, lässt sich psychologisch genauso wenig erklären wie der Ursprung von Heterosexualität.

Pädophile Männer entdecken ihre Neigung meist erst mit Anfang 20. Knapp zwei Drittel sind alleinstehend. Da Frauen öfter für Kinderbetreuung zuständig oder in erzieherischen Berufen tätig sind, lassen sich ihre pädophilen Impulse laut Marianne Bayer von der Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität leichter als fürsorgliche Zärtlichkeit interpretieren, sowohl vom Umfeld als auch von den Kindern und den Betroffenen selbst.

Im Juli 2006 erschien Horst Vogts „Pädophilie. Leipziger Studie zur gesellschaftlichen und psychischen Situation pädophiler Männer” im Pabst Verlag mit ausführlichen Überlegungen zur Persönlichkeitsforschung. Die erste deutschsprachige Studie zur Pädophilie unter soziosexuellen Gesichtspunkten unternahm Rüdiger Lautmann, Professor für Soziologie, 1994 mit „Die Lust am Kind”, erschienen im Klein-Verlag. Die Soziologin Dr. Gisela Bleibtreu-Ehrenbert veröffentlichte 1985 im Beltz Verlag mit „Der pädophile Impuls” die bislang einzige Monografie, die sich dem Thema auch aus dem Blickwinkel der Anthropologie und Zoologie nähert.

Beim Projekt zur Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld finden mit zwei Therapeuten in Gruppen 45 dreistündige Sitzungen statt, zusätzlich mit einigen Patienten 45 Einzelgespräche à 50 Minuten. Veranstaltet wird der bundesweit erste Kurs von der Ärztekammer Berlin, der Akademie für Sexualmedizin und dem Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité. CJG

Previous | Next

Bitteres Begehren
TAZ0000020070202e32300006
Dossier
CORNELIA GELLRICH
2258 Words
03 February 2007
taz - die tageszeitung
taz Magazin
I-II
German
(c) 2007 taz, die tageszeitung

Pädophile gelten oft automatisch als Kinderschänder. Eine psychologische Betreuung findet erst hinter Gittern statt, eine spezielle Therapie gibt es nicht. Ein Pilotprojekt in Berlin will das jetzt ändern

VON CORNELIA GELLRICH

Herr P., der in Wahrheit nicht so heißt, ist Anfang 50 und lebt im Ruhrgebiet. Seit einem Jahr fährt er jeden Dienstag nach Berlin, dem einzigen Ort in Deutschland, wo ihm geholfen werden kann. Dort lässt Herr P. seine Fantasien therapieren. Aus eigener Erfahrung kennt Herr P. nicht, wovon er träumt. Er hat noch nie seiner Erregung nachgegeben und ein Kind, das ihm gefiel, berührt. „So was macht man einfach nicht”, das wusste er schon immer.

„Lieben Sie Kinder mehr, als Ihnen liebt ist?”, warb 2004 das Institut für Sexualmedizin an der Berliner Charité für sein bislang einzigartiges Forschungsprojekt „Zur Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld” potenzielle und reale Täter an. Mehr als 500 Männer meldeten sich zur „Dissexualität-Therapie”, 170 davon, unter ihnen Herr P., begannen die auf ein Jahr angelegte Therapie 2006, 100 sind noch übrig, 50 weitere beginnen jetzt in diesem Frühjahr.

Nur diejenigen werden behandelt, bei denen tatsächlich eine pädophile Neigung in den Vorgesprächen erkannt wird. Viele befürchten, pädophil zu sein, interessieren sich aber in Wahrheit nur für Kinder als Ersatzobjekte, weil sie einer gleichberechtigten Beziehung zu einem Erwachsenen nicht gewachsen sind. Lediglich drei Frauen waren dabei, von denen, wie sich im Gespräch herausstellte, keine tatsächlich pädophil war.

Herr P. spricht über sein Begehren. Er trägt Schwarz und fühlt sich auch so. Er wirkt ruhig, introvertiert. Er mag Mädchen. Zwischen zehn und zwölf sollten sie sein, in jedem Fall vor der Pubertät. Dünn möchte er sie haben, und „es muss ihnen anzusehen sein, dass sie aus etwas schlechteren sozialen Verhältnissen stammen, so wie ich ja auch, das stellt dann so was Vertrautes her”, erklärt Herr P. Sie müssen groß sein, denn Herr P. möchte ihnen nicht wehtun, und „je größer sie sind oder erscheinen, desto einfacher würde es mir fallen, mir in der Fantasie auch eine sexuelle Handlung vorzustellen”.

Aber es ist nicht nur Sex, den Herr P. sich erträumt. Er würde gerne ein Mädchen aufziehen, so etwas wie eine Vater-Tochter-Beziehung leben, mit erotischer Komponente. Er beschützte dann das Kind, umsorgte es. In einer seinen Fantasien kommt das Mädchen nass und durchgefroren vom Regen zu ihm, er steckt es in die Badewanne, wäscht, wärmt es, scherzt und albert mit ihm. Aus dieser lockeren Atmosphäre heraus ergibt sich ganz natürlich der Oralverkehr, bei dem das Kind passiv genießt, ohne genau zu wissen, was das ist, was da gerade mit ihm passiert.

Mittlerweile baut Herr P. die Therapie in seine Fantasie ein: Er erklärt dem Mädchen, dass er ein Problem habe, dass er sich nach eigentlich verbotenen Körperkontakten zu Kindern sehne. Das Mädchen in seinem Kopfkino versteht ihn und versichert, es wäre ihm durchaus recht, wenn er seine unrechten Triebe an ihm auslebte. Skrupel und Loslassen führen so eine Koexistenz.

Gemeinhin herrsche zwar die Ansicht, Pädophile wollten Kinder missbrauchen, sagt der Psychologe Christoph J. Ahlers, einer der Therapeuten. Doch seiner Erfahrung nach sei das Problem komplexer. „Die meisten wünschen sich Hilfe bei ihrer lebenslangen Aufgabe, der eigenen Neigung nicht nachzugehen.”

Je klarer die Wirklichkeit gesehen wird, so die klinische Erfahrung der Sexualmediziner, desto leichter fällt die Eigenkontrolle. Also werden verzerrte Wahrnehmungen der eigenen Realität korrigiert, beispielsweise die Vorstellung, das Kind selbst habe den ersten Schritt gemacht, geflirtet, die körperliche Nähe gesucht. Oder die Hoffnung, dieses eine Kind zu finden, mit dem eine beidseitig erwünschte erotische Liebesbeziehung möglich wäre. Am schwersten fällt es den meisten Patienten, einzusehen, dass sie niemals ihre Lust auf Kinder loswerden können. Sie müssen lernen, damit zu leben, ohne Leid zu schaffen, weder den Kindern noch sich selbst.

Die konkreten sexuellen Vorlieben Pädophiler sind genauso vielfältig und unterschiedlich wie die aller Menschen. Trotzdem scheint überdurchschnittlich oft Befriedigung aus der aktiven Rolle gezogen zu werden, ist das Stimulieren des eigenen Körpers für viele nicht notwendig und auch nicht die Penetration. Insgesamt zeichne sich „das Bild eines genital zurückgenommenen Erwachsenen ab”, schreibt Horst Vogt in seiner gerade erschienenen Studie zur Pädophilie. Vielleicht liegt der Grund hierfür in einer Selbstzensur noch in den Träumen, die nach für das Kind möglichst schmerzfreien Formen der Erotik sucht. Vielleicht tritt die Lust am Lustmachen einfach nur etwas häufiger unter Pädophilen auf, weil das Bild des Gegenübers, das ja gewisse Kriterien erfüllen muss, besonders wichtig ist.

Der Wunsch nach Liebe, nach Nähe jenseits des Sinnlichen ist im Pädophilen genauso tief verankert wie in jedem anderen auch. Zwar begeistert der kindliche Körper, aber das Wesen steht im Vordergrund. Die Neugier des Kindes, seine Hilflosigkeit. Sein Übermut und seine Zutraulichkeit. Seine Spontanität und Schutzbedürftigkeit, seine Abenteuerlust. An Jungen wird laut Vogts Studie von Pädophilen geschätzt, dass sie oftmals etwas keck sind. Mädchen sollten das nicht sein.

Sexualität steht an zweiter Stelle, vorrangig ist die Sehnsucht nach einer liebevollen, intensiven Beziehung. Den starken Instinkt zur Fürsorglichkeit weckt das Kind, dieser wird begleitet von sexuellem Verlangen. Wie das aussehen kann, wenn jemand den Schritt vom Traum in die Realität, über die Grenzen des Gesetzes und der Moral hinaus, von der Liebe zum Besitzanspruch und ins Verborgene hineingeht, das hat der Journalist Manfred Karremann beschrieben, der 2003 für den Stern und das ZDF ein Jahr lang in Deutschlands Pädophilenszene recherchierte. Er traf Männer, die den Kindern offiziell nur ein väterlicher Freund waren. Der Erwachsene holt das Kind von der Schule ab, trägt seinen Ranzen. Es wird bei McDonald's gegessen, Gokart gefahren, die Hausaufgaben werden erledigt. Was man eben so macht, mit Kindern. Ergänzt durch Berührungen unter der Dusche, im Bett. Durch Onanieren über dem Kind, wenn es schläft. Nach Karremanns Erkenntnissen eignen sich Unterschichtskinder besonders gut für die Erfüllung pädophiler Bedürfnisse, da ihre Familie, ihr soziales Umfeld wohl oft weniger aufmerksam sind.

Der Anteil pädophiler Männer am sexuellen Missbrauch von Kindern liegt laut Horst Vogts Studie bei nur ein bis fünf Prozent. Den großen Rest der Übergriffe begehen Sadisten oder Ersatzobjekttäter, die sich nach einer Beziehung zu einem erwachsenen Partner sehnen, aber aus den unterschiedlichsten Gründen nicht in der Lage dazu sind.

Herr P. war ungefähr acht Jahre alt, als ihm durch Gespräche mit Gleichaltrigen dämmerte, was mit ihm los war, dass jüngere Kinder ihn erregten, und dass das nicht normal ist. Als Ende der Sechzigerjahre der Fall des Jürgen Bartsch, der vier Jungen vergewaltigt und zu Tod gequält hatte, durch die Presse ging, identifizierte sich der inzwischen jugendliche Herr P. mit ihm. Er fand es schockierend, einem Serienmörder zu ähneln, aber es war auch gut, endlich einen Begriff für das bislang namenlose Furchtbare zu haben, das in ihm war. Inzwischen hat er gelernt, dass er mit dem Mörder Bartsch rein gar nichts zu tun hat.

Was ihn zur Verzweiflung brachte, fast sein ganzes Leben lang, war die Unmöglichkeit, sich mitzuteilen, sich auszutauschen. Er kam nicht gegen das Schweigen an, das das Tabuthema Kindesliebe in der Unsichtbarkeit festhält. Wenn sein Trieb ihn nicht quälte, quälte ihn die grauenvolle Vorstellung, das einzige Monster auf Erden zu sein, einer, der etwas Böses beheimatet in seiner Seele, von dem niemand auch nur etwas ahnen darf.

Google liefert ungefähr 189.000 Ergebnisse zum Suchbegriff „Pädophilie”. Darunter finden sich allerdings viele Seiten, mit denen Herr P. nichts anfangen kann, weil auf ihnen Pädophilie und der Schaden, den Kinder durch sexuelle Übergriffe Erwachsener nehmen, verharmlost werden. Da gibt es Seiten wie girlloverforum.net. Die Startseite ziert das Bild eines Steinbodens, auf den mit weißer Kreide ein Herz gekritzelt wurde, ein Schmetterling – das Zeichen der Pädophilenbewegung – und diese Käsekästchen, die Kinder für Hüpfspiele benutzen. Die Seite richtet sich an Menschen mit „einem breit gefächerten Interesse an vorpubertären und pubertären Mädchen”.

Die Website von „Butterfly Kisses”, auch bekannt unter dem Namen „The International Female Girllover Collective”, eröffnet mit einem Foto, das Bodylotions oder Waschmittel bewerben könnte: Eine junge Frau in weißem Bademantel hält ein kleines, selig lächelndes Mädchen im Arm. Sie haucht einen Kuss auf seine Schläfe. Ein großer Schmetterling schwebt über die untere Ecke des Fotos. Butterfly Kisses richtet sich an Frauen, die Mädchen lieben. Selbsterklärtes Ziel der Organisation: „unsere Gesellschaft dazu zu bringen, offen gegenüber der emotionalen und erotischen Anziehung zwischen Frauen und Mädchen zu sein”. Dazu gibt es auch noch ein Foto vom Mädchen des Monats.

Das latente Unwohlsein, das sich beim Betrachten dieser kitschig-schmusigen Seiten einschleicht, wird verstärkt, gelangt man zur Seite der Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität (AHS), die Selbsthilfegruppen für Pädophile und andere Menschen mit abweichenden sexuellen Präferenzen organisiert. In einem 1999 zuletzt aktualisierten und immer noch auf ihrer Homepage zu findenden Positionspapier begehrt die AHS gegen das geltende Sexualstrafrecht auf, das „die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse bestimmter Menschengruppen pauschal unterdrückt”. Mit diesen „bestimmten Menschengruppen” meint die AHS Pädophile, aber auch Kinder, die sich laut AHS durchaus von Erwachsenen sexuell angezogen fühlen können.

Doch Kinder können, so die Ansicht der Charité-Ärzte, niemals wissentlich und willentlich und demzufolge auch nicht frei sexuellen Aktivitäten zustimmen. Die AHS fordert die Aufhebung des Verbots von Sex zwischen Kindern und Erwachsenen, da sie an die Möglichkeit nichtschädigender, gleichberechtigter und einvernehmlicher intergenerationaler Sexualität glaubt. Herr P. lernt in der Berliner Charité etwas Anderes. Weil das Kind nicht nur willentlich, sondern auch wissentlich an der sexuellen Handlung teilnehmen müsste; und wie weit es her ist mit dem kindlichen Wissen über Sexualität und Erotik, ist fraglich.

Für Professor Beier und seine Kollegen fällt unter sexuellen Missbrauch jede Handlung an oder mit einem Kind, die der Stimulierung oder Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse eines Erwachsenen dient, auch wenn es sich dabei nur um Händchenhalten oder Haareordnen handelt. Deshalb lautet ihre Losung strikt: Hands off! Das Pilotprojekt „Prävention im Dunkelfeld” will Pädophile nicht umpolen, denn eine Veränderung der sexuellen Präferenz, die sich spätestens in der Pubertät festigt, ist nicht möglich. Zu schaffen ist aber nach Einschätzung von Professor Beier und seinem Team eine vollständige Verhaltenskontrolle. Darüber hinaus sollen außerdem psychische Sekundärschäden gelindert werden. Die meisten Pädophilen leiden unter Depressionen, Ängstlichkeit, paranoidem Denken. Dazu kommen Einsamkeit, Soziophobie, Suchtverhalten.

Sylvia Tanner von der Beratungsstelle für Pädophile und deren Angehörige in der Schweiz glaubt, ihre Klienten seien wichtige Stützen der Gesellschaft. Sie könnten Minderjährigen als erwachsene Bezugspersonen dienen, da ihre Liebe zu sehr jungen Menschen, ihre Geduld, ihr Empathievermögen sie zur Kinder- und Jugendarbeit prädestinierten. Herr P. sieht das anders. Er konnte den von seinem Vormund ausgewählten Beruf des Erziehers nicht lange ausführen. Seine Angst vor sich selbst war zu groß, seine wahnsinnige Panik, etwas Schreckliches zu tun, was sich nie wieder gut machen lassen würde. Denn, das war ihm klar, auf legale Weise käme er an ein Kind zum Aufziehen und Streicheln nie heran. Außerdem setzte die ständige Übermacht seines Triebes Herrn P. gerade in jungen Jahren gewaltig unter Stress. Alles drehte sich um den Sex, der nicht stattfand. „Unglaublich anstrengend war das, den ganzen Tag über vom Anblick der Kinder erregt zu werden, immer wieder auf die Toilette rennen zu müssen, um sich die Last, den Druck zu nehmen.”

Herr P. begab sich auf die lebenslange Flucht vor der eigenen Lust. Um weniger Kinder zu Gesicht zu bekommen, verabschiedete er sich von der Pädagogik und arbeitete als Hilfskraft in diversen Jobs. Jetzt ist er arbeitslos. Wenn sich im Bus Kinder neben ihn setzen, steht er auf und sucht sich einen anderen Platz. Dann lachen ihn die Kinder manchmal aus. Seine Ehe ging nach zwanzig Jahren in die Brüche. Mit seiner Neigung konnte seine Frau zwar leben, nicht aber mit seiner Schwermut.

Herr P. nahm jahrelang Trevilor gegen die Depression und nimmt im Rahmen des Präventionsprojektes jetzt auch Androcur zur Triebdämpfung. Er verträgt beides nicht. Nach der Trennung versuchte er, eine „Kindfrau” von knabenhafter Figur zu begehren, klein, zierlich, schutzbedürftig. Das klappte so halbwegs, war aber letztlich nur notdürftiger Ersatz. Herr P. würde gerne eine Partnerschaft mit einer Frau eingehen, er weiß nur nicht, wie das gehen soll, mit seiner Lust auf Mädchen. Und die will er nicht mehr verheimlichen.

Vierzig Jahre lang Theater gespielt zu haben ist mehr als genug für ihn. Nur macht es ihm die Gesellschaft nicht leicht, zu zeigen, wer er ist. Steht etwas in der Zeitung über Pädophile, dann hört er aus seiner Umgebung sofort Sprüche wie: „Wenn ich so einen in die Finger kriege!”, und es packt ihn die nackte Angst. Also trifft er einfach immer weniger Menschen, die ihn ja eh nicht verstünden, deren Sympathie vielleicht ganz schnell in Hass umschlagen könnte. Herr P. lebt völlig isoliert. Eine Woche lang die eigene Stimme nicht zu hören ist für ihn nichts Ungewöhnliches.

Herr P. hatte jahrelang keinen Spiegel, weil er sein eigenes Abbild nicht ertrug. „Durch die Therapie”, erzählt Herr P., „ist es mir irgendwann gelungen, mich nicht mehr als perverses, sondern nur noch als armes Schwein zu fühlen. Aber das hat nur ein paar Tage funktioniert.” Ironischerweise fällt es Herrn P. zunehmend schwer, seine Fantasie zu füttern. Mädchen von acht, neun Jahren, die noch richtig kindlich sind, werden seltener.

Um die Kindheit zu schützen, muss die Gesellschaft endlich umdenken. Das politische und finanzielle Engagement darf sich nicht allein auf die Bestrafung von Tätern reduzieren. Es muss vorgesorgt werden. Der Unterschied zwischen Kinderschändern und Pädophilen muss deutlich gemacht werden. Dass manche Pädophile die Legalisierung von Sex mit Kindern fordern, ist dabei nicht sehr hilfreich. Konstruktiver wäre es laut Christoph Ahlers, endlich Psychotherapeuten für die Behandlung von Pädophilen auszubilden. Er träumt von einem flächendeckenden Versorgungsnetzwerk ähnlich dem, das zur Eindämmung von HIV gespannt wurde. Dafür müsste nur, so Ahlers, die Gesellschaft Sexualität endlich auch als Teil der Gesundheit ansehen. Das würde auch die Sicherheit von Kindern erhöhen.

CORNELIA GELLRICH, Jahrgang 1980, lebt als freie Autorin in Berlin
Previous | Next

Frankreich größter Kinderschänderprozess geht in zweite Runde
AFPDE00020070202e32200239
PIN
218 Words
02 February 2007
15:46 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2007 All reproduction and presentation rights reserved.

Nantes, 2. Februar (AFP) -

Der größte Kinderschänderskandal der französischen Justizgeschichte wird teilweise neu aufgerollt: Vor dem Schwurgericht im westfranzösischen Nantes lief am Freitag der Berufungsprozess gegen zwölf Männer an, die im Juli 2005 in Angers wegen Missbrauchs ihrer eigenen Kinder und Enkel sowie Zuhälterei Strafen von bis zu 28 Jahren Gefängnis erhalten hatten. Insgesamt hatte es bei dem ersten Mammut-Verfahren 62 Schuldsprüche und drei Freisprüche gegeben; ein Angeklagter hatte Strafverschonung erhalten. Die 45 kleinen Opfer erhielten im September 2005 Entschädigungszahlungen von insgesamt 1,257 Millionen Euro.

Das Pädophilie-Verfahren von Angers, der bisher größte Strafprozess in Frankreich, hatte im Sommer 2005 für großes Aufsehen gesorgt. Der Anwalt Gérard Bérahyat-Lazarus, der einen zu 18 Jahren Haft Verurteilten verteidigt, sagte am Freitag, er erhoffe nun in Nantes "keine Massenbehandlung, sondern eine Präzisionsbehandlung".

Der Anwalt des als Nebenkläger auftretenden Regionalrates, Jacques Monier, verwies darauf, das auf zehn bis zwölf Wochen angesetzte Berufungsverfahren werde "schwierig für die Kinder". Einige von ihnen hätten Rückschritte bei der Aufarbeitung der Anfang 1999 bis Anfang 2002 erlittenen Traumas erlitten, seit sie von dem Prozess erfahren hätten, sagte Monier. Bei dem zweitinstanzlichen Verfahren werden rund dreißig im Juli 2005 Verurteilte als Zeugen erwartet. Sie hatten anders als die nun erneut Angeklagten ihre Strafen angenommen.

pin/mt/nau

Previous | Next

Fatale Suche nach Nähe; Der Berliner Psychiater Werner Platz über Online-Sex als Sucht
SDDZ000020070131e31v000pi
Panorama
866 Words
31 January 2007
Süddeutsche Zeitung
9
German
Copyright 2007 Süddeutsche Zeitung

Werner Platz ist forensischer Psychiater am Vivantes Humboldt-Klinikum in Berlin, das mit der Sexualambulanz der Charité zusammenarbeitet. Seit acht Jahren beschäftigt er sich mit Online-Süchten. Zudem drängt er darauf, dass Online-Sexsucht als psychische Störung klassifiziert wird.

SZ: Herr Platz, 2001 gab es knapp 500 000 deutschsprachige Sexseiten im Netz, heute sind es gut 21 Millionen. Sind wir ein Volk von Sexsüchtigen?

Platz: Mit der Zahl der Internetnutzer steigt leider auch die Zahl der Süchtigen. Das Angebot ist ja vorhanden. Man kann also überall und immer. Und vor allem in Großstädten haben wir das Problem, dass traditionelle Beziehungsformen und soziale Netzwerke verschwinden. Der Mensch vereinsamt – und sucht Ersatz.

SZ: Wann ist man denn online- süchtig?

Platz: Wir sprechen von Sucht, wenn ein Mensch mehr als fünf Stunden täglich ins Netz geht, ohne dass er das müsste, etwa wegen seiner Arbeit. Genau lässt sich das zeitlich nicht eingrenzen, man muss den Einzelfall bewerten: Vernachlässigt der Betroffene durch sein Online-Verhalten andere Interessen? Kann er sich noch kontrollieren? Hat er sich sozial isoliert?

SZ: Kann das Internet zu einer Droge – vergleichbar mit Heroin – werden?

Platz: Die Suchtkriterien sind zumindest ähnlich. Betroffene handeln zwanghaft. Sie büßen ihre Kontrollfähigkeit ein und brauchen immer mehr, um den gewünschten Entlastungseffekt – etwa durch Cybersex – zu erzielen. Irgendwann hängt der Süchtige in Gedanken nur noch am Schirm. Ähnlich wie bei Drogensüchtigen gibt es – wenn auch in Grenzen – Entzugssymptome, die immer früher einsetzen. Psychomotorische Unruhe, Schlaflosigkeit. Die Sucht konditioniert das Gehirn.

SZ: Und was ist das Spezifische an der Online-Sexsucht?

Platz: Die Betroffenen sind oft im realen Leben mit Beziehungen überfordert und haben im Netz Zugang zu anderen, ohne wirklichen Kontakt aufnehmen zu müssen. Noch einfacher wird es, wenn man im Netz die Interaktion auf Sex reduziert. Paradoxerweise sind viele Betroffene am Sex gar nicht interessiert. Er ist nur ein Beziehungsersatz. Die Suche nach Nähe kann so aber nicht befriedigt werden. Also ufert das Onlineverhalten aus, weil Qualität mit Quantität verwechselt wird.

SZ: Wer ist davon betroffen?

Platz: Wir unterscheiden drei Gruppen: Süchtige mit einer Depression, solche mit einer Persönlichkeitsstörung oder mit einer Störung der Sexualpräferenz. Bei letzterer ist alles möglich – von der Pädophilie bis zum Fetischismus – das ist meist ein Fall für den Sexualtherapeuten.

SZ: Die Sucht ist also nur über ihre Ursachen zu bekämpfen.

Platz: Das kann schwierig werden, weil Depressionen oft äußerlich kaum erkennbar sind. Und die Persönlichkeitsstörungen, die einer Sucht zugrunde liegen können, sind vielfältig. Es können narzisstische, passiv-aggressive oder auch paranoide Störungen sein. Eine Analyse dauert.

SZ: Auffällig an vielen Online-Süchtigen ist, dass sie einem System zum Opfer fallen, das so leicht durchschaubar wirkt.

Platz: Süchtige sind leicht beeinflussbar und haben ein geringes Selbstbewusstsein. Sucht ist ja auch dadurch bedingt, dass man weitermacht, obwohl man die negativen Folgen erkennt. Aber wer nach Ich-Stärkung sucht, kann nicht reflektieren, mit Intelligenz hat das nichts zu tun. Viele Betroffene sind hochintelligent.

SZ: Trotzdem zahlen sie fünfstellige Telefonrechnungen und fallen oft jahrelang auf Frauen rein, die nicht real existieren?

Platz: Es gibt ja noch viel krassere Fälle, die vor allem das Internet mit seinen beziehungslosen Kontakten ermöglicht. Ich hatte mal einen Informatiker in Behandlung, der während seiner Arbeitslosigkeit onlines-sexabhängig wurde – und zwar rund um die Uhr. Er war in Chatforen auf Zauberer-Rollen fixiert, die ihm die Allmacht verliehen, alle zu manipulieren. Er hat über Jahre mit seiner Frau ausschließlich per E-Mail kommuniziert. Sie war auch süchtig, eine wechselseitige Abhängigkeit. Am Ende hat er sie erstochen, weil sie einen anderen Mann kennengelernt hatte. Der Fall zeigt, wie sehr der Bezug zur Realität verloren gehen kann.

SZ: Wie lässt sich das therapieren?

Platz: Wenn die Menschen freiwillig um Hilfe bitten, ist viel gewonnen. Oft sind es ja äußere Faktoren und nicht die innere Erkenntnis, die Menschen zwingen, sich ihrer Sucht zu stellen. Wir behandeln gerade einen Polizeibeamten, der süchtig nach Kinderpornographie ist. Er hat sich vor allem in Behandlung begeben, weil die Angst, seinen Job zu verlieren, größer war als seine Sucht. Diese Angst könnte ihn retten. Ein anderer Patient ist von seiner Frau auf einschlägigen Porno-Seiten erwischt worden. Nun ist er in Behandlung, weil sie ihm helfen will. Das kann aber nur ein Impuls sein. Er muss wollen. Jeder Sucht liegt eine unzureichende Reife zugrunde. Und bei der Nachreifung des Patienten setzt die Therapie an. Die Leute sollen lernen, unabhängig zu handeln.

SZ: Und wie sind die Heilungschancen?

Platz: Das hängt auch von der Länge der Sucht und dem Alter der Betroffenen ab. Ein älterer Mann, der seit Jahren Sexchats besucht, ist schwerer zu heilen. Bei jungen Menschen lässt sich durch eine 20-stündige Verhaltenstherapie hingegen oft schon eine deutliche Besserung erreichen. Etwa mit einem Organigramm, das regelt, wie lange man ins Netz gehen darf.

SZ: Das reicht aus?

Platz: Die Betroffenen erleben das als Erfolg. Man kann bei Online-Süchten ja nicht auf totalen Entzug setzen. Das wäre schon deshalb schwierig, weil der Zugang zur Droge – das Internet – überall vorhanden ist, selbst am Arbeitsplatz. Es geht also um einen gezielten Umgang mit dem Netz. Und das ist ein täglicher Kampf.

Interview: Marten Rolff

A40519803
Psychiater Werner Platz. Foto: oh
Previous | Next

Fatale Suche nach Nähe; Der Berliner Psychiater Werner Platz über Online-Sex als Sucht
SDDZ000020070131e31v0001u
Panorama
859 Words
31 January 2007
Süddeutsche Zeitung
9
German
Copyright 2007 Süddeutsche Zeitung

Werner Platz ist forensischer Psychiater am Vivantes Humboldt-Klinikum in Berlin, das mit der Sexualambulanz der Charitè zusammenarbeitet. Seit acht Jahren beschäftigt er sich mit Online-Süchten. Zudem drängt er darauf, dass Online-Sexsucht als psychische Störung klassifiziert wird.

SZ: Herr Platz, 2001 gab es knapp 500 000 deutschsprachige Sexseiten im Netz, heute sind es gut 21 Millionen. Sind wir ein Volk von Sexsüchtigen?

Platz: Mit der Zahl der Internetnutzer steigt leider auch die Zahl der Süchtigen. Das Angebot ist ja vorhanden. Man kann also überall und immer. Und vor allem in Großstädten haben wir das Problem, dass traditionelle Beziehungsformen und soziale Netzwerke verschwinden. Der Mensch vereinsamt – und sucht Ersatz.

SZ: Wann ist man online- süchtig?

Platz: Wir sprechen von Sucht, wenn ein Mensch mehr als fünf Stunden täglich ins Netz geht, ohne dass er das müsste, etwa wegen seiner Arbeit. Genau lässt sich das zeitlich nicht eingrenzen, man muss den Einzelfall bewerten: Vernachlässigt der Betroffene durch sein Online-Verhalten andere Interessen? Kann er sich noch kontrollieren? Hat er sich sozial isoliert?

SZ: Kann das Internet zu einer Droge – vergleichbar mit Heroin – werden?

Platz: Die Suchtkriterien sind zumindest ähnlich. Betroffene handeln zwanghaft. Sie büßen ihre Kontrollfähigkeit ein und brauchen immer mehr, um den gewünschten Entlastungseffekt zu erzielen. Irgendwann hängt der Süchtige in Gedanken nur noch am Schirm. Ähnlich wie bei Drogensüchtigen gibt es – wenn auch in Grenzen – Entzugssymptome, die immer früher einsetzen. Psychomotorische Unruhe, Schlaflosigkeit. Die Sucht konditioniert das Gehirn.

SZ: Und was ist das Spezifische an der Online-Sexsucht?

Platz: Die Betroffenen sind oft im realen Leben mit Beziehungen überfordert und haben im Netz Zugang zu anderen, ohne wirklich Kontakt aufnehmen zu müssen. Noch einfacher wird es, wenn man im Netz die Interaktion auf Sex reduziert. Paradoxerweise sind viele Betroffene am Sex gar nicht interessiert. Es geht um Beziehungsersatz. Die Suche nach Nähe kann so aber nicht befriedigt werden. Also ufert das Onlineverhalten aus, weil Qualität mit Quantität verwechselt wird.

SZ: Wer ist davon betroffen?

Platz: Wir unterscheiden drei Gruppen: Süchtige mit einer Depression, solche mit einer Persönlichkeitsstörung oder mit einer Störung der Sexualpräferenz. Bei letzterer ist alles möglich – von der Pädophilie bis zum Fetischismus – das ist meist ein Fall für den Sexualtherapeuten.

SZ: Die Sucht ist also nur über ihre Ursachen zu bekämpfen.

Platz: Das kann schwierig werden, weil Depressionen oft äußerlich kaum erkennbar sind. Und die Persönlichkeitsstörungen, die einer Sucht zugrunde liegen können, sind vielfältig. Es können narzisstische, passiv-aggressive oder paranoide Störungen sein. Eine Analyse dauert.

SZ: Auffällig an vielen Online-Süchtigen ist, dass sie einem System zum Opfer fallen, das so leicht durchschaubar wirkt.

Platz: Süchtige sind leicht beeinflussbar und haben ein geringes Selbstbewusstsein. Sucht ist ja auch dadurch bedingt, dass man weitermacht, obwohl man die negativen Folgen erkennt. Aber wer nach Ich-Stärkung sucht, kann nicht reflektieren, mit Intelligenz hat das nichts zu tun. Viele Betroffene sind hochintelligent.

SZ: Trotzdem zahlen sie fünfstellige Telefonrechnungen und fallen oft jahrelang auf Frauen rein, die nicht real existieren?

Platz: Es gibt ja noch viel krassere Fälle, die vor allem das Internet mit seinen beziehungslosen Kontakten ermöglicht. Ich hatte mal einen Informatiker in Behandlung, der während seiner Arbeitslosigkeit online-sexabhängig wurde – und zwar rund um die Uhr. Er war in Chatforen auf Zauberer-Rollen fixiert, die ihm die Allmacht verliehen, alle zu manipulieren. Er hat über Jahre mit seiner Frau ausschließlich per Email kommuniziert. Sie war auch süchtig, eine wechselseitige Abhängigkeit. Am Ende hat er sie erstochen, weil sie einen anderen Mann kennengelernt hatte. Der Fall zeigt, wie sehr der Bezug zur Realität verloren gehen kann.

SZ: Wie lässt sich das therapieren?

Platz: Wenn die Menschen freiwillig um Hilfe bitten, ist viel gewonnen. Oft sind es ja äußere Faktoren und nicht die innere Erkenntnis, die Menschen zwingen, sich ihrer Sucht zu stellen. Wir behandeln gerade einen Polizeibeamten, der süchtig nach Kinderpornografie ist. Er hat sich vor allem in Behandlung begeben, weil die Angst, seinen Job zu verlieren größer war als seine Sucht. Diese Angst könnte ihn retten. Ein anderer Patient ist von seiner Frau auf einschlägigen Porno-Seiten erwischt worden. Nun ist er in Behandlung, weil sie ihm helfen will. Das kann aber nur ein Impuls sein. Er muss wollen. Jeder Sucht liegt eine unzureichende Reife zugrunde. Und bei der Nachreifung des Patienten setzt die Therapie an. Die Leute sollen lernen, unabhängig zu handeln.

SZ: Und wie sind die Heilungschancen?

Platz: Das hängt auch von der Länge der Sucht und dem Alter der Betroffenen ab. Ein älterer Mann, der seit Jahren Sexchats besucht, ist schwerer zu heilen. Bei jungen Menschen lässt sich durch eine 20-stündige Verhaltenstherapie hingegen oft schon eine deutliche Besserung erreichen. Etwa mit einem Organigramm, das regelt, wie lange man ins Netz gehen darf.

SZ: Das reicht aus?

Platz: Die Betroffenen erleben das als Erfolg. Man kann bei Online-Süchten ja nicht auf totalen Entzug setzen. Das wäre schon deshalb schwierig, weil der Zugang zur Droge – das Internet – überall vorhanden ist, selbst am Arbeitsplatz. Es geht also um einen gezielten Umgang mit dem Netz. Und das ist ein täglicher Kampf.

Interview: Marten Rolff

A40518718
Psychiater Werner Platz. Foto: oh
Previous | Next

inkürze- Empörung im Vatikan- Rätsel um Camillas Kette- Schönheit muss leiden- Falscher Kot blieb liegen- Vogelgrippe in Ungarn
DIEP000020070130e31u00009
wj
232 Words
30 January 2007
Die Presse
German
(c) Die Presse 2007 www.diepresse.at.

Fiktive Beichten eines italienischen Reporters sorgen für Aufregung im Vatikan. Für "L'Espresso" hatte der Journalist in 24 Kirchen Reaktionen von Priestern zu Themen wie Sterbehilfe, Pädophilie und Homosexualität getestet. In verschiedenen Fällen habe er die Absolution erhalten, berichtete der Reporter. Der Vatikan sieht die religiösen Gefühle von Millionen Menschen beleidigt.

Woher hat sie die Klunker? Diese Frage beschäftigt derzeit die britische Medien. Von ihrem Ehemann Prinz Charles hat Camilla Parker-Bowles das neue Collier aus hunderten Diamanten und 36 großen Rubinen jedenfalls nicht. Die Herzogin von Cornwall trug den edlen Schmuck am Wochenende in den USA _ und schweigt noch über die genaue Herkunft der Kette, die sie bei einer Auslandsreise bekommen haben soll. [AP]

Rund 80 Prozent der Italienerinnen nehmen laut einer Umfrage unbequemer Modetrends zuliebe Schmerzen auf sich. Zu enge Jeans, hohe Absätze, bauchfreie Tops im Winter und schwere Handtaschen belasten die italienischen Frauen und führen zu Gesundheitsproblemen.

Mehrere Tage lag täuschend echter Hundekot aus Plastik in dänischen Krankenhaus-Toiletten, ehe die von Reportern platzierten Haufen beseitigt wurden. Die Hygienemängel bringen Gesundheitsminister Lars Lökke Rasmussen zum Toben: Er spricht von einer "Riesenschweinerei".

Erstmals seit August 2006 gibt es in Europa wieder einen Ausbruch der Vogelgrippe. Bei Gänsen in einem Zuchtbetrieb in Südostungarn wurde der Vogelgrippe-Virus H5N1 nachgewiesen.

Previous | Next

Absolution
SDDZ000020070129e31t0002v
Medien
69 Words
29 January 2007
Süddeutsche Zeitung
17
German
Copyright 2007 Süddeutsche Zeitung

Als „Schande” und „widerliches Unterfangen” hat der Vatikan die Titelstory des italienischen Magazins L’espresso verurteilt. Grund der Aufregung: Ein Reporter hatte in 24 italienischen Kirchen fiktive Beichten zu Themen wie Sterbehilfe, Pädophilie und Homosexualität abgelegt, um die Priester zu testen. Er erhielt nach eigenem Bekunden verschiedentlich auch die Absolution. Der Beicht-Report habe religiöse Gefühle von Millionen Personen beleidigt, glaubt die Vatikanzeitung Osservatore Romano. KNA

A40510840
Previous | Next

Geschwister in Wohnung gelockt
RHEPO00020070126e31q00102
Region Düsseldorf
294 Words
26 January 2007
Rheinische Post
RD
German
© Copyright 2007. Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH. All rights reserved. For further information see http://www.rp-online.de

DORMAGEN/DÜSSELDORF (wuk) Dreißig Jahre alt, blonde Haare, Brillenträger. Mehr war zunächst nicht bekannt über jenen Mann, der laut Zeugenaussagen im August 2006 zwei kleine Kinder in Dormagen von der Straße weg in seine Wohnung gelockt hatte. Seit gestern verhandelt das Düsseldorfer Landgericht gegen den Beschuldigten. Der gab gleich zu, damals den siebenjährigen Jungen vor seinen Computer gesetzt und dessen siebenjährige Schwester sexuell missbraucht zu haben. Laut Gutachten eines Psychiaters droht dem Täter aber keine Strafe. Der psychisch kranke Frührentner gilt als schuldunfähig.

Während der kleine Junge in der Wohnung des Beschuldigten durch das Computerspiel „Bingo-Bongo“ abgelenkt war, hat der Mann auf einer Matratze mit dem kleinen Mädchen „herumgetobt“ - und zwar einzig mit dem Ziel, die Erstklässlerin dabei unsittlich zu berühren. Das ist ihm nach Version des Staatsanwalts auch gelungen. Später soll er das Mädchen zudem zur Toilette begleitet und sich vor den Kindern entblößt haben. Das hat der junge Mann jetzt im Prozess bestätigt.

Nach fast zwei Stunden konnten die Kinder die Wohnung wieder verlassen - und liefen dabei direkt zwei Polizisten in die Arme. Die Beamten hatten nämlich nach einem Anruf der besorgten Eltern den Schulweg der Kinder überprüft, hatten Passanten nach dem Geschwisterpaar gefragt - und so das Hochhaus und die Wohnung des Frührentners ermittelt. Der hat gleich bestätigt, dass er die Kinder in die Wohnung mitgenommen hatte - und hatte auch erklärt: „Ich weiß, das war ein Fehler.“

Schizophrenie, Psychose und deutliche Pädophilie-Tendenzen: Da wegen dieser psychischen Krankheiten von dem Frührentner auch künftig schwere Straftaten drohten und er daher eine Gefahr für die Allgemeinheit sei, fordert der Staatsanwalt, dass der Beschuldigte dauerhaft in einer geschlossenen Psychiatrie-Klinik untergebracht wird. Die Entscheidung darüber fällt das Landgericht in der kommenden Woche.

196883040
Previous | Next

Hinwiler Urteil als «Laienjustiz» kritisiert
TANZ000020070125e31p0002i
Bezirk OBE Zürcher Oberland
Thomas Hasler
512 Words
25 January 2007
Tages Anzeiger
54obe
German
(c) 2007 Tages Anzeiger Homepage Address: http://www.tages-anzeiger.ch

Schelte für das Bezirksgericht Hinwil: Das Obergericht hat ein Urteil korrigiert und die Strafe für einen 52-Jährigen Hobbyfotografen halbiert.

Zürich. - Das Zürcher Obergericht hält sich in der Regel zurück mit Kollegenschelte. Umso auffälliger war die Kritik, die es am Mittwoch an einem Entscheid des Hinwiler Bezirksgerichts äusserte. Es sprach von einer «notwendigen Korrektur eines offensichtlich unangebrachten Urteils», von einem «im Lichte der Praxis weit überzogenen» Strafmass.

Sexuelle Handlung ohne Handlung

Der Referent sagte: «Hier hat offensichtlich die Laienjustiz gewirkt.» Immerhin räumte der Vorsitzende indirekt ein, dass sich das Hinwiler Bezirksgericht möglicherweise vom Strafantrag der Staatsanwaltschaft beeindrucken liess: «Ich verstehe auch diesen exorbitanten Strafantrag nicht.»

Einem heute 52-jährigen Hobbyfotografen aus dem Bezirk Hinwil war unter anderem vorgeworfen worden, zwischen 1999 und 2001 Nacktfotos von drei Mädchen im Alter von sieben, neun und dreizehn Jahren gemacht zu haben. Die Geschlechtsteile waren «auffallend und überdeutlich in den Vordergrund gerückt».

Der Fall ist juristisch interessant, weil der Mann im Zusammenhang mit den Fotos wegen sexuellen Handlungen mit Kindern angeklagt wurde. Vor Obergericht forderte sein Verteidiger deshalb einen Freispruch. Der Mann habe die Mädchen überhaupt nicht berührt und sie auch nicht veranlasst, sich selber oder gegenseitig zu berühren. Eine Verurteilung wäre rechtsstaatlich fragwürdig.

Doch das Obergericht hielt sich an die Vorgaben des Bundesgerichts. Dieses hatte in jüngster Zeit wiederholt definiert, wie die Formulierung «jemanden zu einer sexuellen Handlung verleiten» auch zu verstehen ist: «Wer ein Kind mit entblösstem Genitalbereich in einer nach den Umständen objektiv aufreizenden Stellung posieren lässt und fotografiert, verleitet dieses zu einer sexuellen Handlung, unabhängig davon, ob er dabei selbst sexuelle Regung verspürt oder das Kind die sexuelle Bedeutung der Handlung erkennt.» Deshalb bestätigte das Obergericht den Schuldspruch des Hinwiler Gerichts.

Der Mann wurde auch wegen harter Pornografie verurteilt. Er hatte die Bilder ins Internet gestellt und einem geschlossenen Kreis von Interessierten zugänglich gemacht.

War auch der Staatsanwalt ein Laie?

An Stelle der erstinstanzlich verhängten 30 Monate halbierte das Obergericht die Freiheitsstrafe auf 15 Monate bedingt. Bei den möglichen Straftaten im Bereich der sexuellen Handlungen mit Kindern sei das Verschulden des bisher nicht vorbestraften 52-Jährigen noch «eher leicht». Als «gravierend» erachtete das Gericht aber den Umstand, dass der Mann die Bilder Pädosexuellen in aller Welt zugänglich gemacht hat.

Als Vater und Grossvater, meinte ein Richter, habe er kein Verständnis für solche Taten. Gerade weil die Pornografie Überhand nehme, «müssen wir streng reagieren». Aber die richterliche Professionalität gebiete es, eine Strafe auszusprechen, die mit anderen, gleich gelagerten Fällen vergleichbar sei. Dass der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von 42 Monaten beantragt hatte, veranlasste das Gericht zur bissigen Bemerkung: «Man glaubt, dass ein Laie am Werk war.»

Der einmalige Ausrutscher spricht laut Gericht gegen eine Pädophilie des Angeklagten. Trotzdem wäre eine freiwillige «therapeutische Aufarbeitung nicht von Schaden», zumal er sich schäme, aber nicht wisse, warum er das getan habe. Der Verteidiger sagte, sein Mandant habe in einer «Phase der sexuellen Orientierungslosigkeit» während einer Beziehungskrise seine Hemmungen verloren. Er sei «in einem isolierten Abschnitt seines Lebens» in die Straftaten «hineingerutscht».

Previous | Next

Beständige Spezialitäten
FRARUN0020070124e31p00038
VON VOLKMAR SIGUSCH
467 Words
25 January 2007
Frankfurter Rundschau
18
German
(c) Copyright Frankfurter Rundschau 2007 www.fr-aktuell.de

Die sexuelle Frage

Bild: M. Müller

Zum Strukturwandel unserer Sexualität in den letzten Jahrzehnten, den ich unter dem Stichwort "neosexuelle Revolution" beschrieben habe, gehört, dass die "großen" alten Perversionen diskursiv aufgelöst und als normalisierte Lüste neu installiert werden. Sexuelle Vorlieben und Praktiken, die vordem als gottlos, widernatürlich und unmenschlich gegolten haben, werden durch kulturelle Prozesse der Normalisierung nach und nach entmystifiziert und enttabuisiert und damit banalisiert.

Einerseits schalten diese Prozesse die ehedem "perversen" Praktiken auf abstrakte Weise konkret gleich, wobei die Affekte der Wut und des Hasses in einigen Fällen (Beispiel: Transvestitismus) kollektiv abgeschwächt, in anderen Fällen (Beispiel: Pädophilie) verstärkt werden. Andererseits werden partielle Lüste zu Spezialitäten erklärt, die das normale Sexualleben bereichern.

In einem Buch der Gegenwart, das Das Buch vom Sex (Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, 2003) schlechthin sein soll, nennt die englische Autorin Suzi Godson nach den stinknormalen Praktiken Solosex, Vaginal-, Anal- und Dildo-Koitus, Oralsex, Afterlecken, G-Punkt- oder Prostatastimulation usw. als "andere Sexwelten" Pornografie, Sex für Geld, Fetische, Bondage, Sadomasochismus, Flagellation, Gruppensex und Swinging. Außerdem zählt die Autorin "Extremsport" zu den "anderen" Sexwelten, worunter sie "Sexspiele" mit Kot, Urin, Muttermilch und Erbrochenem ("Emetophilie"), "Infantilismus" (z.B. Inszenierungen mit Utensilien wie Windeln oder Nuckelflasche) sowie Tierliebe ("Zoophilie") versteht. Letztere kennt sie zum Beispiel als "Zoolinktion", bei der ein Tier durch das Aufstreichen von Leckereien auf die Genitalien dazu gebracht wird, diese zu lecken.

"Alles andere" listet Godson dann als Spezialität von A bis Z. So erwähnt sie beispielsweise Akrotomophilie (Erregung durch amputierte Sexualpartner), Autoasphyxie (Erregung durch selbst herbeigeführte Erstickungsgefühle), Candaulismus (zwei Personen beim Sex zuschauen), Dogging (Paare beim Sex im Auto beobachten), Felching (Heraussaugen von Samen aus Scheide oder Darm, z. B. mit einem Strohhalm), Mukophagie (Verzehr von Nasenschleim), Osmolagnie (Erregung durch Gerüche), Sakrofrikose (heimliches Onanieren in der Öffentlichkeit durch ein Loch in der Hosentasche), Sitophilie (Sexspiele mit Nahrungsmitteln wie Gurken, Honig oder gekochten Eiern, die in den Anus geschoben werden), Trichophilie (Erregung durch Inszenierungen mit Haaren, die z. B. heimlich abgeschnitten werden), Zipper Sex (schnelle sexuelle Aktion, bei der die Partner gar nicht zum Ausziehen kommen) usw.

Mich erinnern solche Auflistungen an die psychiatrischen Gruselkabinette sexueller Absonderlichkeiten, durch deren geballte Publikation der aus Mannheim stammende Professor Richard von Krafft-Ebing am Ende des 19. Jahrhunderts berühmt geworden ist. Damals war für alle Gesellschaftsmitglieder unvorstellbar, dass "monströse Perversionen" eines Tages durch kulturelle Konversion in mehr oder weniger skurrile, aber keineswegs krankhafte oder moralisch zweifelhafte individuelle Vorlieben umkodiert würden. Eindrucksvoll ist dabei, dass alle alten Perversionen trotz aller Umbrüche in der einen oder anderen Form zu überleben scheinen. Selbst der Zopfabschneider, der einst Furore machte und den der unvergessene Hamburger Sexualforscher Eberhard Schorsch zuletzt Mitte der siebziger Jahre wenigstens erwähnt hat, taucht in Gestalt des "Trichophilen" wieder auf. Offenbar geht nichts Perverses ganz verloren.

200701255641593
Previous | Next

Milde für Mörder ist ein Mythos Im Brandenburger Gefängnis sitzen 22 Häftlinge schon länger als 15 Jahre / Ein Erbe aus DDR-Zeiten
MARKAL0020070120e31k0002b
IMHOFFMA
545 Words
20 January 2007
Märkische Allgemeine
BRS
German
Copyright 2007 Märkische Allgemeine – Brandenburgs beste Seiten. All rights reserved. For further information see http://www.MaerkischeAllgemeine.de

Als „kumpelhaft“ beschrieben Zeugen das Verhältnis zwischen Robert Berger (Name geändert), damals 34, und der 67 Jahre alten Margarete M. Andere sagten: Sie tranken oft zusammen. An einem Abend in den frühen 80er-Jahren floss der Branntwein wieder in Strömen und verwandelte den jungen Mann in einen rasenden Dämon. Berger riss die Rentnerin um und schlug sie mit dem Kopf so lange auf den Boden, bis er den Eindruck hatte, sie sei tot. In diesem Moment, schilderte er vor Gericht, habe er eine sexuelle Erregung verspürt. Mit einem Küchenmesser stach er wie besessen auf sein Opfer ein, trennte ihr Körperteile ab. Nachdem er den verstümmelten Körper in Säcke gepackt hatte, unternahm er einen Selbstmordversuch.

Robert Berger sitzt seit 1984 im Brandenburger Gefängnis, ein „Lebenslänglicher“, der unter Umständen bis zum Ende seiner Tage hinter Gittern schmoren wird. Sein Fall widerlegt die weit verbreitete Legende, dass Schwerverbrecher mit ein wenig guter Führung nach 15 Jahren aus der Haft entlassen werden. Von den 53 zu lebenslanger Haft verurteilten Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg sitzen 22 schon länger als 15 Jahre. „Eine lebenslange Freiheitsstrafe ist zeitlich zunächst unbegrenzt, alles andere ist ein landläufiger Irrtum“, sagt Landgerichtssprecher Frank Tiemann.

Habe das Gericht eine „besondere Schwere der Schuld“ festgestellt – etwa bei besonderer Brutalität – sei eine Entlassung nach 15 Jahren ausgeschlossen. Von solchen Tätern beherbergt das Gefängnis einige. Dass in Brandenburg so viele Lebenslängliche nach Ablauf der 15 Jahre in Haft bleiben, ist laut Landgerichtssprecher Frank Tiemann unter anderem ein Erbe aus sozialistischen Zeiten. Das DDR-Recht habe keine Sicherheitsverwahrung gekannt wie sie heute etwa im Maßregelvollzug der Asklepiosklinik praktiziert wird – dort können Straftäter auf unbestimmte Zeit untergebracht werden. Einige der heutigen JVA-Häftlinge sind eigentlich ein Fall für die Klinik.

Allerdings besteht auch nach gültiger Rechtsprechung kein Automatismus zwischen seelischer Störung und Unterbringung im Maßregelvollzug. Manche Verbrecher mit gefährlichen Neigungen werden im regulären Gefängnis untergebracht. „Das ist immer dann der Fall, wenn der Täter nicht therapierbar ist“, erläutert Gefängnisdirektor Hermann Wachter. Die Gründe sind verschieden. Manche Neigungen – etwa ausgeprägte Pädophilie – gelten als nicht behandelbar. Andere Häftlinge sind nicht intelligent genug, um einer Therapie folgen zu können.

So ist unter den rund 610 Gefangenen der JVA ein Mann, der seit 34 Jahren einsitzt, weil er ein Kind im Finowkanal ertränkt hatte. Er hatte sich, wie er es öfter tat, neben einem Kinderwagen sexuell befriedigt und diesen dann ins Wasser gestoßen – das Gefährt war sein Fetisch. Drei Gutachter schlugen beim Studium der Akte die Hände über dem Kopf zusammen. In seiner seltsam sterilen Zelle, wo es weder Tischdecke, noch Papier oder Stift gibt, wird der Kindermörder wohl bis zu seinem Lebensende bleiben.

Darüber entscheiden muss die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts. Sie prüft die Haftdauer im Abstand von mehreren Jahren. Gute Führung allein reicht den Richtern meist nicht aus. „Es muss auch zu erkennen sein, dass der Häftling die Tat aufgearbeitet hat“, sagt Gefängnisdirektor Wachter.

Auf Haftlockerungen dürfen jedoch auch die Häftlinge hoffen, die länger als 15 Jahre sitzen. Ein Vergewaltiger und Frauenmörder, der seit 23Jahren in der JVA ist, darf auf gutachterlichen Rat hin mit seinen Eltern ab und zu in der Stadt spazieren gehen. uw

108098
Previous | Next

Zelle um Zelle - Die Zukunft im Zeichen der Gentechnik - Michael Crichtons Roman "Next"
BERLRZ0020070118e31i00064
Feuilleton
Jens Balzer
969 Words
18 January 2007
Berliner Zeitung
29
German
(c) 2007 Berliner Zeitung

Sollte er seinen Ärzten nicht dankbar sein?

Wie durch ein Wunder ist Frank Burnet von seinem Knochenmarkkrebs geheilt worden; erfolgreich haben die Mediziner der University of California ein revolutionäres neues Verfahren der Gen-Reparatur an ihm erprobt.

Dennoch fordert er in einem aufsehenerregenden Gerichtsprozess nun mehrere Millionen Dollar von ihnen - nachdem er wieder und wieder zu rätselhaften "Nachsorge-Tests" einbestellt wurde, begann er seinen Wohltätern zu misstrauen.

Und wirklich: Längst hatte die Leitung der Uniklinik seine Gewebeproben an ein privates Gentech-Unternehmen verkauft; die darin enthaltenen Immunzellen haben den Forschern drei Milliarden Dollar gebracht.

Von diesem Geld würde Burnet gern etwas abbekommen - doch weist das Gericht seine Klage zurück: Schließlich hat er per Unterschrift eingewilligt, dass sein Gewebe zu "Forschungszwecken" verwandt werden darf.

Ist das noch Forschung?

In seinem neuen Roman "Next" führt uns Michael Crichton in die Welt der Genmedizin - und ihrer industriellen Verwertung.

Die ungeheuren Erkenntnisfortschritte der medizinischen Forschung, so will Crichton uns zeigen, haben sich mit einer noch nie da gewesenen Kommerzialisierung verschwistert.

Die Grenzen zwischen universitärer und privatwirtschaftlicher Medizin sind längst aufgehoben.

Die persönliche Integrität der Patienten, deren Gesundheit doch angeblich im Mittelpunkt steht, ist im Interessengeflecht von Ärzten und Investoren, Patentanwälten und Werbefritzen verschwunden.

Nur wenige versuchen, sich dagegen zu wehren - wie Frank Burnet, der nach dem verlorenen Gerichtsverfahren seine Gewebeproben kontaminieren lässt; in Nacht- und Nebel-Aktionen dringen gedungene Zellen-Attentäter in die weltweit vernetzten

Laboratorien des Gentech-Unternehmens ein.

Nimmt Burnet sich nur, was ihm gehört?

Oder ist sein Verhalten illegal, wie die Gerichte glauben?

Und wenn es illegal ist, ist es dann legal, dass die geschädigte Pharmafirma nunmehr - Burnet ist inzwischen untergetaucht - Zelljäger auf seine nächsten Verwandten ansetzt?

Ein skrupelloses Agententeam versucht, seine Tochter und seinen Enkelsohn zu entführen.

Das ist nur einer von zirka zwei Dutzend Handlungssträngen, in denen Crichton die Wunder und Gefahren der Gentechnik illustriert.

Während der Streit ums Gewebe eskaliert, macht sich außerdem ein genetisch manipulierter Menschenaffe auf den Weg zur wahren Menschwerdung - die Familie des Affen-Forschers nimmt ihn widerstrebend an Kindes Statt an.

Eine Werbeagentur entwickelt genetisch veränderte Tiere, die mit einer Reklamebotschaft auf dem Fell geboren werden.

In einem Scheidungsprozess wird erstmals ein Gentest als Waffe eingesetzt - lässt sich ermitteln, dass die Ehefrau die genetischen Voraussetzungen für Alzheimer- oder sonstige Alters-Erkrankungen besitzt, kann man ihr das Sorgerecht wesentlich

einfacher entziehen.

Und auch Firmen-internes Mobbing wird auf ganz neue Grundlagen gestellt: Man entnimmt dem lästigen Mitarbeiter einfach ein paar Zellen und führt sie in die künstliche verwundete Vagina einer minderjährigen Prostituierten ein - fertig ist der

Pädophilie- und Vergewaltigungsskandal.

Crichton hat eine Menge interessanter und amüsanter Ideen aufzuweisen; leider führt er keine von ihnen konsequent aus.

Dass seine Figuren bestenfalls Klischeebilder sind, muss man nicht mehr eigens erwähnen.

Doch stört es stärker als in seinen vorangegangenen Büchern, weil er diesmal auch individuelle Veränderungsprozesse zu bebildern versucht.

Wie er etwa die Bewusstwerdung des genetisch manipulierten Menschenaffen beschreibt: das bleibt in der einfallslosen Außensicht (Probleme entstehen erst durch die Kinder, die den anders aussehenden Affenmenschen diskriminieren) selbst hinter der

einschlägigen Genre-Science-Fiction weit zurück; man vergleiche etwa die letzten Science Thriller von Nancy Kress oder SF-Klassiker wie Daniel Keyes' "Blumen für Algernon".

Für Crichton ist dieses Manko beispielhaft: Einerseits skandalisiert er eine Wissenschaftswelt, in der Kommerz, funktionales Handeln und Technokratie alles bedeuten und humanistische Gesinnung nichts - andererseits ist er als Schriftsteller gerade

dort am schlechtesten, wo er über die reine Ökonomie- und Technikkritik hinausgehen müsste und mit den "schwachen", humanistischen Methoden der Linguistik oder der Psychologie in den Kopf, ins Bewusstsein seiner Figuren zu gucken hätte.

Wie stets bei Crichton, fehlt auch diesem Buch die "menschliche" Mitte - ein Manko, das in "Next" auch nicht durch eine schnelle, stringente Handlung wettgemacht wird.

Seine letzten Bücher ("Welt in Angst" zum Thema der Klima-Erwärmung, "Beute" über die Gefahren und Chancen der Nanotechnik) waren als Thriller geschrieben, in denen jeweils eine Intrige - aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet - unerbittlich

dem Höhepunkt entgegenstrebte.

"Next" ist eher nach dem Muster des gegenwärtig populären, Parallelhandlungskinos designt, in dem unterschiedliche Erzählstränge lange Zeit nebeneinander herlaufen, um sich am Ende zu verbinden - in einer Weise, die allenfalls aus der Perspektive des

übergeordneten Themas "zwingend" erscheint (im Kino war diese Technik zuletzt in Alejandro Gonzalez Iñarritus "Babel"-Film zu betrachten).

Als es am Ende des Buchs zu einer Art Showdown kommt - in dem sich Zelldiebe und -jäger, Forscher und Patienten, Anwälte und Opfer, der menschwerdende Menschenaffe und ein genetisch manipulierter Papagei, der soeben die Schwelle vom Nachplappern zum

bewussten Sprachgebrauch überschreitet, in einer Luxus-Senioren- und Genpatienten-Residenz in den kalifornischen Bergen treffen -, hat der Leser die Idee des Buches längst schon begriffen und das Interesse an den Handlungssträngen, die diese Idee tra

nsportierten, verloren.

Ebenso wie der Autor selbst, der sich mit einer ganzen Reihe nicht zu Ende erzählter Geschichten, rätselhaft gebliebener Figuren und unaufgelöster Konflikte aus dem Roman verabschiedet - um sich alsdann in einem ausführlichen Anhang flammender und

sachhaltiger als zuvor im Hauptteil gegen das geltende Patentrecht in gentechnischen Fragen auszusprechen.

Literatur ist das nicht

So endet, was zwischendurch fast ein Panorama der Schönen Neuen Genwelt geworden wäre, als Tischvorlage für ein Gesetzesänderungsverfahren - oder als Gesprächsgrundlage für die Fernseh-Talkshows, durch die der Autor seit dem Erscheinen des Originals

unermüdlich tingelt.

Das ist typisch für Crichton.

Literatur ist es nicht.

Was nichts daran ändert, dass es interessanter, inspirierender und zeitgenössischer ist als fast alles, was uns sonst gegenwärtig als "Literatur" erreicht.

Michael Crichton: Next.

Roman.

Deutsch von Urike Wasel und Klaus Timmermann.

Karl Blessing Verlag, München 2007, 544 S., 22,95 Euro.

------------------------------

Crichton hat eine Menge interessanter und amüsanter Ideen aufzuweisen; leider führt er keine von ihnen konsequent aus.

------------------------------

Foto: Blicke in die nahe Zukunft sind Michael Crichtons Spezialität.

Was er da sieht, ist nicht sehr erfreulich.

Previous | Next

First Ladies fordern weltweiten Kampf gegen Kindesmissbrauch
AFPDE00020070117e31h00217
PIN
202 Words
17 January 2007
15:35 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2007 All reproduction and presentation rights reserved.

Paris, 17. Januar (AFP) -

Die First Ladies aus Frankreich, Russland, den USA, die Königinnen Belgiens und Schwedens und weitere prominente Frauen haben zum weltweiten Kampf gegen Kindesmissbrauch aufgerufen. Dieser Kampf erfordere verstärkte Zusammenarbeit auf europäischer und internationaler Ebene, sagte Gastgeberin Bernadette Chirac am Mittwoch beim ersten Treffen des Ehrenkomitees des Internationale Zentrums für verschwundene und augebeutete Kinder (ICMEC). Sie zeigte sich zufrieden, dass es auf EU-Ebene zumindest bald eine einheitliche Kinder-Notruf-Nummer (116 000) geben soll. Ihr Mann, Frankreichs Staatschef Jacques Chirac, forderte entschlossenes Vorgehen gegen Pädophilie und Kinder-Pornografie im Internet.

An dem Treffen im Pariser Elysée-Palast nahmen neben US-Präsidentengattin Laura Bush unter anderem Ljudmila Putin aus Russland, Suzanne Mubarak aus Ägypten und Jolanta Kwasniewska aus Polen teil, dazu Königin Paola von Belgien und Silvia von Schweden. Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel erklärte bei der Konferenz, alle Gesellschaften definierten sich durch ihre Haltung gegenüber den Schwachen. Wenn ein Kind vergewaltigt werde, werde "die Menschlichkeit mit Füßen getreten". Mit dem Treffen ging eine dreitägige Frankreich-Visite von Laura Bush zu Ende. Die frühere Lehrerin hatte dabei unter anderem am Sitz der UN-Bildungsorganisation UNESCO zum entschlossenen Vorgehen gegen Analphabetismus aufgerufen.

pin/mt

Previous | Next

Pädophilie-Verdacht - Ministerialrat soll Kinderpornos gehabt haben
SPGLO00020070117e31g00030
Panorama / Justiz
389 Words
16 January 2007
Spiegel Online (Deutsch)
0
German
© 2007 SPIEGEL net GmbH. All rights reserved.

(News)

Gegen 322 Verdächtige hat die Polizei nach dem jüngsten Schlag gegen die Pädophilenszene Ermittlungen aufgenommen. Unter ihnen ist auch ein hoher Beamter aus dem bayerischen Wirtschaftsministerium, wie jetzt bekannt wurde. Er soll Kinderpornos besessen haben.

München/Bielefeld - Der allein stehende Mann habe auf seinem privaten Rechner entsprechende Dateien aus dem Internet gespeichert, sagte Oberstaatsanwalt Anton Winkler heute. "Auf dem beruflichen PC war nichts vorhanden."

Wie das bayerische Wirtschaftsministerium mitteilte, wurde gegen den Ministerialrat vorsorglich ein Disziplinarverfahren eingeleitet. "Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, werden alle notwendigen dienstrechtlichen Konsequenzen gezogen", hieß es. Laut Oberstaatsanwalts Winkler hat der beschuldigte Beamte die Vorwürfe bereits eingeräumt. Die Fahnder waren ihm bei der bundesweiten Aktion "Mikado" auf die Spur gekommen.

Bei der Operation wurden insgesamt mehr als 20 Millionen Kreditkarten auf fünf von den Ermittlern vorgegebene Kriterien hin überprüft. Trafen alle Merkmale zu, wurden die persönlichen Daten an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet; so führte die Fahndung zu 322 Beschuldigten in Deutschland. Seit September wurden deren Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht - und dabei Hunderte private Computer und kistenweise Datenträger mit Fotos und Videos entdeckt.

Auch die Computer des bayerischen Ministerialrats - zu Hause und am Arbeitsplatz - wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft bereits vor Weihnachten untersucht.

"Schwierig, verlorene PC-Daten zu rekonstruieren"

Unterdessen suchen Fahnder in Bielefeld nach dem Computer eines Unbekannten, der sieben kinderpornografische Bilder eines Mädchens, darunter vier Nacktfotos, verbreitet hat. Die heute 13-Jährige aus dem Kreis Gütersloh (Nordrhein-Westfalen) hatte in einem Chatraum einen Mann kennen gelernt und auf seinen Wunsch hin Fotos von sich mit dem Fernauslöser aufgenommen - während sie sexuelle Handlungen an sich vornahm.

Man versuche, den Einwahlpunkt zu finden, von dem aus der Mann in den Chatraum gekommen sei, sagte der Bielefelder Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgart heute. Allerdings gebe es ein Problem: "Es ist schwierig, nach zweieinhalb Jahren verlorene PC-Daten zu rekonstruieren." Es könne sich außerdem auch um einen Rechner in einem Internetcafé handeln. Die Polizei ermittelt nun gegen den Unbekannten wegen Kindesmissbrauchs sowie der Verbreitung von Kinderpornografie.

Für die Verbreitung, den Erwerb und den Besitz von kinderpornografischen Inhalten sieht das Strafgesetzbuch Haftstrafen zwischen drei Monaten und fünf Jahren vor. Auch die Aufforderung an ein Kind, sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen, ist Oberstaatsanwalt Baumgart zufolge strafbar.

fba/dpa

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,460124,00.html

PMGSPON-xPMG-spiegel-460124
Previous | Next

Fünf Jahre Freiheitsstrafe nach Missbrauch einer Elfjährigen
APDEW00020070116e31g0018j
162 Words
16 January 2007
14:48 GMT
AP German Worldstream
German
Copyright 2007. The Associated Press. All Rights Reserved.

Stendal (AP) - Wegen sexuellen Missbrauchs eines elfjährigen Mädchens ist am Dienstag ein 50-jähriger Mann vom Landgericht Stendal zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Mann, zu der Zeit der Freund der Mutter, soll das damals elfjährige Mädchen von Januar bis Juli 2006 in zehn Fällen missbraucht haben. Das Mädchen wurde dabei schwanger, was strafverschärfend sei, erklärte Richter Hilmar Rettkowski. Als strafmildernd wurde angerechnet, dass der Angeklagte ein Geständnis abgelegt und dem Kind eine Aussage vor Gericht erspart habe.

Das Mädchen ist seit Beginn des Ermittlungsverfahrens in einer Pflegefamilie untergebracht, ihre Schwangerschaft wurde abgebrochen. In der nichtöffentlichen Verhandlung konnten die psychiatrischen Gutachter nach Angaben eines Gerichtssprechers keine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit des Angeklagten feststellen. Zudem habe der Mann nicht unter Alkohol gestanden; er leide auch nicht unter Pädophilie. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und die Verteidigung eine Freiheitsstrafe von vier Jahren gefordert.

7
Previous | Next

(Zusammenfassung - Neu: Details) Fünf Jahre Haft wegen Missbrauchs einer Elfjährigen - 50-Jähriger aus Sachsen-Anhalt schwängerte Tochter seiner Bekannten --Von Haiko Prengel--.
ADN0000020070116e31g004pk
249 Words
16 January 2007
ddp Basisdienst
German
(c) 2007 ddp-Wirtschaftsdienst www.ddp.de

Stendal (ddp). Wegen sexuellen Missbrauchs eines elfjährigen Mädchens ist ein 50-Jähriger am Dienstag vom Landgericht Stendal zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Richter der Jugendkammer sahen es als erwiesen an, dass der geständige Mann aus Salzwedel das Kind in insgesamt zehn Fällen schwer sexuell missbraucht und auch geschwängert hat. Das Mädchen ist die Tochter einer Bekannten des Mannes.

Zu den Übergriffen war es von Januar bis Juli 2006 gekommen. Die Schwangerschaft wurde abgebrochen. Die heute Zwölfjährige befindet sich seit Beginn des Ermittlungsverfahrens in der Obhut einer Pflegefamilie.

Der Verurteilte hatte nach Angaben eines Gerichtssprechers bei der damals Elfjährigen zunächst Erziehungsaufgaben übernommen, weil der leibliche Vater seiner Sorgepflicht nicht mehr nachgekommen sei. So holte er das Mädchen unter anderem von der Schule ab und half ihr bei den Hausaufgaben.

In der zunächst «Vater-Kind-ähnlichen Beziehung» sei es dann zu den sexuellen Übergriffen gekommen. Die Taten verübte der Mann bei sich zu Hause sowie in der Wohnung der Mutter. Alkoholisiert sei er dabei nicht gewesen. Laut einem psychiatrischen Gutachten leidet er auch nicht an Pädophilie.

Beim Strafmaß folgte das Gericht weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die fünfeinhalb Jahre Haft gefordert hatte. Als strafmildernd werteten die Richter das Geständnis des nicht vorbestraften Mannes. Dadurch sei dem Mädchen eine Vernehmung vor Gericht erspart worden.

(Quelle: Gerichtssprecher auf Anfrage und in einer Mitteilung)

ddp/hap/han

Previous | Next

(Zusammenfassung - Neu: Details) «Vater-Kind-ähnliche Beziehung» - 50-Jähriger aus Sachsen-Anhalt muss wegen Missbrauchs einer Elfjährigen fünf Jahre ins Gefängnis --Von Haiko Prengel--.
DDPLD00020070116e31g005v7
276 Words
16 January 2007
ddp Landesdienste
German
(c) 2007 ddp-Wirtschaftsdienst www.ddp.de

Stendal (ddp-lsa). Wegen Missbrauchs eines elfjährigen Mädchens ist ein 50-Jähriger am Dienstag vom Landgericht Stendal zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Richter der Jugendkammer sahen es als erwiesen an, dass der geständige Mann aus Salzwedel das Kind in insgesamt zehn Fällen schwer sexuell missbraucht und auch geschwängert hat. Das Mädchen ist die Tochter einer Bekannten des Mannes.

Zu den Übergriffen war es von Januar bis Juli 2006 gekommen. Die Schwangerschaft wurde abgebrochen. Die heute Zwölfjährige befindet sich seit Beginn des Ermittlungsverfahrens in der Obhut einer Pflegefamilie.

Der jetzt Verurteilte hatte nach Angaben eines Gerichtssprechers bei der damals Elfjährigen zunächst Erziehungsaufgaben übernommen, weil der leibliche Vater seiner Sorgepflicht nicht mehr nachgekommen sei. So holte er das Mädchen unter anderem von der Schule ab und half ihr bei den Hausaufgaben.

In der zunächst «Vater-Kind-ähnlichen Beziehung» sei es dann zu den sexuellen Übergriffen gekommen, hieß es. Die Taten verübte der Mann bei sich zu Hause sowie in der Wohnung der Mutter. Alkoholisiert sei er dabei nicht gewesen. Laut einem psychiatrischen Gutachten leidet er auch nicht an Pädophilie.

Die Verhandlung am Dienstag fand öffentlich statt. Beim Prozessauftakt am vergangenen Donnerstag war die Öffentlichkeit für die Dauer der Beweisaufnahme ausgeschlossen worden.

Beim Strafmaß folgte das Gericht weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die fünfeinhalb Jahre Haft gefordert hatte. Als strafmildernd werteten die Richter das Geständnis des nicht vorbestraften Mannes. Dadurch sei dem Mädchen eine Vernehmung vor Gericht erspart worden.

(Quelle: Gerichtssprecher auf Anfrage und in einer Mitteilung)

ddp/hap/uge

Previous | Next

Die Innigkeit beim Schälen der Kartoffel; Komische Oper, als großes Fest behandelt: Gaetano Donizettis „Regimentstochter” in Covent Garden
SDDZ000020070116e31g0002o
Feuilleton
1019 Words
16 January 2007
Süddeutsche Zeitung
11
German
Copyright 2007 Süddeutsche Zeitung

In Eckhard Henscheids gesammelten Schriften zur Musik, die für denkende Opernkulinariker ein unentbehrliches Kompendium geworden sind, kommt Donizettis „Regimentstochter” nicht vor. Das verwundert, handelt es sich doch um eines der zeitweilig erfolgreichsten, dazu eines der komischsten Werke des Belcanto-Repertoires, vom vokalakrobatischen Kurswert gar nicht zu reden. So hätten etwa die neun hohen Cs der Arie „Ah! mes amis” (von denen vier Tonrepetitionen sind und nur aus Rekordsucht mitgezählt werden) in Henscheids Großessay „Erlösung durch den Tenor” Erwähnung finden können, denn die Lustschreie, mit denen Kenner und Liebhaber diese Stimmklimmzugsnummer bis heute quittieren, sind der beste Beweis für das, was die Überschrift behauptet.

Es lässt sich andererseits nicht leugnen, dass „La Fille du régiment”, 1840 für die Pariser Opéra-Comique geschrieben, für heutige Begriffe einen der peinlichsten Plots des Musiktheaters besitzt. Selbst unter der Maßgabe, dass jedes Libretto seiner Natur nach einen nicht gering anzusetzenden Grad an Idiotie-Toleranz voraussetzt, ist die Geschichte vom Findelmädchen Marie, das bei den napoleonischen Truppen aufwächst, sich in einen Tiroler Bauernburschen verliebt und am Ende der adligen Mutter in die Arme fällt, für anspruchsvolle Kunstgenießer schwer zu ertragen. Und das martialische Kolorit, der fröhlich auskomponierte Patriotismus einer Epoche, die den Krieg noch lustig fand, können als absolut degoutant empfunden werden. Daher rührt wohl auch die Zurückhaltung deutscher Regisseure gegenüber diesem Stück in jüngerer Zeit. Wer unter ihnen einen Ruf zu verteidigen hätte, müsste die Militärklamotte gegenwärtig im Irak-Krieg ansiedeln, aber selbst die Provokateure an den Frontlinien der Bühne scheinen zu merken, dass das nicht funktionieren würde.

Auch in Covent Garden sind vier Jahrzehnte vergangen, seit Joan Sutherland und Luciano Pavarotti dort dem Stück eine glanzvolle Ehrenrettung verschafften. Nun setzt man am Royal Opera House, in Kooperation mit der Wiener Staatsoper und der New Yorker Met, von neuem klug auf die sängerischen Herausforderungen, die Donizettis Lustspiel bereithält: Natalie Dessay und Juan Diego Flórez sind das Traumpaar des Regiments. Für die französische Sopranistin ist es ein Rollendebüt, für den peruanischen Tenor längst eine Paradepartie – und für beide offenbar ein königliches Vergnügen.

Das wiederum liegt an der Regie des Franzosen Laurent Pelly, der sich mit Produktionen zwischen Rameau und Offenbach, Puccini und Weill einen Namen als Meister der leichten Hand gemacht hat. Was an seinen Inszenierungen aus deutschem Blickwinkel konventionell wirken mag, enthüllt bei genauerer Betrachtung einen höchst sensiblen und respektvollen Umgang mit dem, was die Musik erzählt. Donizettis „leichtquellendes, mitunter etwas sorgloses Schaffen”, wie es ein älterer Reclam-Opernführer gouvernantenhaft nennt, ist bei ihm bestens aufgehoben. Das gleiche gilt für den italienischen Dirigenten Bruno Campanella, der keine hochfliegenderen Ambitionen hat als die, seinem Ruf als Belcanto-Spezialist gerecht zu werden. In dieser Kombination gelingt frappierend locker, was schwer, wenn nicht unmöglich schien: Donizettis Werk, das nach der Uraufführung von Hector Berlioz neidvoll verrissen wurde, offenbart zeitlose Komik und sogar verborgene Tiefen.

Denn aus der Ouvertüre mit den melancholischen Horntönen, der Streicher-Idyllik und dem schmissigen Marschgeschepper lässt sich, wenn man über eineinhalb Jahrhunderte zurücklauscht, schon heraushören, was in den Militärmusik-Parodien eines Gustav Mahler oder Charles Ives unter anderen historischen Vorzeichen wiederkehren sollte: Auch im scheinbar heiteren Attacken-Klang der napoleonischen Kriege schwingen Wehmut, Ironie und Groteske mit, jedenfalls für Nachgeborene mit gespitzten Ohren, denn ein Hornsignal kann Abschied bedeuten, und jeder dumpfe Trommelschlag erinnert an den Tod. Dass der Vorhang sich erst bei den Schlusstakten der Ouvertüre öffnet, ist eine routinemäßig gebrochene, doch sinnvolle Opernkonvention – hier wird sie beachtet, so dass innere Bilder sich einstellen können, bevor das Bühnengeschehen die Wahrnehmung okkupiert. Laurent Pelly hat es in die Zeit des Ersten Weltkriegs verlegt, also auf die gefühlte Grenze zwischen Gegenwart und Vergangenheit, auf der ein Balanceakt zwischen Kriegstragödie und -komödie gerade noch möglich ist.

Aus Landkarten und Pappmachéhügeln hat Chantal Thomas das Theater-Tirol des ersten Akts geformt. Lustig sind die Tiroler, die aus Bauernmöbeln eine Festung gebaut und sich mit Mistgabeln und Melkeimern gegen den Feind gerüstet haben, aber die Frauen, die zur Madonna beten, bringen einen anderen Affekt ins Spiel. Dieser Kontrast zieht sich, von Dirigent und Regisseur aufmerksam verfolgt, durch das ganze Stück. Der backenbärtige Glatzkopf Sulpice (Alessandro Corbelli) und seine stahlbehelmten Grauröcke sind Soldaten-Karikaturen, Schießbudenfiguren, von Chaplin oder Laurel und Hardy inspiriert, die alles Militärisch-Zackige ins Lächerliche ziehen und als Ersatzväter der jungen Marie glaubhaft wirken, ohne den Verdacht auf Pädophilie zu schüren.

Natalie Dessay, kein Mädchen in Uniform, sondern knabenhaft in Leibchen und Hosenträgern, erinnert mit drahtiger Beweglichkeit, kindlicher Unschuld und unbezähmbarer Energie an Giulietta Masina in Fellinis „La Strada”, und ihr komödiantisches Talent ist eine Entdeckung. Als muntere, doch von der Männerwelt genervte Marketenderin bügelt sie Legionen langer Unterhosen, als Sängerin zeigt sie mit atemberaubender technischer Intelligenz, dass ihr Koloratursopran auch nach zwei Stimmbandoperationen und dem Wechsel ins lyrische Fach kaum zu übertreffen ist. Dann wieder entfaltet sie, beim Kartoffelschälen, hinreißende Innigkeit im Liebesduett mit ihrem Tonio. Juan Diego Flórez, tenoral gesehen der leibhaftige Erlöser, bleibt als Darsteller eher phlegmatisch, macht in Lederhosen wie in französischer Uniform – als Überläufer aus Liebe – eine gleichermaßen unernste Figur und entledigt sich seiner hohen Cs so steif wie ein singender Soldat der Heilsarmee.

Die Choreographien von Laura Scozzi sind eine witzige Augenweide, zumal das Putz-Exerzitium im Walzertakt der „Tyrolienne” im Gründerzeit-Salon des zweiten Akts. Felicity Palmer als Marquise de Berkenfield trägt mit untadeliger Contenance zum Gleichgewicht zwischen Gelächter und Rührung bei; eine hemmungslose Slapsticknummer liefert dagegen die tonnenschwere Komikerin Dawn French in der Sprechrolle der Duchesse de Crackentorp, und die Gäste der Lady sehen aus, als kämen sie zu einem Casting für „Dinner for One”: Genuiner Music-Hall-Humor, vom englischen Publikum begeistert goutiert. Dieses Publikum, nach Ständen, Stilen, Altersklassen so gemischt wie das Opernpersonal, ist in seinem Enthusiasmus köstlich unbefangen, aber nicht unbedarft: Es dosiert den Beifall fein und gerecht, in diesem Fall bis zu standing ovations für Natalie Dessay. Die Oper als Kunstform war einmal ein Fest – in London versteht man es zu feiern.

KRISTINA MAIDT-ZINKE

A40470850
Der Überläufer aus Liebe beim Stimmklimmzug: Juan Diego Flórez als Erlösertenor Foto: Photo by Dave Benett/Getty Images)
Previous | Next

Pädophilie-Opfer - 13-Jährige hat Nacktfotos selbst gemacht
SPGLO00020070116e31f00033
Panorama
453 Words
15 January 2007
Spiegel Online (Deutsch)
0
German
© 2007 SPIEGEL net GmbH. All rights reserved.

(News)

Vier Nacktbilder und drei weitere Fotos eines jungen Mädchens hatte die Polizei im Internet entdeckt und sich auf die Suche nach dem Opfer gemacht - mit Erfolg. Nun stellte sich heraus. Das Kind hat die Bilder selbst gemacht, ins Netz gestellt hat sie aber ein anderer.

Bielefeld - Ein junges Mädchen mit langen blonden Haaren, das an sich sexuelle Handlungen vornimmt: Auf eine Serie dieser Bilder stießen Ende 2005 Beamte der Zentralstelle für Kinderpornografie des Bundeskriminalamts (BKA) im Internet. Seit September 2006 laufen die Ermittlungen. Am vergangenen Donnerstag berichtete die ZDF-Fernsehsendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" über den Fall - woraufhin die Mutter des blonden Mädchens ihr Kind identifizierte: Das Mädchen ist heute 13 Jahre alt und wohnt im Kreis Gütersloh.

Pikantes Detail: Das auf den Fotos zur Schau gestellte Mädchen hat die entsprechenden Bilder selbst aufgenommen - auf Wunsch eines Mannes, den sie in einem Internet-Chatraum kennengelernt habe, wie der Bielefelder Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgart heute sagte. Wie von dem Mann gewünscht, habe das Mädchen mit Hilfe eines Fernauslösers Fotos aufgenommen, während sie sexuelle Handlungen an sich vornahm. Die sieben Fotos, darunter vier Nacktbilder, mailte sie dem Mann - der sie dann im Internet verbreitete und sich nie wieder bei dem Mädchen meldete.

Auch Aufforderung zu Sex-Szenen gilt als Kinderpornografie

Die Polizei ermittle nun gegen den unbekannten Mann wegen Kindesmissbrauchs sowie wegen der Verbreitung von Kinderpornografie, sagte Baumgart weiter. Auch die Aufforderung an ein Kind, sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen, sei strafbar.

Eine heiße Spur gebe es aber noch nicht: Das Mädchen habe den Mann nicht gekannt und nach der Übermittlung der Fotos keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt. Zudem erinnere sich die 13-Jährige, die Fotos vor drei bis vier Jahren aufgenommen zu haben - den Bildern zufolge sei sie aber eher elf Jahre alt gewesen, sagte Baumgart. Die Fotos seien am 8. Juni 2004 aufgenommen worden, sehr wahrscheinlich in einem Wohnzimmer in Deutschland, hatte das BKA letzte Woche mitgeteilt.

Mit der Suche per "Aktenzeichen XY ... ungelöst" konnte immerhin das Mädchen identifiziert werden: Es habe "mehrere Hinweise" gegeben, erklärte die Staatsanwaltschaft Gießen ohne Angabe von Einzelheiten. Nach Angaben der Gießener Behörde identifizierte die eigene Mutter das Mädchen, nachdem sie die Bilder des Kindes in der Zeitung gesehen hatte. Inzwischen hätten auch Schulkameraden des Mädchens sie identifiziert.

Bereits zum vierten Mal seit 1999 gingen BKA-Fahnder mit dem Foto eines nicht identifizierten Missbrauchsopfers an die Öffentlichkeit. In der Vergangenheit konnten die Personen jeweils nach wenigen Tagen gefunden werden - so auch diesmal. Mit Hilfe der ZDF-Sendung war es bislang gelungen, zwei Mädchen zu identifizieren, deren Bilder ebenfalls auf kinderpornografischen Seiten aufgetaucht waren.

fba/dpa

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,459823,00.html

PMGSPON-xPMG-spiegel-459823
Previous | Next

Pädophilie-Opfer hat Nacktfotos selbst aufgenommen.
ADN0000020070115e31f006mz
184 Words
15 January 2007
ddp Basisdienst
German
(c) 2007 ddp-Wirtschaftsdienst www.ddp.de

Bielefeld (ddp). Das angeblich missbrauchte Mädchen aus dem Kreis Gütersloh, das am Freitag nach der ZDF-Sendung »Aktenzeichen XY ungelöst« identifiziert werden konnte, hat selbst die im Internet verbreiteten Nacktfotos von sich aufgenommen. Das sagte ein Sprecher der Gütersloher Kreispolizeibehörde am Montag der Nachrichtenagentur ddp und bestätigte damit einen entsprechenden Medienbericht. Der zuständige Sprecher der Staatsanwaltschaft Bielefeld war zunächst nicht zu erreichen.

Dem derzeitigen Erkenntnisstand zufolge lernte die heute 13-Jährige vor etwa zwei Jahren in einem Internet-Chatraum einen Mann kennen und machte auf dessen Wunsch mit Hilfe eines Selbstauslösers Fotos, auf denen sie sexuelle Handlungen an sich vornahm. Diese Fotos schickte das Mädchen per E-Mail dem Mann, der sie offenbar im Internet verbreitete.

Auf diese Weise war das Bundeskriminalamt (BKA) auf den Fall aufmerksam geworden. Die Kripo Gütersloh versucht den Angaben zufolge nun, den Mann zu ermitteln. Gegen ihn werde wegen Verbreitens von Kinderpornografie sowie wegen Kindesmissbrauchs ermittelt, weil er das Mädchen dazu gedrängt habe, sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen. Das Kind habe sich nicht strafbar gemacht, hieß es.

ddp/mbo/fgr

Previous | Next

Pädophilie-Opfer hat Nacktfotos selbst aufgenommen.
DDPLD00020070115e31f007er
184 Words
15 January 2007
ddp Landesdienste
German
(c) 2007 ddp-Wirtschaftsdienst www.ddp.de

Bielefeld (ddp-nrw). Das angeblich missbrauchte Mädchen aus dem Kreis Gütersloh, das am Freitag nach der ZDF-Sendung »Aktenzeichen XY ungelöst« identifiziert werden konnte, hat selbst die im Internet verbreiteten Nacktfotos von sich aufgenommen. Das sagte ein Sprecher der Gütersloher Kreispolizeibehörde am Montag der Nachrichtenagentur ddp und bestätigte damit einen entsprechenden Medienbericht. Der zuständige Sprecher der Staatsanwaltschaft Bielefeld war zunächst nicht zu erreichen.

Dem derzeitigen Erkenntnisstand zufolge lernte die heute 13-Jährige vor etwa zwei Jahren in einem Internet-Chatraum einen Mann kennen und machte auf dessen Wunsch mit Hilfe eines Selbstauslösers Fotos, auf denen sie sexuelle Handlungen an sich vornahm. Diese Fotos schickte das Mädchen per E-Mail dem Mann, der sie offenbar weltweit verbreitete.

Auf diese Weise war das Bundeskriminalamt (BKA) auf den Fall aufmerksam geworden. Die Kripo Gütersloh versucht den Angaben zufolge nun, den Mann zu ermitteln. Gegen ihn werde wegen Verbreitens von Kinderpornografie sowie wegen Kindesmissbrauchs ermittelt, weil er das Mädchen dazu gedrängt habe, sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen. Das Kind habe sich nicht strafbar gemacht, hieß es.

ddp/mbo/fgr

Previous | Next

Mit dem «Schicksal» umgehen lernen; Therapieangebote für pädophil Veranlagte an der Berliner Charité
NEUZZ00020070115e31f00040
904 Words
15 January 2007
Neue Zürcher Zeitung
3
German
Besuchen Sie die Website der führenden Schweizer Internationalen Tageszeitung unter http://www.nzz.ch

Von Stephanie Geiger*

Pädophile Männer hatten bisher kaum Gelegenheit, offen über ihre Neigung zu sprechen. Die Berliner Charité bietet deshalb seit einiger Zeit eine therapeutische Begleitung an, die zum Ziel hat, dass Pädophile besser mit sich selbst und ihrer Veranlagung umgehen können.

Um Spielplätze macht Johannes Müller aus Bochum einen grossen Bogen. Das Freibad ist für ihn tabu. Einen Platz mit spielenden Kindern hat er schon lange nicht mehr gesehen - zum Schutz von sich selbst und vor allem von Kindern. Johannes Müller ist pädophil. Natürlich heisst der 36-Jährige ganz anders und lebt auch nicht in Bochum. Dass ihn Knaben sexuell anmachen, das weiss er seit der Pubertät. Früher habe er die Gefühle verdrängt oder zumindest gedacht, das gehe vorüber, sagt Johannes Müller. Doch während er älter wurde, blieben die Jungen, in die er sich verliebte, klein. Immer wieder waren es die Zehn- und Zwölfjährigen, die es ihm angetan hatten. Jedes Mal wusste er nicht, was er machen sollte. Und er machte nichts.

Forschungsprojekt mit Pioniercharakter

Das soll auch so bleiben. Dass er einem Kind etwas antut, das könnte Johannes Müller nicht verwinden. Deshalb nimmt er am «Präventionsprojekt Dunkelfeld» der Berliner Universitätsklinik Charité teil. Seit 1996 gibt es dort das Institut für Sexualwissenschaft mit einer sexualmedizinischen Ambulanz. Seit dieser Zeit kommen immer auch pädophile Männer, die um Hilfe bitten. Drei bis sechs sind es pro Quartal. Aus dieser Tatsache ist jetzt ein Forschungsprojekt mit Pioniercharakter entstanden.

Es gibt noch kaum Informationen über Pädophilie und schon gar nicht über sinnvolle Therapiemöglichkeiten. Ein Prozent der Männer zwischen 18 und 70 Jahren gelten nach Schätzung von internationalen Medizingremien als pädophil. In Deutschland sind das etwa 290000, so viel, wie an Parkinson oder an Schizophrenie erkrankt sind. Doch während Patienten bei diesen Krankheiten auf eine strukturierte Versorgung vertrauen können, ist das Angebot bei Pädophilie gleich null. Der klinische Psychologe uns Projektkoordinator Christoph Joseph Ahlers erzählt gar von einem Therapie-Teilnehmer, der, als er bei einem Psychiater um Hilfe bat, aus dessen Praxis flog.

Dabei kann diesen Männern geholfen werden, damit sie mit dem umgehen lernen, was Ahlers «Schicksal» nennt. Weshalb sucht jemand bei Kindern Nähe, Geborgenheit, Vertrauen, Körperkontakt, Schutz, kurz Liebe? «Wir wissen nicht, warum wer wie wird», sagt Ahlers. Klar ist aber, dass die sexuelle Ausrichtung mit Abschluss der Pubertät festgelegt ist.

Unter ärztlicher Schweigepflicht

Einmal pro Woche fährt Johannes Müller nach Berlin. Mehrere Stunden dauert die Hinfahrt, mehrere Stunden geht es nach der dreistündigen Sitzung mit zwei Therapeuten und acht anderen betroffenen Männern wieder zurück. Aus ganz Deutschland kommen sie nach Berlin. Manche nehmen sogar die Reise aus der Schweiz und aus Österreich auf sich. Unter ihnen sind auch solche, die sich schon einmal an einem Kind vergriffen haben, aber nicht polizeilich bekannt sind. Die ärztliche Schweigepflicht garantiert ihnen, dass sie sich bei den Sitzungen öffnen und über ihre Probleme sprechen können.

Als Projekt zur therapeutischen Prävention für potenzielle Täter ist das Angebot auf der ganzen Welt einmalig. Während nämlich nach sexuellem Missbrauch die Täter zu einer Therapie gezwungen werden können, kommen die Teilnehmer am Projekt der Charité aus eigenem Antrieb. Statt mit Verboten, Kontrolle und Strafe setzt man hier auf Selbstbeobachtung und Selbstverantwortung. «Die Männer wollen von sich aus keine sexuellen Übergriffe begehen. In diesem Anliegen unterstützen wir sie therapeutisch», sagt der Psychologe Ahlers. Das Ziel: die Zahl sexueller Übergriffe auf Kinder durch qualifizierte präventive Therapieangebote zu senken. Wer will, bekommt zusätzlich ein Medikament verabreicht, das dämpfend auf Sexualhormone wirkt. Zudem will das Projekt mit einem Vorurteil aufräumen. «Pädophilie ist eine Form von sexueller Präferenz, die nicht automatisch zu sexuellem Missbrauch führt», sagt Ahlers.

Ein Blick in die Statistik belegt die Notwendigkeit solcher Angebote. Die Polizei registrierte im vergangenen Jahr in Deutschland rund 13962 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Denn laut repräsentativen Umfragen werden 2,8 Prozent der Knaben und 8,6 Prozent der Mädchen bis 16 Jahre Opfer von sexuellen Übergriffen. Öffentlich bekannt werden aber allein die spektakulären Taten, wenn Kinder getötet werden oder wenn es besonders schauderliche Fälle sind wie der von Stephanie Rudolph in Dresden oder Natascha Kampusch in Wien.

Vorbeugende Massnahmen

Vorbeugende Massnahmen können Kinder vor Übergriffen bewahren. An der Charité haben pädophile Männer zum ersten Mal die Möglichkeit, über ihre Gefühle zu sprechen, ohne dafür moralisch verurteilt zu werden. Hätte Johannes Müller seinen Eltern und den Geschwistern, als die ihn nach einer Freundin fragten, einfach sagen sollen, dass er auf Kinder stehe? Als Freunde ihn darauf ansprachen und sich erkundigten, ob er vielleicht schwul sei, entschied er sich für eine Frau, um den Spekulationen ein Ende zu setzen. Doch die Beziehungen hielten jeweils alle nicht lang. Die Fragerei begann von neuem.

Jetzt lernt Johannes Müller, sich so zu akzeptieren, wie er ist. «Ein grosses Problem ist, dass sich die meisten Männer selbst hassen. Das behindert sie darin, einen verantwortungsvollen Umgang mit ihrer Pädophilie zu erlernen», sagt Ahlers. Zwar ist die Neigung selbst nicht heilbar. Durch die Gespräche sollen die Männer aber lernen, dass sie zwar nicht schuld sind an ihren sexuellen Gefühlen, durchaus aber verantwortlich für ihr sexuelles Handeln. Die Erfahrungen bestätigen die ehrgeizigen Ziele: Bei den Patienten, die in den vergangenen zehn Jahren an der Charité behandelt wurden, ist kein sexueller Kindesmissbrauch bekannt geworden, weder ein Rückfall noch eine Ersttat. (Weitere Informationen unter http://www.kein-taeter-werden.de)

*Die Autorin ist freie Journalistin in Berlin.

Previous | Next

Kinderpornografie: Fahndung rechtswidrig?
RHEPO00020070112e31c0003z
Politik
VON MARGARETE VAN ACKEREN
290 Words
12 January 2007
Rheinische Post
GES
German
© Copyright 2007. Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH. All rights reserved. For further information see http://www.rp-online.de

Berlin Durch eine spektakuläre Zusammenarbeit mit Kreditkartenunternehmen ist deutschen Fahndern ein Erfolg gegen Kinderpornografie im Internet gelungen. Die Aktion „Mikado“ war ein massiver Schlag gegen das widerliche Geschäft mit Kinderpornographie. Der Düsseldorfer Anwalt Udo Vetter aber warnt: Angesichts der positiven Absicht der Aktion dürfe man die Frage der Mittel nicht ausblenden. „Die Ermittlungsmaßnahme war rechtswidrig und unverhältnismäßig.“ Er hat beim Amtsgericht Halle Klage eingereicht.

Nach Überprüfung des Zahlungsverkehrs von 22 Millionen Kreditkartenbesitzern hatte die Justiz in Sachsen-Anhalt bundesweit 322 Verdächtige ermittelt, die einen fixen Betrag auf ein Auslands-Konto überwiesen hatten. „First Data“ in Bad Vilbel wickelt den Zahlungsverkehr für acht Millionen Karten ab. Wie die Suchvorgaben der Staatsanwaltschaft genau lauteten, will die Firma nicht bekannt geben. Auch wegen der Schwere des Delikts sei aber die Zusammenarbeit mit den Ermittlern nicht fraglich gewesen, erläutert ein Firmensprecher auf Anfrage. Zuvor habe es schon mehrere andere Aktionen gegeben. Laut Strafprozessordnung sei man faktisch Zeuge. Nach Paragraph 161a gibt es eine Pflicht zur Aussage. Ärzte und Anwälte können schweigen; Mitarbeiter von Finanzdienstleistern nicht.

Für Erfolge im „Promille-Bereich“ würden Millionen Menschen unter Verdacht gestellt, meint hingegen Vetter. „Bei der Maßnahme handelte es sich faktisch um eine Rasterfahndung, die dann auch noch outgesourct wurde“, sagte er unserer Zeitung. Andere Juristen betonen, es handle sich eben nicht um eine Rasterfahndung, weil nach ganz konkreten Merkmalen gesucht wurde. Kreditkarten-Nutzung sei auch anfällig für Missbrauch, warnt Vetter. So könnten Menschen zu Unrecht in Verdacht geraten. Spektakuläre Hausdurchsuchungen könnten „Existenzen vernichten“. Vetter betont: „Es geht nicht darum, Pädophilie zu verteidigen, sondern, darum, den Staat daran zu erinnern, dass er die ihm gesetzten Grenzen nicht überschreiten darf.“ Auch der Deutsche Anwaltsverein hegt Bedenken.

194658977
Previous | Next

Früherer DDR-Oppositioneller verhaftet - Brasilianische Polizei ermittelt gegen Deutschen wegen des Verdachts der Pädophilie
BERLRZ0020070111e31b0001e
Politik
Renate Oschließ
328 Words
11 January 2007
Berliner Zeitung
07
German
(c) 2007 Berliner Zeitung

BERLIN.

Ein Deutscher ist am Sonntag an der Copacabana in Rio de Janeiro wegen Verdachts der Pädophilie festgenommen worden.

Es handelt sich um den früheren DDR-Oppositionellen A.

B.

Nach Darstellung der brasilianischen Zeitung O Globo fiel B.

Strandbesuchern auf, weil er zwei Mädchen im Bikini, Schwestern im Alter von zehn und zwölf Jahren, fotografiert haben soll.

Die Polizei verhaftete ihn und stellte Kamera-Speicherkarten sicher, auf denen sich dem Bericht zufolge etwa 150 Fotos halbnackter Kinder befanden.

Die Behörden in Rio de Janeiro ermittelten gegen B. und prüften, ob der Deutsche mit Bildern von Kindern gehandelt oder diese ins Internet gestellt habe, hieß es weiter.

B. befinde sich in Untersuchungshaft.

Er sei aus Buenos Aires nach Rio gereist.

In der argentinischen Hauptstadt soll B. im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung einen Vortrag gehalten haben.

B. reiste für die Adenauer-Stiftung und andere Organisationen durch die Welt, hielt Vorträge und veranstaltete Seminare und Workshops zu Menschenrechtsthemen.

Im Dezember etwa organisierte er auf Kuba für die Adenauer-Stiftung eine Konferenz zum Thema "Die EU und die demokratische Öffnung in Kuba".

Die Stiftung erklärte gestern, sie werde mit B. nicht mehr zusammenarbeiten, "sollten sich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als berechtigt erweisen".

Sie verweist darauf, dass B. nicht Angestellter, sondern freiberuflicher Referent für die Stiftung war.

In der DDR war B. wegen seiner Kontakte zu westlichen Fluchthelfern und seiner Mitarbeit in der evangelischen Friedensbewegung von der Stasi observiert worden. 1983 wurde er festgenommen und zu dreijähriger Haft verurteilt. 1984 wurde er aus der

Strafvollzugsanstalt Cottbus vom Westen freigekauft und in die Bundesrepublik abgeschoben.

B. engagierte sich nach dem Ende der DDR in verschiedenen SED-Opferverbänden wie der Arbeitsgemeinschaft ehemaliger politischer Häftlinge und der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG).

In der UOKG trat B. im Jahr 2003 als Vorstandsmitglied zurück, nachdem ihm vorgeworfen worden war, Informant der DDR-Staatssicherheit gewesen zu sein.

(os.)

Previous | Next

Herrschinger muss ins Gefängnis
SDDZ000020070111e31b000lt
Politik
226 Words
11 January 2007
Süddeutsche Zeitung
R1
German
Copyright 2007 Süddeutsche Zeitung

Herrsching - Wegen sexuellen Missbrauchs von zwei kleinen Buben hat das Landgericht München II einen 70-jährigen Architekten, der früher in Herrsching lebte, zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Gerichts setzte den Haftbefehl gegen den Mann allerdings gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von 50 000 Euro vorläufig außer Vollzug. Der Architekt muss seine Strafe nun erst antreten, wenn das Urteil gegen ihn rechtskräftig wird.

Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Haft gefordert. Der Angeklagte habe sich "auf verabscheuungswürdige Art und Weise" an den beiden Buben vergangen, sagte die Anklagevertreterin. Die Opfer waren zum Zeitpunkt der Tat zehn beziehungsweise höchstens zwölf Jahre alt. Einer der beiden Jungen ist der Stiefsohn des Angeklagten. An ihn überwies der 70-jährige Mann vor wenigen Tagen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs einen Betrag in Höhe von 12 500 Euro.

Der Verteidiger des Architekten, Rechtsanwalt Steffen Ufer, plädierte für die Verhängung einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Einem der beiden Opfer, einem heute 24-Jährigen, der zur Zeit eine Haftstrafe wegen Drogenmissbrauchs verbüßt, warf Ufer vor, "Kapital" aus den Misshandlungen schlagen zu wollen. Der junge Mann hatte in seiner Vernehmung vor Gericht die sexuellen Übergriffe des 70-Jährigen als Grund für sein Abrutschen in die Kriminalität genannt. Vor der Verkündung des Urteils sagte der Architekt, er habe sein Leben lang unter seiner Neigung zur Pädophilie gelitten. sal

A40458251
Previous | Next

Charité bietet Pädophilen Therapie // 12 000 Tatverdächtige wegen sexuellen Kindesmissbrauchs pro Jahr in Deutschland
TAGSS00020070111e31b0004c
WELTSPIEGEL
Von Sonja Pohlmann
447 Words
11 January 2007
Der Tagesspiegel
032
19426
German
Copyright 2007. Verlag Der Tagesspiegel GmbH. All rights reserved. For future information see http://www.tagesspiegel.de

Berlin - Es waren Umzugskästen voll kinderpornografischer Bilder, die die Ermittler im Oktober 2006 aus der Wohnung eines 47-jährigen Magdeburgers trugen. Auf Laptops, Festplatten und Computern hatte er tausende Bilder sexuell missbrauchter Kinder aus dem Internet gespeichert - und war damit einer der ersten der 322 Pädophilen, die den Fahndern im Rahmen der bundesweiten Aktion "Mikado" ins Netz gingen.

Auf die Spur der Pädophilen kamen die Ermittler mit Hilfe einer bislang einzigartigen Auswertung von Kreditkarten-Zahlungen, die eine Verbindung zur Kinderporno-Szene im Internet bewiesen. Anfang der Woche wurden die Ermittlungsergebnisse vorgestellt. Nun weiten die Fahnder ihre Recherchen international aus - doch ist es nicht leicht, die Pädophilen im Netz zu entdecken. Die Internetseiten werden von Briefkastenfirmen betrieben, die oft alle vier Wochen ihre Adresse ändern, um Spuren zu verwischen, sagt Frank Frenkel vom Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt. Auch bekommt nicht jeder Zugang zur Szene im Internet: Nur wer selbst Bilder bietet, wird am Austausch beteiligt - eine Art Feuerprobe, die garantieren soll, dass es sich um einen "echten" Pädophilen handelt.

Als pädophil werden Menschen bezeichnet, die sich sexuell von Kindern im vorpubertären Alter angezogen fühlen. Wie viele Menschen eine solche Neigung haben, ist nicht bekannt. Jährlich werde gegen etwa rund 12000 Tatverdächtige ermittelt, denen sexueller Kindesmissbrauch vorgeworfen wird, sagt Hartmut Bosinski, Direktor des Instituts für Sexualmedizin an der Universität Kiel. Davon habe allerdings nur die Hälfte eine pädophile Neigung - die andere Hälfte benutze Kinder als Ersatz für eigentlich begehrte gleichaltrige Sexualpartner.

Die Dunkelziffer der Pädophilen ist jedoch viel höher. An der Berliner Charité läuft seit Juni 2005 ein Projekt, bei dem sich Menschen mit einer solchen Neigung melden können - durch eine Therapie soll Missbrauch verhindert werden. Über 400 Pädophile haben bislang davon Gebrauch gemacht. Unter anderem wurden mit ihnen mehr als 250 Telefoninterviews geführt. Etwa 50 Prozent gaben dabei an, sich Kinderpornos anzusehen. Bei der Behandlung müsse "aber allen klar werden, dass durch Nutzung solcher Bilder mittelbar Kinder sexuell missbraucht werden", sagt Klaus Beier, Leiter des Projekts und Direktor des Instituts für Sexualmedizin und Sexualwissenschaft.

Welchen Einfluss die schnelle, weltweite Verbreitung kinderpornografischer Bilder übers Internet hat, kann bislang nicht gesagt werden. "Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass dadurch die Anzahl von Betroffenen mit pädophiler Neigung wächst", sagt Beier. Viele Jugendliche würden das Internet stark nutzen und könnten auf Kinderpornos stoßen. Weil in dieser Zeit aber auch die sexuelle Neigung geprägt wird, könnten diese Bilder bei ihnen die Sexualstrutuktur durchaus negativ beeinflussen.

Pädophilie sei nicht zu heilen, sagt Bosinski. Die Menschen müssten in der Therapie befähigt werden, ihre Neigung nicht auszuleben. Häufig bedürfe es zusätzlich einer medikamentösen Triebdämpfung.

200701113014541
Previous | Next

Bürgerrechtler droht in Rio lange Haft
TAGSS00020070111e31b0004f
WELTSPIEGEL
213 Words
11 January 2007
Der Tagesspiegel
032
19426
German
Copyright 2007. Verlag Der Tagesspiegel GmbH. All rights reserved. For future information see http://www.tagesspiegel.de

Berlin - Im Fall des in Rio de Janeiro wegen Pädophilie festgenommenen ehemaligen DDR-Bürgerrechtlers hat sich das deutsche Außenministerium eingeschaltet. Das Konsulat in Rio hat dem Mann einen Dolmetscher und einen Rechtsanwalt besorgt, die Kosten muss er übernehmen. Laut Auswärtigem Amt ist der Mann mittlerweile in ein Gefängnis eingeliefert worden und die Untersuchungen gegen ihn seien im Gange. Ob und wann er angeklagt werde, sei aber völlig offen. Der Mann war am Montagmorgen am Strand der Copacabana festgenommen worden, weil er zwei Mädchen in Bikinis fotografiert hatte. Auf seiner Digitalkamera fand die Polizei rund 150 Fotos von Kindern, die meisten in Badeanzügen. Bei der Durchsuchung seines Hotelzimmers entdeckte sie dann mehr als 100 Fotos von Kindern, teils in sexuellen Posen. Der Mann bestreitet, die Bilder verbreitet zu haben. Das Verfahren gegen ihn kann in Brasilien, wo sexueller Missbrauch Minderjähriger hart bestraft wird, mehrere Monate dauern.

Beschleunigen ließe es sich, wenn er sich einen teuren Rechtsanwalt leistet, der Beziehungen zum Richter hat. Falls der Mann, der in der DDR wegen Widerstands gegen das SED-Regime mehrere Jahre im Gefängnis saß, für schuldig befunden wird, drohen ihm bis zu sechs Jahre Haft. Die brasilianischen Gefängnisse gelten als chronisch überfüllt und lebensgefährlich. Philipp Lichterbeck

200701113014914
Previous | Next

(Zusammenfassung - Neu: Details) Möglicherweise neue Hinweise im Fall des ermordeten Dennis - Verdächtiger in den Niederlanden festgenommen --Von Daniela Schmitz und Markus Peters--.
DDPLD00020070110e31a00694
437 Words
10 January 2007
ddp Landesdienste
German
(c) 2007 ddp-Wirtschaftsdienst www.ddp.de

Verden/Maastricht (ddp-nrd). Im Fall des vor fünfeinhalb Jahren ermordeten Dennis Klein aus Osterholz-Scharmbeck gibt es möglicherweise eine neue Spur. In den Niederlanden wurde laut Polizeiangaben vom Mittwoch ein 36-jähriger Mann festgenommen, der als Tatverdächtiger in einem ähnlichen Mordfall gilt.

Das Opfer, der elfjährige Nicky Verstappen, war am 10. August 1998 aus einem Zeltlager im deutsch-niederländischen Grenzgebiet verschwunden. Einen Tag später wurde seine Leiche entdeckt. Die Todesursache konnte nicht eindeutig geklärt werden. Dennis ist in der Nacht zum 5. September 2001 während einer Klassenfahrt aus einem Schullandheim bei Wulsbüttel im Landkreis Cuxhaven entführt worden. Am 19. September 2001 entdeckte ein Pilzsammler das ermordete Kind an einem Waldweg. Aufgrund der Vorgehensweise wollten deutsche Ermittler Ähnlichkeiten zwischen diesen und anderen Fällen nicht ausschließen.

Die Vernehmung des 36-Jährigen in den Niederlanden sei noch nicht abgeschlossen, sagte der Sprecher der Soko Dennis, Jürgen Menzel, in Verden auf ddp-Anfrage. Man wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen, sondern abwarten. «Es gibt zwischen den Fällen Nicky und Dennis gewisse Parallelen, es kann aber genauso gut sein, dass es jeweils ein Einzeltäter war», sagte Menzel weiter. Die Ermittlungen zu dem nun gefassten Tatverdächtigen könnten sich noch Wochen hinziehen.

Nach Angaben der niederländischen Staatsanwaltschaft stehen mögliche Parallelen zum deutschen Fall derzeit nicht im Mittelpunkt der Ermittlungen. Der 36-Jährige aus der niederländischen Kleinstadt Landgraaf bei Aachen soll am Montag in Maastricht dem Haftrichter vorgeführt werden, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mitteilte.

Der bereits am Dienstag festgenommene Mann soll möglicherweise der Autor von mysteriösen Briefen sein, die seit etwa anderthalb Jahren an einer Gedenkstätte für Nicky Verstappen in der Ortschaft Brunssumerheide deponiert werden. Der Inhalt der Briefe lasse darauf schließen, dass der Schreiber in den Fall verwickelt sei, hieß es weiter.

Dennis' Mörder steht im Verdacht, seit 1992 vier weitere Jungen getötet und 36 Mal Kinder in Schullandheimen, Zeltlagern und Einfamilienhäusern in Norddeutschland missbraucht zu haben. Sein erstes Mordopfer war vermutlich der 13-jährige Stefan Jahr, der vor 14 Jahren aus einem Internat in Scheeßel (Kreis Rotenburg) verschwand und später tot aufgefunden wurde. 1995 starb der achtjährige Dennis Rostel, der bei Schleswig aus einem Zeltlager verschleppt wurde. 1998 wurde Nicky Verstappen aus einem Zeltlager in den Niederlanden entführt und ermordet. Die Polizei hält es für möglich, dass derselbe pädophilie Sexualverbrecher zuletzt kurz vor Ostern 2004 an der französischen Atlantikküste den elfjährigen Jonathan Coulom tötete. Der Junge war ebenso wie Dennis nachts aus einem Schullandheim verschleppt worden.

(Quellen: Menzel auf Anfrage; Staatsanwaltschaft in Mitteilung)

ddp/sci/muc

Previous | Next

Möglicherweise neue Hinweise im Fall des ermordeten Dennis.
ADN0000020070110e31a002ut
278 Words
10 January 2007
ddp Basisdienst
German
(c) 2007 ddp-Wirtschaftsdienst www.ddp.de

Verden (ddp). Im Fall des vor fünfeinhalb Jahren ermordeten Dennis aus dem niedersächsischen Osterholz-Scharmbeck gibt es möglicherweise eine neue Spur. In den Niederlanden wurde ein 36-jähriger Mann festgenommen, der als Tatverdächtiger in einem ähnlichen Mordfall gilt, wie die Polizei am Mittwoch mitteilte. Das Opfer, der elfjährige Nicky, war 1998 aus einem Zeltlager in den Niederlanden verschwunden und einen Tag später tot aufgefunden worden. Dennis wurde im September 2001 aus einem Schullandheim verschleppt und getötet. Die Polizei schrieb bislang beide Fälle einem Täter zu.

Die Vernehmung des 36-Jährigen in den Niederlanden sei noch nicht abgeschlossen, sagte der Sprecher der Soko Dennis, Jürgen Menzel, in Verden auf ddp-Anfrage. Man wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen, sondern abwarten. «Es gibt zwischen den Fällen Nicky und Dennis gewisse Parallelen, es kann aber genauso gut sein, dass es jeweils ein Einzeltäter war», sagte Menzel. Die Ermittlungen zu dem Tatverdächtigen könnten sich noch Wochen hinziehen.

Dennis' Mörder steht im Verdacht, seit 1992 vier weitere Jungen getötet und 36 Mal Kinder in Schullandheimen, Zeltlagern und Einfamilienhäusern in Norddeutschland missbraucht zu haben. Sein erstes Mordopfer war vermutlich der 13-jährige Stefan, der vor 14 Jahren aus einem Internat in Scheeßel (Kreis Rotenburg) verschwand und später tot aufgefunden wurde. 1995 starb der achtjährige Dennis, der bei Schleswig aus einem Zeltlager verschleppt wurde. 1998 wurde Nicky aus einem Zeltlager in den Niederlanden entführt und ermordet.

Die Polizei hält es für möglich, dass derselbe pädophilie Sexualverbrecher zuletzt kurz vor Ostern 2004 an der französischen Atlantikküste den elfjährigen Jonathan tötete. Der Junge war ebenso wie Dennis nachts aus einem Schullandheim verschleppt worden.

ddp/sci/wsd

Previous | Next

Möglicherweise neue Hinweise im Fall des ermordeten Dennis.
DDPLD00020070110e31a002mh
284 Words
10 January 2007
ddp Landesdienste
German
(c) 2007 ddp-Wirtschaftsdienst www.ddp.de

Verden (ddp-nrd). Im Fall des vor fünfeinhalb Jahren ermordeten Dennis Klein aus Osterholz-Scharmbeck gibt es möglicherweise eine neue Spur. In den Niederlanden wurde laut Polizeiangaben vom Mittwoch ein 36-jähriger Mann festgenommen, der als Tatverdächtiger in einem ähnlichen Mordfall gilt. Das Opfer, der elfjährige Nicky Verstappen, war 1998 aus einem Zeltlager in den Niederlanden verschwunden und einen Tag später tot aufgefunden worden. Dennis wurde im September 2001 aus einem Schullandheim verschleppt und getötet. Die Polizei schrieb bislang beide Fälle einem Täter zu.

Die Vernehmung des 36-Jährigen in den Niederlanden sei noch nicht abgeschlossen, sagte der Sprecher der Soko Dennis, Jürgen Menzel, in Verden auf ddp-Anfrage. Man wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen, sondern abwarten. «Es gibt zwischen den Fällen Nicky und Dennis gewisse Parallelen, es kann aber genauso gut sein, dass es jeweils ein Einzeltäter war», sagte Menzel weiter. Die Ermittlungen zu dem nun gefassten Tatverdächtigen könnten sich noch Wochen hinziehen.

Dennis' Mörder steht im Verdacht, seit 1992 vier weitere Jungen getötet und 36 Mal Kinder in Schullandheimen, Zeltlagern und Einfamilienhäusern in Norddeutschland missbraucht zu haben. Sein erstes Mordopfer war vermutlich der 13-jährige Stefan Jahr, der vor 14 Jahren aus einem Internat in Scheeßel (Kreis Rotenburg) verschwand und später tot aufgefunden wurde. 1995 starb der achtjährige Dennis Rostel, der bei Schleswig aus einem Zeltlager verschleppt wurde. 1998 wurde Nicky Verstappen aus einem Zeltlager in den Niederlanden entführt und ermordet. Die Polizei hält es für möglich, dass derselbe pädophilie Sexualverbrecher zuletzt kurz vor Ostern 2004 an der französischen Atlantikküste den elfjährigen Jonathan Coulom tötete. Der Junge war ebenso wie Dennis nachts aus einem Schullandheim verschleppt worden.

ddp/sci/mwa

Previous | Next

Kritik am Kirchenbeitrags-System
DIEP000020070110e31a0003e
c
393 Words
10 January 2007
Die Presse
German
(c) Die Presse 2007 www.diepresse.at.

Pastoraltheologe Paul M. Zulehner hofft auf eine Trendwende bei den Kirchenaustritten dank Re-Spiritualisierung, übt aber Kritik am Kirchenbeitrag. Von Ulrike Weiser

Wien. Die nackte Logik der Statistik _ dass nämlich mit der abnehmenden Zahl der Katholiken auch das Potenzial der Kirchenaustritte schrumpft _ lässt Paul M. Zulehner allein nicht gelten. Es gebe sehr wohl auch andere Gründe für den Rückgang bei den Austritten (siehe Artikel oben), meint der Pastoraltheologe: @J8 Erstens sei das die so genannte "Re-Spiritualisierung". Zulehner gilt als Verfechter der These von der "Erschöpfung der Moderne": "Die Menschen sind heute nicht mehr so fortschrittsgläubig. Sie suchen nach Alternativen, z. B. in der Medizin, und werden auch offener für Spiritualität". Die Kirche müsse diese kulturelle Offenheit allerdings zu nützen wissen. @J8 Und das, so Zulehner, habe sie auch teilweise getan: Events wie die Stadtmission, Jugendkirche oder die Lange Nacht der Kirchen seien sehr erfolgreich gewesen. @J8 Ein wenig Anteil an der positiveren Grundstimmung schreibt er auch dem neuen Papst (der so genannte "Benedikt-Faktor") zu bzw. @J8 der Tatsache, dass die Nachwehen der Causa Groër oder des Pädophilie-Skandals im Priesterseminar St. Pölten in letzter Zeit deutlich nachgelassen haben. Leise Kritik im Zusammenhang mit den Austritten äußert Zulehner allerdings am System der Kirchenbeiträge: "Der Kirchenbeitrag allein ist zwar nicht der Hauptgrund für einen Austritt, aber Geld als äußeres Zeichen der Kirchengemeinschaft ist nicht ideal". Denn in Wahrheit sei es so, dass es immer mehr Menschen gebe, die zwar formell nicht mehr in der Kirche seien, sich ihr aber weiter verbunden fühlten und sich an der Gemeinschaft beteiligen würden: "Diese Gruppe hat Potenzial, hier braucht es mehr Flexibilität." Der Hintergrund der Kritik: Im Vorjahr kamen kritische Töne zur hiesigen Austrittspraxis aus Rom, der St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng plädierte in Folge für eine kulantere Vorgangsweise beim Eintreiben von Kirchenbeitrags-Rückständen.

Trendwende geschafft?

Für die Zukunft prognostiziert Zulehner jedenfalls einen weiteren Rückgang bei den Austritten. Die derzeitige Entwicklung gebe Anlass für einen "verhaltenen, begründeten Optimismus". Eine gewisse Anzahl von Austritten, sagt er, sei allerdings unvermeidbar: "Das ist ein Ausdruck unserer Freiheitsgesellschaft, dass man nicht dort bleibt, wo man hineingeboren wurde. Das gilt für die Kirche genauso wie für politische Parteien". Gleich bleiben wird wohl ebenfalls der Hauptgrund, warum es sich Austrittswillige doch anders überlegen: "Die Feiern und Rituale sind eine wichtige Gratifikation."

Previous | Next

Bürgerrechtler wegen Pädophilie festgenommen
TAGSS00020070110e31a0001g
WELTSPIEGEL
254 Words
10 January 2007
Der Tagesspiegel
028
19425
German
Copyright 2007. Verlag Der Tagesspiegel GmbH. All rights reserved. For future information see http://www.tagesspiegel.de

Berlin - Die Reise eines ehemaligen DDR-Bürgerrechtlers endete in Rio de Janeiro auf unerwartete Weise. Die brasilianische Polizei nahm den Mann, der prominentes Mitglied der Arbeitsgemeinschaft ehemaliger politischer DDR-Häftlinge innerhalb der evangelischen Kirche und lautstarker Anwalt der Opfer des DDR-Regimes ist, an der Copacabana wegen Pädophilie fest.

Der Menschenrechtler war am Strand aufgefallen, so berichtet die Tageszeitung "O Globo", weil er zwei Schwestern im Alter von zehn und zwölf Jahren in Bikinis fotografierte. Bei der Durchsuchung seines Hotelzimmers habe die Polizei dann Filmrollen und CDs mit mehr als hundert Fotos von halbnackten Kindern in eindeutigen Posen gefunden. Die Polizei ermittelt nun laut "Globo", ob der Mann zu einem Pädophilie-Netz gehöre, das mit den Bildern handele. Ihm drohten zwischen zwei und sechs Jahren Gefängnis. Der brasilianische Staat versucht derzeit rigoros gegen sexuellen Missbrauch von Kindern vorzugehen, weil besonders im armen Nordosten der Sextourismus boomt.

Der Festgenommene war zuvor in Buenos Aires, wo er für die Konrad-Adenauer-Stiftung einen Vortrag gehalten hatte. Auf den Fotos, die die Polizei veröffentlichte, sieht er mitgenommen und übermüdet aus. In der DDR wurde er unter anderem wegen seiner aktiven Mitgliedschaft in der Kirche von der Staatssicherheit verfolgt und saß mehrere Jahre in Haft. Der Vorsitzende der AG ehemaliger politischer Häftlinge, Rainer Wagner, sagte dem Tagesspiegel, dass die Mitgliedschaft des Mannes ruhe, bis die Vorwürfe geklärt seien. Der Beschuldigte bestreitet nach Angaben der deutschen Botschaft in Brasilia, pädophil zu sein. Die Fotografie sei sein Hobby. Philipp Lichterbeck

200701103012363
Previous | Next

Acht Jahre Haft für polnischen Kinder-Psychologen wegen Pädophilie=
AFPDE00020070109e3190025t
AO
110 Words
09 January 2007
23:22 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2007 All reproduction and presentation rights reserved.

Warschau, 10. Januar (AFP) -

Ein bekannter polnischer Kinder-Psychologe ist wegen Pädophilie zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht in Warschau befand den 59-jährigen Andrzej Samson am Dienstag des Missbrauchs Minderjähriger und der Verbreitung von Kinderpornografie schuldig. Der Psychologe, der durch zahlreiche Veröffentlichungen zum Familienleben und zur Kindererziehung bekannt ist, war im Juni 2004 festgenommen worden, nachdem in einem Mülleimer in der Nähe seiner Wohnung hunderte pornografische Bilder gefunden worden waren, zum Teil auch Kinderpornografie. Der Psychologe bekannte sich vor Gericht schuldig. Sein Anwalt schloss aber nicht aus, gegen das festgesetzte Strafmaß in die Berufung zu gehen.

ao

Previous | Next

ZUR PERSON // "Kinder soll man erschrecken" // Terry Gilliam in Berlin: Gespräch über Grimms Märchen, deutsche Mythen und andere Gruselstoffe
TAGSS00020070109e31900012
KULTUR
1103 Words
09 January 2007
Der Tagesspiegel
021
19424
German
Copyright 2007. Verlag Der Tagesspiegel GmbH. All rights reserved. For future information see http://www.tagesspiegel.de

Herr Gilliam, waren Sie schon am Grab der Brüder Grimm in Berlin-Schöneberg?

Oh nein, lieber nicht. Wenn ich da hin gehe, kommen die von den Toten zurück und tun mir schlimme Dinge an.

Was fasziniert Sie so an Märchen?

Ich bin mit Märchen aufgewachsen und mit dem Radio, das hat meine Einbildungskraft trainiert. Das Schöne an Märchen ist, dass sie auf so archetypische Weise zu den wirklich wichtigen Dingen vordringen - vor allem Grimms Märchen, weil sie so düster und verstörend sind. Man sollte seine Kinder nicht behüten, sondern ruhig auch erschrecken. Das ist eine gute Vorbereitung auf das Leben: Es kommen schreckliche Dinge, die du nicht verstehst, aber meistens gibt es ein Happy- End. So ist das ja auch in "Tideland".

Ihr neuer Film ist selbst für Ihre Verhältnisse ausgesprochen bizarr.

Es gefällt mir, dass der Film so starke Reaktionen hervor ruft. Ich gehöre nicht zu den Filmachern, die das Publikum versöhnen wollen. Bei "Tideland" habe ich etliche Regeln gebrochen: Der Film hat keine richtige Form, keine normale Geschichte, keinen strukturellen Sinn... Man muss vergessen, wer man ist. "Tideland" ist wie ein Trip, und man versteht ihn nur, wenn man ihn mit den Augen eines Kindes sieht. Viele Leute hassen diesen Film, andere sagen, es sei das Zärtlichste, was ich je gemacht habe.

Es geht um ein neunjähriges Mädchen inmitten von Drogen, verrottende Leichen, Taxidermie, Nekrophilie, Pädophilie...

Ich möchte, dass die Leute erkennen, wie sehr sie von Medienbildern kontrolliert werden: Wann immer man eine Zeitung in die Hand nimmt, vor allem in England und USA, sieht man Kinder immer nur als Opfer. Schon die Romanvorlage zu "Tideland" spielt auf krasse Weise damit, wie Kinder dargestellt werden. Natürlich irritiert es, wenn man sieht, wie die kleine Jeliza-Rose ihrem Vater die Heroin-Spritze zubereitet. Aber um Heroin geht es gar nicht. "Tideland" ist das Psychogramm eines Mädchens, das seine Umwelt in etwas anderes verwandelt, um überhaupt darin leben zu können. Die Menschen vergessen, dass Kinder so etwas tun und dass die Vorstellungen, die sie dabei entwickeln, nicht unbedingt niedlich sind. Wenn man "Alice in Wonderland" originalgetreu verfilmen würde - die Leute würden ausflippen, so finster ist das.

Diese Überlebensstrategie scheint das Thema all Ihrer Filme zu sein.

"Tideland" ist sogar autobiografisch! Ich könnte nicht überleben, wenn ich die Welt nicht ständig transformieren würde. Es gibt in meinem Filmen immer den Kampf zwischen physischer Realität und Einbildungskraft, denn ich muss selbst permanent herausfinden, was echt ist und was nicht - weil ich es einfach nicht weiß. Meine Filme helfen mir dabei. Ich versuche einfach, immer neue Perspektiven auf die Realität zu eröffnen. Für mich und für das Publikum.

Haben Sie ein Notizbuch neben dem Bett, um Ihre Träume aufzuschreiben?

Früher habe ich das getan. Inzwischen bin ich alt und faul und schlafe lieber weiter. Aber ich habe gerade ein neues Script fertiggestellt, das war sehr aufregend. Ich schrieb es sehr schnell, wie damals bei Monty Python, als wir so wenig Zeit hatten. Dieses Schreiben ohne Nachdenken ist ein traumartiger Zustand. Ich dachte, wenn ich aufhöre zu denken, dann sprudeln die Einfälle geradezu. Wenn man zu viel nachdenkt, verliert man das Vertrauen in die Idee. Daher sind Geschichten heute auch so langweilig - weil alles nur bedacht, gemessen und nummeriert wird. Ich vermisse die sechziger Jahre. Die Menschen erfanden so viele außergewöhnliche Sachen, ich war bei einer Werbeagentur der Langhaarige vom Dienst. Alle jungen Leute wurden albern und verrückt.

Schade, dass deren Kinder nicht weitergemacht haben.

Das ist die große Enttäuschung (lacht). Meine Tochter wird jetzt Anwältin. Sie möchte viel Geld verdienen, damit sie machen kann, was sie will. Ich sagte: Das ist nicht gut! Du musst das tun, was dich anregt und begeistert. Wenn du damit Geld verdienen kannst, großartig. Wenn nicht, wirst du dein Leben dennoch genießen.

Vielleicht haben Sie Ihre Tochter nicht genug erschreckt, als sie klein war.

Oh doch, das habe ich.

Und womit?

Grimms Märchen!

Sie haben auch einen Film über Baron Münchhausen gemacht. Das Deutsche scheint Sie zu begeistern.

Ich bin von der deutschen Kultur vielleicht mehr beeinflusst als von irgendetwas anderem. Sie ist großartig, übervoll mit dramatischen Geschichten und ungewöhnlichen Bildern - ihr solltet wirklich aufhören, euch dafür zu entschuldigen. Als ich damals "Baron Munchhausen" nach Deutschland brachte, kam es mir so vor, als hätten die Deutschen Angst vor meinem Film. Das ist doch furchtbar. Vor einiger Zeit habe ich Wagners "Ring" gelesen: was für eine außergewöhnliche Geschichte! Da kann Tolkien einpacken. Diesen Film würde ich gerne machen. Aber ohne Gesang.

Die Dreharbeiten zu "Baron Munchhausen" waren ein Desaster und begründeten ihren Ruf als Regisseur des Scheiterns.

Eine Zeit lang habe ich damit kokettiert, obwohl es nicht stimmt. Inzwischen ist es ein echtes Hindernis, weil die Produzenten Angst vor mir haben. Es ist für mich sehr mühsam geworden, überhaupt noch die Energie für den Kampf mit ihnen aufzubringen, weil sie alle so dumm sind. Die meiste Zeit bin ich ziemlich deprimiert. Es liegen mehrere großartige Drehbücher bei mir herum, schon seit Jahren, und sie werden wohl nie realisiert. Ich bin nicht mehr jung und fange schon an zu zählen, wie viele Filme ich überhaupt noch machen kann, bevor ich sterbe.

Auch mit Ihrem Herzensprojekt "Don Quixote" sind Sie tragisch gescheitert.

Das war schlimm. Es war, als laste ein Fluch darauf. Aber Johnny Depp und ich wollen es noch mal wagen, und wir sind guter Dinge, dass wir das Drehbuch schon nächsten Monat von der Versicherung zurückkaufen können.

Auch Quixote transformiert die Welt. Im Roman wird er am Ende normal.

Ja, er wird normal, und das Traurige ist, dass er sofort daran stirbt, denn es war ja seine Einbildungskraft, die ihn am Leben hielt. In meinem Film kommt Quixote aber gar nicht dazu, normal zu werden, denn er wird vorher von Johnny getötet. Wie gesagt, ich mag Happy-Ends.

- Das Gespräch führte Sebastian Handke.

Terry Gilliam, 1940 in

Minneapolis geboren, wurde als Cartoon-Zeichner und Mitglied der

legendären britischen Comedytruppe Monty Pythons bekannt, für die er surreal-absurde Animationen lieferte und 1970 seinen ersten Spielfilm "Die Ritter der Kokosnuss"inszenierte. Mit Filmen wie "Time Bandits", Brazil, "König der Fischer", "12 Monkeys" und Fear and Loathing in Las Vegas etablierte er sich als

einer der eigenwilligsten, bildmächtigsten Regisseure unserer Zeit.

Das Berliner Kino Babylon Mitte präsentiert derzeit eine Werkschau mit allen Gillian-Filmen (bis 25.Januar) Sein jüngster Film Tideland (der keinen deutschen Verleih hat) läuft nochmals am

13. Januar um 18 Uhr.

200701093010364
Antimärchen. "Tideland" mit Jodelle Ferland, noch einmal im Kino Babylon zu sehen. Fotos: Revolvergroup (o.), ddp
Previous | Next

Brasilien - Deutscher wegen Verdachts auf Pädophilie festgenommen
SPGLO00020070109e3180002f
Panorama / Justiz
234 Words
08 January 2007
Spiegel Online (Deutsch)
0
German
© 2007 SPIEGEL net GmbH. All rights reserved.

(News)

Ein deutscher Tourist ist in Brasilien wegen Verdachts auf Pädophilie festgenommen worden. Der etwa 50-jährige Mann soll laut Zeitungsberichten auf frischer Tat ertappt worden sein. Er habe an der Copacabana in Rio de Janeiro "verdächtige Fotos von jungen Mädchen im Bikini" gemacht.

Rio de Janeiro - Der Mann sitze in Untersuchungshaft. Es solle ermittelt werden, ob der Deutsche mit Bildern von Kindern gehandelt oder diese ins Internet gestellt habe, hieß es unter Berufung auf die Polizei in Rio.

Eine Gruppe von Strandbesuchern habe die Polizei wegen des verdächtigen Verhaltens des Deutschen alarmiert, hieß es. Bei der gestrigen Festnahme am Strand seien unter anderem Digitalkamera-Speicherkarten mit rund 150 Bildern von Kindern und Jugendlichen sichergestellt worden. Eines der Mädchen sei nackt fotografiert worden.

Gegen den Deutschen werde den Angaben zufolge wegen des Verdachts der "Produktion pornografischen Materials mit Minderjährigen" ermittelt. Er kann deshalb nach brasilianischem Gesetz zu einer Haftstrafe von zwei bis sechs Jahren verurteilt werden. Das deutsche Konsulat vermittelte unterdessen laut Medienberichten zwei Rechtsanwälte.

Die für den Fall zuständige Polizeikommissarin Cristiane Amorim erklärte, der Mann habe ausgesagt, er sei in Deutschland Politiker und von Beruf Apotheker. Er sei seit einer Woche als Tourist in Rio. In welcher deutschen Stadt er seinen Wohnsitz hat, wurde vorerst nicht bekannt.

jjc/dpa

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,458433,00.html

PMGSPON-xPMG-spiegel-458433
Previous | Next

Goa als neues Ziel für Pädophile Experten warnen vor Sex-Tourismus und den bösen Folgen
PRESSE0020070108e318001gt
589 Words
08 January 2007
12:45 GMT
Pressetext
German
© 2007 Pressetext – News and Press Service for opinion leaders. All rights reserved. For further information see http://www.pressetext.de

Dass die Staaten in Südostasien - wie etwa Thailand, Kambodscha oder Vietnam - mit Pädophilie und Prostitution in Verbindung gebracht werden, ist hinlänglich bekannt. Neu auf der Landkarte ist allerdings das paradiesische Goa hinzugekommen. Ein Bericht von BBC http://news.bbc.co.uk hat auf diese Situation aufmerksam gemacht und auch davon berichtet, dass die Behörden das anstehende Problem offensichtlich einfach ignorieren.

Tatsächlich berichtet auch die Organisation "Childrens Rights in Goa" von bisher hunderten Fällen von Pädophilie und sexueller Ausbeutung von Kindern durch Touristen. "Das Problem wird nicht mit der Intensität behandelt, die es eigentlich haben sollte", meint Nishta Desai, Beraterin von Childrens Rights in Goa, die einräumt, dass der Kindesmissbrauch in der südindischen Stadt bereits organisiert von statten gehe. Offensichtlich gibt es verschiedene Wege, um an die Kinder heranzukommen, berichtete BBC. Auch Taxilenker oder Verkäufer würden dabei mithelfen, den jeweiligen Kundenwunsch zu befriedigen. Und das obwohl der Staat Goa Sexualverkehr erst ab 18 Jahren erlaubt.

Wie schlimm die Situation tatsächlich ist, zeigt sich auch daran, dass die Fäden der sexuellen Ausbeutung von Kindern bis nach Bombay reichen und von dort aus mit Agenten in Goa durchgeführt wird. In einem UN-Report zum Thema Kindesmissbrauch und Menschenhandel wird die Zahl der Kinder und Frauen mit bis zu vier Mio. angegeben. Subhash Shirodkar, Sozialminister des Staates Goa, sieht die Situation hingegen anders: "Weder Bürger von Goa noch andere Menschen werden missbraucht." Das ganze Problem werde künstlich hochgeschaukelt. Den Aussagen des Ministers stimmen die NGOs allerdings nicht zu. Das sei einfach nicht wahr, meint Desai, die zusätzlich auch davor warnt, dass der gute Ruf des Tourismuszieles Goa damit ruiniert werden könnte.

Das Problem einfach zu ignorieren sei eine durchaus gängige Praxis, meint Astrid Winkler, Koordinatorin der "End Child Prostitution, Child Pornography and Trafficking of Children for Sexual Purposes" (ECPAT) http://www.ecpat.at , einem Bündnis verschiedener NGOs gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern, im pressetext-Interview. Das Problem in Goa sei bekannt, es gebe immer wieder Berichte seitens verschiedener NGOs, meint die Expertin. Winkler verweist aber auch darauf, dass es mittlerweile immer wieder Erfolge bei der Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen gebe. "Derzeit ermittelt das Bundeskriminalamt gegen drei Österreicher, die verdächtigt werden, Kinder in asiatischen Ländern missbraucht zu haben", so Winkler. Große Fortschritte bei der Bekämpfung von Sextourismus gebe es auch in Kambodscha. "Dort haben die lokalen Behörden große Anstrengungen unternommen, gegen das Image als Kindersex-Paradies zu wirken." Allerdings gebe es immer noch einige asiatische Länder wie etwa Vietnam oder auch Indien, in denen es große Probleme gebe.

"Dabei sind echte Pädophile, also Täter, die ausschließlich Kinder unter zehn Jahren wollen von Gelegenheitstätern zu unterscheiden. Gelegenheitstäter haben meist eine Reizschwelle für Sexpartner ab der Pubertät", führt Winkler aus. "Die Arbeit des ECPAT-Bündnisses gegen Kinderprostitution wird vom Grundsatz geleitet, dass jedes Kind im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention Anspruch auf umfassenden Schutz vor allen Formen der kommerziellen Ausbeutung und des sexuellen Missbrauchs hat." Warum die Behörden dieses Unrechtsbewusstsein einfach ignorieren, sei nicht ganz klar. Einerseits ist es wohl die Verlockung des Geldes, andererseits ist es aber auch ein anderer kultureller Kontext, der Kindheit eben nicht als besonders schützenswert sieht. "Die Staaten wurden beim zweiten ECPAT-Weltkongress 2001 dazu aufgerufen, mehr Aktivitäten im Bereich der allgemeinen Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung zu setzen sowie die internationale Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen weiter auszubauen." Es gebe jedenfalls immer noch viel zu tun, meint die Expertin abschließend im pressetext-Gespräch.

Previous | Next

Deutscher in Marokko wegen Anstiftung zur Prostitution verurteilt =
AFPDE00020070105e315002bk
OEL
88 Words
05 January 2007
19:34 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2007 All reproduction and presentation rights reserved.

Rabat, 5. Januar (AFP) -

In Marokko ist am Freitag ein Deutscher wegen sittenwidrigen Verhaltens und Anstiftung zur Prostitution zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Der 57-Jährige war am 27. Dezember in einem Haus in Agadir im Süden des Landes festgenommen worden, wo er sich mit zwei Jungen aufhielt, wie Justizmitarbeiter sagten. Die gegen Pädophilie kämpfende marokkanische Organisation "Fass nicht mein Kind nicht" trat als Nebenklägerin auf. In Deutschland soll der Mann bei einem Anzeigenblatt gearbeitet haben.

oel/mey

Previous | Next

Das gefährliche Ich - Mit 25 hat er gemerkt, dass ihn nur kleine Mädchen sexuell erregen. Seitdem kämpft er gegen seine Fantasien - seit kurzem auch mit ärztlicher Hilfe
BERLRZ0020070104e3140000j
Blickpunkt
Sabine Deckwerth
1624 Words
04 January 2007
Berliner Zeitung
03
German
(c) 2007 Berliner Zeitung

BERLIN.

Martin Süder* liebt Kinder.

Mädchen mit langen, roten Haaren, mit Sommersprossen.

Sieben Jahre alt, acht, elf oder dreizehn.

Wenn er so einem Mädchen zufällig auf der Straße begegnet, oder während der Fahrt im Bus, dann starrt er es an.

Dann wird er innerlich "sehr unruhig", wie er sagt, "sehr aufgeregt".

In seinem Kopf "läuft der Film ab".

Er stellt sich vor, wie es wäre, Sex mit dem Kind zu haben.

Später, zu Hause, befriedigt er sich dann selbst.

Martin Süder ist 35 Jahre alt und pädophil.

Das bedeutet, er ist sexuell auf Kinder fixiert und kann nur bei Kindern sexuelle Erregung verspüren.

Wie viele Pädophile in Deutschland leben, weiß niemand.

Weil sich kaum einer von ihnen traut, mit anderen über seine Neigung zu sprechen.

Laut Kriminalstatistik werden in Deutschland jährlich 20 000 Kinder Opfer von sexuellen Übergriffen.

Das sind die registrierten Fälle.

Die Dunkelziffer liegt höher.

Etwa 60 000 Kinder, so wird geschätzt, werden jährlich sexuell missbraucht, ohne dass es zur Anzeige kommt, die meisten Täter stammen aus dem familiären Umfeld.

In schätzungsweise einem Viertel der Fälle sind die Täter Pädophile.

Vielleicht wäre Martin Süder auch zu einem Täter geworden, wenn er nicht Hilfe bekommen hätte.

Er will reden, über sich und seine Neigungen.

Er sitzt in einem kleinen kargen Raum in einem Altbau im Hinterhof der Luisenstraße in Mitte.

Ein Tisch, zwei Stühle, weiße, kahle Wände.

Der Raum gehört zum Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Berliner Charité.

Martin Süder macht dort seit neun Monaten eine Therapie.

Das Institut hatte seit Mitte 2005 in einer bundesweit einmaligen Medienkampagne unter dem Motto "Damit aus Fantasien keine Taten werden" Männer mit pädophilen Neigungen auf ein kostenloses vorbeugendes Therapieangebot aufmerksam gemacht.

Rund 500 Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 17 und 67 Jahren sind seitdem dieser Aufforderung gefolgt.

Martin Süder auch.

Er ist Arbeiter und wohnt in einer Stadt in Baden-Württemberg.

Jede Woche fährt er einmal mit dem Zug nach Berlin.

Morgens sechs Stunden hin, abends sechs Stunden zurück.

Er ist ein schmaler, unauffälliger Mann.

Er trägt Jeans und Sweatshirt und wirkt konzentriert.

Bevor er redet, legt er den Kopf etwas schief und überlegt eine Weile, weil er die richtigen Worte finden will.

Er sagt, es sei ihm sehr wichtig, dass andere von seinen Problemen erfahren.

Denn wenn die Gesellschaft ein bisschen offener wäre, würde es vielen Menschen wie ihm besser gehen.

Und es würde dem Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch durch Pädophile dienen.

Davon sind auch die Wissenschaftler an der Charité überzeugt.

Wenn Menschen ihre Neigungen kontrollieren können, dann ist das aus ihrer Sicht Kinderschutz.

Denn Pädophilie führt nicht zwangsläufig zum sexuellem Missbrauch, wie der Fall Martin Süder zeigt.

Vor zehn Jahren spürte er zum ersten Mal, dass er anders als andere Männer ist.

Da war er 25 und mit einer Frau zusammen, die eine achtjährige Tochter hatte.

Eines Tages merkte er, dass er das Mädchen mehr begehrte als die gleichaltrige Partnerin.

Er sagt, damals habe er sich immer wieder eingeredet, "das ist eine Phase, die geht vorbei".

Die Phase ging nicht vorbei.

Sie wird auch nie vorbei gehen, so lange er lebt.

"Pädophilie ist Schicksal", sagt der Psychologe und Projektkoordinator Christoph Joseph Ahlers vom Charité-Institut.

Sie sei eine Krankheit, kein Charakterdefekt.

Es handelt sich um eine Störung der sexuellen Präferenz.

Diese festigt sich während der Pubertät und bleibt ab dann lebenslang stabil.

Wo die Ursachen liegen, weiß man nicht.

Es könnte sein, dass es eine genetische oder hormonelle Veranlagung gibt.

Möglich ist auch eine Prägung, ein Missbrauch in der Kindheit.

Die Männer, die sich hilfesuchend an das Institut für Sexualmedizin wandten, haben bei sich pädophile Neigungen festgestellt.

Sie kommen aus allen Bevölkerungsschichten: Etwa 40 Prozent von ihnen haben Abitur, die anderen haben mittlere Reife oder einen Hauptschulabschluss.

Die meisten leben alleine.

Wie Martin Süder.

Er sagt, dass er aus einem wohlbehüteten, intellektuellen Elternhaus komme und als Kind nie missbraucht worden sei.

Im Laufe der vergangenen zehn Jahre wurden die Fantasien in seinem Kopf immer stärker.

"Mit der Zeit kam mir schon mal der Gedanke, sich das mit Gewalt zu nehmen, was ich haben möchte", sagt er, "weil ich weiß, ohne Gewalt kann ich es nicht bekommen".

In so einer Situation denke man nicht an Strafverfolgung und gesellschaftliche Ächtung, in so einer Situation sei man nur auf den Trieb fixiert, "nur auf die schönen Bilder im Kopf", wie er sagt.

Das Erschrecken kommt später, wenn die Erregung sich nach der Selbstbefriedigung gelegt hat.

Dann setzen die Skrupel ein und die immer größer werdende Angst davor, eines Tages ein Täter zu werden.

2004 entschloss er sich zum ersten Mal, Hilfe zu suchen.

Es war die Zeit, als in den Zeitungen viel über den belgischen Kinderschänder Marc Dutroux stand.

Der Mann beschäftigte ihn.

"Er hat sich genommen, was ich auch haben wollte."

Dutroux stieß ihn zugleich ab.

Seine Taten erschreckten ihn.

"Ich dachte, wenn du deine Fantasien mit Gewalt umsetzt, dann wird auch diese Gewalt sich mit der Zeit steigern.

Davor hatte ich große Angst.

Ich wollte keinem Kind ein Leid zufügen."

Er ging zu einem Psychiater und erzählte ihm von angeblichen Schwierigkeiten beim Sex mit Frauen.

Eher beiläufig fragte er dann, was der Psychiater von Pädophilen halte.

"Wenn ich so einen Kinderschänder erwischen würde, den würde ich erschießen", soll der Psychiater gesagt haben.

Hilflos und alleingelassen habe er sich danach gefühlt, sagt Süder.

Ein weiteres Jahr verging - bis er im ZDF einen Bericht über das Projekt des Berliner Instituts für Sexualwissenschaft sah und beschloss, sich zu melden.

Er schickte einen Brief und bat um Informationen.

Die Berliner Wissenschaftler haben ihm eine Therapie angeboten.

Martin Süder hat dann auch mit seiner Mutter über seine Neigungen gesprochen.

Zuerst am Telefon, "das war leichter", wie er sagt.

Er tat es "eher aus der Not heraus".

Denn er brauchte Geld.

Die Fahrt nach Berlin kostet ihn 310 Euro im Monat.

Geld, das er nicht hatte.

Die Mutter sei erst geschockt gewesen und habe nicht wahrhaben wollen, was er ihr sagte.

Jetzt zahlt sie die Fahrtkosten.

Wenn er reden wolle, sei sie für ihn da, habe sie ihm später gesagt.

Sein Vater, der inzwischen auch Bescheid weiß, rede bis heute nicht über das Thema.

"Mein Vater sagt sich, so etwas könne bei seinem Sohn gar nicht sein."

Im Februar 2005 begann die Therapie.

Sieben Männer waren sie in der Gruppe, jetzt sind es nur noch vier.

Die anderen sind einfach nicht mehr gekommen.

Knapp die Hälfte aller, die sich in der Charité gemeldet haben, tat es aus Angst, irgendwann zu Tätern zu werden.

Die anderen haben schon einmal einen sexuellen Missbrauch begangen und fürchten einen Rückfall. 61 Prozent hatten sich schon vergeblich um eine Therapie bemüht.

Während der Therapie sitzen die Männer mit zwei Psychologen in einer Gruppe.

In Rollenspielen werden Problem- und Risikosituationen durchgespielt.

Dann müssen sich die Patienten in frühere oder in mögliche künftige Opfer hineinversetzen, um nachzuempfinden, was so ein Kind bei einem Missbrauch erleidet.

Heilung gibt es nicht.

Die Wissenschaftler vergleichen die Pädophilie mit der Zuckerkrankheit: Wie bei der Stoffwechselstörung kommt es aus ihrer Sicht auch bei der Pädophilie vor allem auf eine vollständige Kontrolle des Verhaltens an.

Eine Kontrolle, die nur möglich ist, wenn die Patienten verstehen, woher ihre sexuellen Bedürfnisse rühren und was sie anrichten können.

Das geht mit Hilfe einer speziellen Therapie, die auch mit Medikamenten unterstützt werden kann.

Es gebe gute Medikamente, heißt es.

Die Therapie zielt nicht darauf, dass ein Pädophiler Kindern aus dem Weg geht, das funktioniert im Alltag nicht.

Es geht darum, dass jeder für sich seine Grenzen erkennt und später immer wieder abstecken kann.

Dass sich jemand zum Beispiel so weit unter Kontrolle hat, dass er nicht auf Internet-Seiten mit Kinderpornos klickt.

Oder dass einem wie Martin Süder bewusst wird, dass er keine Mädchen auf seinen Schoß nehmen darf.

Die Patienten müssten lernen, ihre Neigung zu akzeptieren, erklärt der Psychologe Ahlers.

"Denn nur wenn ich etwas als zu mir selbst gehörig betrachte, dann kann ich das auch kontrollieren."

Auch soll den Betroffenen die Scham genommen und ihr Selbstwertgefühl gestärkt werden.

"Je mehr sich jemand selbst entwertet und für etwas verantwortlich macht, für das er nichts kann - nämlich seine Neigung - desto schlechter geht es ihm, desto depressiver wird er, desto stärker wird das Verlangen nach einem tatsächlichen Übergriff",

erklärt Ahlers.

Weil der Betreffende dann denke, ich bin sowieso ein Schwein, also macht so eine Tat auch nichts mehr aus.

Deshalb wollen die Sexualwissenschaftler die Botschaft vermitteln: "Du bist nicht schuld an deinen sexuellen Wünschen, aber du bist verantwortlich für dein sexuelles Verhalten."

Während der Therapie hat sich Martin Süder angewöhnt, Tagebuch zu schreiben.

So kann er jederzeit alles nachlesen und ein zweites Mal über alles nachdenken.

Auch hat er sich Adressen und Telefonnummern von anderen aufgeschrieben, weil es leichter ist, mit jemandem zu reden, der die gleichen Probleme hat.

Wie es jetzt weitergehen soll, weiß er noch nicht so richtig.

"Im Moment bin ich am Zweifeln und hin und hergerissen", sagt er.

Einerseits wünscht er sich eine Partnerin.

Eine, die seine Neigungen vielleicht akzeptieren könnte.

Er hätte auch gern Kinder, am liebsten zwei Mädchen, "weil die leichter zu erziehen sind".

Doch da ist auch die Angst, den eigenen Kindern eines Tages etwas antun zu können.

Viele Pädophile würden sagen, eigene Kinder seien tabu, sagt Süder.

Er ist sich da nicht sicher.

Er ist ein Risikofaktor, sein Leben lang.

*Name wurde geändert.

------------------------------

"Du bist nicht schuld an deinen sexuellen Wünschen, aber du bist verantwortlich für dein sexuelles Verhalten."

Christoph Ahlers, Sexualpsychologe

------------------------------

Foto: "Lieben Sie Kinder mehr als Ihnen lieb ist?" -

Plakatmotiv aus der Kampagne der Berliner Charité, um Pädophile zu ermuntern, sich helfen zu lassen.

Previous | Next

Schönheit der Maschine, die das Ich ausmacht
DIEP000020061230e2cu0003u
fe
1126 Words
30 December 2006
Die Presse
German
(c) Die Presse 2006 www.diepresse.at.

NEUROPHILOSOPHIE. Ohne "kausales Vakuum": Patricia Churchlands Plädoyer für ein Update für den freien Willen. Von PETER MARKL

Der Fall, über den die Archives of Neurology im Jänner 2003 berichteten, illustriert das Problem besser als alle philosophischen Erwägungen. Da ging es um einen vierzigjährigen Mann aus Virginia, der bis dahin nicht weiter aufgefallen war. Er begann, Kinderpornografie zu konsumieren und seine acht Jahre alte Stieftochter sexuell zu belästigen, wobei sein Verhalten immer zwanghafter wurde, obwohl er sich bewusst war, damit unmoralisch zu handeln. Als er sich über Kopfschmerzen beklagte, entdeckte man in einer kernresonanztomografischen Aufnahme seines Hirns, dass er an einem gutartigen Tumor litt, der auf den Hypothalamus übergegriffen hatte _ eine Region, die bei der Regelung des Sexualverhaltens eine zentrale Rolle spielt. Man operierte ihn, und seine sexuellen Neigungen wurden wieder normal.

Tumor weg, Pädophilie weg

Allerdings nur für einige Monate. Dann tauchten seine Zwänge wieder auf. Ein neuerlicher Computerscan zeigte, dass Reste des Tumors nicht erfasst worden waren und sich wieder zu einem größeren Tumor ausgewachsen hatten. Man operierte ein zweites Mal, und diesmal gelang die Operation: Er war von pädophilen Zwängen befreit. Hatte dieser Mann "freien" Willen, so dass sein Verhalten schuldhaft war und er hätte bestraft werden sollen? Solange der Tumor nicht auf das limbische System übergegriffen hatte, unterschied er sich nicht von anderen Männern. Es scheint wenig Sinn zu haben, ihn wegen pornografischer Neigungen zu bestrafen, die seinem Charakter fremd waren: Eine Strafe wäre sowohl als Abschreckung als auch als Vergeltung für schuldhaftes Verhalten sinnlos. Das ist einer der noch relativ einfachen Fälle, die Patricia Churchland, Professorin für Philosophie an der Universität von Kalifornien, als Beleg dafür anführt, dass die herkömmlichen Alltagsvorstellungen von dem, was einen "freien Willen" ausmacht, im Licht der neuen Ergebnisse der Evolutionsbiologie, Neurophysiologie und kognitiven Neurowissenschaften neu interpretiert werden müssen.

Alle, alle schreiben über Bewusstsein

Churchland arbeitet in engem Kontakt mit führenden Forschungsteams auf dem Gebiet, wo sich Philosophie und kognitive Neurowissenschaften überschneiden. Sie ist anscheinend zurzeit mit einem sich schnell erschöpfenden Vorrat an Geduld für philosophisch unbedarfte Neurowissenschaftler und neurowissenschaftlich naive Philosophen ausgestattet. Als vor etwa einem Jahr der Boom an Büchern über Bewusstsein seinen Höhepunkt erreicht hatte, merkte sie sarkastisch an, dass sich von diesen Leuten zurzeit anscheinend "jeder, der bei Bewusstsein ist, auch dazu motiviert fühlt, ein Buch über Bewusstsein zu schreiben" . . . Jetzt hat sie in einem im New Scientist (Nr. 2578) veröffentlichten Essay über den "freien Willen" daran erinnert, wie die Alltagsbedeutung von vagen Begriffen wie "freier Wille" entstand: über prototypische Fälle, denen man abgestufte Grade des Bewusstseins zuordnet _ von voll bewussten Entscheidungen wie einer Berufswahl bis zu gegenteiligen Fällen wie einem erzwungenen Geständnis. "Unser Gehirn", schreibt Churchland, "schafft es aus der Diskussion solcher prototypischen Fälle, so viel an gemeinsamer Bedeutung herauszulesen, dass wir hinreichend unmissverständlich über ,freien Willen' reden können." Natürlich haben Philosophen spätestens seit Aristoteles den Alltagsbegriff "freier Wille" analysiert und dabei klargemacht, dass er in verwirrend vielen verschiedenen Bedeutungen beschworen wird. Immer noch finden sich vor allem Physiker, in deren Philosophie die Frage nach der Existenz eines freien Willens in engem Zusammenhang steht mit der Frage, ob das Universum streng deterministischen Gesetzen gehorcht, denn dann kann es _ ihrer Ansicht nach _ keinen freien Willen geben. Aber gerade über die Natur der grundlegendsten physikalischen Gesetze sind sich die theoretischen Physiker uneins. Manche flirten zurzeit mit einem Multiversum, bestehend aus "nebeneinander" existierenden Universen, deren jedes in einem gewissen Sinn von deterministischen Gesetzen regiert wird. Es ist aber ein reichlich metaphysischer Flirt, da es keinen einzigen harten empirischen Beleg für ein solches Multiversum gibt.

"Indeterminismus allein genügt nicht"

Und selbst wenn irgendeiner der Schritte auf dem Weg zu einer Entscheidung indeterministisch sein sollte, ist damit die Frage, ob jemand eine Entscheidung aus "freiem" Willen getroffen hat, nicht gelöst _ wie schon Karl Popper schrieb: "Indeterminismus allein genügt nicht." Heute stimmen jedenfalls bei der Explikation des Begriffs "freier Wille" (fast) alle Philosophen darin überein, dass seine Bedeutung dem Bild nicht widerspricht, das die heutigen Neurowissenschaften zeichnen: Das Gehirn ist ein kausal geschlossenes System; es gibt keine diskrete Hirnstruktur, die dem "Willen" entsprechen würde, und auch kein neuronales Netzwerk, das seine Funktion in einem kausalen Vakuum ausübt. Churchland merkt dazu nur mehr an: "Eine Philosophie, die von einer kausal nicht verursachten (und in dem Sinn ,freien') Entscheidung ausgeht, ist genau so unrealistisch wie ein Weltbild, in dem die Erde immer noch eine flache Scheibe ist." Wer so denke, "glorifiziert seine wissenschaftliche Naivität, in dem er sie zur transzendentalen Einsicht erklärt".

Gegen fruchtlose Metaphysik-Debatte

Sie plädiert dafür, die fruchtlose metaphysische Debatte über die Möglichkeit irgendeines kausalen Vakuums aufzugeben und sich auf die Neurobiologie der Selbstkontrolle zu konzentrieren. Auf diesem Gebiet konvergieren neue Resultate über die Evolution kognitiver Fähigkeiten und sozialer Verhaltensweisen mit der Entwicklung des menschlichen Gehirns nach der Geburt zu einem ersten, notwendigerweise noch vagen Bild der Prozesse, in denen das menschliche Selbst entsteht. Das menschliche Gehirn ist das einzige in der ganzen Biosphäre, das sein Entwicklungspotenzial nicht ausschöpfen kann, ohne mit anderen in auch kulturell geprägte soziale Wechselwirkungen zu treten. Erst dadurch wird aus dem Gehirn eines Neugeborenen das Gehirn eines Erwachsenen mit einem bestimmten Ausmaß an Autonomie. Das Gehirn ist dazu angelegt, soziale Normen zu erlernen und danach zu handeln. Dabei entwickeln sich auch die neuronalen Mechanismen zur Selbstkontrolle. Man ist bei der Erforschung dieser neuronalen Mechanismen noch nicht weit, aber, so Churchland, man wird einmal, wenigstens in großen Zügen, herausfinden, was ein Hirn mit einer normalen Fähigkeit zur Selbstkontrolle von einem Hirn unterscheidet, das dazu in nur geringerem Ausmaß fähig ist. Und das sollte es dann möglich machen, in jener Grauzone klarer zu sehen, in der es _ so wie bei dem Mann aus Virginia _ nicht so klar ist, inwieweit sich jemand willentlich und damit schuldhaft verhalten hat. Es ist klar, dass sich die Gesellschaft vor den Folgen asozialen Verhaltens auch dann schützen muss, wenn es durch einen Defekt der Kontrollmechanismen entstand, aber man kann im Licht der Neurophysiologie danach suchen, Strafen dort zu vermeiden, wo sie sinnlos sind. Das "Selbst", um das es bei der Selbstkontrolle geht, ist, der heurigen Neurophysiologie nach, eine Konstruktion des Gehirns: ein Prozess, der in neuronalen Schaltkreisen höherer Ordnung entsteht und das vielleicht größte Wunder der Evolution ist.

"Aristoteles hat das Weisheit genannt"

Patricia Churchland sieht in dieser Erkenntnis nichts die Würde des Menschen Herabsetzendes: "Die Schönheit, Komplexität und Raffinesse der neurobiologischen Maschine, die mein ,Ich' ausmacht, ist sehr viel faszinierender und unendlich viel ehrfurchterregender als die philosophische Vorstellung einer vom Hirn unabhängigen Seele, die es _ trotz der Gesetze der Physik _ schafft, ihren freien Willen in einem kausalen Vakuum wirksam werden zu lassen. Die Wahrnehmung unserer sozialen Beziehungen reift durch Erfahrung und Reflexion, und damit wächst auch der Grad unserer Autonomie." _ "Aristoteles", so schreibt sie, "hat das Weisheit genannt."

Previous | Next

Warum die katholische Kirche schlecht beraten wäre, den Zölibat zu opfern; Verzicht auf irdische Freuden als Signal der Stärke ans strenggläubige Publikum
NEUZZ00020061223e2cn0007s
1111 Words
23 December 2006
Neue Zürcher Zeitung
4
German
Besuchen Sie die Website der führenden Schweizer Internationalen Tageszeitung unter http://www.nzz.ch

Von Men-Andri Benz, Egon Franck und Urs Meister *

In der katholischen Kirche ist der Zölibat, also das Versprechen der Ehelosigkeit als Vorbedingung für die Priesterweihe, Gegenstand von Debatten. Der verbreiteten Ansicht, diese Regelung sei für die Kirche vor allem eine Belastung, halten die Autoren hier entgegen, dass der Zölibat für die katholische Kirche aus ökonomischer Sicht ein effizientes Instrument darstellt, um sich auf dem Markt für Spenden und Beiträge gut zu positionieren. (Red.)

Der Zölibat - also das Versprechen der Ehelosigkeit als Vorbedingung für die Weihe zum katholischen Priester - steht in der öffentlichen Diskussion unter Dauerbeschuss. Auch im Kirchenvolk selber wird der Zölibat hinterfragt, nicht zuletzt weil eine Verbindung zu dem gerade in ländlichen Gegenden herrschenden Priestermangel gesehen wird. Dass die Kritik am Zölibat stellenweise irrationale Züge annimmt, zeigt die 2002 auf ihrem Höhepunkt angelangte Pädophilie-Affäre in der katholischen Kirche der USA. In einer Umfrage von ABC News waren 75% der Befragten überzeugt, der Zölibat sei die eigentliche Ursache des Kindsmissbrauchs, obwohl alle verfügbaren empirischen Daten eine geringere Pädophilie-Wahrscheinlichkeit unter katholischen Priestern als unter «normalen» Männern belegen.

Konkurrenz durch kleine starke Gruppen

Trotz dem erheblichen Gegenwind hält der Vatikan indessen unbeirrt an dem im Regelwerk Codex Iuris Canonici verankerten Zölibat fest. Aus der Perspektive der Ökonomie betrachtet, gibt es dafür gute Gründe. Zwar weist der Zölibat für die Kirche offensichtliche Kosten auf - wie beispielsweise die schwierige Suche nach Priestern -, jedoch sind mit ihm auch nützliche Effekte verbunden. In einer Welt, in der einerseits eine zunehmende Anzahl von Personen zu passiven Kirchenmitgliedern wird und in der anderseits eine steigende Zahl von Glaubensgemeinschaften um die Gunst der aktiven Gläubigen wirbt, nimmt für die katholische Kirche auch die Notwendigkeit einer stärkeren Positionierung und Abgrenzung gegenüber alternativen Kirchen zu.

Im Folgenden wird dargelegt, warum der Zölibat bei dieser Positionierung ein effektives strategisches Instrument darstellen kann. Während in Europa religiöse Fragen vor allem in theologischen Kreisen wissenschaftlich diskutiert werden, hat sich im angelsächsischen Raum schon vor längerem auch die Ökonomie dem Bereich der Religion zugewandt; mit der «Economics of Religion» ist eine Teildisziplin der Ökonomie entstanden. Anscheinend spielten ökonomische Überlegungen bereits bei der Einführung des Zölibats eine wesentliche Rolle.

Diffusion des Vermögens verhindern

Über die Notwendigkeit der Ehelosigkeit und der sexuellen Abstinenz gab es in der katholischen Kirche seit der Professionalisierung des Priesteramtes eine andauernde Diskussion. Eine zwingende Voraussetzung für die Priesterweihe wurde der Zölibat aber erst nach dem 2.Laterankonzil um 1139. Zu dieser Zeit hatten sich Kultur und Eigentumsverhältnisse der Germanen in Europa ausgebreitet. Kirchen und ihre Güter gehörten nicht den Kirchengemeinden, sondern waren meist im Besitz der Landesherren, auf deren Boden sie standen. Diese konnten sich selber und ihre Kinder in Priester- und sogar Bischofsämter einsetzen und diese mitsamt dem physischen Vermögen weitervererben.

Durch diese Entwicklung sah sich die als Zentralkirche konzipierte römisch-katholische Kirche vermehrt mit einer Diffusion der Kirchengüter sowie einem abnehmenden Einfluss konfrontiert. Der Zölibat war zweifelsohne ein mächtiges Instrument, um diese Entwicklung zu stoppen. Auch wenn Argumente wie Reinheit und gänzliche Aufopferung für die Kirche in den Vordergrund der Begründungen für den Zölibat gerückt wurden, dürfte die Bannung dieser Diffusions-Gefahren eine wichtige Triebkraft für Papst Benedikt VIII. gewesen sein, bereits an der Synode von Pavia um 1022 ein Eheverbot für Priester zu verlangen. Heute ist das Argument der Kirchengüter-Diffusion weitgehend irrelevant, denn Eigentum ist in modernen Rechtsordnungen auf andere Weise durchsetzbar. Ökonomisch gesehen scheinen auf den ersten Blick für die katholische Kirche nur Kosten mit dem Zölibat verbunden zu sein - besonders das Problem, eine ausreichende Anzahl von Priestern zu gewinnen. Dies wirft die Frage auf, warum die katholische Kirche diese kostspielige und von vielen kritisierte Praxis heute noch aufrechterhalten sollte.

Das Argument, hier handle es sich um ein Dogma, das unabhängig von seiner Zweckmässigkeit nicht mehr hinterfragbar sei, greift zu kurz. Dafür spricht nicht nur der Umstand, dass der Zölibat in den Anfängen der römisch-katholischen Kirche eine eher untergeordnete Rolle spielte und dass er in den sogenannten katholischen Ostkirchen heute noch keine Voraussetzung für die Priesterweihe darstellt. Papst Benedikt XVI. stellt diesen Punkt selbst klar (Ratzinger, «Salz der Erde», S.176-180): «Es ist kein Dogma. Es ist eine Lebensform, die in der Kirche gewachsen ist und die natürlich immer die Gefahr des Absturzes mit sich bringt. Sicher wird sich die Kirche die Frage immer wieder stellen müssen, sie hat es jetzt auch in zwei Synoden getan.»

Strenggläubige zahlen mehr

Es ist also legitim, den Zölibat als strategische Wahlvariable der Kirche zu interpretieren, dessen Anwendung unter langfristigen Vorteil-Nachteil-Erwägungen erfolgt. Ökonomische Vorteile für die Kirche sind vor allem dann zu erwarten, wenn der Zölibat positive Einflüsse auf das Verhalten, das Engagement, die Spendenbereitschaft oder die Anzahl der Kirchenbesuche von Gläubigen hat. Aus Ländern, in denen unterschiedliche christliche Glaubensgemeinschaften existieren, die nicht über staatlich erhobene Steuern finanziert werden, weiss man, dass Spendenbereitschaft, Anzahl Kirchenbesuche oder Freiwilligenarbeit für eine Glaubensgemeinschaft stark mit deren konservativer Ausprägung korreliert sind. Dieser Zusammenhang ist insbesondere für die USA umfangreich empirisch erforscht.

Strenggläubige, die in konservativ orientierten Kirchen ihre eigenen Werte gespiegelt finden, haben offenbar eine höhere Beitragsbereitschaft. Dieser empirische Tatbestand lässt sich auch theoretisch plausibel interpretieren. Ein ganz zentrales Element des Christentums ist der Glaube an das ewige Leben. Wird das christliche Weltbild etwas vereinfachend auf dieses zentrale Element fokussiert, lässt sich wie folgt argumentieren: Wer als totaler Atheist von seinem endgültigen biologischen Tod ausgeht, hat gar keinen Anlass, im Diesseits Opfer für den Zugang ins Paradies zu bringen. Je stärker aber ein Christ an die Möglichkeit des Lebens nach dem Tode im Königreich Gottes glaubt, desto lohnender wird es ihm erscheinen, sein Leben so zu gestalten, dass er zu den Auserwählten gehören wird. Im Allgemeinen wird der Zugang zum Paradies als umso wahrscheinlicher erachtet, je stärker sich ein Mensch im Diesseits an den Grundregeln der Religion orientiert beziehungsweise je stärker er sich religiös engagiert - dies kann beispielsweise durch Kirchenbesuche, Freiwilligenarbeit oder finanzielle Zuwendungen an die Kirche oder an Bedürftige geschehen. In jedem Fall ist mit dem Engagement auch ein Verzicht auf Konsum, Freizeit oder weltliche Vergnügen verbunden.

In extrem ausgeprägten Glaubensgemeinschaften - beispielsweise in fundamentalen Sekten - leben die Gläubigen in äusserst asketischer Weise. Die Bereitschaft für einen derartigen Verzicht ist ganz offensichtlich am stärksten ausgeprägt, wenn eine Person einen sehr starken Glauben hat. Darüber hinaus belegen verschiedene Studien, dass religiöses Engagement und Spendenbereitschaft im Alter tendenziell ansteigen. Wenn der Zeitpunkt des Todes näher rückt, gewinnt die Option eines Weiterlebens im Jenseits an Relevanz.

*Egon Franck ist Professor für Betriebswirtschaft an der Universität Zürich. Men-Andri Benz und Urs Meister haben bei ihm doktoriert.

Previous | Next

Wallanders neue Fälle
RHEPO00020061222e2cm0000q
Fernsehen und Radio
VON GUIDO DIESING
462 Words
22 December 2006
Rheinische Post
GES
German
© Copyright 2006. Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH. All rights reserved. For further information see http://www.rp-online.de

Es klingt zu schön, um wahr zu sein: Ein berühmter Autor ruft den fast ebenso berühmten Schauspieler zu sich, den er höchstpersönlich als Darsteller seiner noch berühmteren Figur ausgewählt hat. Auf einem mehrstündigen Spaziergang erklärt er ihm aus erster Hand, was es mit der Figur auf sich hat. Schwedens erfolgreichster Krimi-Autor Henning Mankell sagt, genauso sei es gewesen, als er Krister Henriksson als neuen Kommissar Wallander ausgewählt habe.

Nun scheint Mankell nicht nur als Autor eine blühende Fantasie zu haben. Spricht man Krister Henriksson auf die Anekdote an, winkt der jedenfalls sofort ab: „Ich muss immer wieder lachen, wenn ich die Geschichte höre. Ich weiß, dass Henning sie gerne erzählt, aber so weit ich mich erinnere, hat dieser Spaziergang niemals stattgefunden.“ Womit er das gute Verhältnis zu Mankell keineswegs in Frage stellen will: „Wir haben viel telefoniert und über Wallander geredet, und er hat mich bei den Dreharbeiten besucht. Die Zusammenarbeit ist für uns beide sehr inspirierend.“

Viele waren überrascht, als Mankell nach der zehnten Wallander-Verfilmung mit Hauptdarsteller Rolf LassgÃ¥rd bekannt gab, künftig werde ein anderer den Kommissar spielen. Der 60-jährige Henriksson genießt in Schweden höchstes Ansehen als Bühnen- und Filmschauspieler und ist Mitbesitzer eines Theaters in Stockholm.

Wallander ist für Henriksson dennoch etwas Besonderes: „Was mich mit der Filmfigur eint, ist die Perspektive, immer mehr Zeit hinter und immer weniger Zeit vor mir zu haben. Ich sehe Kurt Wallander als typischen schwedischen Mann mittleren Alters, der Gefahr läuft, aufgrund von Arbeit und Karriere das Wichtigste zu verlieren. Darin erkenne ich mich selbst wieder.“

Nachdem das Erste im Juni bereits drei Filme mit Henriksson gesendet hat, folgen nun zehn weitere. Wie von Mankell gewohnt, zeichnen sie ein düsteres Gegenstück zum harmonischen und gemütlichen Schweden-Bild des Ikea-Katalogs. Im ersten der Filme wird an einer Landstraße bei Ystad in einem Auto ein Kind entdeckt. Vom Fahrer und Vater des Kindes fehlt jede Spur. Die Ermittlungen führen Wallander und seine Mitarbeiter in einen Sumpf aus Erpressung, Drogen und Kindesmissbrauch.

„Die Probleme in Schweden sind dieselben wie in Deutschland“, sagt Henriksson. „Gerade in den großen Städten liest man täglich von Gewalt und Verbrechen, von Pädophilie, Vergewaltigung und Ehrenmorden. In unseren Filmen wird diese Grausamkeit mit der ländlichen Idylle verknüpft. Die Landschaft rund um Ystad hat eine enorm große Leuchtkraft.“

Angst vor einem negativen Image durch die gezeigten Verbrechen hat die Stadt nicht - im Gegenteil: Mittlerweile sind die Krimis zum wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. Vor allem aus Deutschland kommen Touristen, die durch die Filme neugierig geworden sind. Ein Effekt, den auch Henriksson leicht amüsiert zur Kenntnis nimmt: „Die Gemeinde ist davon sehr angetan. Durch Wallander steigen die Grundstückspreise.“

MankellsWallander - Am Rande der Finsternis, ARD, 21.55 Uhr

192593303
Previous | Next

Petrus hatte ja auch eine Frau Mit Claudio Hummes hat der Papst einen neuen Kongregationspräfekten ernannt, der offen ist für die Abschaffung des Zölibats
MARKAL0020061205e2c5000lb
SCHULERA
488 Words
05 December 2006
Märkische Allgemeine
MAN
German
Copyright 2006 Märkische Allgemeine – Brandenburgs beste Seiten. All rights reserved. For further information see http://www.MaerkischeAllgemeine.de

DOMINIK STRAUB

ROM Es sind noch keine drei Wochen her, seit der Vatikan in einem dürren Communiqué seine alte Haltung zum Zölibat bekräftigt hat: „Beim Treffen mit den Chefs der Dikasterien ist der Wert der priesterlichen Ehelosigkeit gemäß der katholischen Tradition vom Papst bestätigt worden.“ Das klang nicht nach großen Veränderungen – doch wie so oft widerspiegelte auch diese Mitteilung des vatikanischen Presseamts nicht die volle Wahrheit dessen, was sich hinter den Vatikanmauern abspielte.

Dass sich in Sachen Zölibat durchaus etwas bewegt, ist durch eine Aussage des neuen Präfekten der Kongregation für den Klerus, Claudio Hummes, bestätigt worden. In einem Interview erklärte der brasilianische Kardinal, dass das Zölibat „kein Dogma“, sondern lediglich „eine disziplinarische Norm“ darstelle – also keine unumstößliche, göttliche Glaubenswahrheit, sondern ein Gesetz, das geändert werden kann. „Die Kirche bewegt sich“, titelte die Turiner Zeitung „La Stampa“ daraufhin.

Der 72-jährige ehemalige Erzbischof von Sao Paolo gilt als relativ offener und reformfreudiger Geist. Er ist von Benedikt XVI. am 1. November zum neuen Kongregationspräfekten ernannt worden. Die Klerus-Kongregation befasst sich unter anderem mit Priestermangel, Disziplinarfragen und den Pädophilieskandalen.

Die Kirche, hatte Hummes im Interview hinzugefüg, sei „nicht unbeweglich“ und könne Dinge „ändern, wenn sie geändert werden müssen“. Er wies darauf hin, dass auch einige Apostel verheiratet gewesen seien, und dass das Eheverbot erst mehrere Jahrhunderte nach der Einführung der Priesterweihe eingeführt worden sei. Laut Paulus (1 Kor 9,5) befand sich unter den verheirateten Aposteln sogar der Heilige Petrus, als dessen Nachfolger sich die Päpste sehen. Auch andere Bibelstellen lassen den Schluss zu, dass einige Apostel verheiratet waren, und dass Jesus nichts dagegen einzuwenden gehabt habe.

Die Diskussionen hatte vor allem der Fall des exkommunizierten afrikanischen Erzbischofs Emmanuel Milingo ausgelöst. Der 76-Jährige hatte bereits vor Jahren in einer Massenzeremonie der Moon-Sekte geheiratet. Kürzlich weihte er in den USA verheiratete Männer zu Bischöfen und heizte damit die Debatte erneut an.

Auch wenn sich der Vatikan offenbar bewegt, bis die Priester wieder in den Stand der Ehe treten dürfen, wird noch viel Wasser den Tiber hinunter fließen, wie Hummes bei seinem gestrigen Amtsantritt gleich selber einräumte: „Es ist keine einfache Entscheidung, die überstürzt gefällt werden kann. Die Kirche muss die Frage diskutieren und wieder diskutieren.“ Das Thema stünde derzeit nicht auf der Tagesordnung.

Die Verpflichtung zum Zölibat gilt als wichtiger Grund für den Priestermangel und wird für die Pädophilie-Skandale mitverantwortlich gemacht. Bezüglich letzteren kündigt Hummes eine Politik der Null-Toleranz an: „Schon ein einziger Fall ist für die Kirche Anlass für höchste Besorgnis, besonders mit Blick auf die Opfer.“ Gleichzeitig bezeichnete es Hummes aber auch als „ungerecht und heuchlerisch“, wenn man die Skandale verallgemeinere. 99 Prozent der Priester hätten nichts zu tun mit Pädophilie, die im übrigen ein Problem ist, das die gesamte Gesellschaft betreffe.

725968 | pol
Previous | Next

Prozeß: Stephanies Peiniger könnte Sicherungsverwahrung abwenden - Gutachter: "Dieser Mann ist therapierbar . . . "
HABEND0020061204e2c40009f
Aus aller Welt
AP
481 Words
04 December 2006
Hamburger Abendblatt
HA
32
283
German
Copyright 2006 Axel Springer AG . Zusatzhinweis: "Dieser Artikel darf ohne die vorherige Zustimmung des Verlages nicht weiter-verbreitet werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechte, die Ihnen generell hinsichtlich der Factiva-Dienste eingeräumt wurden." Notice: "This article may not be redistributed without the prior consent of the Publisher. This is a restriction on the rights granted under the terms of your subscription for Factiva Services."

Ein Fall erschüttert Deutschland: Kann Mario M. vor Gericht tatsächlich auf Milde hoffen?

Dresden

AP

Er hat sie eiskalt entführt und immer wieder brutal gequält. Er vergewaltigte sie und sperrte sie in eine kleine Holzkiste, in der sie kaum Luft zum Atmen hatte. Fünf Wochen lang hielt der arbeitslose Mario M. (36) die damals 13-jährige Stephanie in seiner Wohnung in Dresden gefangen und missbrauchte das Mädchen als seine Sexsklavin.

Jetzt taucht kurz vor der Fortsetzung des Prozesses ein überraschendes Gutachten auf: Der Vergewaltiger könnte möglicherweise eine Sicherungsverwahrung abwenden, wenn er im Strafvollzug eine Sozialtherapie macht. Das sagte Hans-Ludwig Kröber, Direktor des Instituts für forensische Psychiatrie der Freien Universität Berlin, der Nachrichtenagentur AP.

Laut der Expertise sind bei Mario M. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, Vergewaltigung und Geiselnahme zwar die psychiatrischen Voraussetzungen einer Sicherungsverwahrung zu bejahen. Allerdings habe der Untersuchte durchaus die Möglichkeit, den Vollzug einer solchen Maßregel abzuwenden, wenn er in intensiver und konstruktiver Weise die Möglichkeiten der Sozialtherapie im Strafvollzug nutze. Eine solche Therapie werde als verpflichtendes Angebot vorgehalten, heißt es in dem Gutachten.

Der vorbestrafte Kinderschänder, selbst Vater einer Tochter, muss sich seit Anfang November vor dem Landgericht Dresden verantworten. Schon einmal hatte er seine Therapeuten getäuscht, die ihn nach seiner ersten Vergewaltigung als eher harmlos einstuften. Hinterher hieß es dann plötzlich: "Der Mann ist anhaltend gefährlich . . . "

Das Gutachten soll laut Kröber am 6. Dezember vor Gericht vorgetragen werden. Kröber kommt zu der Einschätzung, dass die Mario M. vorgeworfenen Taten nicht in einem Zustand tief greifender Bewusstseinsstörung begangen worden seien und er auch nicht schwachsinnig sei.

Bei ihm bestehe zudem keine sexuelle Perversion und keine Pädophilie, sondern eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden und paranoiden Merkmalen. Diese Störung könne als schwere seelische Abartigkeit bewertet werden. Kröber: Das habe aber nicht zu einer Beeinträchtigung seiner Unrechtseinsicht und auch nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Steuerungsfähigkeit geführt. Die ihm vorgeworfenen Taten habe Mario M. in kontrollierter Verfassung und nach langer Vorüberlegung ausgeführt. Er habe sie primär deswegen fortgesetzt, weil er keine Lösung gefunden habe, einer Bestrafung zu entgehen.

Unterdessen äußerte Stephanies Vater Joachim Rudolph (50) Zweifel an der Durchsetzbarkeit des Ziels der Staatsanwaltschaft Dresden, Mario M. für immer ins Gefängnis bringen zu können. "Wir haben Angst, sehr große Angst, dass es doch nicht so kommt", sagte er der "Bild am Sonntag". "Wir möchten, dass nie wieder ein Mädchen und vor allem unsere Stephanie Angst vor ihm haben muss."

Oberstaatsanwalt Christian Avenarius (47): "Ich verstehe das Anliegen der Familie. Aber wir haben so viele Punkte angeklagt, dass es allemal für eine Bestrafung in der Nähe der Höchststrafe, das sind 15 Jahre, plus Sicherungsverwahrung, reicht." Das Urteil soll am 14. Dezember gespro-

chen

werden.

"Wir haben so viele Punkte angeklagt, dass es allemal für eine Bestrafung in der Nähe der Höchststrafe reicht." Oberstaatsanwalt Christian Avenarius

49775718
Previous | Next

PROZESSE - Wie frei ist die Kunst?
SPGL000020061204e2c40008d
Szene Kultur
229 Words
04 December 2006
Der Spiegel
177
German
(c) 2006 Der Spiegel

Der Prozess könnte eine Provinzposse sein, gerät aber zum Präzedenzfall für die Freiheit der Kunst: Sechs Jahre nach der Ausstellung "Unschuldsvermutung - zeitgenössische Kunst und Kindheit" in Bordeaux hat die lokale Justiz gegen den damaligen Leiter des Museums für Kunst der Gegenwart (CAPC), Henry-Claude Cousseau, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dem heutigen Direktor der Pariser Kunsthochschule wird vorgeworfen, seine Schau mit Werken von rund 80 internationalen Künstlern habe zur "Verbreitung von gewaltsamen oder pornografischen Bildern beigetragen, die die Würde des Kindes beeinträchtigt". Beschuldigungen, die in Frankreichs Kunstwelt nun eine Solidarisierungswelle auslösen. In Bewegung gesetzt wurde das juristische Mahlwerk durch einen Vater, der im Herbst 2000 die Erfolgsschau mit seinen Kindern besichtigte und Klage wegen "Beihilfe zur Pädophilie" erhob.

Er war besonders von einer Video-Installation der Österreicherin Elke Krystufek geschockt, die die Künstlerin bei der Selbstbefriedigung mit einer Gurke zeigt. "La Mouette", ein umtriebiger Kinderschutzbund, schloss sich prompt als Zivilkläger an. Die Anschuldigungen blieben jedoch fragwürdig: Tatsächlich warnte eine Hinweistafel am Eingang zu dem inkriminierten Werk vor dessen sexuellem Inhalt; Führungen für Schulen schlossen die Besichtigung der freizügigen Darstellungen aus. Nachdem der Betreiber des ursprünglichen Verfahrens seine Klage zurückgezogen hat, beharrt jedoch der Anti-Pädophilie-Verein auf juristischer Verfolgung - unterstützt von Untersuchungsrichter Jean-Louis Croizier, der den Vorgang offenbar zum Musterprozess gegen Moderne Kunst umfunktionieren möchte.

Cousseau MAXPPP / COLOURPRESS.COM

Romberg-SP-00012006000490017701
Previous | Next

Fall Stephanie - Gutachter hält vorbestraften Kinderschänder für therapierbar - Fall Stephanie: Mildes Urteil für Mario M.?
BERMP00020061204e2c40001j
PANORAMA
ap
422 Words
04 December 2006
Berliner Morgenpost
BM-HP1
8
332
German
Copyright 2006 Axel Springer AG . Zusatzhinweis: "Dieser Artikel darf ohne die vorherige Zustimmung des Verlages nicht weiter-verbreitet werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechte, die Ihnen generell hinsichtlich der Factiva-Dienste eingeräumt wurden." Notice: "This article may not be redistributed without the prior consent of the Publisher. This is a restriction on the rights granted under the terms of your subscription for Factiva Services."

Dresden - Der mutmaßliche Vergewaltiger der 14 Jahre alten Stephanie aus Dresden, Mario M. (Foto), könnte nach Ansicht eines Gutachters möglicherweise eine Sicherungsverwahrung abwenden, wenn er im Strafvollzug eine Sozialtherapie macht. Zu dieser Einschätzung kommt nach AP-Informationen der Direktor des Instituts für forensische Psychiatrie der Freien Universität Berlin, Hans-Ludwig Kröber, in seinem vorläufigen Gutachten.

Laut der Expertise sind bei dem 36 Jahre alten, wegen schwerem sexuellen Missbrauchs von Kindern, Vergewaltigung und Geiselnahme Angeklagten zwar die psychiatrischen Voraussetzungen einer Sicherungsverwahrung zu bejahen.

Sozialtherapie im Strafvollzug

Allerdings habe der Untersuchte durchaus die Möglichkeit, den Vollzug einer solchen Maßregel abzuwenden, wenn er in intensiver und konstruktiver Weise die Möglichkeiten der Sozialtherapie im Strafvollzug nutze. Eine solche Therapie werde als verpflichtendes Angebot vorgehalten, heißt es in dem Gutachten.

Der vorbestrafte Kinderschänder, selbst Vater einer Tochter , muss sich seit Anfang November vor dem Landgericht Dresden verantworten. Ihm wird vorgeworfen, die damals 13 Jahre alte Stephanie Anfang des Jahres auf dem Schulweg entführt und fast fünf Wochen lang in seiner Wohnung gefangen und misshandelt zu haben. Dabei soll er das Mädchen häufig missbraucht und dies auf Video aufgenommen haben. Das Gutachten soll laut Kröber am 6. Dezember vor Gericht in Dresden vorgetragen werden.

Kröber kommt zu der Einschätzung, dass die Mario M. vorgeworfenen Taten nicht in einem Zustand tief greifender Bewusstseinsstörung begangen worden seien und Mario M. auch nicht schwachsinnig sei. Bei Mario M. bestehe zudem keine sexuelle Perversion und keine Pädophilie, sondern eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden und paranoiden Merkmalen. Diese Störung könne als schwere seelische Abartigkeit bewertet werden, befand Kröber.

Das habe aber nicht zu einer Beeinträchtigung seiner Unrechtseinsicht und auch nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Steuerungsfähigkeit geführt. Die ihm vorgeworfenen Taten habe Mario M. in kontrollierter Verfassung und nach langer Vorüberlegung ausgeführt. Er habe sie primär deswegen fortgesetzt, weil er keine Lösung gefunden habe, ansonsten einer Bestrafung zu entgehen, hieß es weiter.

"Wir haben sehr große Angst"

Unterdessen äußerte Stephanies Vater Joachim R. Zweifel an der Durchsetzbarkeit des Ziels der Staatsanwaltschaft Dresden, Mario M. für immer ins Gefängnis bringen zu können. "Wir haben Angst, sehr große Angst, dass es doch nicht so kommt", sagte Rudolph laut "Bild am Sonntag".

Oberstaatsanwalt Christian Avenarius sagte laut dem Blatt dazu: "Ich habe mit der Familie tiefstes Mitgefühl und ich verstehe ihr Anliegen, aber wir haben so viele Punkte angeklagt, dass es allemal für eine Bestrafung in der Nähe der Höchststrafe, das sind 15 Jahre, plus Sicherungsverwahrung, reicht."

AP

49776578
Previous | Next

Gutachter hält vorbestraften Kinderschänder Mario M. für therapierbar
APDEW00020061203e2c30013n
402 Words
03 December 2006
14:39 GMT
AP German Worldstream
German
Copyright 2006. The Associated Press. All Rights Reserved.

36 Jahre alter Angeklagter im Fall Stephanie könnte möglicherweise Sicherungsverwahrung mit Sozialtherapie abwenden

Dresden (AP) - Der mutmaßliche Vergewaltiger der 14 Jahre alten Stephanie aus Dresden, Mario M., könnte nach Ansicht eines Gutachters möglicherweise eine Sicherungsverwahrung abwenden, wenn er im Strafvollzug eine Sozialtherapie macht. Zu dieser Einschätzung kommt nach AP-Informationen der Direktor des Instituts für forensische Psychiatrie der Freien Universität Berlin, Hans-Ludwig Kröber, in seinem vorläufigen Gutachten.

Laut der Expertise sind bei dem 36 Jahre alten, wegen schwerem sexuellen Missbrauchs von Kindern, Vergewaltigung und Geiselnahme Angeklagten zwar die psychiatrischen Voraussetzungen einer Sicherungsverwahrung zu bejahen. Allerdings habe der Untersuchte durchaus die Möglichkeit, den Vollzug einer solchen Maßregel abzuwenden, wenn er in intensiver und konstruktiver Weise die Möglichkeiten der Sozialtherapie im Strafvollzug nutze. Eine solche Therapie werde als verpflichtendes Angebot vorgehalten, heißt es in dem Gutachten.

Der vorbestrafte Kinderschänder, selbst Vater einer Tochter, muss sich seit Anfang November vor dem Landgericht Dresden verantworten. Ihm wird vorgeworfen, die damals 13 Jahre alte Stephanie Anfang des Jahres auf dem Schulweg entführt und fast fünf Wochen lang in seiner Wohnung gefangen und misshandelt zu haben. Das Gutachten soll laut Kröber am 6. Dezember vor Gericht vorgetragen werden.

Kröber kommt zu der Einschätzung, dass die Mario M. vorgeworfenen Taten nicht in einem Zustand tief greifender Bewusstseinsstörung begangen worden seien und Mario M. auch nicht schwachsinnig sei. Bei Mario M. bestehe zudem keine sexuelle Perversion und keine Pädophilie, sondern eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden und paranoiden Merkmalen. Diese Störung könne als schwere seelische Abartigkeit bewertet werden, befand Kröber.

Das habe aber nicht zu einer Beeinträchtigung seiner Unrechtseinsicht und auch nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Steuerungsfähigkeit geführt. Die ihm vorgeworfenen Taten habe Mario M. in kontrollierter Verfassung und nach langer Vorüberlegung ausgeführt. Er habe sie primär deswegen fortgesetzt, weil er keine Lösung gefunden habe, ansonsten einer Bestrafung zu entgehen, hieß es weiter.

Unterdessen äußerte Stephanies Vater Joachim Rudolph Zweifel an der Durchsetzbarkeit des Ziels der Staatsanwaltschaft Dresden, Mario M. für immer ins Gefängnis bringen zu können. »Wir haben Angst, sehr große Angst, dass es doch nicht so kommt«, sagte Rudolph laut »Bild am Sonntag«. Oberstaatsanwalt Christian Avenarius sagte laut dem Blatt dazu: »Ich habe mit der Familie tiefstes Mitgefühl und ich verstehe ihr Anliegen, aber wir haben so viele Punkte angeklagt, dass es allemal für eine Bestrafung in der Nähe der Höchststrafe, das sind 15 Jahre, plus Sicherungsverwahrung, reicht.«

7
Previous | Next

„Hausaufgaben“ als Surf-Abo-Falle „Gefahr Internet“: Infoveranstaltung der Jugendpflege
WESKU00020061202e2c20007c
LOKAL
Robert Goldberg
450 Words
02 December 2006
Weser Kurier
German
© Bremer Tageszeitungen AG. All rights reserved. For further information see http://www.weser-kurier.de

WEYHE. „Gefahr Internet“ heißt eine Infoveranstaltung für Eltern, mit der die Weyher Jugendpflege an die Öffentlichkeit geht. Gefahren wie Pädophilie-, Gewalt- und Pornoseiten als auch Ballerspiele sind bekannt. Aber: Über scheinbar unverdächtige Sites wie „ http://www.Hausaufgaben.de“ zockt ein dubioses Unternehmen vor allem Jugendliche ab. Versucht wurde dies kürzlich mit einem angeblichen „Abo-Vertrag“ für die Nutzung einer Homepage bei einer 13-Jährigen Kirchweyherin.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat den Internetanbieter Schmidtlein GbR wegen Wettbewerbsverstößen auf 16 Internetangeboten abgemahnt, so die Kanzler Michael in Gevelsberg auf ihrer Homepage. Die Firma locke Netzsurfer mit Angeboten wie „…heute gratis!“ und der Teilnahme an einem Gewinnspiel.

Tatsächlich verwandelt sich der angebliche „Gratis“-Zugang jedoch nach Ablauf des Anmeldetages in einen kostenpflichtigen Abonnement-Vertrag bei jährlicher Vorauskasse, wie auch eine Kirchweyher Mutter erzählte. Über diese kostspieligen Folgen der Anmeldung werden die Internet-Nutzer lediglich im Kleingedruckten am Ende der Anmeldeseite und unter den so genannten „Teilnahmebedingungen“ informiert. Die Firma war laut Verbraucherzentrale schon durch den Einsatz illegaler Dialer aufgefallen.

Die Mutter der Kirchweyher Jugendlichen fiel aus allen Wolken, als sie eine Rechnung in Höhe von 123 Euro erhielt, angeblich für einen „Dienstleistungsvertrag“ für die Anmeldung auf einer Internetseite „P2P-heute.com“. Wahr ist, dass die Tochter auf die Seite gelockt wurde, aber den auf der Seite fünf versteckten Abo-Vertrag nicht sah und zum Glück auch nicht namentlich ausfüllte.

Als die Rechnung kam, reagierte die Muter nach der ersten Verwunderung, dass einer 13-jährigen, nicht rechtsfähigen Jugendlichen mit einem Anwalt gedroht wird, recht cool: Sie wandte sich an die Weyher Polizei und an die Anwaltskammer Oldenburg. Der Anwaltskammer war der Rechtsanwalt Olaf Tank bekannt und sie gab den Tipp: Einfach nicht reagieren. Die Sache verlief im Sande.

Nicht immer geht das so glimpflich aus, wenn Jugendliche im Netz surfen. Dem Weyher Jugendpfleger ist ein Fall bekannt, indem ein 15-jähriges Mädchen ihrem Freund ein offenherziges Foto zum Geburtstag ins Netz einstellte, aber es versehentlich an eine falsche Adresse schickte. Das Foto wurde freizügig bearbeitet, am Ende ging es als Softporno über die Handys der Schüler. „Nur mit Androhung einer Strafanzeige und Einschalten der Staatsanwaltschaft gelang es, das Foto wieder aus dem Netz zu nehmen“, weiß Günter Meyer.

Vor diesen und anderen Gefahren im Netz will jetzt die Weyher Jugendpflege mit einer Informationsveranstaltung am Dienstag, 5. Dezember, 20 Uhr, im Kulturforum der KGS Leeste warnen. Dabei sollen „Live“-Schaltungen zum Word-Wide-Web per Beamer sowohl negative als auch positive Beispiele der Nutzung aufzeigen.

Positiv etwa die kreativen Homepages, die Weyher Jugendliche erstellt haben. Zeigen will die Jugendpflege aber auch, dass nicht alle Jugendlichen Ego-Shooter sind.

2103522
Previous | Next

Panoptikum der Verirrungen
WELTW00020061129e2bu0000v
Kultur
Urs Gehriger
1150 Words
30 November 2006
Die Weltwoche
070
48
German
© 2006 DIE WELTWOCHE. All rights reserved. For further information see http://www.weltwoche.ch

Simon Stephens Stück über einen Irakkriegs-Veteranen ist finster und brutal. In der Inszenierung von Samir am Zürcher Schauspielhaus ist «Motortown» auch noch grell und laut.

Theater darf alles. Theater darf das Publikum beschimpfen, die Bühne mit Menschen in hässlichen Unterhosen bevölkern, sich nicht an die Vorlage halten, darf überzeichnen, ausblenden, provozieren. Letzteres versprach der britische Dramaturg Simon Stephens mit seinem neuen Werk «Motortown» zu tun. Das Stück über den Irakkrieg-Veteranen Danny werde, so seine Ankündigung zur englischen Uraufführung im Londoner Royal Court Theatre diesen Frühling, die Antikriegsmärsche verhöhnen. Es sei ein Plädoyer wider «den verbreiteten Instinkt, die USA und Tony Blair zu dämonisieren». Man durfte also gespannt sein, als das Zürcher Schauspielhaus letzte Woche zur deutschsprachigen Erstaufführung lud.

Das Stück, inszeniert von Samir, Zürcher Filmemacher («Snow White», «Forget Baghdad») mit irakischen Wurzeln, beginnt mit Kriegsgeschrei, Gewehrsalven und Helikopterlärm. Der Obergefreite Danny ist zurück aus Basra. Er schläft auf der Couch seines autistischen Bruders. Er protzt und flucht. Bereits der erste Satz determiniert die Handlung: «Sie will dich nicht mehr sehen», eröffnet ihm sein Bruder.

Dannys Freundin hat ihn fallenlassen, seine Briefe aus dem Krieg haben sie angewidert. Dem Irak-Veteranen geht es wie Unteroffizier Beckmann, dem Rückkehrer aus der sibirischen Kriegsgefangenschaft, in Wolfgang Borcherts «Draussen vor der Tür» (1947). Er ist «einer von denen, die nach Hause kommen und die dann doch nicht nach Hause kommen, weil für sie kein Zuhause mehr da ist».

Danny kauft eine Waffe. Und so kommt, was jeder erwartet. Danny wird zum Mörder. Er erschiesst ein 14-jähriges schwarzes Mädchen. Aber nicht einfach so. Zuerst misshandelt er das Opfer aufs übelste, verbrennt ihm mit einer Zigarette die Hand, zertrümmert ihm den Fuss, übergiesst es mit Benzin. Das, liebes Publikum – so die brachial eingehämmerte Botschaft des Gewalt-Crescendos –, stellt der Krieg mit dem Menschen an!

Seelische Verrenkungen

Theater darf alles, wenn es kann. Simon Stephens, 35, Preisträger des Laurence Olivier Award for Best New Play 2006, kann einiges ziemlich gut. Das englische Original von «Motortown» ist voller Tempo, die Dialoge peitschen in packendem Rhythmus daher. Und er schafft eine Sprache, die sich adäquat an der zeitgenössischen britischen Arbeiterschaft orientiert. Trotzdem scheitert Stephens mit seinem Stoff. Seine Worte wühlen nicht auf, weil sie nicht tief genug in die Seelenwindungen seiner Charaktere leuchten.

«Ich wollte ein Stück schreiben», so Simon Stephens, «das finster, widersprüchlich und gewalttätig ist, weil unsere Kultur finster, widersprüchlich und gewalttätig ist.» Er tut dies, indem er ein Panoptikum seelischer Verrenkungen und Verirrungen kreiert: Pädophilie, Sodomie, Sadismus, exzessiver Hedonismus bis zum Kannibalismus werden in dichter Abfolge serviert, rastlos bis zum ultimativen Gewaltexzess.

«Sidian» mit Flammenwerfer

Das Stück will alles sein und ist damit nichts Wirkliches. Schon gar nicht ist es ein Stück über den Krieg. Was wir von Danny über den Frontdienst im Irak erfahren, wirkt wie eine Collage aus TV-Nachrichten, durchs Megafon gebrüllt. Es sind die altbekannten Stereotypen: Bilder geköpfter Geiseln auf dem Handy, quälende Vorgesetzte, zertrümmerte Leichen, schwuler Notsex unter Soldaten und Schokolade verteilende Militärs, PR-gerecht inszeniert für Zuschauer vor dem heimischen Fernseher.

Da ist kein Dramaturg mit spitzer Feder am Werk, sondern ein «Sidian» mit Flammenwerfer, bei dem jeder dritte Satz in eine verbale Obszönität abgleitet. Und als ob der derben Sprache nicht genug wäre, pumpt Regisseur Samir – wohl um eine möglichst authentische Gewaltkulisse bemüht – zu jedem Szenenwechsel schmerzend laute Hip-Hop-Rhythmen von der Bühne und blendet das Publikum mit grellem Neonlicht.

Dieser Concours de Violence bringt keine Annäherung an das erklärte Kernthema des Stückes, den Krieg. Dabei ruft die Aktualität – der Premiere-Tag war der gewalttätigste im Irak seit der Invasion – geradezu nach dramaturgischer Reflexion.

1333 britische Irak-Soldaten sind mit psychischen Problemen aus dem Irak zurückgekehrt, so eine offizielle Statistik, die Anfang Jahr von der Tageszeitung Independent veröffentlicht wurde. Das sind 1,5 Prozent aller britischen Irakkrieg-Veteranen – keine gewaltig hohe Zahl zwar, für die Betroffenen jedoch bedeuten die im Krieg erfahrenen Traumata meist einen gravierenden Einschnitt in ihrem Leben. Bei harten Fällen spricht man von posttraumatischer Belastungsstörung (post-traumatic stress disorder), einer Krankheit der Psyche, die Jahre, teils ein Leben lang, dauern kann. Die wenigsten der Betroffenen agieren wie Danny, sie fügen weder Dritten noch sich selbst existenzielles Leid zu. Ihre Leiden sind oft leise und kaum sichtbar: Platzangst, Schlafstörungen, innere Leere, Konzentrationsschwäche. Die posttraumatische Belastungsstörung hat viele Facetten und ist in der Gesellschaft wenig bekannt. Viele Opfer fühlen sich mit ihren Schmerzen von Staat und Freunden missverstanden und alleingelassen.

Ihren Leiden wird nicht gerecht, wer sie in Form eines psychopathischen «Monsters» à la Danny auf die Bühne stellt. Um eine adäquate Auseinandersetzung mit der Krankheit und ihren Ursachen scheinen weder Autor Stephens noch Regisseur Samir bemüht. Statt auf psychologischer Tiefe setzen sie auf knallige Effekthascherei.

Geschrieben in vier Tagen

Simon Stephens recherchiert laut eigenen Angaben nie. Euphorisiert über die Nominierung Londons für die Austragung der Olympiade 2012 und gleich darauf geschockt von den islamistischen Terroranschlägen im Sommer 2005, habe er das Stück in bloss vier Tagen geschrieben. Das ist nicht zu übersehen. Hätte der Autor sich die Mühe genommen, in den Irak zu reisen und ein paar Tage mit Soldaten zu verbringen, wäre ihm zweifellos ein subtilerer Text gelungen.

So bedient er die landläufigen Klischees, die mit der Realität wenig zu tun haben. Damit beweist Stephens letztlich, dass er – obschon preisgekrönt – nicht zu den Grossen seines Genres gehört. Grosse Dramaturgen bedienen nicht, son- dern schaffen eine neue Klientel.

Tour de Force der Darsteller

Am besten ist Stephens, wenn er den Krieg in den Hintergrund rückt und die konträren Figuren in grotesker Weise aufeinanderprallen lässt. Nach der blutigen Klimax verschnauft der erschöpfte Danny am Meer und trifft auf ein sonnenbadendes Swinger-Paar, das ihn zu einem «flotten Dreier» auf sein Hotelzimmer einlädt.

«Du bist ziemlich gut gebaut, nicht wahr?», haucht die langbeinige TV-Produzentin Helen mit billig-erotischem Timbre. Zwischen Lust und Abscheu hin- und hergerissen, lässt sich Danny eine Weile treiben. Das Publikum ist gebannt vom Machtkampf, in welchem jeder des Trios versucht, die andern zu kontrollieren. Hier tritt erstmals Spannung auf; niemand weiss vorauszusagen, wie die Szene enden wird.

Theater darf alles sein, nur nicht langweilig. Diesbezüglich wenigstens ist «Motortown» ein Erfolg. Der beeindruckenden Leistung des Ensembles sei Dank.

Die Schauspieler schaufeln aus dem psychologisch flachen Stück ein Maximum an Intensität. Wie Oliver Masucci als Danny, à bout de souffle, zwei Stunden ohne Unterbruch von Szene zu Szene jagt, verdient Anerkennung. Wenn er in einem der wenigen ruhigen Momente allein vor seinem toten Opfer verweilt und im Entsetzen über sich und die Welt zittert, wird sichtbar, welch schauspielerisches Können in ihm steckt. Die Sequenz lässt erahnen, zu welcher Tour de Force die Darsteller fähig wären, hätte Simon Stephens sein Werk feiner gestrickt.

Motortown von Simon Stephens, Regie: Samir, Schauspielhaus Zürich, Schiffbau: 1., 4., 5., 7., 9., 11., 13., 14., 15., 17. Dezember, jeweils 20 Uhr

http://www.schauspielhaus.ch

WEW_48_070.pdf
Previous | Next

Polizei fasste einenBoss der Camorra
SLZNT00020061127e2bs00028
chronik
338 Words
28 November 2006
Salzburger Nachrichten
8
German
(c) 2006. SN. All rights reserved.

Die Regierung schickte ein Heer von Polizisten in das von Kriminalität geplagte Neapel. Auch in Mailand nimmt die Zahl der Mordfälle zu: Heuer schon 103 Tote.

NEAPEL, ROM (SN, dpa). Ein hochrangiges Mitglied der neapolitanischen Camorra wurde am Montag gefasst. Der Boss eines einflussreichen Clans, Franco Mazzarella, wurde mit weiteren 14 Personen festgenommen. Bürgermeisterin Russo Iervolino begrüßte die Festnahme als wichtigen Beitrag gegen die Kriminalität in der 1,2-Millionen-Einwohner-Metropole.

Nach mehreren Morden in Neapel und Umgebung binnen weniger Tage hatte die Regierung in Rom einen Anti-Kriminalitäts-Plan verfasst. Dieser sieht in erster Linie vor, die 13.500 Sicherheitskräfte in Neapel und Umgebung um weitere 1000 Mann aufzustocken. Die neu entsandten Kräfte sollen das Gebiet Straße für Straße kontrollieren.

Seit Jahresbeginn wurden mehr als 70 Morde in der Stadt und in der Provinz verübt, die meisten vor dem Hintergrund des Krieges unter den Camorra-Clans. Diese erwirtschaften 16 Milliarden Euro pro Jahr, vier Milliarden Euro kassieren sie durch Wucher und Erpressungen. Mehr als 4000 Vorbestrafte leben in der Stadt mit einer Arbeitslosenrate von 24 Prozent. Die Camorra-Clans sind auf den Handel mit Drogen spezialisiert, haben den Bausektor infiltriert und kassieren Schutz- und Erpressungsgelder.

In Italien werden die zunehmende Kriminalität und der im Juli beschlossene Strafnachlass weiterhin heftig debattiert. Justizminister Clemente Mastella warnte im Parlament davor, Neapel nach der langen Serie von Camorra-Bluttaten als Negativ-Beispiel anzuprangern. „Es werden mehr Morde in Mailand als in Neapel verübt, sie verursachen aber weniger Aufregung“, betonte der süditalienische Politiker. Die Zahlen geben ihm Recht: Seit Jänner wurden im Großraum von Mailand 103 Mordfälle gemeldet, in der Stadt am Vesuv waren es 75.

Der Justizminister verteidigte zudem den von ihm stark unterstützten Strafnachlass. Seit Juli kamen dadurch 17.000 Häftlinge frei. Er bestritt Medienberichte, wonach die Zahl der Vergehen wegen der Maßnahme stark zugenommen habe.

Von der Maßnahme profitierten jene Sträflinge nicht, die wegen Terrorismus, Mafiazugehörigkeit, Pädophilie, sexueller Gewalt, Entführungen, Schieberei, Geldwäsche und Drogenhandel einsitzen.

snstamm | SNZ41-781111528.11.2006 | 41-7811115
Previous | Next

inkürze- Nacktes "Jesuskind" in Bozen- "Der Faust" an Tabori- Blues-Pionier Lockwood jr. tot
DIEP000020061127e2br0003u
fe
208 Words
27 November 2006
Die Presse
German
(c) Die Presse 2006 www.diepresse.at.

Ein blonder, blauäugiger, völlig nackter Bub streckt seine Arme aus und lässt den Kopf auf seine Brust fallen, als ob er gekreuzigt worden wäre. Das sieht man in einem Video von Aron Demetz, das während des Christkindlmarktes auf die Außenmauern des Bozner Doms projiziert werden soll. Der Vizebürgermeister spricht von "inakzeptabler Kommerzialisierung" und einer "Darstellung an der Grenze zur Pädophilie", ein Priester von einer "pseudochristlichen Präsentation". Der Künstler erklärt, er wollte nur ein wenig Spiritualität in die vorweihnachtliche Glitzerwelt bringen.

Der neue deutsche Theaterpreis "Der Faust" wurde am Freitag zum ersten Mal vergeben. Fürs Lebenswerk wurde George Tabori ausgezeichnet, für die beste Regie Jürgen Gosch ("Macbeth" in Düsseldorf), als beste Darstellerin Katharina Schüttler, als bester Opernregisseur Jossi Wieler ("Doktor Faustus" in Stuttgart), als beste Sängerin Evelyn Herlitzius (Salome in Dresden).

Er lernte noch vom legendären Robert Johnson (mit dem seine Mutter zusammenlebte), er lehrte B. B. King: Robert Lockwood Jr., in den 50er Jahren aus dem Mississippi-Delta nach Chicago gezogen, war einer der letzten lebenden Pioniere des Blues. Nun ist er mit 91 Jahren an Gehirnblutungen gestorben, bis fast zuletzt trat er allwöchentlich in einem Club in Cleveland auf.

Previous | Next

Lernen von den Alten: Für immer Punk? Schorsch Kamerun erzählt über das Dagegensein früher und heute – und wie sich die Subkultur in den letzten 20 Jahren verändert hat
SDDZ000020061127e2br0004n
JETZT.DE
996 Words
27 November 2006
Süddeutsche Zeitung
33
German
Copyright 2006 Süddeutsche Zeitung

Schorsch Kamerun, 43, ist Gründer und Sänger der Goldenen Zitronen, die ihre Laufbahn als Punkband begannen. Er betreibt in Hamburg auch den Golden Pudel Club und ist seit sechs Jahren als Theaterregisseur aktiv. Gerade hatte an den Münchner Kammerspielen seine Inszenierung des Buchs „Macht & Rebel” von Matias Faldbakken Premiere.

Deine Band Die Goldenen Zitronen gibt es jetzt seit 21 Jahren. Wie habt ihr euch als Band gefunden?

Ich spiele seit Ende der siebziger Jahre in Bands. Die erste Kapelle hieß BSG3 - Bass, Schlagzeug, Gitarre, drei Leute. Zunächst gab es keinen Sänger, aber irgendwann bin ich es doch geworden. Wir sind dann um 1980 alle nach Hamburg gezogen. Da gab es eine der ersten Punkkneipe Deutschlands: „Krawall 2000”, am Fischmarkt. Wir sind direkt in die Nachbarschaft gezogen und fanden es sehr aufregend. Um diese Kneipe herum entstanden Die Goldenen Zitronen und zu Beginn haben wir viel mit den Toten Hosen und den Ärzten gespielt. Das nannten andere später „Fun Punk”.

Davon habt ihr euch als Band aber relativ bald distanziert. Warum?

Eine Zeit lang war es lustig, Country, Schlager und Rockabilly zusammenzumixen. Das Punkumfeld war uns zu dogmatisch geworden. Selbst in den besetzten Häusern der Hafenstraße, wo wir die meisten Konzerte spielten, trugen Punker nur noch genormte schwarze Lederjacken. Wir wollten innerhalb des Punk wieder punkig werden. Wir sind in absurden Blümchenklamotten aufgetreten. Das kann man sich heute nur noch schwer vorstellen, aber damals war dieses Schlagerding ganz attraktiv und hatte etwas von einem Gegenangriff. Irgendwann blieb die Persiflage aber in der Selbstpersiflage hängen, sprich, du coverst ein Bierzelt und stehst irgendwann selbst mitten drin. 1990 meinten wir mit unserer damaligen Platte „Fuck You” eigentlich alles – inklusive unserer eigenen Fans.

Dabei sah es davor so aus, als würdet ihr richtig groß werden.

Wir sollten sogar Homestories für die Bravo machen.

Warum wolltet ihr das nie?

Wir fanden das falsch. Wir haben in unserer 21-jährigen Bandgeschichte nie einen großen Plattenvertrag unterschrieben, weil wir nicht in einer Firma sein wollten, in der Promoter unsere neue Platte gemeinsam mit der neuen Westernhagen vermarkten. Das passte einfach nicht.

Was hat dich an Punk fasziniert?

Ich war ein politisch interessierter Mensch und wollte das Gegenteil von dem, was meine Eltern wollten. Ich komme aus einem ziemlich autoritären und bürgerlichen, zum Teil auch rechtskonservativen Umfeld. Darunter habe ich sehr gelitten. Und dann fängt man ganz automatisch an, sich nach Dingen umzuschauen, die anders sind, mit denen man sich abgrenzen kann. Das ging mit Punk sehr gut. Vor allem in dem Schicki-Ostseebad Timmendorfer Strand, wo ich aufgewachsen bin. Ich hatte zum Beispiel einen Lehrer, der einen Schönschreibclub betrieb und uns tatsächlich gezeigt hat, wie man sich hinsetzt, ohne die Bügelfalte zu zerknittern. Den konnte ich mit meinen zerrissenen Klamotten ernsthaft provozieren.

Hat sich deine Einstellung zu Punk gewandelt? Schon auf dem ersten Album habt ihr ironisch „Für Immer Punk” gesungen.

Diese Haltung von Punk: „Das kannst auch du”, finde ich nach wie vor richtig. Im Grunde benehme ich mich so auch als Theatermachender. Ich bin wahrscheinlich der einzige Regisseur, der am Stadttheater arbeitet und nicht mal einen Hauptschulabschluss hat, weil ich in der neunten Klasse von der Schule geflogen bin. Ich habe erst mal eine Ausbildung als KFZ-Mechaniker gemacht, bis ich für den Zivildienst nach Hamburg ging. Aber ich behaupte einfach, ich kann das. Es kann ja letztlich auch jeder malen. Was nicht mehr funktioniert, ist die Provokation. Green Day waren letztes Jahr die erfolgreichste Band der Welt. Die nennen sich zwar Punkband, aber das hat für mich nichts mehr damit zu tun.

In „Macht & Rebel” geht es genau darum, dass Subkultur vom Mainstream vereinnahmt wird. Empfindest du das auch so?

Heute hat sich der Weg von Underground zu Mainstream bis auf null verkürzt. Subkultur wird sofort zum verkaufbaren Label. Wie soll sie sich da behaupten? Zumal man ja zum Beispiel mit dem Pudel Club in der Hafenstraße selbst zu dieser Entwicklung beigetragen hat. Neben dem Club haben mittlerweile Luxusrestaurants eröffnet und die größte Werbeagentur Deutschlands wird sich dort niederlassen. Als wir dort hinzogen, war da nichts. Dennoch sind wir immer noch ein nichtkommerzieller Laden und verdienen damit nichts.

Gibt es überhaupt noch Subkultur?

Subkultur schon, ich glaube nur, heute muss jeder für sich selbst beantworten, wie er sie betreibt. Was es nicht gibt, ist eine äußere Form wie noch bei Punk, mit der sie gut übertragen werden kann. Popkultur hat die Andersartigkeit verloren.Wenn selbst Baumärkte schon Werbespots drehen, die wie Avantgarde-Kunst-Trash-Wahnsinn aussehen, dann funktioniert Popkultur nicht mehr. „Macht & Rebel” spielt damit und fragt, womit man noch provozieren kann. Da bleiben nur scheußliche Dinge wie „Pädophilie”, gewaltbereite „Problemkids” und „Hitlerreden umschreiben” übrig.

Was kann man also noch tun?

Nur weil es keine neuen äußeren Signale oder Ausdrucksformen mehr gibt, kann man ja dennoch kritisch sein. Und auch wenn man sich auf einer Demo gleich unmodern fühlt, ist es doch wichtig zu protestieren. Punk hat für mich ja auch nichts mit einem Irokesen-Schnitt oder einem schnell gespielten Stück zu tun, sondern mit einer Haltung, wie ich an die Dinge ran gehe.

Und wie gehst du an die Dinge ran? Hast du einen Rat für uns?

Man muss in jeder Situation neu entscheiden, wie man sich verhält. Der Pudel Club war zum Beispiel bei Myspace drin. Aber wenn man sich da anmeldet, muss ich akzeptieren, dass auf meiner „friends”- Seite Werbung ist. Das fanden wir undemokratisch und haben den Pudel Club deshalb wieder aus Myspace gelöscht. Auch in unseren Songtexten sind wir nach wie vor politisch oder kritisieren bestimme Verhältnisse. Zu unseren Konzerten gehen heute dennoch mehr Leute als vor fünfzehn Jahren. Man kann sich also durchaus noch ausdrücken, mit Schreiben, mit Musik, mit Theater. Es gibt nur nicht mehr die direkte Gegnerschaft wie früher, außer den Kapitalismus im Allgemeinen.

caroline.vonlowtzow.jetzt.de

A40325530
Previous | Next

Pädophilie - "Das ist ein total geiler Vikar"
SPGLO00020061127e2bq0001v
Dossiers / Gesellschaft
89 Words
26 November 2006
Spiegel Online (Deutsch)
0
German
© 2006 SPIEGEL net GmbH. All rights reserved.

(News)

Lange hielt die katholische Kirche sexuellen Missbrauch durch Priester für ein Randproblem. Opfer wurden nicht ernst genommen und die Täter konnten damit rechnen, ungestraft davonzukommen.

Aufgeweckt durch zahlreiche Skandale in den USA und durch einzelne, publik gewordene Fälle in Deutschland, beschloss die katholische Bischofskonferenz 2005, Täter nicht mehr länger zu schützen und Opfer endlich ernst zu nehmen. Nun sind die ersten Opfer "entschädigt" worden.

http://www.spiegel.de/dossiers/gesellschaft/0,1518,388999,00.html

PMGSPON-xPMG-spiegel-388999
Previous | Next

Kind von Hund angefallen
DBUND00020061124e2bo0002n
Letzte
323 Words
24 November 2006
Der Bund
40
German
(c) 2006 Der Bund Verlag AG

kurz

lausanne Ein 5-jähriges Mädchen ist am Donnerstagmorgen in Cheseaux-sur-Lausanne von einem Hund gebissen worden. Das Opfer erlitt leichte Bisswunden am Gesicht. Der angeleinte Hund, ein Golden Retriever, wurde beschlag-nahmt. Das Mädchen war zusammen mit fünf weiteren Kolleginnen und einem Erwachsenen auf dem Weg zur Schule, als die Gruppe einer Frau mit drei Hunden begegnete. Als sich beide Gruppen auf gleicher Höhe befanden, fiel ein Hund eines der Mädchen an, warf es zu Boden und biss es ins Gesicht. (sda)

Ehemann vergiftet

monthey Die Frau, die zwischen März und August 2004 in Monthey VS ihren Mann mit Rattengift getötet hat, soll wegen Mordes für 20 Jahre ins Zuchthaus. Dies forderte die Staatsanwaltschaft gestern im laufenden Prozess. Der Verteidiger fordert einen Freispruch. Das Urteil wird später eröffnet. (sda)

Kinderschänder verwahrt

yverdon Das Strafgericht in Yverdon-les-Bains VD hat gestern einen rückfälligen Kinderschänder zu 20 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Strafe gegen den 62-Jährigen wird zugunsten einer Verwahrung aufgeschoben. Die Schuld des Hauptangeklagten wiege schwer, erklärte das Gericht. Der Mann neige schon seit mehr als 30 Jahren zur Pädophilie. Im schlimmsten Fall, für den er zur Rechenschaft gezogen wurde, hatte ihn ein Gericht zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. (sda)

Öffentlich Küssen verboten

dubai Inmitten der Luxuspaläste von Dubai vergisst so mancher Ausländer, dass in dem Golfemirat strenge Sitten herrschen. Ein Manager aus Australien und seine philippinische Freundin sind vor Gericht gelandet, weil sie sich in einem Kaffeehaus geküsst haben, was als «obszöne Geste» gilt. (sda)

Bagger gegen Vermieter

london Aus Ärger über eine Kündigung hat ein 53-jähriger Engländer einen Bagger angemietet und damit das Haus seines Vermieters zerlegt. Der Mann geriet in Rage, weil er den Campingplatz verlassen sollte, auf dem er in einem Wohnwagen lebte. Der rabiate Baggerfahrer aus der südostenglischen Gemeinde Bradwell-on-Sea wurde nun zu sechs Jahren Haft verurteilt. Bei seiner Krawallfahrt hatte der Mann auch ein Polizeifahrzeug zertrümmert. (sda)

Previous | Next

Die Liga polnischer Familien wendet sich in Polen gegen alle "Spielarten" der...
DSTAN00020061123e2bo0001c
Thema
104 Words
24 November 2006
Der Standard
1_BL
2
German
(c) 2006, Der Standard. http://www.derstandard.at/

Die Liga polnischer Familien wendet sich in Polen gegen alle "Spielarten" der Libera- lisierung, einige Mitglieder wollten vor einiger Zeit für Mütter und Ärzte, die abtreiben, die Todesstrafe einführen - was in der EU aber nicht möglich ist. Zum Umfeld der Partei zählt auch das umstrittene und antisemitische und fremdenfeindliche "Radio Maryia" von Pater Rydzyk.

Der Radiosender führte über Jahre eine Kampagne gegen die EU, mit der er auch Pädophilie, Euthanasie, Abtreibung und Homoehe" verband. Darüber hinaus drohe der Ausverkauf Polens, meinen die Vertreter der Familienliga.

Artikel (200640)
Previous | Next

Kampf gegen Pädophilie "virtuell" verloren
STUGTR0020061122e2bm00058
Kreis Waiblingen
455 Words
22 November 2006
Stuttgarter Zeitung
24
German
(c) 2006, Stuttgarter Zeitung Ansprechpartner: 0049-711-7205-782

Mann aus Waiblingen verurteilt, weil er sich einem Buben aus Bayern unsittlich gezeigt hat

WAIBLINGEN. Weil er sich via Internet wiederholt

einem minderjährigen Jungen unsittlich gezeigt hat, muss ein 49-jähriger Mann aus Waiblingen für anderthalb Jahre ins Gefängnis. Es war nicht das erste Mal, dass er seine pädophile Neigung ausgelebt hatte.

Von Frank Rodenhausen

Eine gute Stunde verzögerte sich der Beginn der Verhandlung am Dienstagmorgen im Waiblinger Amtsgericht. Das Vorgespräch zwischen dem Vorsitzenden Richter Bernhard Krieg und dem Angeklagten ersparte einem 14-jährigen Jungen aus Bayern letztlich die Aussage im Zeugenstand.

Der Junge hatte, wie der Angeklagte später bestätigte, im vergangenen Jahr in mindestens fünf Fällen per Internetkamera beobachtet, wie der 49-jährige die Hose öffnete und an seinem Geschlechtsteil herumspielte. Dass sich der Mann in seiner Waiblinger Wohnung auch beim Oralverkehr mit einem Zwölf- bis 13-Jährigen filmte, wie der Junge aus Bayern bei der Polizei angab, konnte dem selbstständigen EDV-Berater nicht nachgewiesen werden. Es soll sich einer schriftlichen Erklärung seiner Rechtsanwältin zufolge um einen Jugendlichen gehandelt haben, der das 16. Lebensjahr bereits überschritten hatte.

"Ich bin pädophil", räumte der Angeklagte vor Gericht unumwunden ein. Seit dem Ende der 70er-Jahre sei er sich seiner Neigung bewusst. Ein Buch über "Knabenliebe" habe ihm zu der Erkenntnis verholfen, die ihn anfänglich zu Selbstmordversuchen getrieben habe. In diversen Therapien, Selbsthilfegruppen, Meditationen und Klinikaufenthalten habe er versucht, dagegen anzukämpfen - stets auf eigenen Wunsch und eigene Veranlassung, wie er betonte. So richtig gelungen ist es ihm freilich nicht, sein Vorstrafenregister weist allein vier einschlägige Verurteilungen auf, die letzte liegt allerdings bereits neun Jahre zurück.

Danach, so beteuerte der 49-Jährige, habe er seine krankhafte Veranlagung im Griff gehabt. Bis er den Möglichkeiten der Internetwelt erlegen sei: "Im realen Leben ist es mir gelungen, im virtuellen habe ich versagt." Er werde sich nie wieder bei dem Jungen melden, es sei denn, dieser wünsche es. Er bereue, dass der heute 14-jährige möglicherweise unter den für ihn traumatischen Ereignissen leide, und bitte um eine letzte Chance, sich in Freiheit therapieren zu lassen.

Doch eine Bewährungsstrafe kam für den Richter nicht in Frage. Er habe bei der Strafzumessung zwar berücksichtigt, dass der Angeklagte durch sein - wenn auch spätes - Geständnis eine Vernehmung des minderjährigen Zeugen vermieden habe, gleichwohl dürfe man die Vorgeschichte des Mannes auf der Anklagebank nicht außer Acht lassen. Krieg: "Einem Erwachsenen ihres Zuschnitts kann ich keine günstige Prognose ausstellen." Der Angeklagte habe sich zwar offenbar über Jahrzehnte hinweg bemüht, gegen seine Neigung anzukämpfen, letztlich sei er dieser jedoch immer wieder erlegen. Die Gefängnisstrafe von einem Jahr und sechs Monaten - damit folgte der Richter dem Antrag des Staatsanwalts - wird der 49-Jährige absitzen müssen, Anklage und Verteidigung verzichteten auf eine Berufungsklage.

Previous | Next

Kampf gegen Pädophilie erlegen
FELLZE0020061122e2bm0000u
Rems-Murr-Kreis
460 Words
22 November 2006
Fellbacher Zeitung
4
German
© 2006 Fellbacher Zeitung

Mann aus Waiblingen hat sich einem Buben aus Bayern unsittlich gezeigt

wiederholt

Waiblingen. Weil er sich via Internet

einem minderjährigen Jungen unsittlich gezeigt hat, muss ein

49-jähriger Mann aus Waiblingen für

anderthalb Jahre ins Gefängnis. Es war nicht das erste Mal, dass er seine

pädophile Neigung ausgelebt hatte.

Von Frank Rodenhausen

Eine gute Stunde verzögerte sich der Beginn der Verhandlung am Dienstagmorgen im Waiblinger Amtsgericht. Das Vorgespräch zwischen dem Vorsitzenden Richter Bernhard Krieg und dem Angeklagten ersparte einem 14-jährigen Jungen aus Bayern letztlich die Aussage im Zeugenstand.

Der Junge hatte, wie der Angeklagte später bestätigte, im vergangenen Jahr in mindestens fünf Fällen per Internetkamera beobachtet, wie der 49-jährige die Hose öffnete und an seinem Geschlechtsteil herumspielte. Dass sich der Mann in seiner Waiblinger Wohnung auch beim Oralverkehr mit einem Zwölf- bis 13-Jährigen gefilmt habe, wie der Junge aus Bayern bei der Polizei angab, konnte dem selbstständigen EDV-Berater nicht nachgewiesen werden. Es soll sich einer schriftlichen Erklärung seiner Rechtsanwältin zufolge um einen Jugendlichen gehandelt haben, der das 16. Lebensjahr bereits überschritten hatte.

"Ich bin pädophil", räumte der Angeklagte vor Gericht unumwunden ein. Seit Ende der 70er Jahre sei er sich seiner Neigung bewusst. Ein Buch über "Knabenliebe" habe ihm zu der Erkenntnis verholfen, die ihn anfänglich zu Selbstmordversuchen getrieben habe. In diversen Therapien, Selbsthilfegruppen, Meditationen und Klinikaufenthalten habe er versucht, dagegen anzukämpfen - stets auf eigenen Wunsch und eigene Veranlassung, wie er betonte. So richtig gelungen ist es ihm freilich nicht, sein Vorstrafenregister weist allein vier einschlägige Verurteilungen auf, die letzte liegt indes neun Jahre zurück.

Danach, so beteuerte der 49-jährige Angeklagte, habe er seine krankhafte Veranlagung im Griff gehabt. Bis er den Möglichkeiten der Internetwelt erlegen sei: "Im realen Leben ist es mir gelungen, im virtuellen habe ich versagt." Er werde sich nie wieder bei dem Jungen aus Bayern melden, es sei denn, dieser wünsche es. Er bereue, dass der heute 14-Jährige möglicherweise unter den für ihn traumatischen Ereignissen leide, und bitte um eine letzte Chance, sich in Freiheit therapieren zu lassen.

Doch eine Bewährungsstrafe kam für den Vorsitzenden Richter Bernhard Krieg nicht in Frage. Er habe bei der Strafzumessung zwar berücksichtigt, dass der Angeklagte durch sein - wenn auch spätes - Geständnis eine Vernehmung des minderjährigen Zeugen vermieden habe, gleichwohl dürfe man die Vorgeschichte des Mannes auf der Anklagebank nicht außer Acht lassen. Krieg: "Einem Erwachsenen ihres Zuschnitts kann ich keine günstige Prognose ausstellen."

Der Angeklagte habe sich zwar offenbar über Jahrzehnte hinweg bemüht, gegen seine Neigung zur Pädophilie anzukämpfen, letztlich sei er dieser jedoch immer wieder erlegen. Die Gefängnisstrafe von einem Jahr und sechs Monaten - damit folgte der Richter dem Antrag des Staatsanwalts - wird der 49-Jährige nun absitzen müssen, Anklage und Verteidigung verzichteten darauf, Berufungsklage einzulegen.

Previous | Next

Kenianische Polizei nimmt Deutschen wegen Pornobildern fest
AFPDE00020061122e2bm000b5
NAU
176 Words
22 November 2006
03:05 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2006 All reproduction and presentation rights reserved.

Nairobi, 22. November (AFP) -

Die kenianische Polizei hat am Dienstag (Ortszeit) einen deutschen Touristen festgenommen, weil dieser pornografische Fotos besitzen soll. Der Mann sei in seinem Hotel in Malindi in Gewahrsam genommen worden, da er vier Nacktfotos einer Frau in seinem Besitz habe, teilte die örtliche Polizei mit. Die Polizei würde jetzt nach der Frau auf den Fotos suchen, damit diese ihnen bei den Ermittlungen behilflich sein könne. Es werde untersucht, ob der Deutsche Mitglied eines Pornorings sei, der mit pornografischen Bildern in den Touristengegenden von Kenia handele.

Ein deutscher Rentner war im vergangenen Jahr in Kenia wegen Kinderpornografie verurteilt worden. Ein Gericht befand den damals 68-jährigen Kölner für schuldig, in einem Schwimmbad der südöstlichen Küstenstadt Kilifi bei Mombasa pornografische Fotos von Kinder geschossen zu haben. Dafür sollte er laut Urteil entweder anderthalb Jahre hinter Gitter gehen oder umgerechnet 645 Euro Strafe zahlen. Er bezahlte die Strafe. Der Mann kam den Angaben zufolge noch glimpflich davon, weil die Ermittler den Verdacht der Pädophilie nicht erhärten konnten.

nau

Previous | Next

Harte Zeiten für Homosexuelle in Lettland
TAZ0000020061121e2bm0001u
Ausland
BARBARA OERTEL
365 Words
22 November 2006
taz - die tageszeitung
taz
10
German
(c) 2006 taz, die tageszeitung

Parlament wählt homophoben Abgeordneten zum Vorsitzenden des Ausschusses für Menschenrechte und Soziales

BERLIN - taz ■ Für Lettlands Schwule und Lesben könnten jetzt noch schwerere Zeiten anbrechen: Am Montag wählte das Parlament, die Saeima, Janis Smits zum Vorsitzenden des Ausschusses für Menschenrechte und soziale Fragen. Smits, studierter Theologe und Mitglied der Regierungspartei „Erste Partei Lettlands”, hatte sich in den vergangenen Monaten vor allem durch übelste Hetztiraden gegen Homosexuelle hervorgetan.

„Als Repräsentant der Christenheit im Parlament bin ich stolz, dass wir es geschafft haben, das Gesetz, das die traditionellen Familien schützt, gegen Veränderungen zu verteidigen. Mein Land ist doch keine arme Prostituierte, die sich für europäisches Geld verkauft”, so hatte Smits Mitte Juli seine Position klargemacht. Kurz zuvor hatte das Parlament ein Gesetz abgelehnt, das die Diskriminierung sexueller Minderheiten am Arbeitsplatz verbietet. Ein derartiges Gesetz sei eine Legalisierung sexueller Perversionen und öffne die Tore für „Päderastie, Lesbentum, Pädophilie, Sodomie und andere Krankheiten”, wetterte Smits.

Als das Antidiskriminierungsgesetz nach einem Veto von Staatspräsidentin Vaira Vike-Freiberga im vergangenen September dann doch das Parlament passierte, stimmte Smits erwartungsgemäß dagegen.

Smits' Nominierung für den Posten des Ausschussvorsitzenden rief heftige Proteste hervor. So sprachen Mitglieder des Europäischen Parlaments von einer „eklatanten Missachtung der Vorgeschichte des Kandidaten – einer Geschichte der Anstachelung zu Hass und Gewalt”.

Der derart Gescholtene bezeichnete gestern die Aufregung der Medien um seine Person als „verrückt”. Dennoch gab er sich nach seiner Wahl betont versöhnlich. Er werde ehrlich arbeiten und die Verfassung beachten, die allen Bewohnern Lettlands Grundrechte gewähre. Sexuelle Minderheiten hätten die gleichen Rechte wie jeder andere in Lettland auch, allerdings müssten sie in Übereinstimmung mit dem Gesetz handeln, sagte Smits.

Maris Sants, schwuler und aus der evangelischen Kirche ausgeschlossener Pastor, ist entsetzt. „Ungeachtet aller Proteste haben die Abgeordneten diese Entscheidung getroffen und sich damit über europäische Werte hinweggesetzt. Aber das entspricht dem hiesigen Klima”, sagt Sants. In jedem Fall aber müsse Europa darauf reagieren. Eine Möglichkeit dazu gibt es bereits am kommenden Freitag. Dann wird der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, in Riga zu einem Treffen mit dem lettischen Regierungschef Aigars Kalvitis erwartet.

BARBARA OERTEL

„Mein Land ist keine arme Prostituierte, die sich für europäisches Geld verkauft”

Previous | Next

Heftige Vorwürfe
DBUND00020061121e2bl0001k
Stadt-Region
333 Words
21 November 2006
Der Bund
25
German
(c) 2006 Der Bund Verlag AG

Rechtsradikale beschuldigen in Wahlern einen Lehrer

Ein Flugblatt der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) sorgt seit Freitag in Schwarzenburg für Aufregung. Die Pnos beschuldigt darin ein Lehrerehepaar, das an einer Primarschule in der Gemeinde Wahlern unterrichtet, «sexuell gestört (pädophil)» zu sein und damit Schüler und Schülerinnen zu gefährden. Aus diesem Grund müssten die beiden, die im Flugblatt nicht namentlich genannt werden, von der Schulleitung entlassen werden, fordert die Partei.

Brief an alle Eltern

Die Primar- und Realschulkommission hat umgehend auf das Flugblatt reagiert, wie Präsidentin Elisabeth Kollbrunner einen Bericht der «Berner Zeitung» bestätigt. Noch am Freitag hat die Kommission einen «klarstellenden» Brief an die Eltern versendet. Darin distanzieren sich Kommission und Schulleitung vehement von den anonymen Beleidigungen der Rechtsradikalen. Die «absolut diskriminierenden Anschuldigungen» werden «aufs Schärfste verurteilt», sagt Kollbrunner, die seit 2001 im Gemeinderat als Parteilose politisiert.

Die Kommissionspräsidentin sagt, die direkte Art des hauptsächlich angeschuldigten Lehrers, sein «ungestümes und manchmal auch ungeschicktes Verhalten» habe zuletzt vor einigen Monaten zu Reaktionen von Eltern geführt. «Er nennt die Sache halt beim Namen», sagt Kollbrunner, und das sei nicht überall auf Verständnis gestossen. «Mit Pädophilie hat das aber nichts zu tun.» Die «Qualität des Unterrichts» sei nie in Zweifel gezogen worden. Das sei den Eltern auch mitgeteilt worden. Weitere Details über das Vorgefallene wollte Kollbrunner allerdings nicht bekanntgeben.

Kantonspolizei sucht den Autor

Wer genau das Flugblatt verfasst hat, ist offen. Mario Friso von der Pnos-Sektion Berner Oberland sagt, ein «unabhängiges Mitglied» habe das Flugblatt angeregt. Den Text habe er nicht alleine verfasst, sondern mit Hilfe einzelner Pnos-Mitglieder. Ihre Namen fehlen aber auf dem Zettel.

Nun wird sich allerdings die Kantonspolizei auf die Suche nach den Autoren machen. Wie Polizeisprecher Heinz Pfeuti nämlich bestätigt, ist noch am Freitag eine Anzeige gegen den Text des Flugblatts eingereicht worden. Über den Urheber der Anzeige schweigt sich Pfeuti aber aus – allerdings liegt die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um das angeschuldigte Ehepaar handelt. Dieses war gestern telefonisch nicht zu erreichen. (rr)

Previous | Next

KZ als Camp-Kultur; Schorsch Kamerun inszeniert an den Münchner Kammerspielen „Macht und Rebel”
SDDZ000020061120e2bk00024
Feuilleton
928 Words
20 November 2006
Süddeutsche Zeitung
12
German
Copyright 2006 Süddeutsche Zeitung

Jetzt, wo mit Schorsch Kamerun der Punk endlich in München angekommen ist, ist er auch schon wieder tot. Die einstigen Helden der Subkultur, ihre Protestformen, Codes und Themen wurden ja längst vom Globalkapital absorbiert. Subversion ist marktgängig geworden und kriegt – radikal chic – ihr eigenes Logo. Widerstand zwecklos: Der Kapitalismus verleibt ihn sich ein. In seinem gefräßigen Wohlstandsbauch ist Platz für alle, auch für seine Gegner. Was mal Underground war, verkauft sich, verdaut von den Magensäften des Konsens, besonders gut, ob als trashiger Werbe-Clip oder als Turnschuh mit „Gangbang”-Label. Kunst und Kommerz, Original und Fake, Macht und Rebellion: alles eine konformistische Soße. Wer kann da noch unterscheiden oder gar ideologische Grenzen ziehen? Counter Culture war gestern. Willkommen im Mainstream!

Alles geht – und „je schlechter, desto besser”, so die Parole in Matias Faldbakkens provokativem Hardcore-Roman „Macht und Rebel”, aus dem Schorsch Kamerun, der Liedtexter und Sänger der Punkrock-Band Die goldenen Zitronen, eine Bühnenversion für die Münchner Kammerspiele destilliert hat: eine eigene, eigenwillige Version, die mit der Handlung dieses abgefuckten Romans, den zu lesen eine Tortur ist, nicht viel zu tun hat, die aber dessen kulturpessimistischen Geist aufnimmt, um ein satirisches Punk-Trash-Requiem auf das, was mal Jugend- und Gegenkultur war, abzufeiern. Einerseits. Andererseits ist Kameruns performatives Spiel mit den Versatzstücken aus dem Buch und den szenischen Zutaten eines wild assoziierenden Märchenerzählers durchaus kritisch, nicht nur der Gesellschaft, sondern auch dem Roman gegenüber – der Abend ist damit selbst eine Form von Gegenkultur. Nicht provokativ, aber stichelnd. Ironisch. Lustig. Manchmal fast kuschelig. Wo bei Faldbakken nur nihilistischer Ekel herrscht, flackert bei Kamerun eine Sehnsucht auf. Es ist auch eine Sehnsucht nach so etwas wie Moral.

Matias Feldbakken, Jahrgang 1973, ist eigentlich bildender Künstler. In diesem Jahr hat er sein Heimatland Norwegen bei der Biennale in Venedig vertreten. Noch mehr Aufsehen als mit seiner Kunst erregte er mit seinem Debütroman „The Cocka Hola Company”, in Norwegen ein Bestseller. Darin geht es um eine Gruppe anarchistischer Pornofilmer, die mit allen möglichen Geschmacklosigkeiten gegen den Mainstream zu Felde zieht. In „Macht und Rebel”, dem zweiten Teil seiner „skandinavischen Misanthropie”, treibt der Autor seinen popliterarischen Amoklauf noch weiter: Pädophilie, Vergewaltigung, Nazi-Parolen, „ein Rein und Raus und Fick und Fack und Spritz und Gang und Bang in alle Körperöffnungen” – Faldbakken lässt kein Tabu aus, um seinem Kapitalismus- und Kommerz-Schocker das rechte Provokationspotenzial zu verpassen. Er entwirft mit sabbernder Lust ein Pandämonium der Abnormitäten. Die NZZ befand: „Sein Roman ist Mist (und will es sein).”

Der Titel, der auf den Nacht- und Nebel-Erlass der Nazis anspielt (auf dem Buchcover in Frakturschrift), benennt die beiden Hauptfiguren: Rebel ist ein Nihilist, der aus dem linken Milieu stammt, sich selbst und die Welt hasst und durch die Lektüre von Hitlers „Mein Kampf” zu neuem Tatendrang findet. Der andere, Macht, ist ein professioneller Coolhunter, der im Auftrag eines Wirtschaftskonzerns die Subkultur nach den neuesten Trends ausspäht und sich dabei als „äußerst ficktauglich” erweist. Gemeinsam sind sie erst so richtig monströs und gehen einem gehörig auf die „Suff-Dope-Sex-Nerven”.

Keine Angst: Es gibt auf der Bühne im Neuen Haus der Kammerspiele weder Sex- noch Gewaltexzesse, die Schüler der Otto-Falckenberg-Schule bleiben als „Problemkinder” unpenetriert, und niemand hisst das Hakenkreuz, das im Buch als das Logo schlechthin beschrieben wird. Das faschistoide Gedankengut des Buches spiegelt sich in Schorsch Kameruns Theaterfassung nur in der Grundsituation der Figuren wieder: Der Abend, angelegt als musikalische Märchen-Revue, spielt in einem Abenteuer-KZ, in das sich die Probanden freiwillig begeben – auf der Suche nach dem ultimativen Kick. Hier wollen Hänsel (Sebastian Weber) und Gretel (Anna Böger) mal so richtig das Gruseln lernen, weil sie das eigene Leben nicht mehr spüren. Sie sind Anfänger im Camp und staunen noch über „dieses scheinbar sinnlose Gerüst”, das Janina Audick auf die Bühne gebaut hat, und über die „Lagerkapelle”, die im Hintergrund postiert ist: „Die spielen immer extra-kranke Musik”, aber das tun sie gut. Ein Hexenhäuschen gibt es auch, eine Holzbaracke mit einer Videoleinwand darüber. Darin wohnen die „Problemkids”, die in dem Trainingslager „mal so richtig gebrochen werden sollen”. Manchmal filmen sie sich selbst in ihrer Panik und ihrem Elend, schon richtig professionell. Als Hexe, genannt Chexe, fungiert Lasse Myhr, der als Extrem-Alternativer schon seinen achten Trip im Camp schmeißt: „Keine Scheiße ist so echt wie die hier.” Die schrillste Figur aber in Kameruns Märchenwald ist Jochen Noch als sechshändiger, engelsbeflügelter Troll – eine Art Mutantenwesen aus den nebeligen Untiefen der Subkultur. Sein Song „Richtig geil” geht, um im Jargon des Abends zu bleiben, voll ab.

Der Lagerkommandant, genannt „der General”, ist ein trauriger Koloss von der Anmutung eines abgetakelten Othello: Sepp Bierbichler spielt – in Anlehnung an die Rebel-Figur des Romans – einen Mann, der „stinkig” ist auf alles und schon mal damit droht, sich seine Salatgurke in den After zu schieben. Aber dann nimmt er sie doch bloß als Mikro, um uns ein Lied von der Welt zu singen. Der Job kotzt ihn selber an, aber was tut man nicht alles, damit die Kids mal wieder ihre Grenzen spüren.

Schorsch Kamerun wirkt als „Makler” selber in dieser Trash-Revue mit, ordentlich gescheitelt, im Anzug – der Punksänger als Vermarktungsstratege, der seine neue Heimatstadt München mit einem Extra-Lied bedenkt und in einem perfiden Song für „Ferien in Brandenburg” wirbt, Ku-Klux-Klan-Gestalten um sich herum. Keine Angst vor diesem Mann: sein Lager ist reinste Camp-Kultur.

CHRISTINE DÖSSEL

A40301737
Schorsch Kamerun besingt „Ferien in Brandenburg” – der Ku Klux Klan wartet schon.Fotos: Arno Declair
Previous | Next

Gilliam schickt Alice in ein Albtraumland
WISTAG0020061118e2bi0005w
Kultur
308 Words
18 November 2006
Wiesbadener Tagblatt
0
German
C) 2006 Verlagsgruppe Rhein Main GmbH & Co. KG

Kultregisseur dreht mit "Tideland" einen Flop

Von

Markus Bennemann

WIESBADEN "Tideland", der neueste Film des Kultregisseurs Terry Gilliam, ist einer der Filme, bei denen man sich unweigerlich fragt, ob man sein eigenes Kind darin hätte mitspielen lassen. Die Hauptdarstellerin, die junge Amerikanerin Jodelle Ferland, hat zwar offenbar einige Erfahrung mit morbiden Stoffen, hat schon in dem Horrorfilm "Silent Hill" und einer Stephen-King-Verfilmung fürs Fernsehen mitgespielt. Aber Drogensucht, Geisteskrankheit, Leichenschändung, Inzest und Pädophilie - sind das wirklich Themen, denen man eine Zehnjährige aussetzen will?

Um eben diesen Themen zu entfliehen, flüchtet sich die kleine Jezebel-Rose in eine Fantasiewelt. Nachdem ihre heroinabhängigen Eltern sterben, findet sie sich allein in einem zerfallenen Farmhaus in der texanischen Prärie wieder, ernährt sich von Erdnussbutter und redet mit abgetrennten Puppenköpfen und Eichhörnchen. Als seien ihre Eltern nicht schon Prüfung genug gewesen, stößt sie in der unmittelbaren Nachbarschaft auf die hexenhafte Dell und ihren lobotomisierten Bruder Dickens, versucht sich aber auch aus diesem bizarren Duo tapfer eine Familie zu basteln, was darin gipfelt, dass Dell die Leiche ihres Vaters auspumpt und mumifiziert, für sich selbst so zum neuen Liebhaber und für die Kinder zum Pater familias post mortem macht. Wie sich herausstellt, war der gescheiterte Rockstar das aber auch zu Lebzeiten schon. Und dass es zwischen seinen minderjährigen Nachkommen zum tatsächlichen Vollzug der Geschwisterliebe kommt, ist das Einzige, wovor der Film schließlich doch noch hauchdünn zurückschreckt.

Gilliam selbst nennt "Tideland" ausdrücklich einen Kniefall vor der Macht der kindlichen Fantasie, die auch noch den widrigsten Umständen eine abwegige Art von Zauber abzugewinnen vermag. Doch den Bildern, die er auf Grundlage des gleichnamigen Romans des amerikanischen Jungautors Mitch Cullin heraufbeschwört, haftet nichts kindlich Zauberhaftes an, sondern nur eine unangenehm beharrlich wirkende Lust am Morbiden und Abstoßenden.

Morgen, 22.15 Uhr, Caligari; 21.11., 17.30 Uhr, Alpha.

1621976730001163804400
Previous | Next

Alice im Albtraumland
WISKU00020061118e2bi0002w
Feuilleton
309 Words
18 November 2006
Wiesbadener Kurier
0
German
(C) 2006 Wiesbadener Kurier GmbH & Co. Verlag und Druckerei KG

Kultregisseur Terry Gilliam hat mit "Tideland" einen neuen Flop gedreht

Von

Markus Bennemann

WIESBADEN "Tideland", der neueste Film des Kultregisseurs Terry Gilliam, ist einer der Filme, bei denen man sich unweigerlich fragt, ob man sein eigenes Kind darin hätte mitspielen lassen. Die Hauptdarstellerin, die junge Amerikanerin Jodelle Ferland, hat zwar offenbar einige Erfahrung mit morbiden Stoffen, hat schon in dem Horrorfilm "Silent Hill" und einer Stephen-King-Verfilmung fürs Fernsehen mitgespielt. Aber Drogensucht, Geisteskrankheit, Leichenschändung, Inzest und Pädophilie - sind das wirklich Themen, denen man eine Zehnjährige aussetzen will?

Um eben diesen Themen zu entfliehen, flüchtet sich die kleine Jezebel-Rose in eine Fantasiewelt. Nachdem ihre heroinabhängigen Eltern sterben, findet sie sich allein in einem zerfallenen Farmhaus in der texanischen Prärie wieder, ernährt sich von Erdnussbutter und redet mit abgetrennten Puppenköpfen und Eichhörnchen. Als seien ihre Eltern nicht schon Prüfung genug gewesen, stößt sie in der unmittelbaren Nachbarschaft auf die hexenhafte Dell und ihren lobotomisierten Bruder Dickens, versucht sich aber auch aus diesem bizarren Duo tapfer eine Familie zu basteln, was darin gipfelt, dass Dell die Leiche ihres Vaters auspumpt und mumifiziert, für sich selbst so zum neuen Liebhaber und für die Kinder zum Pater familias post mortem macht. Wie sich herausstellt, war der gescheiterte Rockstar das aber auch zu Lebzeiten schon. Und dass es zwischen seinen minderjährigen Nachkommen zum tatsächlichen Vollzug der Geschwisterliebe kommt, ist das Einzige, wovor der Film schließlich doch noch hauchdünn zurückschreckt.

Gilliam selbst nennt "Tideland" ausdrücklich einen Kniefall vor der Macht der kindlichen Fantasie, die auch noch den widrigsten Umständen eine abwegige Art von Zauber abzugewinnen vermag. Doch den Bildern, die er auf Grundlage des gleichnamigen Romans des amerikanischen Jungautors Mitch Cullin heraufbeschwört, haftet nichts kindlich Zauberhaftes an, sondern nur eine unangenehm beharrlich wirkende Lust am Morbiden und Abstoßenden.

Morgen, 22.15 Uhr, Caligari; 21.11., 17.30 Uhr, Alpha.

1070464160001163804400
Previous | Next

Der Fall O.J. Simpson - O.J. Simpson gesteht hypothetisch Doppelmord
DWELT00020061117e2bh0004l
PANORAMA
Uwe Schmitt
745 Words
17 November 2006
Die Welt
DWBE-HP
32
269
German
Copyright 2006 Axel Springer AG . Zusatzhinweis: "Dieser Artikel darf ohne die vorherige Zustimmung des Verlages nicht weiter-verbreitet werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechte, die Ihnen generell hinsichtlich der Factiva-Dienste eingeräumt wurden." Notice: "This article may not be redistributed without the prior consent of the Publisher. This is a restriction on the rights granted under the terms of your subscription for Factiva Services."

Mit seinem Buch "Wenn ich es getan hätte" vermarktet der Ex-Footballstar Erinnerungen an die Mordnacht vor zwölf Jahren

Los Angeles - Elf Jahre nach seinem Freispruch, der Amerika spaltete, will O.J. Simpson den Doppelmord an seiner Ehefrau und ihrem Geliebten gegen ein mutmaßliches Honorar von 3,5 Millionen Dollar hypothetisch gestehen. In seinem Buch "If I did it" ("Wenn ich es getan hätte") und einem zweiteiligen Fernsehinterview, das Fox am 27. und 29. November senden will, wird der ehemalige Footballspieler seine Erinnerung an die Mordnacht des 12. Juni 1994 in Los Angeles vermarkten.

Simpsons Verlegerin Judith Regan betrachtet das niederträchtige Spiel als "sein Geständnis". Und wieder spaltet der Mann, den sogar die Skandalpresse Amerikas wie einen Unberührbaren mied, die Nation in ehrlich Angeekelte und wollüstig Angeekelte.

Die Angehörigen der Mordopfer rufen zum Boykott von Verlag und Fernsehsender auf und erwägen rechtliche Schritte. Er bliebe auch bei einem Geständnis der Morde straffrei, da das US-Rechtssystem zwei Anklagen für dieselbe Straftat ("double jeopardy") verbietet.

Der 59 Jahre alte Orenthal James Simpson, einst gerühmt als einer der besten "running backs" aller Zeiten, wurde freilich 1997 in einem Zivilprozess wegen der Tötung von Nicole Brown Simpson und Ronald Goldman zur Zahlung von 33,5 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt.

Haus und Rente nicht pfändbar

Die Angehörigen konnten in jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen aber keinen einzigen Dollar eintreiben. Sein Haus in Florida und seine Rente der Football-Profiliga sind nicht pfändbar. Gelegentliche Auftritte als Conferencier und bei Autogrammstunden werden verdeckt bezahlt.

Simpson hat unter vielen Schwarzen, die seinen Strafprozess damals für rassistisch motiviert hielten, noch Anhänger. Bei den übrigen hat er das Maß an Verachtung erreicht, das auch Massenmördern in Todeszellen Starstatus und fette Buchverträge sichert. Der Prozess war ein Zirkus: Im Fernsehen live übertragen und wie ein Vorläufer der Reality-Show mit Wetten begleitet, schrieb er amerikanische Justiz- und Mediengeschichte. Jeder Prozessbeteiligte wurde ein Star. Noch der mieseste kleine Zeuge schrieb ein Enthüllungsbuch. Am Donnerstag liefen wieder die alten Szenen, deren O-Töne die wahren Fans auswendig können. Die langsame Verfolgungsjagd auf O.J. Simpsons weißen Bronco durch einen Pulk Polizeiwagen; Simpson mit den am Tatort gefundenen, für ihn zu kleinen Handschuhen. Einer seiner Verteidiger prägte, an die Geschworenen gerichtet, die Formel "If it does not fit, you must acquit" ("Wenn er nicht passt, müssen Sie freisprechen"). Endlich Simpsons Miene im Augenblick des Freispruchs, samt dem Wutgeheul und dem Jubel auf den Straßen Amerikas.

Amerikas Sucht nach O.J.

Live zurückgekehrt ist die bebende Empörung in den Kommentaren der Hinterbliebenen, die nie an O.J. Simpsons Schuld gezweifelt haben und 1997 eine gewisse zivilrechtliche Gerechtigkeit erfuhren. Nun treten sie wieder bei "Larry King Live" auf, älter und womöglich noch bitterer, und flehen Amerika an, seine verachtenswerte Sucht nach O.J. zu überwinden. Den Mann, der womöglich einen zweifachen Mord gesteht, diesmal anzuspeien und zu boykottieren.

Die Chancen für einen Verzicht stehen nicht gut. Sowohl Regan Books, ein Imprint bei HarperCollins, als auch Fox gehören zum Medienimperium von Rupert Murdoch, der sich fabelhaft auf die Sex/Crime-Klientel versteht. Murdoch und Regan, die sich einst als Klatschreporterin den Titel "die wütendste Frau in den Medien" verdiente, wissen, dass nur ein Bund des Schweigens ihrer Sache schaden könnte. Dafür ist es schon zu spät. Der Vater des ermordeten Ron Goldman und dessen Schwester Kim boten bei "Larry King" alle Verwünschungen auf, die ohne Auslöschungen durchgehen. Sie schimpften Simpson um die Wette "Sohn einer Hündin" und einen "narzisstischen Psychopathen". Kim Goldman wünschte gar, anständige Amerikaner mögen O.J. bei nächster Gelegenheit über den Haufen fahren. Tochter und Vater wie auch Denise Brown, die Schwester der ermordeten Nicole Brown Simpson, nannten Fox und Regan Books nicht nur Blutsauger, sondern Komplizen Simpsons in der Verdeckung des Millionenhonorars. Sie sind sich freilich darüber im Klaren, dass alles, was sie sagen, Werbung ist und gegen sie verwandt wird.

Noch gibt es eine vage Hoffnung, dass sich O.J. Simpson und seine Handlanger verrechnen. Patricia Schroeder, Präsidentin der Amerikanischen Verleger-Vereinigung, glaubt, die neu entfachte Debatte über Ethik und Parasitentum der Buchbranche werde am Ende "nicht ungesund" sein. Das Network NBC konnte melden, dass man anstandshalber ein Angebot Simpsons ausgeschlagen habe.

Die Hälfte der Amerikaner, also 150 Millionen Menschen, sah 1995 live die Urteilsverkündung. 27 Millionen Menschen verfolgten 2003 Michael Jacksons Fernsehinterview zu den Pädophilie-Vorwürfen. Nur ein Berufsstand verdient immer. Ihre Anwälte, sagt die Familie Goldman, seien zurzeit "Feuer und Flamme".

49598149
Previous | Next

UNICEF: Kinderhandel vor EU-Beitritt noch Problem in Rumänien
AFPDE00020061115e2bf001m0
WES
220 Words
15 November 2006
18:48 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2006 All reproduction and presentation rights reserved.

Genf, 15. November (AFP) -

Wenige Wochen vor dem EU-Beitritt Rumäniens hat das Kinderhilfswerk UNICEF eine negative Bilanz der Maßnahmen gegen den Kinderhandel in dem osteuropäischen Land gezogen. Ungeachtet der bereits unternommenen Anstrengungen drohe das Land zu einer Drehscheibe des Handels mit Kindern aus der Ukraine, Serbien und Moldawien zu werden, sagte der Leiter der UNICEF-Sektion in Rumänien, Pierre Poupard, am Mittwoch in Genf. Das Land sei noch immer eine "Versorgungsquelle" für Menschenhändler, die Kinder nach Westeuropa schmuggelten. Nach UNICEF-Angaben wurden in Rumänien im Jahr 2005 offiziell 2551 Opfer von Menschenschmuggel registriert, darunter 366 Kinder. Diese Zahl sei nur die Spitze des Eisbergs, da viele Fälle nie gemeldet würden, sagte Poupard.

Als Grund für die ungenügende Bekämpfung des Kinderhandels nannte Poupard die Armut und die mangelhafte Einhaltung der Gesetze zum Schutz Minderjähriger. Auch werde in den Zielländern wie Spanien, Italien, Frankreich, Großbritannien und Serbien Pädophilie oder Kinderprostition nicht streng genug bestraft. Poupard rief die rumänischen Behörden zum konsequenten Vorgehen gegen korrupte Polizisten auf, die häufig mit Menschenhändlern zusammenarbeiteten. Westliche Staaten müssten die betroffenen Kinder wie Opfer und nicht wie Kriminelle behandeln. Ein Kind in sein Ursprungsland zurückzuschicken bedeute nichts anderes, als "es dem Handelskreislauf wieder zuzuführen". Rumänien wird am 1. Januar 2007 der Europäischen Union beitreten.

wes/ju

Previous | Next

Glauben und Gesang
WSONNT0020061113e2bc0009r
KULTUR
Die Liste
Markus Schneider
292 Words
12 November 2006
Welt am Sonntag
WSBE-VP2
73
46
German
Copyright 2006 Axel Springer AG . Zusatzhinweis: "Dieser Artikel darf ohne die vorherige Zustimmung des Verlages nicht weiter-verbreitet werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechte, die Ihnen generell hinsichtlich der Factiva-Dienste eingeräumt wurden." Notice: "This article may not be redistributed without the prior consent of the Publisher. This is a restriction on the rights granted under the terms of your subscription for Factiva Services."

Ein' feste Burg sei unser Pop. Markus Schneider weiß, woran unsere Stars so alles glauben

1 Prince Der ehemals größte Sexzwerg des Pop überrascht seit Anfang 2000 Hausfrauen in Minneapolis an deren Haustür. Sein Angebot: Der "Wachturm", das Zentralorgan der Zeugen Jehovas.

2 Madonna Die 47-jährige Königin des Pop ist die prominenteste Anhängerin der jüdisch-mystischen Lehre Kabbala. Von den Offiziellen nicht immer wohlgelitten, dafür umso lautstärker. Außer freitags, da hat sie Konzertverbot.

3 Lauryn Hill Die Sängerin der Fugees demonstriert Nähe zur Nation of Islam. Die separatistischen afroamerikanischen Muslime hatten ihre erste Hochphase in den Sechzigern mit Malcolm X und Muhammad Ali.

4 Michael Jackson Trat im Winter 2004 eher überraschend der Nation of Islam bei, als ihn die unangenehmen Pädophilie-Vorwürfe in eine Krise trieben. Irrt seitdem in der Welt umher.

5 George Harrison Das 2001 verstorbene Beatles-Mitglied konvertierte bereits in den 60er- Jahren zum Hinduismus. Auf seinem Solo-Hit "My Sweet Lord" jubilierte er fröhlich "Hare Krishna".

6 Solomon Burke Das Schwergewicht des Soul ist seit seinem 12. Geburtstag Bischof der christlichen House of God for All People Church. Außerdem Vater von 21 Kindern und 84-facher Großvater.

7 Beck Der Enkel eines deutschen Fluxuskünstlers und Langzeithipster ist wie Soullegende Isaac Hayes Mitglied der umstrittenen Scientology-Sekte. Im Gegensatz zu Tom Cruise aber ein sehr zurückhaltendes.

8 Bob Dylan Liebt seine Privatsphäre. Nach seinem christlichen Erweckungsalbum "Slow Train Coming" 1979 kehrte er daher wieder zur kryptischen Vieldeutigkeit zurück und belässt es bei kleinen Dankbezeugungen.

9 Bob Marley Der Held der Dritten Welt war bis zu seinem Tod 1981 Anhänger des Rastafarianismus. Der Glaube verehrt Haile Selassie, propagiert Vegetariertum, Filzlocken und Marihuana-Genuss.

Markus Schneider schreibt über popkulturelle Themen.

49536567
Previous | Next

An den Kammerspielen inszeniert Schorsch Kamerun den Roman "Macht & Rebel". In einer Hauptrolle: Sepp Bierbichler - Abrechnung mit dem Zeitgeist im Brandenburger Feriencamp
WSONNT0020061113e2bc00026
MÜNCHEN
Barbara Reitter-Welter
542 Words
12 November 2006
Welt am Sonntag
WSMU-HP
M4
46
German
Copyright 2006 Axel Springer AG . Zusatzhinweis: "Dieser Artikel darf ohne die vorherige Zustimmung des Verlages nicht weiter-verbreitet werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechte, die Ihnen generell hinsichtlich der Factiva-Dienste eingeräumt wurden." Notice: "This article may not be redistributed without the prior consent of the Publisher. This is a restriction on the rights granted under the terms of your subscription for Factiva Services."

München - Programmatisch wurde vor einiger Zeit das Neue Haus der Kammerspiele zu einem Ort künstlerischer Grenzgänge erklärt. Dort trifft Theater auf gesellschaftspolitische Realität, dort kommt es zur Berührung zwischen bildender Kunst, Musik und Literatur. Auch das neueste Projekt gehört in die Reihe theatraler Experimente: die Uraufführung einer Bühnen-Version von Matias Faldbakkens Roman "Macht und Rebel", dramatisiert und inszeniert von Schorsch Kamerun.

Kamerun hat den schwergewichtigen literarischen Brocken auf Bühnenformat zusammengeschmolzen und gibt mit ihm in München sein Debüt als Regisseur. Bislang verfasste er meist selbst seine Stücke für die großen Bühnen in Hamburg, Zürich und Berlin; doch er spielte auch Theater, produzierte Hörspiele und ist Sänger der Punk-Band Die Goldenen Zitronen.

In seinem zweiten Buch skizziert der norwegische Autor Faldbakken (Jahrgang 1973) nach dem Sensationserfolg "The Cocka Hola Company" eine schreckliche neue Welt: das kapitalistische System. Er thematisiert die Möglichkeiten, Widerstand zu leisten und individuelle Freiheit zu erlangen.

Doch auf den 351 Seiten seines Romans, den zart besaitete Gemüter wegen des grimmigen Humors, der Katastrophenkomik und der sexuellen Abenteuer der beiden Helden monströs, provokant und zynisch nennen mögen, rechnet Faldbakken mit dem Zeitgeist ab. Dieser macht die Lust an der Zerstörung marktfähig, findet Radikalität schick und saugt alle Protestbewegungen auf, um sie zu Produkten für den globalen Markt zu verarbeiten. So weit der Autor.

Im Zentrum des Geschehens stehen zwei Männer: "Macht" arbeitet als Unternehmensberater für internationale Konzerne - und ist auf der Suche nach Ideen, nach wirtschaftlich verwertbaren Impulsen aus dem Untergrund. "Rebel" wiederum ist ein Nihilist aus der alternativen Szene, in welcher die Subkultur ihre intellektuellen Sumpfblüten treibt. Bis sich die beiden treffen, verstehen, verbünden, gewagte Partys mit Minderjährigen feiern - und das ganze postmoderne Gedankengebäude schließlich ad absurdum führen.

Multitalent Schorsch Kamerun versteht sich selbstironisch als jemand, der "sich einfach mit Kunst beschäftigt"; dabei hinterfragt er in seinen Arbeiten nicht nur kritisch den Sozialstaat, sondern stellt auch selbstkritisch das eigene linke Spektrum infrage.

Der Regisseur Kamerun wird an den Kammerspielen als "Macht" auftreten, Sepp Bierbichler ist sein Gegenpart "Rebel", ein Mann, "der alles hinter sich hat und sich jetzt als General verdingt hat". Denn Regisseur Kamerun lässt die Geschichte nicht im modernen Großstadtdschungel, sondern in einem Lager spielen. In diesem abgeschotteten Urlaubscamp können zahlende Gäste knallharte "Ferien in Brandenburg" verbringen, die das normale permissive Leben nicht mehr bietet. "Die Menschen sehnen sich nach Grenzen, nach Aufgaben, ja sogar nach Krieg - hier können sie alles in einer künstlichen Situation bekommen", sagt er.

Doch nicht nur der Ort ist für die Inszenierung verändert, auch in den Text hat der Regisseur eingegriffen: "Ich nehme einzelne Passagen im Wortlaut, integriere aber auch eigene Texte und die eines bekannten Hirnforschers, so dass Faldbakkens Original und Fremdtexte sich etwa die Waage halten. Außerdem baue ich Stellen mit Handpuppen ein - die kann man mehr sagen lassen als Menschen."

Schließlich geht es in dem Roman nicht nur um den Niedergang des Kapitals, das Auseinanderfallen der Gesellschaft und den Kampf um Jugend und Sex, sondern auch um perverse Auswüchse wie Pädophilie, erotische Spiele mit Migrantenkindern und Hitlers "Mein Kampf".

Barbara Reitter-Welter

49536757 | "Macht & Rebel", Neues Haus, Premiere 18. November
Previous | Next

Kein Titel
STUGTR0020061111e2bb0007s
Kultur
239 Words
11 November 2006
Stuttgarter Zeitung
38
German
(c) 2006, Stuttgarter Zeitung Ansprechpartner: 0049-711-7205-782

Sehr bewegliche Frauenzimmer im Fitz

Man hat Hans Bellmer so ziemlich alles nachgesagt: Fetischismus, Voyeurismus, Sadomasochismus bis hin zu Pädophilie. Eines ist sicher: Bellmer war von der weiblichen Anatomie so besessen, dass er sich sein Leben lang mit ihr beschäftigte, sie zeichnete, fotografierte, in Skulpturen und Grafiken künstlerisch verfremdete. 1933 baute der Künstler Puppen, fetischartige, deformierte Frauenleiber, die er in verschiedenste Posen bringen konnte. Die Stuttgarter Figurenspielerin Antje Töpfer hat nun solch eine Puppe nachgebaut für ihr Solo "Pandora Frequenz", das nun im Fitz Premiere hatte. Gemeinsam mit dem Regisseur Florian Feisel erprobt Töpfer die Figur als bewegliches Objekt. Stück für Stück setzt sie sie zusammen: Vorgeformte (magnetische) Gliedmaßen werden mit Metallkugeln miteinander verbunden, sodass ein fragiles, biegsames Wesen entsteht, dem sich die Figurenspielerin vorsichtig annähert. Offene Würfel dienen Töpfer als Requisiten, sie stapelt, reiht und variiert sie, sie nutzt sie als Sessel, Hütte - und als "Frauenzimmer", wie eine Stimme vom Band immer wieder sagt und allerhand neue Deutungsweisen des Begriffs Frauenzimmer vorschlägt. "Pandora Frequenz" ist ein formales Experiment, das ruhig und präzise über die Bühne geht und der konstruktiven Kunst näher steht als dem Theater. Die Obsessionen Bellmers oder die radikale Neuerung dieses Surrealisten, beides spielt hier keine Rolle, es ist ein pures, manchmal etwas sprödes Spiel mit dem Körper und mit geometrischen Formen, ästhetisch stimmig, aber inhaltlich ohne Botschaft. (adr) Foto Fitz

Weitere Vorstellungen heute und vom 16. bis 18. November, 20.30 Uhr

Previous | Next

Afro-Musik begeisterte
BERNRZ0020061122e2ba002dd
oberaargau
Prisca Rotzler Köhli
181 Words
10 November 2006
Berner Zeitung
oa
026
German
(c) 2006 Berner Zeitung. BZ, die grösste schweizerische Tageszeitung in der Region Bern, Freiburg und Solothurn. Alle Rechte vorbehalten.

Herzogenbuchsee - Afrikanische Rhythmen und Gesänge am Buchser Kreuzabend: Kara verführte das Publikum zu wilden Tänzen.

Die beiden Jugendlichen der Kleinklassen Niederönz brachten es auf den Punkt: «Mir gefallen Karas Lieder wegen der Themen, die er darin aufgreift», fand Sonita Dzihic. Und Mergim Hysenaj war fasziniert vom Zusammenspiel Musiker auf der Bühne. Gemeinsam haben die Schüler einer Önzer Klasse den Kreuzabend in Buchsi besucht. Auf der Bühne stand Mamadou Sylla Ka alias Kara, der mit seinen Liedern aus Senegal begeisterte.

Kara wurde in Dakar geboren und lebt heute in Genf. Seine Themen findet er im Alltag, in den Ereignissen und den sozialen Bedingungen seiner Heimat. Kara erzählte von einem Schiffsunglück, von den Strassenkindern in Dakar und prangerte die Pädophilie an, immer noch ein Tabu in seinem Land. Der eindringliche Gesang des Afrikaners wurde von einem Gitarristen, einem Kontrabassisten und einem Djembe und Kalebasse spielenden Schlagzeuger begleitet.

Melancholisch und sanft begann der Abend. Am Ende war die Aula der Sekundarschule von tanzenden Menschen erfüllt, und eine Zugabe folgte der andern.

oa_20061110_oberaargau_obera-24-linku
Previous | Next

Zwei Deutsche wegen Pädophilie aus Tschechien ausgewiesen =
AFPDE00020061110e2ba0015q
OGO
141 Words
10 November 2006
16:28 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2006 All reproduction and presentation rights reserved.

Prag, 10. November (AFP) -

In Tschechien sind zwei deutsche Männer ausgewiesen worden, denen die sexuelle Misshandlung von Kindern vorgeworfen wird. Ein Gericht in Pilsen verwies einen 60-jährigen Geschäftsmann am Freitag für immer des Landes; einem 48 Jahre alten Frührentner wurde für zehn Jahre die Wiedereinreise nach Tschechien verboten, wie die Nachrichtenagentur CTK berichtete. Dem Gericht lagen Informationen vor, wonach die beiden Männer über mehrere Jahre rund ein Dutzend Kinder aus der Gegend von Klatovy nahe der deutschen Grenze missbraucht hatten.

Die Männer sollen die Kinder mit Süßigkeiten, Geld und anderen Geschenken in einen Wohnwagen gelockt haben. Die Beschuldigten stritten die Vorwürfe ab und erklärten, sie hätten die Geschenke für Reparaturen am Wohnwagen und andere kleine Jobs verteilt. Sie seien davon ausgegangen, dass die Kinder älter als 15 Jahre gewesen seien.

ogo/jpf

Previous | Next

Das Publikum tobt und tanzt
SOLOZ00020061110e2ba0000g
555 Words
10 November 2006
Solothurner Zeitung
German
© 2006 SOLOTHURNER ZEITUNG. Sämtliche Rechte zu Artikeln der SOLOTHURNER ZEITUNG sind vorbehalten. Jede Verwendung, die die in Ihrem Factiva-Kundenvertrag geregelten Rechte überschreitet, nur unter Genehmigung der Redaktion. Kontaktaufnahme per Email unter redaktion@vsonline.ch.

Herzogenbuchsee «Kara» wirkt mit Texten und besticht mit rassigen Rhythmen am Kreuzabend

Mit seinem Auftritt innerhalb der «Kreuzabende» in der Aula der Sekundarschule Herzogenbuchsee begeisterte Kara Sylla Ka das Publikum. Die Organisatoren der vielseitigen Kreuzabende durften mit diesem Konzert sehr zufrieden sein, denn der Musiker und Sänger aus Dakar brachte mit seiner Band nach nachdenklich gestimmten senegalesischen Liedern den Saal zum Toben und Tanzen.

Nicole roth

Die vierköpfige Band «Kara» spielt, was das Zeug hält. Anlässlich der Buchser «Kreuzabende» tritt die vierköpfige Gruppe in der Aula der Sekundarschule auf. So trommelt Oudou Coucibaly auf seinem Djembe und dem aussergewöhnlichen Calabasse, einer kugelförmigen, zirka 45 Zentimeter grossen, ausgehöhlten Frucht. Darunter verbirgt sich nicht etwa Hightech, sondern lediglich ein Mikrofon zur besseren Tonübermittlung. Ein erstaunliches Instrument, das viele Zuhörer fasziniert. Ebenso wenig würde man in einer afrikanischen Gruppe einen Kontrabass vermuten. An diesem zupft Julien Neumann wie wild, versinkt geistig beinahe in ihn hinein. Besonderes Augenmerk verdient auch der Gitarrist Jeremy Tordsman, er begleitet Kara mit viel Feingefühl und nimmt in seinem Spiel Rücksicht auf dessen Gesang.

Wenn Kara singt, ist er weit weg

Kara verfügt über Charme und Charisma. Im traditionellen Gewand Senegals zeigt der sonst offene und gern lachende Künstler auf der Bühne seine ernstere und sensiblere Seite. Im Rhythmus Afrikas legt er seinen Texten mit seinem inbrünstigen Gesang ein Gewand aus Nachdenklichkeit, Zartheit und auch intensivem Ausdruck an. Die Augen geschlossen, verlässt Kara beim Singen das Hier und jetzt, ist dann im Geiste wieder in seiner Heimat Senegal, wo er in seinen gesungenen Erzählungen unter anderem an seinen Grossvater und seine Mutter denkt. Geboren in Dakar, im Senegal, verliess der Vollblutmusiker Mamadou Sylla Ka, alias Kara, seine Heimat um nach Europa zu kommen. Seit 1996 gehört auch das Schweizer Publikum zu seiner Zuhörerschaft.

Mit den Texten etwas bewirken

Nebst der geliebten Familie weist Kara auch auf Probleme seines Landes hin, so spricht er über Tabus wie die Pädophilie, die, wie überall auf der Welt, so gerne unter den Teppich gekehrt wird. Im Lied «Pauvre enfant de la rue» zeigt er den Schmerz und das Leid der Kinder auf, die unter der Armut leiden. Kara zeigt aber auch die andere, freudige Seite Senegals. Er berichtet über Traditionen, wie zum Beispiel über die Vorbereitungen für ein Festmahl oder lässt sich wieder ganz in seine Kindheit zurückversetzen, wo das Wiegenlied seiner Mutter wieder ganz präsent wird. Dass Kara Humor besitzt, ist zweifellos, erzählte er doch den Konzertbesuchern wie relevant die Vorstellung vom Wort «Kalt» sein kann. Erst als er seiner Mutter am Telefon sagte, hier seien die Temperaturen definitiv wie in einem Kühlschrank, habe sie sich eine Vorstellung machen können.

Der Saal tobt

Seit vier Jahren existiert die Formation. Auf die Frage, was er ohne Musik mache, meinte Kara: «Dann tanze ich in meinem Kopf.» Als Heimat bezeichnet er sein Volk und überhaupt alle Menschen. Und sein grösster Wunsch sei Frieden auf der Welt. Das Schweizer Publikum möge er, es hörte immer sehr gut und konzentriert hin, und manchmal brächte er es sogar zum Tanzen. So auch geschehen am Konzert in Herzogenbuchsee, wo zum Schluss der ganze Saal tobte und es alle von den Stühlen riss.

10_oag_aw_1011Kara.tif

Lebensfreude Der Ernst und die Freude am Leben gibt der Musiker Kara Sylla Ka über seine Musik ans Publikum weiter. nrn

Previous | Next

Unfall in Sägerei Strafen bestätigt Zementfabrik evakuiert Landesweiter Aufruf Erdbeben vor Neuguinea Mäuse bei Starbucks
STGTAG0020061109e2b900026
Schauplatz
210 Words
09 November 2006
St. Galler Tagblatt
8
German
Copyright (c) 2006 St Galler Tagblatt. Besuchen Sie die Website http://www.tagblattmedien.ch/

Ein Arbeiter ist gestern in einer Sägerei in Erlenbach BE beim Abladen von Baumstämmen tödlich verletzt worden. Laut Polizei fiel beim Lösen der Spannvorrichtung ein Stamm vom Anhänger und traf den 56-Jährigen.

Die Gefängnisstrafen von 27 und 30 Monaten für drei Hanf-Anbauer aus dem Val-de-Travers NE sind definitiv. Das Bundesgericht hat ihre Beschwerden abgewiesen. Im Mai 2004 hatte die Polizei über zehn Hallen mit Hanfplantagen entdeckt.

Die Zement- und Betonunternehmung Cemex im Brügg bei Biel ist gestern nach einem Chemieunfall

vorübergehend evakuiert worden. Verletzt wurde niemand. Aus ungeklärten Gründen war eine geringe Menge schwefelwasserstoffhaltigen Gases ausgetreten.

Zur Aufklärung einer Pädophilie-Serie in belgischen Saunen und FKK-Anlagen hat die Polizei in Zeitungen und Fernsehen einen Zeugenaufruf gestartet. Ermittelt wird wegen sexuellen Missbrauchs minderjähriger Knaben seit den 90er-Jahren.

Ein Erdbeben der Stärke 6,3 hat gestern Morgen den Meeresboden vor Papua-Neuguinea erschüttert, wie der geologische Dienst der USA mitteilte. Berichte über Schäden lagen nicht vor, auch eine Tsunami-Warnung wurde nicht ausgegeben.

Die Kaffeehauskette Starbucks muss eine Geldbusse von umgerechnet 28 000 Franken zahlen, weil die Küche einer Londoner Filiale mit Mäusen verseucht war.

0000742833
Previous | Next

Belgische Polizei sucht Opfer und Zeugen in Pädophilie-Fall =
AFPDE00020061108e2b8001i3
ALI
143 Words
08 November 2006
12:40 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2006 All reproduction and presentation rights reserved.

Brüssel, 8. November (AFP) -

Zur Aufklärung einer Pädophilie-Serie in belgischen Saunen und FKK-Anlagen hat die Polizei in Zeitungen und Fernsehen einen Zeugenaufruf gestartet. Die Polizei ermittle wegen des sexuellen Missbrauchs und der Vergewaltigung minderjähriger Jungen seit den 90er Jahren, berichteten belgische Zeitungen am Mittwoch. Bislang seien sieben Verdächtige festgenommen und vernommen worden, hieß es. Die Männer hätten sowohl allein als auch in Gruppen gehandelt.

Die mutmaßlichen Kinderschänder seien im Sommer im Zuge weltweiter Ermittlungen zu Kinderpornografie aufgefallen, hieß es in "Het Laatste Nieuws". Ein Verdächtiger aus Brüssel habe damals zugegeben, er und weitere FKK-ler fühlten sich von minderjährigen Jungen sexuell angezogen. Sie hätten deshalb versucht, in Saunen und auf FKK-Geländen mit Jungen in sexuellen Kontakt zu kommen. Die sollen später auch Fotos von den Missbrauchsfällen ausgetauscht haben.

ali/gt

Previous | Next

Lektüre-Empfehlungen
NEUZZ00020061103e2b30004y
557 Words
03 November 2006
Neue Zürcher Zeitung
1
German
Besuchen Sie die Website der führenden Schweizer Internationalen Tageszeitung unter http://www.nzz.ch

In Wahlkampfzeiten erfährt der amerikanische Bürger einiges über die persönlichen Vorlieben jener, die das Land regieren oder regieren wollen. Wer mit einer Lesbierin verheiratet, für Sex mit Minderjährigen, heisse E-Mails und andere Freuden anfällig ist, hat es in diesen Tagen schwer - glaubt man den Wahlkampagnen, dann kandidieren ausschliesslich Sexisten, Rassisten, Lügner, Triebtäter und Mörder ungeborener Kinder. Nun ist die Kür der gegenseitigen Diffamierung kurz vor den Zwischenwahlen für das Repräsentantenhaus am nächsten Dienstag in eine neue Runde gegangen. Der republikanische Senator George Allen, der kürzlich in die Schlagzeilen kam, weil er einen farbigen Wahlkampfhelfer lauthals mit einer Affenspezies verglich, hat seinen demokratischen Herausforderer in Virginia, den Bestsellerautor James Webb, des Vergehens bezichtigt, Romane zu schreiben.

Alliterationen

Senator Allen beherrscht immerhin die poetische Technik der Alliteration. Unter der Überschrift «Webb's Weird World» haben seine Wahlkampfstrategen die Lesefrüchte, sprich: unzweideutige Szenen aus Webbs Kriegsromanen, auf der rechtspopulistischen Internetseite Drudge Report präsentiert. Das literarische Urteil fällt vernichtend aus: Webb zeichne das weibliche Geschlecht als «dienstbar, unterwürfig, inkompetent, promiskuitiv, pervers oder eine Kombination aus all dem».

Nun muss man wissen, dass Webb den republikanischen Konkurrenten gewissermassen auf dessen eigenem Terrain, demjenigen der konservativen Welt- und Wertvorstellungen, bekämpft; als einstiger Republikaner und hochdekorierter Vietnamveteran ist James Webb bemüht, sich als ein Kandidat zu präsentieren, der einst das Vertrauen des früheren US-Präsidenten Ronald Reagan besass. Auch was rassistische Formulierungen angeht, kann er seinem einschlägig bekannten Rivalen offenbar das Wasser reichen; in Webbs Büchern werden Vietnamesinnen schon mal als «Affengesichter» bezeichnet. Und als Macho hat sich der bullige Nachfahre irischer Einwanderer, der gerne das Hohelied auf die Rednecks, die flintenbewährte Männlichkeit, und den Militärdienst singt, schon mehrfach hervorgetan. In einem von seinen Gegnern jetzt wieder ausgekramten Magazin-Artikel, der 1979 unter dem Titel «Women Can't Fight» erschien, nannte er den Schlafsaal der Militärakademie den «Traum einer geilen Frau».

Attitüden

Solche Träume und entsprechende Aktivitäten seiner Figuren werden denn auch auf der Website von Drudge genüsslich zitiert. Da vergnügen sich eine Stripperin mit einer Banane, ein Vater mit seinem Sohn und Soldaten mit ihresgleichen. Soll «so jemand etwa die Familien Virginias im US-Senat repräsentieren»?

Nachdem die «Washington Post» unlängst mit der Meldung Schlagzeilen gemacht hatte, dass vermutlich die weibliche Wählerschaft das Rennen zwischen den Herren entscheiden wird, hat die Umwerbung des Stimmvolks eine ganz neue Richtung genommen. So zeigen die beiden Haudegen aus Virginia sich plötzlich rührend um Wohl und Wehe der Wählerinnen besorgt, d.h., sie werfen sich gegenseitig chauvinistische Attitüden vor.

Indessen sprang John Grisham dem Kollegen bei und höhnte, George Allen verstände den Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit wohl besser, wenn er etwas mehr lesen würde. Nun wollen wir die recht aktuelle Frage, ob man den Autor mit seinen Figuren gleichsetzen darf, hier nicht weiter strapazieren. Überdies hat James Webb eine besonders inkriminierte Szene selbst mit dem Hinweis verteidigt, er habe dieselbe einst als Reporter wirklich gesehen. Die «Pflicht eines Schriftstellers» sei es, «die menschliche Spezies zu beobachten und ihre Umgebung aufzuklären».

Aus diesem Grund wohl haben nun auch die Demokraten unter dem Stichwort: «Bordelle, Sex-Miezen, Pädophilie» Lektüre-Empfehlungen ausgesprochen: heisse Stellen etwa von Dick Cheneys früherem Stabschef Lewis Libby oder Cheneys Ehefrau Lynne. So gilt auch hier einmal mehr die alte Weisheit des deutschen Dichters F.W. Bernstein: «Die grössten Kritiker der Elche / waren früher selber welche.»

Andrea Köhler

Previous | Next

Unverjährbarkeit bei Pädophilie abgelehnt
SUDOS00020061102e2b200022
Inland
269 Words
02 November 2006
Die Südostschweiz
German
© 2006 DIE SUEDOSTSCHWEIZ - All rights reserved. For further information see www.suedostschweiz.ch

Der Bunderat lehnt die Volksinitiative «für die Unverjährbarkeit sexueller Straftaten an Kindern» ab. Diese sei problematisch.

Bern. - Der Bundesrat hält die Volksinitiative «für die Unverjährbarkeit sexueller Straftaten an Kindern» für ungeeignet, wie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) gestern mitteilte. Die Initiative habe nur einen Vorteil. Sie biete erwachsen gewordenen Opfern die Möglichkeit, jederzeit ihr Schweigen zu brechen. Zur Verhütung und Verringerung pädophiler Straftaten trage die Initiative aber nichts bei.

Als problematisch erachtet der Bundesrat die in der Volksinitiative gebrauchten Formulierungen sowie die verlangte Unverjährbarkeit. Nach Ansicht der Landesregierung sollen auch weiterhin nur schwerste Verbrechen wie Völkermord oder Kriegsverbrechen unverjährbar sein. Alles andere wäre unverhältnismässig. Unverjährbar meint, dass der Täter - egal wie viel Zeit seit der Tat vergangen ist - vor Gericht belangbar bleibt. Die Verjährung verhindert, dass Prozesse zu einem Zeitpunkt eröffnet werden, wo die Wahrheitssuche unmöglich geworden ist - etwa wegen verstorbener Zeugen oder nachlassender Erinnerung.

Indirekter Gegenvorschlag geplant

Der Bundesrat beantragt dem eidgenössischen Parlament die Ablehnung der Volksinitiative. Er will aber einen indirekten Gegenvorschlag vorlegen. Das Departement von Bundesrat Christoph Blocher wurde vom Gesamtbundesrat beauftragt, eine entsprechende Revision des Strafgesetzbuches auszuarbeiten.

Die Vereinigung «Marche Blanche» hatte die Volksinitiative am 1. März mit rund 120 000 gültigen Unterschriften eingereicht. Die Initiative wird von Vertretern verschiedener Parteien unterstützt. Die Vereinigung ist hauptsächlich in der Westschweiz aktiv. «Marche Blanche» wurde 2001 von Eltern zur Bekämpfung von Kinderhandel und Kinderpornografie gegründet. Im Herbst organisiert sie jeweils in mehreren Schweizer Städten weisse Märsche gegen sexuelle Gewalt an Kindern. Die Idee solcher Kundgebungen stammt aus Belgien. Dort gibt es diese seit der Affäre Dutroux 1996. (sda)

Previous | Next

Wird der Kindsmörder noch verwahrt?
DBUND00020061031e2av0001k
Bernseite
WALTER DÄPP
527 Words
31 October 2006
Der Bund
21
German
(c) 2006 Der Bund Verlag AG

1989 ermordete er in Erlach die zehnjährige Doris W. – kurz vor seiner Entlassung zweifeln die Behörden aber an seiner Therapierbarkeit

Zur Tatzeit war er 21-jährig, nun ist er bald 38: Wird der Mann, der 1989 in einem Maisfeld bei Erlach die zehnjährige Doris W. tötete, nach Ablauf seiner 16-jährigen Zuchthausstrafe verwahrt? Das Kreisgericht Aarberg muss darüber urteilen.

WALTER DÄPP

Es geschah am 24. September 1989, gefasst wurde er am 5. Januar 1990. Und den Justizbehörden war er, der geständige Täter, längst bekannt: Schon als Achtklässler hatte er wegen unzüchtigen Belästigungen von Mädchen mit dem Jugendgericht zu tun gehabt, zum Zeitpunkt der Tat verbüsste er eine dreieinhalbjährige Gefängnisstrafe wegen Brandstiftung und versuchter Unzucht mit Kindern. Weil er sich im Vollzug in der Anstalt St. Johannsen aber gut hielt, konnte er seine Käserlehre ausserhalb der Anstalt weiterführen. Und wenige Monate später wäre er aus dem Vollzug entlassen worden. Doch während eines kurzen Hafturlaubs kam es auf dem Winzerfest-Chilbiplatz in Erlach zur verhängnisvollen Begegnung mit Doris W. Laut Urteil des Geschwornengerichts Seeland von 1991 lockte er das Mädchen «bewusst und aus sexuellen Motiven heraus» ins Maisfeld und tötete es.

Fataler Rückfall im Gefängnis

Damals hatte der psychiatrische Gutachter die Verwahrung des Täters empfohlen. Er bejahte die Rückfallgefahr und sah die öffentliche Sicherheit «in schwerwiegender Weise gefährdet». Er sprach von «starker erblicher Belastung mit Persönlichkeitsstörungen und Milieuschädigung, von psychischer Retardierung und Pädophilie» und meinte, «solche Störungen» seien schwer zu behandeln, weshalb er «leider nur eine schlechte Prognose stellen» könne. Das Gericht verurteilte den Mann damals zu 16 Jahren Zuchthaus. Von einer Verwahrung sah es ab, weil das «gleichbedeutend mit einem endgültigen Abschreiben des Täters wäre». Es verordnete aber eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung.

Vor vier Jahren brach das Amt für Straf- und Massnahmenvollzug des Kantons Bern diese therapeutischen Massnahmen jedoch ab, weil sie sich als «unzweckmässig und ungenügend» erwiesen hätten – und beantragte die Verwahrung. Grund: In der Zelle des Häftlings in der Strafanstalt Bostadel ZG hatte man auf CD gespeicherte Bilder von nackten Kindern und Frauen gefunden – darunter ein «pornografisches Bild mit Gewaltdarstellung». Deswegen wurde er zu 70, in zweiter Instanz zu 10 Tagen Gefängnis verurteilt.

Therapie «dringend notwendig»

Auch für den Therapeuten, der ihn vor diesem Rückfall während fünf Jahren betreut hatte, war dies «ein Vertrauensbruch, ein Widerspruch zur Therapie und eine enttäuschende Erfahrung». Ein Abbruch seiner Therapiebemühungen sei in diesem Fall unabdingbar gewesen. Es sei indessen «grundsätzlich bedauerlich», dass danach keine Therapie mehr stattgefunden habe. Auch der Betroffene selber hätte sich jedoch darum bemühen müssen. Der neue psychiatrische Gutachter Otto Horber bezeichnete es gestern ebenfalls als «dringend notwendig», dass eine Therapie weitergeführt wird. Er sprach von einer «mittelgradigen Rückfallgefahr» in Bezug auf Annäherungen zu minderjährigen Mädchen. In Bezug auf neue Gewaltanwendung sei die Gefahr dagegen bloss «leicht bis mittelgradig». Der Mann sei nicht untherapierbar – in den letzten Jahren habe dank therapeutischen Bemühungen «eine gewisse Umformung seiner Persönlichkeit stattgefunden».

Trotzdem droht ihm, kurz vor Ablauf seiner Strafe, nun also die Verwahrung. Vor Gericht gab der Mann gestern seiner Hoffnung Ausdruck, dass man ihm «noch eine Chance gibt», sich «in der Freiheit bewähren zu können». Das Urteil wird morgen gefällt.

reklame

Previous | Next

Pädophilie
WISTAG0020061030e2au00001
Meinung und Dialog
110 Words
30 October 2006
Wiesbadener Tagblatt
0
German
C) 2006 Verlagsgruppe Rhein Main GmbH & Co. KG

Als Pädophilie wird die Veranlagung von Menschen bezeichnet, ihre Sexualität entweder ausschließlich oder überwiegend mit Kindern erleben zu wollen. Dabei sollte jedoch unbedingt zwischen der reinen Veranlagung, die sehr wahrscheinlich stark genetisch bedingt ist, und dem wirklichen Missbrauch von Kindern unterschieden werden. Denn nicht jeder pädophil veranlagte Mensch missbraucht auch Kinder.

Besonders ins Bewusstsein gerückt ist das Verbrechen des Kindesmissbrauchs durch den Fall des Kinderschänders und Mörders Dutroux in Belgien. Spezielle kriminelle Handlungen im Bereich des Kindesmissbrauchs bestehen im Bereich der Kinderpornografie. Laut Bundeskriminalamt in Wiesbaden wurden im Jahr 2002 insgesamt fast 2000 Tatverdächtige wegen des Besitzes und/oder der Beschaffung von Kinderpornografie erfasst.

Politik

1610851610001162162800
Previous | Next

Pädophilie
ALLZET0020061030e2au0000g
Meinung und Dialog
110 Words
30 October 2006
Allgemeine Zeitung Mainz
0
German
(C) 2006 Verlagsgruppe Rhein Main GmbH & Co. KG

Als Pädophilie wird die Veranlagung von Menschen bezeichnet, ihre Sexualität entweder ausschließlich oder überwiegend mit Kindern erleben zu wollen. Dabei sollte jedoch unbedingt zwischen der reinen Veranlagung, die sehr wahrscheinlich stark genetisch bedingt ist, und dem wirklichen Missbrauch von Kindern unterschieden werden. Denn nicht jeder pädophil veranlagte Mensch missbraucht auch Kinder.

Besonders ins Bewusstsein gerückt ist das Verbrechen des Kindesmissbrauchs durch den Fall des Kinderschänders und Mörders Dutroux in Belgien. Spezielle kriminelle Handlungen im Bereich des Kindesmissbrauchs bestehen im Bereich der Kinderpornografie. Laut Bundeskriminalamt in Wiesbaden wurden im Jahr 2002 insgesamt fast 2000 Tatverdächtige wegen des Besitzes und/oder der Beschaffung von Kinderpornografie erfasst.

Politik

1610851610001162162800
Previous | Next

PolitikNews
BERMP00020061030e2au0000s
POLITIK
PolitikNews
433 Words
30 October 2006
Berliner Morgenpost
BM-HP1
4
297
German
Copyright 2006 Axel Springer AG . Zusatzhinweis: "Dieser Artikel darf ohne die vorherige Zustimmung des Verlages nicht weiter-verbreitet werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechte, die Ihnen generell hinsichtlich der Factiva-Dienste eingeräumt wurden." Notice: "This article may not be redistributed without the prior consent of the Publisher. This is a restriction on the rights granted under the terms of your subscription for Factiva Services."

Brasiliens Präsident Lula im Amt bestätigt

Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ist bei den Wahlen nach ersten Teilergebnissen im Amt bestätigt worden. Der 61-jährige frühere Gewerkschaftsführer von der sozialistischen Partei der Arbeiter (PT) habe in der Stichrunde am Sonntag 60,1 Prozent der Stimmen erhalten und damit nach vorläufigem Stand seinen sozialdemokratischen Rivalen Geraldo Alckmin bezwungen, teilte die Wahlbehörde TSE in Brasilia nach Auszählung von 79 Prozent der Urnen mit. dpa

Stichwahl im Kongo verläuft weitgehend friedlich

Relativ friedlich ist am Sonntag die Stichwahl um das Präsidentenamt im Kongo verlaufen. Aus der Stadt Bumba im Norden des Landes wurde allerdings ein Todesopfer gemeldet. Wegen heftiger Regenfälle lief die Stichwahl zwischen Amtsinhaber Joseph Kabila und seinem Herausforderer, Vizepräsident Jean-Pierre Bemba, zunächst nur schleppend an. Mit dem amtlichen Endergebnis wird erst in einigen Wochen gerechnet. Die erste Direktwahl eines Präsidenten im Kongo seit mehr als 40 Jahren wurde von einer 17 600 Soldaten starken UN-Truppe gesichert, der weltweit größten. Deutschland ist im Rahmen der EU-Einheit EUFOR mit 750 Mann vertreten. Der Ausgang der ersten Wahlrunde am 30. Juli war von gewaltsamen Zusammenstößen gekennzeichnet. Drei Tage lang lieferten sich Anhänger Kabilas und Bembas blutige Gefechte, denen mindestens 23 Menschen zum Opfer fielen. AP

Deutscher wegen Terrorverdachts verhaftet

Die jemenitische Polizei hat einen Deutschen und sieben weitere Ausländer verhaftet, die angeblich für das Terrornetz al-Qaida Waffen nach Somalia geschmuggelt haben. Das Innenministerium in Sanaa teilte mit, zusammen mit dem Deutschen seien drei Australier, ein Brite, ein Däne, ein weiterer westlicher Ausländer, dessen Nationalität nicht bekannt sei, und ein Somalier gefasst worden. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen in Sanaa handelt es sich bei dem verhafteten Bundesbürger um einen Deutschen, der zum Islam übergetreten ist. dpa

Rumäniens Bewerber für EU-Kommission zieht zurück

Der von Rumänien präsentierte Kandidat für den Posten eines EU-Kommissars, Varujan Vosganian, hat seine Bewerbung zurückgezogen. Er reagierte auf Kritik aus Reihen des Europäischen Parlaments. Zeitungen in Rumänien warfen Vosganian vor, unter dem früheren kommunistischen Regime Informant der Geheimpolizei Securitate gewesen zu sein. Präsident Traian Basescu erklärte, die Geheimdienste hätten keine Hinweise darauf gefunden, dass Vosganian mit der Securitate kooperiert habe. AP

Papst fordert Aufklärung von Missbrauchsfällen

Papst Benedikt XVI. hat eine konsequente Aufklärung von Missbrauchsfällen an Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche Irlands gefordert. Er appellierte in einer Ansprache an die irischen Bischöfe, die Wahrheit ans Licht zu bringen und alle notwendigen Maßnahmen gegen Wiederholungen zu ergreifen. Die Pädophilie-Fälle hätten tiefe Wunden verursacht und Vertrauen zerstört. Die katholische Kirche in Irland war seit 1994 mehrfach von Pädophilie-Skandalen erschüttert worden. KNA

49388683
Previous | Next

Symbolik gegen das Böse; Rassismus, Brutalos, Wirtschaftsgebaren - strafrechtliche Problembewältigung hat Hochkonjunktur
NEUZZ00020061027e2ar00049
dgy. Bern, 26."Oktober
933 Words
27 October 2006
Neue Zürcher Zeitung
3
German
Besuchen Sie die Website der führenden Schweizer Internationalen Tageszeitung unter http://www.nzz.ch

Das Rassismusgesetz ist kein Einzelfall: Das Strafrecht wurde in den vergangenen Jahrzehnten in immer kürzeren Abständen um Vorschriften mit hohem Symbolgehalt ergänzt. Die Qualität der Tatbestände lässt vielfach zu wünschen übrig, und ihre Wirkung ist beschränkt.

So gekonnt wie Justizminister Christoph Blocher verhärtet kein Bundesrat Fronten: Der Angriff auf die Antirassismus-Strafnorm war eine Provokation und vor allem dazu geeignet, die Wahlkampfmaschinerie der SVP auf Touren zu bringen. In der Sache allerdings ist Kritik an der Handhabung der Bestimmung legitim - sofern sie nicht den Kerngehalt des Gesetzes betrifft und nicht dazu dient, rassendiskriminierendes Verhalten als tolerierbar hinzunehmen. Zu erörtern ist, inwiefern sich das Strafrecht überhaupt dazu eignet, den öffentlichen Frieden und die Menschenwürde durch die Sanktionierung von Äusserungen wirksam zu schützen. Auch unverdächtige Fachleute räumen ein, dass mit der Strafnorm Auslegungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden sind, die angesichts der sensiblen Materie nur schwer zu beheben sind.

Ernüchterung bei Wirtschaftsdelikten

Nach bisherigen Erfahrungen hat das Gesetz seit seinem Inkrafttreten im Jahre 1995 nicht wesentlich zur Bekämpfung der Verbreitung von rassistischem Gedankengut beigetragen. Daran ändert auch eine Rechtsprechung nichts, die den Anwendungsbereich des Gesetzes auf teilweise diskussionswürdige Art ausweitete. Bereits wird indessen über eine Erweiterung des Gesetzes zur Ahndung rassistischer Symbole nachgedacht, bei der neue Unklarheiten und in der Folge weitere kalkulierte Verstösse zur Erzeugung von öffentlicher Empörung und Aufmerksamkeit programmiert sind. Gegen eine Verwesentlichung oder zumindest eine Überprüfung der Antirassismus-Strafnorm, wie sie Blocher ankündigte, wäre deshalb nichts einzuwenden: Statt möglichst umfassenden Katalogen von strafrechtlich relevantem Verhalten wäre im Kampf gegen Verunglimpfungen aus liberaler Sicht mitunter mehr Zivilcourage gefragt. Auch weil die Kritik an der Anti-Rassismus-Bestimmung aus einer Ecke kommt, aus der in dieser Hinsicht nichts zu erwarten ist, ist Blochers Initiative als Ausgangspunkt für eine differenzierte Auseinandersetzung indessen schlecht geeignet.

Vor allem aber ist das Verbot der Rassendiskriminierung bei weitem nicht die einzige - und nicht die bedeutendste - Bestimmung im Strafrecht, die sich in der Vergangenheit als schwer anwendbar erwiesen hat und deren Bedeutung über blosse Symbolik kaum hinausgekommen ist. Um ein Beispiel zu nennen, bei dem der Misserfolg besonders offensichtlich ist: Als Reaktion auf Horror-Videos verabschiedeten Bundesrat und Parlament Ende der 1980er Jahre eine Brutalo-Strafnorm, bei der schon die Definition des zu schützenden Rechtsgutes zu unlösbaren Problemen führte. Die Bestimmung hat sich bis heute als Papiertiger erwiesen: Das Ziel, Jugendliche vor dem Einfluss angeblich verrohender Inhalte zu schützen, ist nur schwer mit der diffusen Formulierung des Textes in Einklang zu bringen, mit der Folge, dass das Gesetz restriktiv ausgelegt und jährlich nur gerade eine Handvoll von Urteilen ausgesprochen wird. Der Einfluss von Bildmedien auf ihre Betrachter ist zu komplex, um ihn mit Hilfe des grobschlächtigen Strafrechtes in den Griff zu bekommen.

Interessanterweise sind die Resultate aber auch auf anderem Feld enttäuschend: Im Bereich des Wirtschafts-Strafrechtes beispielsweise, welches aufgrund der internationalen Entwicklung und der wachsenden Vielschichtigkeit des Geschäftslebens intensiv angepasst wurde, müht sich die Strafverfolgung seit Jahren mit kaum handhabbaren Normen ab. Der Tatbestand der Geldwäscherei, mit dem angeblich die Achillesferse des organisierten Verbrechens getroffen werden sollte, spielt in der Rechtsprechung eine geringere Rolle als prognostiziert, und er hat schon gar «nicht zum propagierten Kollaps des Drogenhandels geführt», wie der emeritierte Strafrechtsprofessor Gunther Arzt maliziös anmerkte. Auch die Strafbestimmung über die kriminellen Organisationen ist bedeutungslos geblieben, weil die Beweisführung mit einem für die Behörden kaum zu leistenden Aufwand verbunden ist, mit der Folge, dass auf eine Anwendung in vielen Fällen von Anfang an verzichtet wird. «Das Strafrecht wird in diesem Bereich in den Gesetzen zwar exzessiv, real hingegen kaum eingesetzt, das heisst, es dient nur als Drohfinger, als Mittel zur Skandalisierung», stellte die Berner Strafrechtlerin Grace Schild Trappe in einem Aufsatz unlängst fest.

Pornographie, Korruption, organisiertes Verbrechen, Terrorismus, Indiskretionen, gefährliche Straftäter - auf alle möglichen neuen Gefahren, ob existent oder nicht, ob strafrechtlich bereits abgedeckt oder nicht, reagierte die Politik in den vergangenen zwanzig Jahren reflexartig mit sich überbietenden Strafdrohungen. Die Lösung gesellschaftlicher Probleme mit strafrechtlichen Mitteln hat Hochkonjunktur: «Liest man die offiziellen Verlautbarungen zu den strafrechtlichen Gesetzgebungsvorhaben des letzten Jahrzehnts, entsteht der Eindruck, als ob der Kollaps unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung kurz vor der Tür steht», konstatierte Niklaus Oberholzer, Präsident der Anklagekammer am Kantonsgericht St.Gallen, schon vor fünf Jahren.

Noch nie jagten sich Revisionen in so kurzen Abständen: 13 Jahre vergingen vom Inkrafttreten des Gesetzes im Jahre 1937 bis zur ersten Revision, und in den ersten 40 Jahren wurde das Gesetz nur viermal geändert. Inzwischen wird inflationär legiferiert: Seit 1990 sind 46-mal Änderungen in Kraft getreten. Solche Zahlen sind bedingt aussagekräftig, und nicht alles, was beschlossen wurde, ist überflüssig. Doch vieles schiesst über das Ziel hinaus und ist gesetzestechnisch schlecht konstruiert. Das hat zur Folge, dass Revisionen noch schneller notwendig werden: Infolge unsorgfältiger Arbeit musste beispielsweise die Revision des Straf- und Massnahmenrechts revidiert werden, noch bevor sie überhaupt in Kraft gesetzt werden konnte.

Noch kein Ende der Ära in Sicht

Ein Ende des Aktivismus ist nicht abzusehen, wie ein Blick in die Liste der parlamentarischen Vorstösse zeigt: Verlangt werden neue oder schärfere Strafbestimmungen gegen Doping, Vandalen, Brutalo-Spiele, sexuelle Verstümmelungen, Steuerhinterziehung, Bandengewalt, Pädophilie, Raser, Insidergeschäfte, Internetkriminalität, Sextourismus, Scheinehen oder Drogen. Sogar die Entsorgung von Fast-Food-Behältern soll mit den Mitteln des Strafrechtes geregelt werden. Einiges spricht so gesehen für eine Verschlankung des Strafgesetzes und eine Beschränkung auf das Wesentliche. Der Angriff auf die Rassismus-Strafnorm erfolgt allerdings isoliert, auf anderem Gebiet ist in dieser Richtung bisher wenig zu vermelden: Bisher hat Blocher seine Kritik noch nicht als generelle Abkehr von der Ära der Problembewältigung mit strafrechtlichen Mitteln formuliert.

Previous | Next

Kambodscha - Deutscher wegen Kindesmissbrauchs zu zehn Jahren Haft verurteilt
SPGLO00020061020e2aj0001p
Panorama / Justiz
251 Words
19 October 2006
Spiegel Online (Deutsch)
0
German
© 2006 SPIEGEL net GmbH. All rights reserved.

(News)

<veroeffentlichung-zeit>12:27:17</veroeffentlichung-zeit> Weil er vier Jungen zwischen 11 und 18 Jahren missbraucht hat, muss ein Deutscher in Kambodscha zehn Jahre ins Gefängnis. Zwei weitere Männer aus Deutschland warten noch auf ihren Prozess.

Phnom Penh - Das Urteil mache Hoffnung, was die Justiz in Sihanoukville und Kambodscha angehe, sagte Beatrice Magnier, die Direktorin einer Hilfsgruppe für ausgebeutete Kinder. Sie hatte die Anklage im Namen der Jungen erhoben. "Das Gericht hat die Aussagen der Kinder ernst genommen, was hier nicht immer der Fall ist." Der 36-Jährige war wegen sexueller Ausbeutung Minderjähriger zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.

Der Deutsche war im April in der Küstenstadt Sinhanoukville rund 240 Kilometer südlich von Phnom Penh festgenommen worden. Er sagte vor Gericht, die Jungen seien drogensüchtig und hätten versucht, ihn zu erpressen. Der Richter wies dies als unglaubwürdig zurück. Ein Psychologe hatte vor Gericht die Überzeugung geäußert, dass die Jungen die Wahrheit sagten. Der Mann muss jedem Jungen umgerechnet 4000 Euro Wiedergutmachung zahlen.

In der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh sitzen zwei weitere Deutsche in Haft, die wegen Sex mit Minderjährigen angeklagt sind. Die Urteile stehen noch aus. In der Wohnung eines der beiden waren Pornofilme mit Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren sichergestellt worden. Rund zehn Ausländer sind in Kambodscha in diesem Jahr bereits wegen Pädophilie festgenommen worden.

<i>jjc/dpa</i>

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,443518,00.html

PMGSPON-xPMG-spiegel-443518
Previous | Next

Toleranz oder Gleichgültigkeit? - Das ist die Frage in dem Drama "Sommer '04" mit Martina Gedeck
BERLRZ0020061019e2aj0007z
BerlinBerlin
Philipp Bühler
577 Words
19 October 2006
Berliner Zeitung
K03
German
(c) 2006 Berliner Zeitung

Der August '04, so hat Stefan Krohmer erklärt, vermutlich mit einem Frösteln, war "der kälteste seit Menschengedenken".

Zumindest in jenem feinen Urlaubsressort, wo er seinen neuen Film gedreht hat.

"Sommer '04 an der Schlei" hieß der noch, als er im Frühjahr '06 an der Croisette von Cannes für Aufsehen sorgte, wo er flugs der nouvelle vague allemande zugeschlagen wurde, übersetzt: dem jungen deutschen Realismus.

Das Urteil über den Sommerfilm mag also auch der etwas trüben Witterung geschuldet sein, für die Krohmer eigentlich gar nichts kann.

Aber Wolken dräuen nun mal in jeder Hinsicht über der Segelurlaubsfrische von Miriam (Martina Gedeck), ihrem Lebensgefährten (Peter Davor), dem Sohn (Lukas Kotaranin) und dessen gerade mal 12-jähriger Freundin (Svea Lohde).

Ein familiäres Zerwürfnis steht an.

Im Schilfdickicht der Schlei, dem schleswig-holsteinischen "Ostseefjord" (Reiseprospektwarnung für plattes Land), lauert die sexuelle Verführung.

Eines viel zu späten Abends wird die frühreife Göre heimgebracht von einem 38-jährigen Amerikaner (Robert Seeliger).

Bill heißt der gut gebaute Exilant, und nach nur sehr wenigen Gedanken zur elterlichen Aufsichtspflicht hat Miriam ihn sich selbst unter den Nagel gerissen.

Man muss sie verstehen.

Der Gefährte ist ein willensschwacher Zyniker auf Urlaub.

Der Amerikaner baut ein Haus.

Das ist eine schöne Kolportagegeschichte mit einer schwierigen Psychologie - vor allem was den zwischen ehrlichem Ehebruch und peinlichem Lolita-Komplex pendelnden Bill angeht.

Aber Krohmer beweist Gespür.

Wie in seiner 68er-Farce "Sie haben Knut" entwickelt sich ein fideler Haufen angeblich Gleichgesinnter zur Zwangsgemeinschaft.

Rollenbilder geraten durcheinander, wenn Miriam ihrer Verantwortung nachkommen will gegenüber der Jüngeren und doch vor allem Eifersucht empfindet.

Die Männer versagen jede Hilfe und gefallen sich in sagenhafter Gleichgültigkeit.

Oder haben sie nur ihre Gefühle besser im Griff?

Was bedeutet es, wenn kindlicher Trotz die freie Liebe propagiert, wo doch der Verdacht der Pädophilie im Raum steht?

Wann eben wird Toleranz zur Gleichgültigkeit?

Schon bald merkt man, dass Krohmer ein Gesamtbild im Kopf hat.

Aus den Worthülsen der moralinsauren Protestler in "Sie haben Knut" destillieren er und sein Drehbuchautor Daniel Nocke, die zweifachen Grimme-Preisträger, die Worthülsen elterlichen Verstehenwollens von heute.

Mit leichter Eleganz umkreisen ihre Dialoge die Grenzen von Erziehung und Selbstkontrolle.

Sie sind nicht leicht zu überblicken.

Und weil das Konsequenzen hat, in diesem Fall schreckliche, werden daraus die "Grenzen von Moral, Schuld und Liebe".

Die Kampflinien verlaufen zwischen den Geschlechtern und zwischen den Generationen.

Martina Gedeck, in solchen Fragen derzeit eine Allzweckwaffe des deutschen Films, meistert auch diese Kämpfe souverän, was für ihre Rolle eben bedeutet: total unsouverän.

Keine der Figuren wirkt zur Gänze sympathisch, aber alle bis auf den schillernden Bill sind emotional schlüssig.

Wenn die letzte Segelpartie zum Showdown ausartet und sich eine kleine Kriminalgeschichte anschließt, darf man sogar an Roman Polanski denken und seinen berühmten Erstling "Das Messer im Wasser" von 1962, zugleich sein letzter polnischer Film.

Darin nahm ein Rebell dem sozialistischen Bourgeois erst die Frau und dann das Leben.

Es lassen sich also durchaus wichtige Dinge verhandeln auf so einem Boot, und das Schilf schweigt dazu.

Die masurische Seenplatte, wo Polanski damals drehte, liegt fast auf demselben Breitengrad wie die Schlei.

Das Wetter war in dem Film übrigens auch nicht besonders toll.

------------------------------

Sommer '04 Deutschland 2006.

Regie: Stefan Krohmer, Darsteller: Martina Gedeck, Robert Seeliger, Peter Davor, Svea Lohde, Lucas Kotaranin u. a.; 97 Minuten, Farbe.

------------------------------

Foto: Hier im Wald steht wohl ein Zerwürfnis an: Miriam (Martina Gedeck) und Bill (Robert Seeliger).

Previous | Next

Recht verwirkt
NWZEI00020061017e2ai00099
BRAKE | BERNE|LEMW 1
165 Words
18 October 2006
Nordwest-Zeitung
19500047
German
© 2006 Nordwest-Zeitung Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Oldenburg. All rights reserved. For further information see http://nwz-online.de

Betrifft: „Oberkirchenrätin besucht Altenesch“ ( vom 12. Oktober)

Aus vielen Artikeln der ergibt sich für mich folgende Sachlage: ein Pfarrer besitzt kinderpornographische Darstellungen auf seinem PC. (...) Kinder bzw. Jugendliche befanden sich in seiner Obhut. Laut Oberkirchenrätin Dr. Albrecht bleibt der Pfarrer im Amt der Oldenburger Kirche und wird an einem anderen Ort eingesetzt. Er wird wieder Kindern begegnen.

Haben sich die Verantwortlichen nicht mit dem Thema „Pädophilie“ auseinander gesetzt? Es gibt inzwischen genügend wissenschaftliche Abhandlungen über dieses krankhafte Verhalten, Therapie- und Heilungschancen. Wissen sie wirklich nicht, was sie tun? Mir wird körperlich übel, wenn ich daran denke, was unter dem Deckmantel der Kirche möglich ist.

Wem Kinder anvertraut werden - gleichgültig in welcher Institution -, darf nicht einmal den Hauch eines Verdachtes in sich tragen! Erweist sich ein Verdacht als berechtigt, hat dieser Mensch sein Recht für immer verwirkt, einen solchen Beruf auszuüben. Darüber gibt es überhaupt keine Diskussion. Es ist so!

Linda Schmitz-Major

27804 Berne

1212391
Previous | Next

Katholische Kirche kritisiert BBC-Beitrag zu Kindesmissbrauch
EPDMDN0020061017e2ai0000r
251 Words
18 October 2006
epd medien
German
(c) 2006 by Evangelischer Pressedienst, Frankfurt/Main Emil-von-Behring-Strasse 3, D-60439 Frankfurt/Main

Streit über Geheimdokument aus dem Jahr 1962 - Beschwerde an Generaldirektor

London (epd). In Großbritannien hat ein Beitrag der BBC über ein Vatikandokument zu Kindesmissbrauch massive Proteste der katholischen Kirche ausgelöst. Bei dem TV-Beitrag handele es sich um einen "zutiefst voreingenommenen Angriff" auf Papst Benedikt XVI., kritisierte die katholische Kirche in England und Wales am 2. Oktober. Der Vorsitzende der Bischofkonferenz, Kardinal Cormac Murphy-O'Connor, richtete ein Beschwerdeschreiben an BBC-Generaldirektor Mark Thompson.

Thema des BBC-Beitrags vom 1. Oktober war ein vatikanisches Geheimdokument, das angeblich die systematische Vertuschung von Kindesmissbrauch innerhalb der katholischen Kirche vorschreibt. Der Darstellung des Senders zufolge soll der heutige Papst in seiner früheren Funktion als Präfekt der Glaubenskongregation maßgeblich an der Durchsetzung dieser Instruktionen beteiligt gewesen sein.

"Die Aussage der Sendung ist falsch, weil sie zwei Dokumente des Vatikans falsch darstellt und diese zudem in irreführender Weise benutzt, um den Papst mit den Schrecken von Kindesmissbrauch in Verbindung zu bringen", rügte der Erzbischof von Birmingham, Vincent Nichols. Auch die Zusammenstellung des Beitrags, die Verwendung alter Aufzeichnungen und undatierter Interviews führe Zuschauer in die Irre, erklärte Nichols.

Die Sendung in der Reihe "Panorama" bezog sich auf das Dokument "Crimen Sollicitationis" von 1962. Vor allem in der katholischen Kirche in den USA, aber auch in Großbritannien und Österreich hatte es in der Vergangenheit Anschuldigungen gegen Geistliche wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen gegeben. In den USA hatte der Pädophilie-Skandal zu Bischofsrücktritten geführt, in Irland wurden mehrere Priester verurteilt. hho/rc

Previous | Next

Verlockende Anonymität im Netz Was tun, wenn der nette Chatpartner zum aufdringlichen Fremden wird?
WESKU00020061017e2ah000b6
JUGEND
Julia Becker
766 Words
17 October 2006
Weser Kurier
German
© Bremer Tageszeitungen AG. All rights reserved. For further information see http://www.weser-kurier.de

BREMEN. Hier ein Klick, da ein Smiley, dort ein zwangloser kleiner Flirt: Im Internet ist es einfach, neue Menschen kennen zu lernen. Der Gegenüber ist nur virtuell anwesend und lässt sich jeder Zeit durch einen kleinen Klick abwimmeln. Besonders Jugendliche haben die anonymen Chats für sich entdeckt und schreiben unbeschwert an Menschen aus aller Welt.

Dies wissen auch einige Erwachsene und nutzen die unbeschwerte Plattform der jungen Nutzer – auf der Suche nach sexueller Befriedigung. Wer kennt das nicht, dass plötzlich ein unerwünschtes Nacktfoto auf dem Bildschirm auftaucht, oder eine direkte Aufforderung zum Sex via Internet? „Das ist total normal. Das klickt man weg und gut ist. Wer so dumm ist und seine Adresse rausrückt, ist selbst schuld“, erklärt die 16-jährige Mandy völlig selbstverständlich. Mandy hat in den vergangenen Monaten an einer Bremer Diskussionsrunde zum Thema „Sicheres Chatten“ mitgewirkt, bei der sowohl Eltern als auch Jugendlichen die Gefahren aus dem Netz aufgezeigt wurden.

Initiatoren waren die Leiterin der Jugendhütte Kamphofer Damm, Marlies Tittelbach, und der Woltmershausener Kontaktpolizist Winfried Hamann. „Die Kids sitzen jeden Tag hier bei mir total unbeschwert vor den PCs und geben alles von sich preis, obwohl sie das hier nie zugeben würden“, weiß Tittelbach und sieht darin eine Gefahr, dass sich Pädophilie ihre Opfer gezielt aus dem Internet suchen können.

ZOOM hat Katja Knierim vom bundesweiten Projekt jugendschutz.net befragt, wie man vor solchen Situationen schützen kann und was Eltern unbedingt beachten sollten.

ZOOM: Was ist jugendschutz.net und wer steht hinter dieser Website?

Katja Knierim: Jugendschutz.net wurde 1997 als gemeinsames Projekt von den Jugendministerien der Bundesländer gegründet. Unsere Website ist an die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) angebunden, um eine einheitliche Aufsicht über Rundfunk und Internet zu gewährleisten. Jugendschutz.net kontrolliert das Internet auf Verstöße und drängt auf die dortige Einhaltung des Jugendschutzes. Unser Team besteht aus Pädagogen, Juristen, Medienwissenschaftlern und Journalisten.

Welche Erfahrungen haben Sie über Ihre Homepage zum Thema „Sicheres Chatten“ gemacht?

Im Jahr 2003 führte jugendschutz.net auf Anfrage mehrerer Institutionen erstmals ein Chat-Projekt durch. Dabei haben Mitarbeiter Kinder und Jugendliche zu ihren Chat-Erfahrungen befragt. Die User haben ihre typische Probleme aufgezeigt und daraufhin haben wir eine Gestaltung von Angeboten durch Betreiber herausgearbeitet.

Die Ergebnisse der intensiven Recherchen waren alarmierend: Neben Beschimpfungen und Beleidigungen wurden in Chats Kinder und Jugendliche häufig sexuell belästigt. In der Mehrzahl der von unseren Mitarbeitern beobachteten Chats waren problematische oder sogar gefährliche Kontakte an der Tagesordnung.

Die Ergebnisse der Recherchen veröffentlicht jugendschutz.net in der Broschüre „Chatten ohne Risiko? Zwischen fettem Grinsen und Cybersex“.

Häufig treten in Chaträumen Erwachsene auf, die falsche Daten angeben, um gezielt mit Jugendlichen Kontakt aufzunehmen. Wie kann man als User solche falschen Identitäten entlarven?

Eine Gewissheit kann es nie geben. Deshalb ist ein gesundes Misstrauen gegenüber dem, der da am anderen Ende am Computer sitzt, die sicherste Möglichkeit, sich vor solchen „Fakes“, wie diese Schwindler in den Chat-Communitys genannt werden, zu schützen. Dieses Misstrauen sollte dann folgende Konsequenzen haben: Dem Chat-Partner nicht persönliche Daten wie Adresse, Telefonnummer oder ähnliches verraten, sich niemals ohne die Begleitung eines Erwachsenen mit einem Chat-Partner treffen und private Dialoge sofort beenden, sobald sie unheimlich oder unangenehm werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Kommunikation in eine falsche Richtung läuft, sind beispielsweise Fragen wie „Bist du allein?“, „Was hast du an? Und drunter?“ oder Fragen nach Körbchengröße oder noch intimeren Details.

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Opfer, gegen sexuelle Belästigung im Internet vorzugehen?

Betroffene und deren Erziehungsberechtigte haben nach den Beschränkungen des Straf-, Jugend- und Medienrechts die Möglichkeit, Belästigungen und sexuellen Missbrauch von Kindern zur Anzeige zu bringen. Damit eine solche Anzeige auch erfolgreich sein kann, ist die Spurensicherung ganz wichtig, denn nur aufgrund von Beweismitteln können Polizei, Meldestellen wie jugendschutz.net und Chat-Betreiber selbst aktiv werden. Dazu müssen Chat, Datum, genaue Uhrzeit und die Nicknames (die im Chat verwendeten Spitznamen) der Beteiligten notiert und der problematische Dialog gesichert werden. Er kann als Screenshot, also als Abbild des Chat-Fensters, oder als Logfile, also durch Kopieren des Textes, gespeichert werden. Auf jeden Fall sollte der Vorfall auch dem Chat-Betreiber gemelden werden.

Können Sie einen sicheren Chatraum empfehlen?

Für ältere Jugendliche empfehlen wir beispielsweise die Chats bei Diddl, Kwick und Yamchatter. Auf VirtuelleWelt findet sich außerdem ein Avatar-Chat, in dem die Chatter auf dem Bildschirm als kleine Comic-Figuren dargestellt werden und per Sprechblase kommunizieren.

Jugendschutz.net rät allerdings trotzdem, sich von jedem Chat selbst ein Bild zu machen und sich nicht auf unsere Empfehlungen allein zu verlassen.

1973303
Previous | Next

Vater missbraucht seine zwei Babys; Die heute neun Jahre alten Kinder wissen nichts davon – jetzt muss der Täter in Haft
SDDZ000020061013e2ad000u0
München
Von Stephan Handel
582 Words
13 October 2006
Süddeutsche Zeitung
46
German
Copyright 2006 Süddeutsche Zeitung

Es ist ein bedrückender Vormittag im Saal B 277 des Landgerichts München, die Sonne, die draußen strahlt, scheint nicht durch die Fenster zu dringen und auch das Vogelgezwitscher bleibt draußen. Die 11. Strafkammer verhandelt einen Fall, der ekelerregend und abstoßend ist –im Lauf der Verhandlung dann jedoch auch einen fast tragischen Zug bekommt.

Anklage: Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen. Täter: Der Vater zweier Zwillingsmädchen. Tatzeit: Im Herbst 1997. Da waren die Mädchen Neugeborene, noch kein halbes Jahr alt. Franz M. (Name geändert) soll an den Geschlechtsteilen der Babys manipuliert haben, er soll onaniert haben, während die Mutter ein Kind badete. Zuvor hatte er eine Videokamera aufgebaut, um die Szene zu filmen.

Neun Jahre liegt das zurück – und wahrscheinlich hätte niemand von den Vorfällen erfahren, wenn sich Franz L. und seine Lebensgefährtin nicht getrennt hätten. Weil er sie danach offenbar nicht in Ruhe ließ, ging sie zur Polizei, erzählte zunächst von Sprengstoff und Waffen in der Wohnung des Chemikers – wofür er im Mai zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt wurde – und schob schließlich die Information über das Videoband hinterher.

Franz L. ist ein schlaksiger Mann mit ungelenken Bewegungen, dem die jahrzehntelange Drogensucht immer noch anzusehen ist. Zunächst will er nicht einmal seine Personalien angeben, weil im Zuhörerraum Journalisten sitzen. Dann steht er auf und wendet sich an die Reporter: Die Kinder wissen bis heute nichts von den Taten ihres Vaters, er hat ein gutes Verhältnis zu ihnen, nie dürfen sie erfahren, was geschehen ist. Darüber ist er sich wohl auch mit der Mutter einig – die sich allerdings, wäre sie denn da, schon fragen lassen müsste, warum sie denn so lange mit der Anzeige gewartet hat, bis die Kinder jetzt verstehen könnten, was ihnen angetan wurde.

Kinderschutz – darum geht es auch Reinhold Baier, dem Vorsitzenden Richter, deshalb gehen Verteidiger, Staatsanwalt und Gericht ins Beratungszimmer, um nach einer Lösung zu suchen. Als sie wieder herauskommen, steht eines fest: Wenn Franz L. die Taten gesteht, die ihm vorgeworfen werden, dann wird er für drei Jahre und acht Monate ins Gefängnis gehen. Danach gleicht die Gerichtsverhandlung eher einem Beratungsgespräch: Franz L. will darauf bestehen, dass er die Taten im Drogenrausch begangen habe und dass er nie der Pädophilie verdächtig war. Das habe auch niemand behauptet, sagt Reinhold Baier, aber so planvoll der Täter alles arrangiert habe, könne von verminderter Schuldfähigkeit keine Rede sein. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt komme auch nicht in Frage.

Übrig bleibt nur der Paragraph 35 des Betäubungsmittelgesetzes: Einen Teil der Strafe absitzen und dann eine stationäre Therapie beginnen. Das will er, sagt Franz L. jetzt, mit einer überraschenden Begründung: „Ich habe meinen Glauben für mich gefunden.”

Und dann redet er sich fast doch noch um Kopf und Kragen – als es nämlich darum geht, welche der Taten bestraft werden müssen und welche ignoriert werden können, weil sie für das Strafmaß ohne Belang sind. Angeklagt ist ein Fall des schweren sexuellen Missbrauchs, der soll eigentlich wegfallen. Aber Franz L. beginnt eine Diskussion darüber, was denn „Eindringen in den Körper” sei, ob man davon denn sprechen könne, wenn es nur um einen Zentimeter des Zeigefingers geht – damit hat er sozusagen gestanden, was er nicht hätte gestehen müssen. An der Strafe ändert das nichts mehr: Drei Jahre und acht Monate, in denen sich zwei Mädchen wundern werden, warum ihr Vater denn im Gefängnis sitzt. Was er getan hat, sollen sie nie erfahren.

A40178219
Previous | Next

Kampf der Werte
BASLRZ0020061013e2ad0003k
panorama
Tan Wälchli
911 Words
13 October 2006
Basler Zeitung
3
German
(c) 2006 Basler Zeitung Homepage Address: http://www.baz.ch

Moral und Politik in den USA

In Amerika tritt anstelle der Politik vermehrt ein moralischerDiskurs. Jüngstes Beispiel ist der Familienpolitiker Mark Foley, der sich als schwul erweist. Michelle Goldberg belegt in ihrem Buch «Kingdom Coming», dass hinter dieser Moralisierung radikale Christen stehen.

Es war ein schwarzer Tag für die amerikanischen Republikaner. Ausgerechnet der Abgeordnete Mark Foley, der als Gründer einer parlamentarischen Kommission für den Schutz Minderjähriger vor sexuellen Misshandlungen bekannt geworden war, musste zugeben, über ein Internet-Forum Sex-Gespräche mit einem 16-jährigen Parlamentsboten geführt zu haben. Amerika rieb sich die Augen: Geht es noch schlimmer? Ein konservativer Familienpolitiker erweist sich als schwul, ein Kämpfer gegen sexuellen Missbrauch Minderjähriger selbst als Täter. Foley trat umgehend zurück. Aber ob der Skandal damit zu Ende ist, bleibt offen.

Nun sind solche und ähnliche Skandale das tägliche Brot des amerikanischen Fernsehpublikums. Affären, Morde, Drogen, Pädophilie - in den USA zelebrieren die Massenmedien eine Art beständige Wiederkehr dessen, was die prüde Ethik des Protestantismus verdrängt. Doch etwas ist neu am Fall Foley: Der Skandal spielt sich im Zentrum der amerikanischen Politik ab, und noch dazu auf der grossen Bühne eines nationalen Wahlkampfs. Es geht um viel am 9. November. Weil die Mehrheiten knapp sind, könnten die Republikaner diesmal durchaus die Mehrheit in einer oder sogar in beiden Kammern verlieren.

AFFÄRE LEWINSKY. Damit erreicht eine Entwicklung ihren Höhepunkt, die in den letzten zehn Jahren die politische Kultur der USA erfasst hat: Anstelle der Politik tritt ein Diskurs der moralischen Empörung. Den Anfang machte die Affäre Lewinsky unter Bill Clinton. Damals hatte zum ersten Mal ein rein moralisches Thema - der aussereheliche Sex - sämtliche politische Debatten in den Hintergrund gedrängt.

Seither scheint Amerika von dieser Tendenz nicht mehr wegzukommen. Das sieht man deutlich an den innenpolitischen Themen, mit denen sich die Administration Bush bisher profiliert hat: In Erinnerung bleiben vor allem die Debatten um Sterbehilfe, um homosexuelle Ehen und um die Stammzellenforschung. Im Unterschied zu Fragen der Wirtschafts-, Bildungs- oder Gesundheitspolitik sind das alles Diskussionen, die den Alltag der empörten Bürger und Bürgerinnen wenig bis gar nicht betreffen. Aber es sind Debatten, in denen moralische Werte auf dem Spiel stehen. Es geht um die «heilige Instanz» Familie oder um die Unantastbarkeit des von Gott geschenkten Menschenlebens.

Was hat es mit dieser Moralisierung der amerikanischen Politik auf sich? Aufschluss darüber gibt ein neues Buch der New Yorker Autorin Michelle Goldberg. In «Kingdom Coming» berichtet die Reporterin des Online-Magazins «Salon» über den Aufstieg des «christlichen Nationalismus». So bezeichnet sie die lautstarke Bewegung aus politisch aktiven Gruppierungen so genannt «wiedergeborener Christen».

WIEDERGEBOREN. Ausgangspunkt für ihre Studie ist die nach den letzten Präsidentschaftswahlen häufig geäusserte Beobachtung, dass es die radikalen Christen gewesen seien, die George W. Bush dank strikter Organisation und ihrer äusserst hohen Wahlbeteiligung den Sieg gerettet hätten. Die Nähe der Bush-Administration zu solchen Gruppierungen ist bekannt. Bush selber ist ein wiedergeborener Christ, und unter den Beratern seiner Regierung finden sich viele Köpfe aus der religiös-nationalistischen Bewegung. Diese Allianzen schlagen sich nicht zuletzt in der Ausgabenpolitik der Regierung nieder: Unter Bush, so beobachtet Goldberg in ihrem Buch, zeigt sich insbesondere eine Tendenz, im Sozialbereich Gelder von konfessionslosen hin zu radikal-christlichen Organisationen zu verlagern.

Die Stärke von «Kingdom Coming» liegt jedoch vor allem dort, wo Goldberg im Stil einer grossen Reporterin aufgrund von persönlichen Begegnungen die Argumentationsweisen der «Christian Nationalists» untersucht. Die Wirkung dieser politisch-religiösen Bewegung besteht nämlich darin, dass es ihr in den letzten Jahren gelungen ist, die innenpolitische Diskussion mit ihren Anliegen zu besetzen. Neben den Debatten um Homosexualität, Abtreibung oder Sterbehilfe geht es dabei um zwei weitere grosse Themen: Das eine ist der Kampf gegen die Trennung von Staat und Kirche, besonders an den Gerichten und den öffentlichen Schulen, das andere der «Kreationismus». So heisst eine Lehre von der Entstehung der Welt, die Darwins Evolutionstheorie widerspricht, und stattdessen versucht, wissenschaftliche Beweise dafür zu finden, dass die Welt genau so entstanden sei, wie es in der Bibel berichtet wird.

Hier also scheint die Tendenz der Moralisierung ihren Anfang genommen zu haben. Sämtliche Themen, welche die christlich-nationale Bewegung in die Debatte einführt, haben ausschliesslich mit moralischen Werten, mit dem wahren Glauben, zu tun.

«RICHTIGES LEBEN». Die grösste Stärke von Goldbergs Buch schliesslich liegt darin, dass es ihr gelingt, den theologischen Hintergrund dieser Moralisierung der politischen Kultur herauszuarbeiten. Der Titel ihres Buches ist hier sprechend: «Kingdom Coming», «das kommende Königreich». Den verschiedenen Richtungen des Wiedergeborenen Christentums liegt nämlich die Annahme zu Grunde, dass das Jüngste Gericht unmittelbar bevorsteht. Jesus Christus wird zurückkommen, um ein neues Reich zu errichten, in das nur Eintritt findet, wer sein Leben nach den moralischen Grundsätzen des Christentums gestaltet hat. Alle anderen werden vernichtet werden.

Es versteht sich von selbst, dass ein solcher Erwartungshorizont sämtliche Fragen nach den aktuellen Existenzbedingungen - also die eigentlich politischen Fragen - in den Hintergrund drängt. Der Akzent wird auf das Bemühen um das «richtige Leben» verlagert, auf das Problem von Sünde und Reue. Und niemand verkörpert diese Haltung besser als George W. Bush selber. Gemäss der offiziellen Darstellung ist es ihm einst dank seiner Bekehrung zum wiedergeborenen Christen gelungen, den Alkoholismus zu überwinden. Der Kongressabgeordnete Mark Foley tat es ihm jetzt gleich: Am selben Tag, als er seinen Rücktritt verkündete, liess er sich, ganz der reuige Sünder, in eine Klinik für Alkoholiker einweisen.

> Michelle Goldberg: «Kingdom Coming. The Rise of Christian Nationalism». W.W. Norton, New York, London, 2006. 242 S., Fr. 41.80.

KMG0102006_2_USAChristOnM.xml
Previous | Next

21 Monate Knast für den schlimmsten Kinder-Pornografen der Schweiz
BLICK00020061012e2ac00011
BlickAktuell
317 Words
12 October 2006
Blick
A9
German
© 2006 Ringier AG, Switzerland. All rights reserved. For further information see http://www.ringier.com

Als die Polizei kam, sass er nackt am PC

VON VIKTOR DAMMANN

ZÜRICH. Widerlich. Pervers. Und hochgefährlich. Endlich muss dieser Mann (39) hinter Gitter.

Daniel S.* aus Zürich. Wegen seiner «grossen Liebe Kevin» zieht der EDV-Spezialist nach Berlin. Kevin ist 13 Jahre alt. Immer wieder missbraucht er den Bub und dessen Zwillingsbruder.

Bis die Polizei Wind davon bekommt. Die Behörden bieten ein Spezialeinsatzkommando (SEK) auf. Sie befürchten, dass der Kinderschänder mit einer Pumpaction bewaffnet ist.

Als die Elitepolizisten die Wohnung stürmen, hat Daniel S. aber keine Waffe in der Hand. «Er sass mit heruntergelassenen Hosen onanierend vor dem Computer», sagt ein Berliner Justizbeamter zu BLICK. Der Pädophile geilt sich gerade an Kinderpornos auf.

Dafür fasst der bereits einschlägig vorbestrafte Pädosexuelle im Jahr 2004 zwei Jahren Knast auf Bewährung. Sogar in der Untersuchungshaft lebt er seine perversen Neigungen aus. Er zeichnet grausamste sadistische Folterszenen. Hauptdarsteller: Kevin, seine grosse Liebe.

Kaum ist Daniel S. zurück in Zürich, gehts fast im selben Stil weiter. Er wohnt jetzt bei seinen Eltern. Und dort entdecken Polizisten auf seinem PC 100000 Kinderporno-Fotos. Zudem zehntausende Videoszenen.

Auf den schrecklichen Bildern werden sogar Babys grausam missbraucht. «Er lebt in einer perversen Gedankenwelt», sagte Staatsanwalt Alexander Knauss bei der gestrigen Verhandlung vor dem Zürcher Bezirksgericht.

Trotzdem bemängelte der Verteidiger des wohl schlimmsten Kinderpornografen der Schweiz: Die Ermittler hätten nicht abgeklärt, ob die Darsteller tatsächlich minderjährig waren. Daniel S. versuchte dem Gericht weiszumachen, er träume eigentlich von einer Familie «mit allem, was dazugehört». Von seiner Pädophilie wollte er nichts mehr wissen.

Dabei fand die Polizei haufenweise Fotos, die er von Kindern aus seiner Umgebung etwa beim Sport geschossen hatte. Ist er bereits auf der Jagd nach neuen Opfern? Für die Gerichtspsychiater besteht bei Daniel S.* eine erhebliche Rückfallgefahr.

Vorerst muss er aber 21 Monate hinter Gitter.

*Name der Redaktion bekannt

Previous | Next

Gigantische Sammlung an Kinderpornografie
TANZ000020061012e2ac0001c
Zürich
Thomas Hasler
508 Words
12 October 2006
Tages Anzeiger
15
German
(c) 2006 Tages Anzeiger Homepage Address: http://www.tages-anzeiger.ch

Ein 39-jähriger Schweizer hat eine laut Gericht «gigantische Menge» an Kinderpornografie aus dem Internet gefischt. Er kassierte 21 Monate Gefängnis.

Zürich. - Staatsanwalt Alexander Knauss bemühte am Mittwoch die Superlative. Er sprach von einer «immensen Sammlung», von einer «unüberschaubaren Zahl», von einer «ungeheuren Dimension». Richtig fassbar sind auch diese Begriffe nicht. Deshalb konkreter: Beim 39-Jährigen wurden zwölf Festplatten mit einer Speicherkapazität von 800 Gigabyte und 50 CDs mit insgesamt 32 Gigabyte sichergestellt. Die Speichermedien enthielten Bilder und Videos mit überwiegend kinderpornografischem Inhalt. Oder noch konkreter: Die Auswertung einer einzigen 120-Gigabyte-Platte ergab über 51 000 A4-Seiten. Jede einzelne Seite enthielt vier Bilder.

Der Angeklagte sei ein «qualifizierter Power-User», sagte Knauss. Mit «selten gesehener Akribie» habe er gezielt Spezialprogramm eingesetzt, um Spuren auf seinem Computer zu vertuschen, um Bilder und Tausende von Videos zu verstecken und doch jederzeit verfügbar zu haben. Jede Möglichkeit habe er genutzt, um sein System technisch aufzurüsten.

Einzelkind und Einzelgänger

Der 39-Jährige, der noch bei seinen Eltern wohnt, als Einzelkind aufwuchs und zum Einzelgänger wurde, war in der Sache geständig. Der Mann, der bereits 1990 in der Schweiz und 2002 in Berlin wegen sexueller Handlungen mit Knaben unter 16 Jahren verurteilt worden war, äusserte kein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung. Mit Händen greifbar aber war sein Bemühen, sich von seinen Neigungen zu distanzieren: Auf seine frühere Aussage angesprochen, er fühle sich zu Knaben zwischen 14 bis 16 Jahren hingezogen, meinte er: «Das habe ich mir lange eingeredet.» Den Hinweis auf seine homosexuelle Neigung konterte er: «Das möchte ich so nicht mehr sagen.» Sein Wunschtraum sei jetzt «eine Familie mit allem, was dazu gehört». Seine Realität ist, dass er bisher noch nie eine engere Beziehung zu einem erwachsenen Menschen ausserhalb der eigenen Familie hatte - weder männlichen noch weiblichen Geschlechts.

Der psychiatrische Gutachter diagnostizierte eine Pädophilie homosexueller Ausrichtung und eine schizoide Persönlichkeitsstörung. Es bestehe eine sehr hohe Rückfallgefahr in Bezug auf die Internet-Pornografie, aber auch eine moderate bis deutliche Rückfallgefahr in Bezug auf weitere sexuelle Handlungen mit Kindern.

Vor Gericht ging es zum einen um das Strafmass. Während der Staatsanwalt 21 Monate Gefängnis forderte, verlangte der Verteidiger eine Strafe von acht bis zwölf Monaten. Entscheidender aber war die Frage, ob die vom Gutachter empfohlene ambulante Therapie während des Strafvollzugs durchgeführt oder ob die Strafe zu Gunsten der Therapie aufgeschoben werden soll. Natürlich waren sich Staatsanwalt und Verteidigung auch in diesem Punkt nicht einig.

«Besonders uneinsichtig»

Das Bezirksgericht entschied auf 21 Monate. Laut dem Vorsitzenden Sebastian Aeppli hat das Gericht sogar über eine Strafe von 24 Monaten diskutiert. Die ambulante Massnahme wurde strafvollzugsbegleitend angeordnet. Das Gericht sprach von einem schweren Verschulden. Der Mann sei nicht nur immer raffinierter vorgegangen. Er sei auch besonders uneinsichtig: Trotz eines Gerichtsverfahrens, eines laufenden Strafverfahrens und einer psychiatrischen Begutachtung habe er von seinem «kriminellen Zeitvertreib» nicht abgelassen.

Dass der Mann eine begonnene Therapie aus finanziellen Gründen abgebrochen habe, statt sich die Kosten «vom Mund abzusparen», zeige, wie wenig wichtig ihm die Therapie gewesen sei.

Previous | Next

Politischer Kindesmissbrauch
WELTW00020061011e2ac00005
Diese Woche
Alain Zucker
1975 Words
12 October 2006
Die Weltwoche
012
41
German
© 2006 DIE WELTWOCHE. All rights reserved. For further information see http://www.weltwoche.ch

Die E-Mail-Sexaffären des Abgeordneten Mark Foley gefährden die republikanische Mehrheit im Kongress. Der Skandal ist konstruiert.

So sieht Washingtons Politik im Herbst 2006 aus: Es gibt sogenannte Pagen, 16- bis 17-jährige Jugendliche, die im US-Kongress für die Abgeordneten Botengänge übernehmen; unter den Abgeordneten wiederum sind welche, die auf diese Pagen abfahren, während andere viel Zeit und Mühe darauf verwenden, diese Abgeordneten zu erwischen, die auf Pagen abfahren. Und über allen thront ein Vorsitzender, der in Panik ausbricht, weil man ihm vorwirft, dass er zu wenig Zeit darauf verwende, die Typen zu nageln, die auf die Pagen abfahren. Er verkündet an einer Pressekonferenz: «Ich übernehme die Verantwortung. Der Dollar stoppt hier. [...] Ich habe deshalb veranlasst, dass eine Hotline für Pagen eingerichtet wird, an die man sich mit neuen Informationen wenden kann. Die Nummer ist 866 348 04 81.»

Ein Witz? Nein, nur der Kommentar der Chicago Sun-Times zum Auftritt des Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Dennis Hastert, in der vergangenen Woche. Seit über zehn Tagen verstopft die Affäre um den republikanischen Abgeordneten Mark Foley, der mit E-Mails «explizit sexuellen Inhalts» ehemalige Pagen anmachen wollte, Fernsehkanäle und Zeitungsspalten. Der homosexuelle Protagonist ist inzwi- schen von sämtlichen Ämtern zurückgetreten, doch einen Monat vor den Zwischenwahlen sehen die vereinigten Experten die Affäre allen Ernstes als die grösste Gefahr für die Republikaner, die ihre Mehrheit im Kongress am 7. November verlieren könnten. Plötzlich scheinen die 15 zusätzlichen Sitze in Reichweite, welche die Demokraten für einen Machtwechsel in der einen Kammer brauchen.

«Überfreundlicher Kontakt»

Bisher war die Bedingung für Sexskandale im Politmilieu realer Sex (oder zumindest das, was ausser Bill Clinton im Fall Monica Lewinsky alle dafür halten). In England sind die Details jeweils besonders saftig: autoerotisches Ersticken, Zehenlutschen im Fussballdress des FC Chelsea oder Flagellation mit schwulen Teenagern. Doch bei der einzig verbleibenden Supermacht könnte «Foleygate» dazu führen, dass die Regierungspartei allein durch masturbatorische E-Mails und Instant-Messages eines Politikers fällt, der sich an der Anatomie und den Sexualpraktiken junger Männer erfreute. (In einem E-Mail schrieb Foley einem Jungen, er sei nie zu beschäftigt, um zu masturbieren, worauf Late-Night-Moderator Jay Leno letzte Woche sagte: «Wenn nur Bill Clinton diesen Rat befolgt hätte, hätte er all diese Schwierigkeiten nicht gehabt.»)

Vor seinem Fall gehörte Mark Foley, 52-jähriger Abgeordneter aus Palm Beach, Florida, zu den beliebteren Politikern im Repräsentantenhaus. Er war kein Hardliner und galt als aussergewöhnlich gesellig, einer, «der morgens aufstand, um Leute zu treffen», wie ein Kollege sagte. Über Jahre hinweg unterhielt er seine Kollegen mit Imitationen von anderen Politikern, genoss das Rampenlicht und zeigte sich gerne an der Seite von gutaussehenden weiblichen Showgrössen. Und obwohl er wie fast alle republikanischen Parlamentarier seine Homosexualität vor den Wählern verbarg, wussten es im Kongress die meisten. «Seine Homosexualität war das am schlechtesten gehütete Geheimnis», heisst es heute auf Capitol Hill über den Mann, auf den in Florida jeweils auch ein langjähriger Partner wartete, ein Dermatologe.

Doch Foley war auch Vorsitzender der «Parlamentariergruppe für vermisste und ausgebeutete Kinder» und einer der Hauptpromotoren des neuen Kinderschutzgesetzes, das Präsident Bush im Juli unterzeichnete. Ausgerechnet über ihn beschwerte sich ein 16-jähriger Page, der sich im Herbst 2005 belästigt fühlte. Nach dessen Praktikum im Kongress hatte sich Foley per Mail bei ihm gemeldet, ein paar Floskeln ausgetauscht und sehr bald nach seinem Bild gefragt. Der Jugendliche beklagte sich beim Büro eines anderen Abgeordneten, der die zuständigen Stellen informierte, darunter der Vorsitzende Dennis Hastert. In der Folge, so weit decken sich die Darstellungen, wurde Foley zur Rede gestellt und aufgefordert, diesen «überfreundlichen Kontakt» zu unterlassen. Die E-Mails waren so harmlos, dass zwei Zeitungen bereits vor einem Jahr darauf verzichteten, eine Geschichte zu publizieren. Doch sie kursierten weiter und wurden im Juli dem «Zentrum für Verantwortung und Ethik» in Washington zugestellt, einer Art Ethik-NGO, die sie von einem ehemaligen republikanischen Mitarbeiter bekommen haben will. Diese leitete das Material ans FBI weiter, und irgendwie gelangte es auch auf die Schreibtische der nationalen Medien. Doch wieder sah keiner ein Problem oder die Story, bis ein neuer, völlig unbekannter Blog, Stopsexpredators.blogspot.com (Stoppsexräuber), am 24. September die E-Mails ins Netz stellte.

Falls Foleys Outing keine organisierte Kampagne war, müsste es zumindest als Lehrstück dafür dienen, wie man einen Skandal auslöst. Die vorerst zurückhaltenden Mainstream-Medien sprangen plötzlich auf den Zug auf und wurden während Tagen gefüttert mit immer mehr Auszügen aus dem elektronischen Schriftverkehr zwischen Foley und den Kongressboten. Die neuen Passagen liessen keine Zweifel mehr an der Richtung von Foleys Fantasien offen, und so konnte bald ganz Amerika lesen, wie der Republikaner alias «Maf54» über einen Zeitraum von mehreren Jahren mindestens fünf ehemalige Pagen kontaktierte, die er von ihrem Praktikum im Kongress her kannte. Den einen fragte er irgendwann nach einem Bild seines erigierten Penis, den andern fragte er, was er gerade an habe, und in einem dritten Fall verwickelte er einen 17-jährigen Ex-Boten in eine Konversation über Masturbationstechniken, bevor jener von seiner Mutter zum Abendessen gerufen wurde:

Maf54: Ich liebe Details.

Xxx: Das merke ich.

Maf54: Wirklich, machst du es mit dem Gesicht nach unten.

Xxx: Ja.

Maf54: Auf den Knien.

Xxx: Ich tue es nicht mit der Hand, ich brauche das Bett dazu.

Maf54: Wo kommst du?

Xxx: In einem Handtuch.

Maf54: Wirklich, ganz nackt?

Xxx: Ja.

Maf54: Sehr schön, den hübschen Arsch in der Luft.

Maf54: Jetzt habe ich ein völlig steifes Holz.

In einem weiteren Fall soll Foley mit einem anderen Jugendlichen diskutiert haben, wie es sei, einen Orgasmus zu haben, während er eigentlich über eine Vorlage hätte abstimmen müssen. Der Fernsehsender, der im Besitz dieses Internetchats ist, hat die saftigen Details allerdings zensuriert und nur eine Art postkoitalen Kuscheldialog publiziert.

Maf54: Ich vermisse dich.

XXX: Ja, ich dich auch.

Maf54: Wir stimmen immer noch ab.

Maf54: Du vermisst mich auch.

Maf54: Ich gehe besser abstimmen... wusstest du, dass du diesen Effekt auf mich hattest.

XXX: Geh nur abstimmen, ich will dich nicht von deinem Job abhalten.

Maf54: Kann ich noch einen Gutenachtkuss haben?

XXX: Kuss.

Nur Stunden nachdem er mit den E-Mails konfrontiert worden war, trat Mark Foley, Sohn eines katholischen Ex-Marine, zurück. Er ging den üblichen amerikanischen Weg der Sühne und liess sich in eine Alkoholentzugsklinik einliefern, obwohl keiner, der ihn kannte, je ein Alkoholproblem bemerkt hatte. Und über seinen Anwalt liess er verlauten, er sei homosexuell und als Kind von einem Priester missbraucht worden, habe aber nie Sex mit Minderjährigen gehabt.

Das hätte das Ende der Geschichte sein können – mit einer rehabilitierenden Autobiografie, der in solchen Fällen üblichen Fortsetzung nach ein paar Monaten. Foley ist sicher nicht pädophil, sondern eher ephebophil, wie man im Fachjargon sagt, wenn einer besonders auf junge oder noch jugendliche Männer steht. Gemäss der gesetzlichen Lage in der Hauptstadt waren die Jugendlichen jedenfalls alle aus dem Schutzalter, und Foley hat sie in der Regel erst kontaktiert, als sie nicht mehr im Kongress arbeiteten (sie waren also nicht von ihm abhängig). Wer seine Botschaften abstossend fand, hat sie bald ignoriert und geblockt, einer hat möglicherweise aus Jux mit ihm konversiert und ein anderer den Kontakt mit ihm vertieft. Doch nach heutigem Wissenstand hat Mark Foley keine Gesetze gebrochen und handfestere Avancen auf Volljährige beschränkt. «Ex-Page hatte Liaison mit Foley» titelte die Los Angeles Times, doch zu dem Zeitpunkt war der junge Mann bereits 21 Jahre alt.

Es ist eine alte Lehre Washingtons: Egal, wie schlimm der Skandal ist, noch schlimmer ist die Reaktion der versammelten Parlamentarier und Meinungsmacher darauf. Auf Ersuchen des Repräsentantenhauses ermittelt inzwischen sogar das FBI, als ob es keine grösseren Probleme im Land gäbe, und die weithergeholte Handhabe gegen Foley scheint ein Bundesgesetz zu sein, das Mark Foley mitverfasste: Es ist heute verboten, übers Internet Sex mit unter 18-Jährigen zu suchen, und die Ermittler prüfen offenbar ernsthaft, ob eine elektronisch übermittelte Einladung Foleys für ein persönliches Treffen den Tatbestand erfüllt.

Konsens von Puritanern und 68ern

Insbesondere die Politiker sind ausser Rand und Band. «Wer wusste was wann und wo?» heisst das scheinheilige Spiel, das beide Parteien heute spielen. Die Republikaner schoben die Schuld erst mal ihrem Vorsitzenden zu, Dennis «Hotline» Hastert, weil er Warnungen vor Mark Foley nicht ernst genug genommen habe. Während die parteinahe Washington Times gleich seinen Rücktritt forderte, offenbarte Foleys langjähriger Stabschef Kirk Fordham plötzlich, er habe Hasterts Büro schon 2003 vor Foley gewarnt. Und der Abgeordnete Ray La Hood kam auf die originelle Idee, gleich alle minderjährigen Pagen aus dem Kongress zu verbannen – wie wenn man die Repräsentanten vor der Versuchungen der Laufburschen und -mädchen schützen müsste. Die Panik hat natürlich mit dem Programm zu tun, mit dem die Partei bei religiösen und sozialkonservativen Amerikanern wirbt – einer intakten Sexualmoral, traditionellen Familienwerten und dem Verfassungszusatz gegen die Schwulenehe. Alle reden vom Schutz der minderjährigen Pagen, doch der Lebensstil des homosexuellen Republikaners Foley ist, wie die Angelsachsen zu sagen pflegen, der rosa Elefant im Raum, den alle angestrengt ignorieren.

Das wissen natürlich auch die vermeintlich besorgten Demokraten. Scheinheilig stimmen sie ihr Lied «der fehlenden Rechenschaft» und der «Kultur der Korruption» im republikanisch kontrollierten Kongress immer wieder neu an. So köchelt das Thema immer weiter, während sie sich nicht mal die Hände schmutzig machen müssen. «Die Kinder, die als Pagen im Kongress arbeiten», flötet empört Nancy Pelosi, Minderheitsführerin der Demokraten, ohne rot zu werden, «sind in der speziellen Obhut der Kongressmitglieder. Indizien deuten darauf hin, dass dieses Vertrauen missbraucht wurde, als die republikanische Führung gewarnt wurde und die Sache vertuschte.»

Bei allem politischen Kalkül sind sich die Politiker beider Couleur in einem Punkt aber erstaunlich einig: Mark Foleys Blitzabgang halten alle für obligatorisch. Das war auch schon anders. Vor mehr als zwanzig Jahren erlebte der Kongress einen anderen Pagen-Skandal, als zwei Abgeordnete, ein Demokrat und ein Republikaner, mit zwei 16-Jährigen ins Bett stiegen, die im Kongress ihr Praktikum absolvierten (der eine mit einem Jungen, der andere mit einem Mädchen). Damals trat keiner von beiden zurück, und ihre Kollegen beliessen es bei einer Rüge.

Doch was hat sich seither verändert? David Brooks, Kolumnist bei der New York Times, vergleicht den Fall Foley mit dem berühmten Theaterstück von Eve Ensler, «The Vagina Monologues», in dem eine Sekretärin einem 13-jäh- rigen Mädchen Wodka gibt und es verführt. Er schreibt: «In der Originalfassung sagte das Mädchen: ‹Wenn dies eine Vergewaltigung war, war es eine gute Vergewaltigung›, und das Publikum klatschte zustimmend...Wieso also hat man da den einen sexuellen Räuber gefeiert, während der andere heute verabscheut wird?»

Für den konservativen Brooks zelebrierten die «Vagina-Monologe» nur, was dem Moralkodex der siebziger und achtziger Jahre entsprochen habe: Selbstverwirklichung als Imperativ – solange es sich gut anfühlt, ist alles erlaubt. Doch heute sieht er eine andere Moral am Horizont des Landes aufgehen, und jene beurteilt Mark Foleys virtuelle Anmache im Cyberspace strenger. «Unter diesem Verhaltenskodex sind wir nicht nur durch individuelle Entscheidungen definiert, sondern auch durch unsere sozialen Rollen [...] als Eltern, Amtsträger, Bürger.»

Das klingt nicht lustig, sondern eher wie nach einer Rückkehr der Spiessbürger im schwarzen Schlips und mit Lockenwicklern im Haar. Doch nicht erst seit der Aufregung über den Fall Foley vermischen sich in den amerikanischen Diskussionen über Sex die moralischen Argumente des Puritanismus mit jenen der 68er Generation zu einem neuen Konsens. Und es kommt zu einer eigenartigen Allianz zwischen den religiösen Sozialkonservativen, die das moderne Wuchern unterschiedlicher Lebensstile verabscheuen, und den politisch Überkorrekten der Linken, welche armselig anmutende Anbändelungen wie jene von Mark Foley vorschnell in die Pädophilie-Schublade versorgen. Bei allen Differenzen verbindet sie der Hang, sexuelles Verhalten möglichst genau regeln zu wollen.

Doch von Pädophilie, von sexuellem Kindesmissbrauch, wie es die panischen Politiker unterstellen, kann hier keine Rede sein. Wie schrieb die Chicago Sun-Times: Wenn in diesem Fall so etwas wie Kindesmissbrauch vorkomme, dann weil Washingtons Chattering Class (politische, «schwätzende» Klasse) die Wähler wie Kinder behandle und für dumm verkaufe.

WEW_41_012.pdf
Previous | Next

Enthüllt Das Netzwerk des Bubenschänders
BLICK00020061009e2a90002t
BlickAktuell
564 Words
09 October 2006
Blick
A8
German
© 2006 Ringier AG, Switzerland. All rights reserved. For further information see http://www.ringier.com

VON VIKTOR DAMMANN

REGENSDORF ZH. Sie sind Theologen, Therapeutinnen, Geschäftsleute. Und sie haben ein einziges Ziel: Sie wollen Beat Meier (60) unbedingt aus dem Knast holen. Den schlimmsten Buben-schänder der Schweiz.

Meier ist seit acht Jahren verwahrt, weil er seine Stiefsöhne missbraucht hat. Aber sein riesiges Netzwerk hält ihn für unschuldig. Und kämpft mit allen Mitteln für seine Freilassung.

Sein Umfeld besorgte ihm sogar einen Job. Ausgerechnet der Buben-schänder kümmert sich vom Knast aus um ehemalige Verdingkinder. Als Sekretär des Vereins «Verdingkinder suchen ihre Spur». Die Betroffenen waren in ihrer Jugend oft selber Opfer von sexuellen Übergriffen. Sie wussten nicht, dass ein Bubenschänder ihre Daten verwaltet.

Als BLICK den Skandal publik machte, trat SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr (43) aus dem Verein aus. Auch Schriftsteller Turi Honegger (82), selber als Verdingbub aufgewachsen, ist entsetzt (siehe Kommentar).

Mittlerweile hat Meier seine Autobiografie veröffentlicht, in der er seine Taten verharmlost. Das Buch vertreibt er vom Knast aus.

Wer den Bubenschänder unterstützt - BLICK enthüllt das Netzwerk:

· Heidi Meichtry, Präsidentin des

Vereins «Verdingkinder suchen

ihre Spur»

Trotz aller Kritik steht Meichtry weiter zu Meier. Sie hält ihn für unschuldig. Als Gründungsmitglied des «Komitees zur Befreiung von Beat Meier» sammelt sie Spenden für ihren Sekretär.

· Margot Sch.* (56), Regionalleiterin

Bern der Verdingkinder-Vereinigung

Auch die Sozialarbeiterin ist dem Bubenschänder wohlgesinnt. Auf ihrer Webseite zivil-courage.ch macht sie Werbung für Meiers Autobiografie.

· Ursula H*, Meiers Privat-

Therapeutin

Sie ist im Meier-Komitee an vorderster Front dabei. Er sei für ein Verbrechen, das er offensichtlich nicht begangen habe, auf unabsehbare Zeit verwahrt, schreibt sie auf ihrer Homepage. Was das Komitee plant, ist geheim. Meiers Anwalt will nicht sagen, ob eine Revision in Vorbereitung ist.

· Die Pädophilenberatungsstelle ITP-Arcados

ITP-Psychologe Michael G.* beriet Ursula H., wie die Justiz im Fall Meier zu diskreditieren sei. Hinter der ITP-Homepage steht Sylvia T.*, eine Pädophilen-Beraterin aus der Ostschweiz.

· Theologe Martin J.* (64) aus Murg am Walensee.

Auch er arbeitet für die ITP-Arcados. Auf seiner Webseite tinjo.ch fährt der bekennende Pädophile Angriffe gegen BLICK. Als Unterstützer der «Aktion Freebeat» zeigt er seine Verbundenheit mit Meier. Auf einer zweiten Homepage http://www.art-injo.ch ist er plötzlich Goldschmied.

· C.R.* (80), Bündner Heilpädagoge

Der Pädophilen-Freund unterstützt Meier seit Jahren finanziell. Einen der Buben missbrauchte Meier sogar in C.R.s Haus. Heute kommt dieser für Meiers Therapeutin Ursula H. auf.

· K.S.* (49), Aargauer Kaufmann

Als Meier 1991 Präsident der «Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft Pädophilie» war, fungierte K.S. als sein Sekretär. Einer der von Meier missbrauchten Stiefsöhne widerrief ausgerechnet gegenüber K.S. seine Anschuldigungen. Das Gericht glaubte ihm nicht. Heute besorgt der vorbestrafte Pädophile K.S. als Computertechniker den PC des verwahrten Freundes.

«Was spricht dagegen, dass ich ihn im Gefängnis besuche?», so K.S. zu BLICK. Doch wenn Meier wieder draussen sei, wolle er keinen Kontakt mehr zu ihm.

Wers glaubt.

*Namen der Redaktion bekannt

Der Fall

ZÜRICH. Beat Meier (60) wurde 1998 verwahrt, jahrelang hatte er seine beiden Stiefsöhne missbraucht. Der bereits vorbestrafte Pädophile hatte sich an die Mutter der Buben herangemacht und sie geheiratet. Weitere Verfahren wegen sexueller Übergriffe an 17 Kindern mussten wegen Verjährung eingestellt werden. Von der Strafanstalt Pöschwies aus amtete er als Sekretär des Vereins «Verdingkinder suchen ihre Spur». Als BLICK den Skandal enthüllte, trat SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr empört aus dem Verein aus.

Previous | Next

Rempelregeln
STUGTR0020061007e2a700077
Kultur
141 Words
07 October 2006
Stuttgarter Zeitung
38
German
(c) 2006, Stuttgarter Zeitung Ansprechpartner: 0049-711-7205-782

Billy Talent auf dem Killesberg

Ein akustisches Unwetter im Viervierteltakt und eine Wand aus heißer feuchter Luft schlägt einem aus dem ausverkauften Kongresszentrum B entgegen. So viel Wut will sich da Raum schaffen und stimmgewaltig nach außen dringen, dass Ben Kowalewicz sie nicht immer unter Kontrolle hat. Dem lungenstarken Sänger von Billy Talent bricht vor lauter Empathie zuweilen die Stimme.

Es gibt ja so viele Missstände, gegen die es anzuschreien gilt: Pädophilie, Sucht, Snobismus. Billy Talent sind gute Jungs und Vorzeigespender für viele Hilfsorganisationen. Die Rolle der Weltverbesserer steht ihnen viel besser als die übergestülpten Rockerposen. Auf ihrem Konzert wollen sie, dass alle lieb zueinander sind, nicht rempeln und auf die Mädels aufpassen. Mit dem bewährten Grundrezept - straffes Schlagzeugspiel, garniert mit Gitarrensoli, hymnenhafte Melodien, glatt gesetzte zweistimmige Refrains plus Gekreische - bewegt sich Billy Talent am Rande der Gefälligkeit. am

Previous | Next

Angst vor dem großen Sprung; In „Sexy” erzählt die amerikanische Erfolgsautorin Joyce Carol Oates von Freiheit, Macht und Verantwortung der Jugend
SDDZ000020061031e2a6000z8
Kinder- und Jugendliteratur
Fritz Göttler
469 Words
06 October 2006
Süddeutsche Zeitung
18
German
Copyright 2006 Süddeutsche Zeitung

Es geht um Einsamkeit in diesem Buch, die Einsamkeit des Turmspringers kurz vor dem Sprung. Um die Faszination, um die Macht, die er ausübt in diesem Moment. „Und dann dieses Schweigen der Menge, diese Erwartung. Hunderte von Augen waren auf ihn gerichtet, auf Darren Flynn in seiner Speedo-Badehose in denSchulfarben.”

Seit ein paar Jahren schreibt Joyce Carol Oates, die große Chronistin amerikanischer Psychosen (unter anderem jener der Marilyn Monroe, „Blond”), auch Bücher für jugendliche Leser. In „Sexy”, ihrem vierten, schildert sie eine amerikanische Kleinstadtwelt, ganz dicht und lässig zugleich, in wunderbarem Wechsel der Stimmungen und Perspektiven: Essen, Sex, Sport. Die Freunde, die Eltern, der Bruder. Winter, Vorweihnachtstage, Ferien. Ein Junge, der mit Erwartungen nicht zurechtkommt, den eigenen, denen der anderen. Darren Flynn, 16 Jahre, erfolgreich im Spring- wie im Schwimmteam der North Falls High, Schuhgröße 44, sexy, könnte glatt als jüngerer Bruder von Brad Pitt durchgehen . . . Dass seine Eltern nicht zur gut situierten Oberschicht gehören, drängt ihn in eine trotzige Außenseiterposition. Die Sexualität bringt, altersbedingt, neue Erfahrungen, über die Wörter, die im Kabelfernsehen kommen – geil, steif, ficken –, und in Gestalt der Mädchen in der Schule. „Er sah in ihren Augen, was sie dachten, und es widerte ihn an, es erschreckte und erregte ihn zugleich, zu wissen, welche Macht er besaß. Nur dass es nicht wirklich seine Macht war. Und dass er diese Macht gar nicht wollte.”

Da sind die Blicke der Mädchen, aber auch Blicke der Männer. Von Mr. Tracy, dem Englischlehrer, der so leidenschaftlich ist, wenn es um die Literaturgeht – aber auch persönlich. Einmal bringt er nach dem Training Darren nach Hause in seinem Toyota, spendiert ihm eine Zimtschnecke, bietet ihm eine Freundschaft an. Darren hat das Gefühl von Klebrigkeit nach dieser Begegnung, daher reagiert er zurückhaltend, als Mr. Tracy Opfer einer gemeinen Intrige der Mitschüler wird. Die Polizei ermittelt, man spricht von Homosexualität, Pädophilie. Der „schlimmste Albtraum” – verzweifelt wendet sich Mr. Tracy an Darren, bittet um eine Aussage zu seinen Gunsten. Darren schweigt, die Verantwortung, die seine Macht bringt, ist zu groß. Die Bilder, die Mr. Tracy von ihm machte, Dokumente einer empfindsamen Beziehung, verbrennt er, ein ritueller Akt. In einem Gespräch im Klassenzimmer hatte der Lehrer ihm den Zusammenhang von Freiheit und Verpflichtung angedeutet, anlässlich eines Aufsatzes über Henry David Thoreau: „Schlag den Begriff Anarchist nach und definiere ihn. Dann setz dich mit der Frage auseinander, wie die Welt aussähe, wenn wir alle Anarchisten wären. Was würde ohne Gesetzgebung aus der Zivilisation? Thoreau ist ein Mystiker, und trotzdem vertritt er den Standpunkt: Jeder sein eigenes Gewissen.”

FRITZ GÖTTLER

JOYCE CAROL OATES: Sexy. Aus dem Amerikanischen von Birgitt Kollmann. Carl Hanser Verlag, München 2006. 208 Seiten, 14,90 Euro.

A40153231
Previous | Next

Angst vor dem großen Sprung; In „Sexy” erzählt die amerikanische Erfolgsautorin Joyce Carol Oates von Freiheit, Macht und Verantwortung der Jugend
SDDZ000020061006e2a600028
Kinder- und Jugendliteratur
469 Words
06 October 2006
Süddeutsche Zeitung
18
German
Copyright 2006 Süddeutsche Zeitung

Es geht um Einsamkeit in diesem Buch, die Einsamkeit des Turmspringers kurz vor dem Sprung. Um die Faszination, um die Macht, die er ausübt in diesem Moment. „Und dann dieses Schweigen der Menge, diese Erwartung. Hunderte von Augen waren auf ihn gerichtet, auf Darren Flynn in seiner Speedo-Badehose in den Schulfarben.”

Seit ein paar Jahren schreibt Joyce Carol Oates, die große Chronistin amerikanischer Psychosen (unter anderem jener der Marilyn Monroe, „Blond”), auch Bücher für jugendliche Leser. In „Sexy”, ihrem vierten, schildert sie eine amerikanische Kleinstadtwelt, ganz dicht und lässig zugleich, in wunderbarem Wechsel der Stimmungen und Perspektiven: Essen, Sex, Sport. Die Freunde, die Eltern, der Bruder. Winter, Vorweihnachtstage, Ferien. Ein Junge, der mit Erwartungen nicht zurechtkommt, den eigenen, denen der anderen. Darren Flynn, 16 Jahre, erfolgreich im Spring- wie im Schwimmteam der North Falls High, Schuhgröße 44, sexy, könnte glatt als jüngerer Bruder von Brad Pitt durchgehen . . . Dass seine Eltern nicht zur gut situierten Oberschicht gehören, drängt ihn in eine trotzige Außenseiterposition. Die Sexualität bringt, altersbedingt, neue Erfahrungen, über die Wörter, die im Kabelfernsehen kommen – geil, steif, ficken –, und in Gestalt der Mädchen in der Schule. „Er sah in ihren Augen, was sie dachten, und es widerte ihn an, es erschreckte und erregte ihn zugleich, zu wissen, welche Macht er besaß. Nur dass es nicht wirklich seine Macht war. Und dass er diese Macht gar nicht wollte.”

Da sind die Blicke der Mädchen, aber auch Blicke der Männer. Von Mr. Tracy, dem Englischlehrer, der so leidenschaftlich ist, wenn es um die Literatur geht – aber auch persönlich. Einmal bringt er nach dem Training Darren nach Hause in seinem Toyota, spendiert ihm eine Zimtschnecke, bietet ihm eine Freundschaft an. Darren hat das Gefühl von Klebrigkeit nach dieser Begegnung, daher reagiert er zurückhaltend, als Mr. Tracy Opfer einer gemeinen Intrige der Mitschüler wird. Die Polizei ermittelt, man spricht von Homosexualität, Pädophilie. Der „schlimmste Albtraum” – verzweifelt wendet sich Mr. Tracy an Darren, bittet um eine Aussage zu seinen Gunsten. Darren schweigt, die Verantwortung, die seine Macht bringt, ist zu groß. Die Bilder, die Mr. Tracy von ihm machte, Dokumente einer empfindsamen Beziehung, verbrennt er, ein ritueller Akt. In einem Gespräch im Klassenzimmer hatte der Lehrer ihm den Zusammenhang von Freiheit und Verpflichtung angedeutet, anlässlich eines Aufsatzes über Henry David Thoreau: „Schlag den Begriff Anarchist nach und definiere ihn. Dann setz dich mit der Frage auseinander, wie die Welt aussähe, wenn wir alle Anarchisten wären. Was würde ohne Gesetzgebung aus der Zivilisation? Thoreau ist ein Mystiker, und trotzdem vertritt er den Standpunkt: Jeder sein eigenes Gewissen.”

FRITZ GÖTTLER

JOYCE CAROL OATES: Sexy. Aus dem Amerikanischen von Birgitt Kollmann. Carl Hanser Verlag, München 2006. 208 Seiten, 14,90 Euro.

A40153231
Previous | Next

Zweiter Rücktritt in Sex-Affäre um Republikaner in den USA
AFPDE00020061005e2a50018q
JAH
348 Words
05 October 2006
09:53 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2006 All reproduction and presentation rights reserved.

Washington, 5. Oktober (AFP) -

Knapp einen Monat vor den Kongresswahlen in den USA wird die Sex-Affäre um einen republikanischen Abgeordneten immer mehr zur Belastung für die Partei von Präsident George W. Bush. Am Mittwoch (Ortszeit) trat ein enger Mitarbeiter des einflussreichen Abgeordneten Tom Reynolds in der Affäre um mutmaßliche sexuelle Belästigungen junger Kongressmitarbeiter zurück. Bürochef Kirk Fordham begründete seine Entscheidung damit, dass vor den Wahlen möglichen politischen Schaden von Reynolds abwenden wolle. Fordham ist ein enger Freund des bereits zurückgetretenen republikanischen Abgeordneten Mark Foley, der teils minderjährige Kongresspagen sexuell belästigt haben soll.

"Es ist klar, dass die Demokraten mich zu einem politischen Problem im Wahlkampf meines Chefs machen wollen, und ich werde es ihnen nicht erlauben", erklärte Fordham. Der Fernsehsender ABC berichtete, Fordham habe vor drei Jahren den engsten Mitarbeiter des Präsidenten des Repräsentantenhauses, Dennis Hastert, über Foleys Fehlverhalten informiert. Dem Republikaner Hastert sei der Fall Foley zu Ohren gekommen. Zuvor hatte ABC berichtet, dass Foley einigen im Kongress angestellten jungen Männern unmissverständliche E-Mails geschrieben und vermutlich sogar eine Beziehung mit einem 16-Jährigen gehabt habe.

Führende Demokraten im Kongress forderten persönliche Konsequenzen der Republikaner-Führung. "Es ist klar, dass das ungebührliche, unmoralische und möglicherweise kriminelle Verhalten bekannt war, und die Führungsspitze hat nichts dagegen getan", sagte Senatorin Dianne Feinstein. "Die Führung sollte gehen." Das Vertrauen der Öffentlichkeit sei schwer beschädigt.

Aus den Reihen der Republikaner wurde der Ruf nach einem Rücktritt Hasterts jedoch zurückgewiesen. Stattdessen wurde weiter Empörung über Foley geäußert, dessen Erklärungsversuche, er sei selbst als Jugendlicher von einem Geistlichen sexuell missbraucht worden, als unzureichend abgetan wurden. Foley hatte sich als Abgeordneter unter anderem dadurch hervorgetan, dass er sich gegen Pädophilie engagierte.

"Er (Foley) hat sich selbst diffamiert, er hat den Kongress diffamiert", erklärten die prominenten republikanischen Abgeordneten Mike Pence und Joe Pitts. Bei den am 7. November anstehenden Kongresswahlen waren Foley gute Chancen eingeräumt worden, seinen demokratischen Herausforderer Tim Mahoney zu besiegen. Die Republikaner könnten am 7. November erstmals seit 1994 ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus wieder an die Demokraten verlieren.

jah/ju

Previous | Next

Die Republikaner sind in Nöten
STUGTR0020061005e2a500018
Politik
Koar, Jürgen
433 Words
05 October 2006
Stuttgarter Zeitung
4
German
(c) 2006, Stuttgarter Zeitung Ansprechpartner: 0049-711-7205-782

Nun verbreitet auch noch ein Sexskandal in Amerika kurz vor der Wahl schlechte Stimmung

Ein republikanischer Abgeordneter sendete Textbotschaften mit sexuellem Inhalt an minderjährige Knaben und trat zurück, als die Medien Wind davon bekamen. Jetzt steht die Parteiführung am Pranger: Schlechte Nachrichten kurz vor den Kongresswahlen.

Von Jürgen Koar, Washington

Das "Pagen"-Programm ermöglicht jungen Amerikanern in Washington politische Atmosphäre zu schnuppern. Als Praktikanten erledigen sie für ein paar Monate im Kongress Telefondienste und Botengänge. Die oft noch minderjährigen Helfer stehen unter der Obhut von Abgeordneten und Senatoren. Ausgerechnet Mark Foley, der als Vorsitzender des Ausschusses für vermisste und ausgebeutete Kinder gegen sexuelle Belästigung und gegen Internet-Pädophilie zu Felde zog, wurde nun als Moralapostel mit Doppelmoral enttarnt. Seine E-Mails und SMS-Botschaften an die Adresse minderjähriger Pagen männlichen Geschlechts reichten von zweideutigen Annäherungsversuchen bis zum - nach Medienberichten - Internetsex. Dieser habe manchmal sogar kurz vor wichtigen Abstimmungen im Repräsentantenhaus stattgefunden.

Der Fernsehsender ABC brachte den Skandal an die Öffentlichkeit, und Foley trat am Freitag umgehend zurück. Sein Anwalt David Roth ließ inzwischen wissen, sein Mandant habe sich wegen "schwerer Alkohol- und Verhaltensprobleme" in eine Rehabilitationsklinik begeben. Foley, ein Katholik, sei im Alter zwischen 13 und 15 Jahren von einem Geistlichen sexuell belästigt worden, er sei schwul und sei seinem sexuellen Drang unter dem Einfluss von Alkohol gefolgt, aber immer nur mit Worten, nie mit Taten. Das Geständnis solle die Besserung einleiten, stellte Anwalt Roth vor der Presse fest, und nicht etwa Foleys Verhalten entschuldigen.

Damit könnte ein weiteres unschönes Kapitel in der Skandalgeschichte des Kongresses abgeschlossen sein, wären die Opfer nicht schutzlose Kinder, hätte der Sünder sich nicht gerade als Vorkämpfer moralischer Werte dargestellt - und würde nicht am 7. November gewählt. Da die Republikaner um ihre Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses, im Senat, vor allem aber im Repräsentantenhaus, bangen müssen, macht der spektakuläre Fall des Abgeordneten eine Niederlage noch wahrscheinlicher. In Florida, wo Mark Foley sechs Mal als Abgeordneter wiedergewählt wurde, bleibt sein Name auf dem Stimmzettel. Das Mandat wird wohl ein Demokrat erhalten. Die Opposition braucht nur 15 Zugewinne, um die Republikaner im US-Repräsentantenhaus zu überrunden.

Der Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Senat, Harry Reid, unterstellt den Republikanern, von dem Problem gewusst und es vertuscht zu haben, um im Wahljahr einen wichtigen Kongresssitz zu schützen. Die Republikaner versuchen nun ein Opferlamm zu finden. Dennis Hastert, der republikanische Präsident des Abgeordnetenhauses, weigert sich zurückzutreten, nachdem ihm vorgeworfen wird, seine Aufsichtspflicht verletzt zu haben. Präsident Bush äußerte sich entsetzt über die Geschehnisse.

Der zurückgetretene Mark Foley Foto AP

Mark Foley musste zurücktreten. Foto AP

Previous | Next

Armut, Tiger und Bollywood
STUGTR0020061004e2a400010
Literaturbeilage
Patzer, Georg
785 Words
04 October 2006
Stuttgarter Zeitung
3
German
(c) 2006, Stuttgarter Zeitung Ansprechpartner: 0049-711-7205-782

DAS TASCHENBUCH ZUM MESSESCHWERPUNKT

Sie ist zwölf und etwas frühreif und hat ihre ältere Schwester Sangeeta immer bewundert. Und Sangeeta soll heiraten, Nikhil, er ist geduldig, "freundlich, zärtlich und gut aussehend". Ein Traum. Aber dann erzählt sie, einen Tag vor der Hochzeit, dass ihr Schwager Abhinay sie vergewaltigt hat. Alles würde er abstreiten, sie schämt sich, sie weiß nicht, was sie tun soll. Sie schweigt. Die Ehe wird die Hölle, denn Abhinay hört nicht auf. Sangeeta schweigt weiter, und ihre Schwester ist auch hilflos. Als sich Sangeeta dann blutig rächt, ist es längst zu spät. Vergewaltigung in der Ehe und Fremdgehen, die übermächtige Macht der Mutter und das Schweigen: in zwölf Geschichten wird erzählt, wie es in Indien zugeht. Aber hier rascheln nicht nur Saris, knistert nicht nur Papadam, es gibt grausige Massaker und rasende Eifersucht, abgetriebene Kinder und sexuellen Wahn. Susheela verwandelt sich in eine giftige Schlange und wird erst dadurch zum vollständigen Menschen, ein Mädchen sieht einen Hausgeist unter dem Pipalbaum und wird erwachsen. Ehe und Nachwuchs scheinen immer noch ganz wichtig zu sein, oft erzählen die Geschichten davon. So ist Indien wohl doch noch traditioneller, als wir glauben.

Frauen in Indien. Hg. von Urvashi Butalia. dtv Nr. 13508. 220 Seiten, 8,50 Euro.

Es beginnt wie in einem Märchen. Alle sind arm, aber glücklich, sie leben wie alle ihre Vorfahren. Rukmani ist die vierte Tochter, und sie bekommt, als sie von ihren Eltern verheiratet wird, als Mitgift nicht einmal einen diamantenen Nasenschmuck. Auch ihr Mann Nathan ist arm, ein Pächter seines Landes, hat seine Hütte aber eigenhändig gebaut. Sie bearbeiten ihre Felder, bekommen Kinder, sparen für die Mitgift. Aber dann kommen die Weißen. Sie bauen eine Gerberei und verändern alles: Es gibt jetzt Arbeit, aber das Leben wird teurer. Es kommen fremde Arbeiter, und die Sitten verändern sich. Im Rückblick erzählt Rukmani ihr Leben, mit einfachen Worten berichtet sie von ihrem Schicksal, das sie ohne Jammern auf sich nimmt. Die Gerberei beschreibt sie als "großes, wucherndes Gewächs", das die Menschen verschlingt. Fortschritt? Gilt für sie gar nicht. Sehr direkt und manchmal lyrisch erzählt Markandaya von einer Frau, die ganz selbstverständlich ihre Rolle ausfüllt. Prostitution und Hungertod? Kommt auch vor, aber so ist das Leben, ganz unausweichlich. Besser gar nicht erst darüber reden. So wird das Buch unmerklich, trotz aller versöhnlichen Töne, zu einer bitteren Anklage, einem düsteren Bild von Unterdrückung und Lethargie.

Kamala Markandaya: Nektar in einem Sieb. Union TB Nr. 359 273. 274 Seiten, 9,90 Euro.

Bengalen: das ist für manche der Kern Indiens, die prallste Gegend, das dämpfigste Land. In die Mangrovenwälder der Sundarbans, im Mündungsdelta des Ganges und des Brahmaputra, in dem sogar noch Königstiger frei leben, geht die amerikanisch-indische Meeresbiologin Piya auf die Suche nach Flussdelfinen und trifft auf den Fischer Fokir und Kanai Dutt, einen Übersetzer und Single aus Delhi, der die alten Notizbücher seines Onkels liest, der immer wieder Rilke zitiert. Natürlich gibt es eine Dreiecksgeschichte. Aber wie! Denn Amitav Ghosh hat eine ausufernd barocke Art zu erzählen, er schreibt Bücher, in die man sich hineinfallen lassen kann, bunt, prall, ausladend, überbordend: Bollywoodliteratur, aber nie platt. Drei Lebensgeschichten (mindestens) und mehrere Liebesgeschichten verwebt er in zwei Erzählsträngen miteinander. Seine Lust am Erzählen verbindet sich mit politischer Kritik und historischer Aufklärung, grandiose Naturschilderungen wechseln mit psychologischer Feinfühligkeit, ökologischen Fakten und Alltagsgeschichten, religiöse Reminiszenzen mit biologischen Vorlesungen und hochdramatischen Ereignissen: Ghosh ist ein wahrer Tornado an Sprache.

Amitav Ghosh: Hunger der Gezeiten. btb-TB Nr. 73497. 460 Seiten, 10 Euro.

Drei Namen hat er, aus jeder Religion einen: Ram Mohammed Thomas. Er ist Kellner, wohnt im Slum Dharavi in Mumbai und ist eigentlich völlig ungebildet. Und trotzdem weiß er alle Antworten in der neuen Quizshow "Wer wird Milliardär". Kann nicht sein? Das denken auch die Produzenten, die das Geld noch gar nicht haben und einen Polizisten bestechen, ihn zu überführen, und sei es durch Folter. Aber dann kommt eine Anwältin und befreit ihn. Ihr (und uns) erzählt er sein Leben, das voller Mord, Pädophilie und Zwangsprostitution ist, ein bitteres, schockierendes, leider ganz normales Leben. Viel hat er gelernt in Elendsvierteln, Fürstenpalästen und in der Villa einer gealterten Filmdiva. Mehr (und vor allem völlig anderes) als auf der Universität. Drastisch und grob und gleichzeitig sachlich werden wir darauf gestoßen, dass hinter all dem Bollywoodglitzer und -glamour auch das Elend lauert. Dabei ist das Buch auch komisch und farbenfroh wie die bunten Spielfilmchen und gewöhnlich und abstrus wie die grausigen Vorabendserien: sehr indisch, sexy, laut und bunt, gewalttätig und fantastisch, realistisch und abstrus, romantisch und jämmerlich, ein scharfes und manchmal witziges Abbild einer unvorstellbaren Realität.

Vikas Swarup: Rupien, Rupien! Kiwi-TB Nr. 954. 346 Seiten, 8,95 Euro.

Von Georg Patzer

Previous | Next

Tausend Menschen demonstrierten gegen Pädophilie
APDEW00020060930e29u0012z
178 Words
30 September 2006
15:43 GMT
AP German Worldstream
German
Copyright 2006. The Associated Press. All Rights Reserved.

Sechster »Marche blanche« - Teilweises Berufsverbot für Pädophile gefordert

Bern (AP) - Rund 1.000 Menschen haben am Samstag in Bern, Lausanne und Bellinzona am sechsten »Marche blanche« der gleichnamigen Kinderschutzorganisation teilgenommen. In einer Petition forderten sie, dass verurteilte Pädophile keine Berufe mit Kontakt zu Kindern ausüben dürfen.

Rund 500 Menschen zogen in Lausanne umsäumt von Ballonen vom Stadtzentrum ins Quartier Ouchy, wie die Präsidentin des Vereins »Marche blanche«, Christine Bussat, sagte. In Bern nahmen rund 200 Menschen am Marsch teil, in Bellinzona waren es etwa 300. Als Zeichen ihrer Solidarität fuhr ein Konvoi von 150 Motorradfahrern von Lausanne in die Bundesstadt.

Zudem lancierte der Verein »Marche blanche« eine nationale Petition, die verurteilten Pädophilen verbieten will, einen Beruf mit Kontakt zu Kindern auszuüben. Weiter sollen Straffällige verpflichtet werden, während des Vollzugs eine Therapie zu besuchen. Eine Haftstraffe verringere die sexuell perversen Tendenzen der meisten Pädophilen nicht, betonte Bussat.

Bereits im vergangenen März hatte der Verein eine Initiative mit 120.000 Unterschriften eingereicht, die forderte, dass Taten der Kinderpornografie nicht verjähren.

Ende

ap/aw/cw

7
Previous | Next

NEUKÖLLNER OPER "Orlando" von Georg Friedrich Händel - die Neufassung der Oper von Wolfgang Böhmer und Rainer Holzapfel - Nah am Inzest
BERLRZ0020060929e29t000ap
Spielplan
VERLAGSBEILAGE, SPIELPLAN
434 Words
29 September 2006
Berliner Zeitung
T11
German
(c) 2006 Berliner Zeitung

Zu Beginn des 16.

Jahrhunderts. fabulierte Ludovico Ariost in seinem maßlosen Epos "Orlando furioso" von Rittern, die aus Effektivitätsgründen schon mal zehn Gegner gleichzeitig auf eine Lanze spießen können, von Frauen, die immer schön, immer sexuell willig und immer

so jung sind, dass die Geschichten sich meist an der Grenze zur Pädophilie bewegen, und von Ungeheuern und Zauberern, die jedem heutigen Fantasyfilm den Rang ablaufen.

Händel macht 200 Jahre später in seinem "Orlando" selbigen dann zu einem Vorboten der Empfindsamkeit: Ein Weichling, der von Kämpfen und Krieg nichts mehr wissen will, dessen Vorbilder Helden sind, die in Frauenkleidern herumlaufen, der sich

herausnimmt, wie eine Frau zu weinen, der dafür aber auch seine bürgerliche Existenz preiszugeben bereit ist: Händels Orlando will lieber einen Wahnsinn leben als in einer traditionellen und für ihn nicht mehr passenden Geschlechterrolle zu e

rsticken.

Noch einmal knapp drei Jahrhunderte später erzählt der Regisseur Rainer Holzapfel an der Neuköllner Oper "Orlando" als gegenwärtige Geschichte einer auseinander brechenden Familie.

Aus der bei Händel angelegten psychologischen Griffigkeit und Tiefe der Figuren werden konkrete Charaktere innerhalb eines genau definierten sozial-gesellschaftlichen Zusammenhang entwickelt:

Der allein erziehende Vater, der den Rest an familiärem Zusammenhalt durch Hausmusik zu gewährleisten versucht; der älteste Sohn, der eigentlich ein Mädchen ist und jetzt endlich auch als solches leben möchte; der durch die pubertären Metamorphosen

verunsicherte kleinere Bruder, der von Liebe und Sexualität gar nichts wissen möchte und gerade dadurch zum begehrenswerten und manipulierbaren Objekt wird; die Cousine, die ihre Cousins als Trainingseinheiten für eine spätere Ehe mit dem dann zu er

wartenden Idealgatten nutzt; und schließlich die Haushälterin, die sich nimmt, was sie kriegen kann und auch vor Vergewaltigung nicht zurückschreckt.

In dieser Produktion prallen die gegensätzlichen Vorstellungen von Liebe, von sexueller Identität und vom Umgang mit Tradition(en) aufeinander und sorgen für ein explosives Gemisch.

Wer kann sich durchsetzen?

Wer sich befreien?

Und: Darf Orlando als Frau leben oder nicht?

------------------------------

Orlando Oper von Georg Friedrich Händel.

Neu gefasst von Wolfgang Böhmer und Rainer Holzapfel.

Musikalische Leitung: Hans-Peter Kirchberg, Inszenierung: Rainer Holzapfel, Dramaturgie: Bernhard Glocksin, Ausstattung: Lisa Brzonkalla.

PREMIERE am 28.

September.

Schöne Müllerin Neu gefasst von

Cordula Däuper und Oliver Müller.

Musikalische Leitung/Klavier: Markus Zugehör, Inszenierung: Cordula

Däuper; Ausstattung und Video: Jan Müller.

Mit Benedikt S.

Zeitner und Cathrin Romeis.

PREMIERE am 15.

Oktober.

Neuköllner Oper, Karl-Marx- Straße 131-133, 12043 Berlin.

Kartentelefon: (030) 68 89 07 77

E-Mail: tickets@neukoellneroper.de

------------------------------

Foto: "Sag mir: wohin?" -

Susanne Langner als Orlando.

Previous | Next

Noch gibt es keine Datenbank auf nationaler Ebene
TANZ000020060927e29r0002d
Inland
Annette Müller
267 Words
27 September 2006
Tages Anzeiger
4
German
(c) 2006 Tages Anzeiger Homepage Address: http://www.tages-anzeiger.ch

Straffällige Lehrer werden seit 2004 national erfasst. Für ein eigenes Pädophilenregister gab es Pläne, umgesetzt wurden sie aber nicht.

Die Vorstellung ist unangenehm: Man stellt als Verantwortlicher einen Lehrer oder Pfarrer ein. Oder es wird ein Politiker gewählt. Und dann zeigt sich im Nachhinein, dass der Betreffende in der Vergangenheit Kinder missbraucht hat. Seit einigen Jahren gibt es Bestrebungen, dies zu verhindern. Anfang 2004 hat die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) eine Datenbank geschaffen. Die Kantone melden der EDK Lehrpersonen, denen die Unterrichtsbefugnis entzogen wurde. Der Grund für den Entzug wird jedoch nicht erfasst. Es kann sich um ein Delikt im Zusammenhang mit Sucht, Gewalt oder auch Pädophilie handeln. Auf schriftliche Anfrage von Schulbehörden hin erteilt die EDK dann Auskunft, ob jemand auf der Liste steht oder nicht.

Eine Frage des Datenschutzes

Die Vereinigung der Schweizerischen Datenschutzbeauftragten (DSB) kritisierte damals, dass die rechtliche Grundlage für diese Datenbank erst explizit geschaffen werden müsse. Das wurde inzwischen gemacht, und sie soll Mitte 2007 in Kraft treten. Bestrebungen gab es ausserdem für die spezifische Erfassung von Pädophilen auf nationaler Ebene. Pläne lagen etwa im Bundesamt für Sport vor. Dieses Vorhaben scheiterte am Datenschutz. Die DSB bot an, bei der Erstellung von rechtlichen Grundlagen Hand zu bieten, um die Registrierung von mutmasslichen und verurteilten Kinderschändern zu ermöglichen. Aber: «Auf Bundesebene gibt es meines Wissens aktuell keine Datenbankprojekte mehr», sagt DSB-Präsident Bruno Baeriswyl. Momentan sei das Verlangen eines Strafregisterauszuges das einzige Instrument, die Vergangenheit zu überprüfen. Diesen Auszug zu verlangen, erachtet Baeriswyl als legitim, gerade in heiklen Berufen.

Previous | Next

Gewonnenes Vertrauen brutal ausgenützt
AARGZ00020060927e29r00003
543 Words
27 September 2006
Aargauer Zeitung
German
© 2006 AARGAUER ZEITUNG. Sämtliche Rechte zu Artikeln der AARGAUER ZEITUNG sind vorbehalten. Jede Verwendung, die die in Ihrem Factiva-Kundenvertrag geregelten Rechte überschreitet, nur unter Genehmigung der Redaktion. Kontaktaufnahme per Email unter redaktion@azag.ch.

Baden Das Bezirksgericht verurteilt einen 30-jährigen mehrfachen Kinderschänder zu 3 Jahren Zuchthaus

Rosmarie Mehlin

Es hätte niemals passieren dürfen und es tue ihm sehr leid, versicherte Richi (alle Namen geändert) vor Gericht. Angeklagt der mehrfachen Schändung und sexuellen Handlungen mit Kindern, sass da ein gutmütig wirkender übergewichtiger 30-Jähriger in verwaschenem T-Shirt und Jeans. Seit 15 Monaten ist er hinter Gittern, geht regelmässig zu einem Psychologen, «um herauszufinden, warum ich so bin und warum ich das gemacht habe».

Am Anfang ein «netter Bekannter»

Zwischen Sommer 1996 und Sommer 2005 waren vier Kinder seine Opfer geworden. Alle lebten in sozial unterprivilegierten Verhältnissen und bei alleinerziehenden Müttern, sind schwach, zwei von ihnen leiden am Psycho-Organischen Syndrom (POS). Richi lernte zunächst ihre Mütter kennen, war hilfsbereit, freundlich, unterstützte die Kinder bei den Hausaufgaben, gestaltete ihre Freizeit mit, die Mütter waren dankbar und ahnten nicht, dass der nette Bekannte die Beziehungen zu ihren Kindern schon sehr rasch stark sexualisierte und das sorgsam erworbene Vertrauen brutal missbrauchte.

Erst Alkohol, dann Übergriffe

Angefangen hatte es mit einem 13-jährigen Mädchen, dem er gegen Geld Küsse abforderte. Später machte er sich an seinen sechs Jahre jüngeren Bruder heran: Als dieser bei ihm übernachtete, befriedigte Richi sich mehrfach an dem schlafenden Buben. Dasselbe geschah einige Jahre später mit dem damals 10-jährigen Jürg, den er überdies auch tagsüber mal am Geschlechtsteil ausgriff, dem er gegen dessen Willen einen Zungenkuss gab und vor dessen Augen Richi auch onanierte. Am abscheulichsten nutzte Richi das Vertrauen des knapp 12-jährigen POS-Buben Kevin aus, an dem er über fast ein Jahr hinweg unter anderem sogar orale und anale Übergriffe vornahm, wobei er dem Knaben einige Male vorgängig Wodka kredenzte. Als Kevin eines Tages seiner Mutter vom Vorgefallenen erzählte und diese Richi zur Rede stellte, zeigte der sich bei der Polizei selber an: Er gab alles zu, auch was er den drei anderen Kindern angetan hatte.

Unreif und pädophil

Auch gestern vor Bezirksgericht Baden, wo Jürg und Kevin mit ihren Müttern, zahlreichen weiteren Angehörigen und Rechtsvertretern der Verhandlung beiwohnten, stand der 30-Jährige zu seinen Untaten. Ein Gutachten attestiert ihm Pädophilie, eine unreife Persönlichkeit und geistig mangelhafte Entwicklung. Eine handwerkliche Lehre hatte er erfolgreich absolviert; eine zu Beginn der Rekrutenschule erlittene Hirnhautentzündung hatte seine Gesundheit bleibend geschädigt und ihn beruflich aus der Bahn geworfen. Der Staatsanwalt anerkannte zwar eine leichte Verminderung von Richis Zurechnungsfähigkeit - und auch, dass er letztlich nie Gewalt oder psychischen Druck ausübte -, doch das Verschulden sei dennoch gravierend: «Solche Eingriffe in die körperliche und seelische Integrität von Kindern sind aufs Schärfste zu verurteilen», sagte er. Richi sei raffiniert und zielstrebig vorgegangen, indem er den Kindern mitunter vorgängig Alkohol abgegeben und Pornofilme vorgeführt habe: Drei Jahre Zuchthaus forderte der Ankläger.

15 000 Franken Genugtuung

Die Verteidigerin erachtete eine zweijährige Gefängnisstrafe für den Kinderschänder als angemessen. Immerhin habe ihr Mandant sich selber angezeigt, alles ohne Umschweife zugegeben und schäme sich sehr, seit er durch die Therapie realisiere, was er den Kindern angetan habe. Das Gericht unter Vorsitz von Peter Rüegg folgte allerdings einstimmig den Anträgen des Staatsanwaltes: Drei Jahre Zuchthaus und die Anordnung einer den Strafvollzug begleitenden Therapie, so das Verdikt. Jürg wurde überdies eine Genugtuung von 9000 Franken zugesprochen, Kevin eine solche von 15 000 Franken.

Previous | Next

«Oh Leibacher, mein Freund! Danke für alles!»
BASLRZ0020060927e29r0002n
schweiz
Sabine Windlin, Zug
1155 Words
27 September 2006
Basler Zeitung
9
German
(c) 2006 Basler Zeitung Homepage Address: http://www.baz.ch

Friedrich Leibacher, der vor fünf Jahren in Zug ein Blutbad anrichtete, ist ein Vorbild - für allerhand Querulanten

Just fünf Jahre nach dem Zuger Attentat bedroht wieder ein Mann Behördenmitglieder mit dem Tod. Der Grund: Er schafft seit Jahren die Matura nicht.

Er sitzt angespannt hinter dem Tisch, der ihn von den Richtern trennt. Ein 25-jähriger Mann mit Kurzhaarschnitt, der zur beigen Bundfaltenhose ein weisses Polohemd trägt. Mit der kleinen Brille auf der Nase und einer Haut von schier knabenhafter Weichheit sieht er aus wie ein strebsamer Student - und das ist er auch.

Roland Mutter* versucht seit Jahren, die Maturität zu erlangen. Das Gymnasium hat er kurz vor Ende geschmissen, jedoch beschlossen, den Abschluss auf eidgenössischem Weg nachzuholen. Im Winter 2004 wurde er infolge verspäteter Anmeldung nicht zur Prüfung zugelassen, im Sommer 2004 wurde er zugelassen, aber wegen Abschreibens disqualifiziert. Im Februar 2005 trat er wiederum an, wurde aber wegen unentschuldigten Fernbleibens ein zweites Mal ausgeschlossen. «Ich will diese Matura», sagte er auch vor Gericht, wo er am 11. September wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung, Drohung und Nötigung zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt wurde. «Meine Existenz beruht auf diesem Abschluss.»

ERSCHRECKENDE PARALLELEN. Roland Mutter ist nicht in der Lage, seine berufliche Niederlage zu akzeptieren, und bedroht stattdessen Justiz, Behörden bis hin zu Bundesräten. Für den Kanton Zug ist der junge Mann zu einer Art Testfall geworden, denn er weist in seinem Verhalten erschreckend viele Parallelen zum Todesschützen Friedrich Leibacher auf, der am 27. September 2001 in einem beispiellosen Attentat im Regierungsgebäude vierzehn Menschen erschossen hat. Entsprechend alarmiert sind die Amtsstellen. «Noch ist nichts passiert», betonten die Richter während der Verhandlung. «Noch nicht».

Doch im Verlaufe der letzten zwei Jahre hinterlässt Roland Mutter immer wieder seine Spuren. Er versprayt die Aula und die Toiletten der Universität Bern (wo er die Prüfung vermasselte), die Gartenmauer und den Briefkasten eines Mitglieds der Maturitätskommission, und verunstaltet das Treppenhaus des Staatssekretariats für Bildung und Forschung (SBF). Gegenüber den Beamten des SBF hegt er einen besondern Groll. Sie sind zuständig für die Durchführung der eidgenössischen Maturitätsprüfungen und somit, findet Mutter, verantwortlich für sein Scheitern.

In Tat und Wahrheit zeigen sich die Behörden äusserst verständnisvoll und geben dem uneinsichtigen Kandidaten immer wieder eine Chance. Der Prüfling ist nämlich zweimal nach altem Maturareglement durchgeflogen und durfte anschliessend unter der neuen Ordnung nochmals antreten. Als er dann beim dritten Anlauf eine Maturaarbeit einreicht, die er aus dem Internet zusammengeklaut hat, bringt man allerdings kein Verständnis mehr auf und teilt dem Fallierten mit, er könne nun nicht mehr an den Prüfungen teilnehmen. Mutter flucht, schreit und warnt: Wenn er die Prüfungspläne nicht sofort erhalte, werde der SBF-Beamte etwas erleben: «Ich weiss genau, wo Sie wohnen.»

Er selber sieht sich bereits als Student in den Vorlesungen der Universität Zürich und bezahlt die 50 Franken Immatrikulationsgebühr schon mal ein. Bei der Geschäftsprüfungskommission des Parlaments deponiert er zwischenzeitlich wegen der Nichtzulassung Beschwerde. Kurz darauf bezichtigt er einen Richter, der ihn zuvor wegen Körperverletzung verurteilt hat, in einem Brief der Pädophilie mit dem Vermerk: «Megaauflage!!! 2500 Exemplare». Dass die Unterstellung völlig aus der Luft gegriffen ist, steht für die Arbeitskollegen des Angeschwärzten ausser Frage. Dennoch fragt man sich: Hat der Verfasser des Pamphlets jeglichen Bezug zur Realität verloren? Was, um alles in der Welt, bezweckt er mit den frei erfundenen Vorwürfen?

VERBISSEN UND FRUSTRIERT. Er leide nicht unter einer spezifischen Persönlichkeitsstörung, werden die psychiatrischen Gutachter später sagen. Der Mann sei konfliktunfähig, paranoid und narzisstisch geprägt. Diagnostiziert werden ferner «Störungen der Impulskontrolle» und «depressive Verstimmungszustände», was so viel heisst, dass er sich rücksichtslos und verbissen seinem Frust hingibt. Und der wird immer grösser.

Ziel seiner Hasstiraden ist mittlerweile der oberste politische Verantwortliche, Bundesrat Pascal Couchepin. Nicht dass er ernsthaft glauben kann, der Bildungsminister hätte ein offenes Ohr für ihn. Dafür ist die Wortwahl in den verschickten E-Mails einmal mehr zu primitiv und gewalttätig, wobei «Verrecken Sie» und «Gerne werde ich Ihnen Ihren Sterbetag bekannt geben» noch zu den zitierbaren Stellen gehören. Telefonisch verbunden mit Herrn Couchepin, der sich als allerdings als dessen Bruder Jean-Jules entpuppt, schreit er nächtens ins Telefon: «Meine Matura, meine Matura! Ich gebe Ihnen nicht mehr viel Zeit für meine Matura!»

BANGE FRAGEN. Für das Zuger Untersuchungsrichteramt ist der Zeitpunkt gekommen, Roland Mutter zu inhaftieren und eine Hausdurchsuchung anzuordnen, bei der eine Pistole, ein Wurfmesser und eine Sturmhaube beschlagnahmt werden. Doch Ruhe gibt der Inhaftierte nicht. Im Gegenteil: Weggesperrt hinter Gitter, wird seine Wut noch grösser. Er ist jetzt nur noch ein Akteur des Zorns. Und weil er durch den vorzeitigen Strafvollzug - er ist grösstenteils geständig - sich in weniger strengen Haftbedingungen befindet, hat er sogar die Möglichkeit, weitere Drohbriefe zu verschicken.

Adressatin ist jetzt das kantonale Steueramt. Er wünsche allen «von ganzem Herzen ein zweites 2001», also ein zweites Leibacher-Attentat, lässt er in einer Notiz auf seiner Steuererklärung mitteilen. Die Todesdrohungen sind das Thema in den Büros der Verwaltung, wo sich Angst mit Ratlosigkeit paart. Ist Roland Mutter nur ein harmloser Spinner oder wirklich ein Leibacher-Nachahmer, der eine zweite Schreckenstat plant? Als er gegenüber einem Arzt in der Psychiatrischen Klinik - wohin er mittlerweile verlegt wurde - erklärt, die zuständige Untersuchungsrichterin komme als «Nächste» dran, gewährt die Polizei ihr besonderen Schutz.

MASSLOSE ANWÜRFE. «Andere Leute bestimmten über mein Schicksal.» Diesen Satz hört man immer wieder von Roland Mutter, der sich zu Höherem berufen fühlt und stattdessen in der Tiefe von Hilflosigkeit und Ohnmacht gelandet ist. Richterinnen bezeichnet er generell als «Nutten» und Beamte als «Dreckschmarotzer». Dass alleine seine miserablen Noten und das Schummeln ihn am beruflichen Fortkommen hindern, leuchtet ihm nicht ein; je länger, je weniger.

Seinen Pflichtverteidiger, der unterdessen das Mandat niedergelegt hat, bombardiert er mit bösen Faxen und droht, dessen Kanzlei abzufackeln, falls dieser sich seinen Interessen querstelle. Die Beamten hätten vom 1. Attentat nichts gelernt, darum müsse er ihnen mit einem Blutbad wohl eine zweite Lektion erteilen, heisst es in einem weiteren Schreiben, das von einer Todesliste und einer Ode an den Todesschützen begleitet wird: «Oh Leibacher, mein Freund! Danke für alles, was du getan hast. Schade, dass du die Richtigen nicht erwischt hast. Ihr Zuger kriegt Terror.»

AUSSTEHENDES ERGEBNIS. Die forensisch-psychiatrischen Gutachter sind Anfang dieses Jahres zum Schluss gekommen, dass bei Roland Mutter ein durchaus gefährlicher «Querulantenwahn» besteht. Es sei fraglich, so auch der Richter, ob er nach all seinen Attacken die Gelassenheit besitze, adäquat auf einen allenfalls negativen Prüfungsbescheid zu reagieren. Denn Roland Mutter durfte die Prüfungen im Sinne eines «Gnadenaktes» vor vier Wochen ein allerletztes Mal bestreiten. Ende dieses Monats werden die Resultate bekannt gegeben. Die verängstigten Berner und Zuger Beamten hoffen inständig, dass der Prüfling endlich besteht und der Terror ein Ende nimmt.

Roland Mutter ist so oder so ein freier Mann. Er spazierte nach der Verhandlung gemütlich aus dem Gerichtssaal. Die sieben Monate und zehn Tage, zu denen er verurteilt wurde, hat er ja schon abgesessen.

*Name geändert

BAZ01sch06_1_ZugFallstTFe.xml
Previous | Next

Politiker in Haft wegen Kindersex
AARGZ00020060926e29q00002
481 Words
26 September 2006
Aargauer Zeitung
German
© 2006 AARGAUER ZEITUNG. Sämtliche Rechte zu Artikeln der AARGAUER ZEITUNG sind vorbehalten. Jede Verwendung, die die in Ihrem Factiva-Kundenvertrag geregelten Rechte überschreitet, nur unter Genehmigung der Redaktion. Kontaktaufnahme per Email unter redaktion@azag.ch.

Nachrichten

Der Präsident des Gemeinderats (Legislative) von Chancy im Kanton Genf wurde wegen des Verdachts auf Pädophilie in Haft genommen. Dem 57-Jährigen werden sexuelle Handlungen mit einem neunjährigen Knaben zur Last gelegt. Die Bestürzung in der 1000-Seelen-Gemeinde ist gross. Die Vorwürfe gegen den Mann seien völlig überraschend gewesen, sagte Gemeindepräsident Jean Buhler. (SDA)

Romandie Polizei zerschlägt afrikanischen Geldwäscherring

Die Bundesanwaltschaft hat einen mutmasslichen Geldwäscherring in der Westschweiz ausgehoben. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, seit Jahren Gelder aus dem Drogenverkauf, vermutlich Kokain, in der Romandie via Frankreich nach Westafrika verschoben zu haben. Die beiden Hauptverdächtigen sind in Untersuchungshaft. Im Laufe der Ermittlungen wurden mehr als 700 000 Franken und etwa 20 Handys beschlagnahmt. (AP)

Archäologie Himmelsscheibe vor 3600 Jahren untersucht

Das Material der 3600 Jahre alten «Himmelsscheibe von Nebra» (die MZ berichtete am Freitag), die ab dem 29. September in Basel gezeigt wird, ist bereits in der Bronzezeit von mehreren Handwerkern untersucht worden. Auf der Scheiben-Rückseite zeigt eine etwa sechs Zentimeter lange und einen Millimeter tiefe Kerbe, wie intensiv der Meister die Härte des Scheibenmaterials und die Härte seines eigenen Meissels ausprobierte. Nach den aktuellen Erkenntnissen wurde die Himmelsscheibe fünfmal verändert und funktionierte als komplexe astronomische Uhr, die Sonnen- und Mondkalender miteinander verknüpfte. (SDA)

Leicester Zwei Kampfhunde zerfleischten ein Baby

Zwei Rottweiler bissen in der englischen Stadt Leicester vor den Augen von Pub-Besuchern ein Baby tot. Einer der Hunde riss das fünf Monate alte Mädchen aus seinem Kinderbett und zerrte es auf das Flachdach des Pubs. Dort fielen die Tiere über das Baby her. Das Mädchen starb kurz darauf im Spital. Die als Wachhunde trainierten Rottweiler, die nach dem Angriff eingeschläfert wurden, gehörten den Grosseltern des Mädchens, die Pächter des Pubs sind. (SDA)

Südkorea Regierung sucht Jungbrunnen für Bevölkerung

Südkorea will seine extrem rasch alternde Gesellschaft verjüngen: Seoul wendet in den kommenden zehn Jahren rund 25 Millionen Franken für die Entwicklung von Mitteln auf, mit denen Menschen länger jung bleiben sollen. So kann etwa ein Forscherteam mit Zuschüssen rechnen, das jüngst ein Molekül entdeckte, welches das Altern von Zellen aufhalten und diese sogar wieder jünger machen kann. Die Substanz könnte es künftig ermöglichen, Wunden schneller zu heilen, Anti-Aging-Kosmetika herzustellen und neues Gewebe für Transplantationen zu züchten. Südkorea ist das am schnellsten alternde Land der Welt. (sDA)

Geldtransport Bei Überfall 2,4 Millionen erbeutet

Beim Überfall auf den Geldtransporter eines Casinos erbeuteten Räuber nahe Athen rund 2,4 Millionen Franken. Die mit Maschinengewehren und Vorschlaghämmern bewaffneten Räuber rammten den Transporter zunächst mit einem gestohlenen Lastwagen. Dann schlugen sie die Windschutzscheibe ein und nötigten Fahrer und Beifahrer mit Waffengewalt zur Herausgabe des Geldes. (AP)

Lugano Strafuntersuchung gegen Lega-Boss Bignasca

Die Staatsanwaltschaft hat eine Strafuntersuchung gegen Giuliano Bignasca eröffnet. Es besteht der Verdacht, dass der Tatbestand der Anstiftung zu illegalen Handlungen erfüllt ist. Bignasca hatte zur Demontage der Radargeräte im Tessin aufgerufen. (sda)

Previous | Next

Politiker wegen Pädophilie-Verdacht verhaftet. Der Präsident des Gemeinderats...
NEUZZ00020060926e29q00043
88 Words
26 September 2006
Neue Zürcher Zeitung
1
German
Besuchen Sie die Website der führenden Schweizer Internationalen Tageszeitung unter http://www.nzz.ch

Politiker wegen Pädophilie-Verdacht verhaftet. Der Präsident des Gemeinderats von Chancy im Kanton Genf ist wegen des Verdachts auf Pädophilie in Haft genommen worden. Dem 57-Jährigen werden sexuelle Handlungen mit einem 9-jährigen Knaben zur Last gelegt. Der Angeschuldigte ist seit zehn Jahren Mitglied des Gemeinderats von Chancy. Laut dem Gemeindepräsidenten war er im Kanton Waadt vor zwanzig Jahren wegen sexueller Handlungen mit Kindern verurteilt worden. Davon habe man in Chancy nichts gewusst.(sda)

Previous | Next

Jäger tödlich verunglückt Verdacht auf Pädophilie 47 Tote bei Busunglück Unwetter und Tornados
STGTAG0020060926e29q00021
Schauplatz
139 Words
26 September 2006
St. Galler Tagblatt
8
German
Copyright (c) 2006 St Galler Tagblatt. Besuchen Sie die Website http://www.tagblattmedien.ch/

Im Kanton Zug ist ein 56-jähriger Jäger tödlich verunfallt. Der Mann war am Sonntag als vermisst gemeldet worden. Am frühen Abend wurde er von der Polizei in unwegsamem Gelände bei Unterägeri tot aufgefunden.

Der Präsident des Gemeinderats von Chancy GE ist wegen Verdachts auf Pädophilie verhaftet worden. Dem 57-Jährigen werden sexuelle Handlungen mit einem 9-jährigen Knaben zur Last gelegt.

Ein schweres Busunglück hat am Sonntag in Ecuador 47 Menschen das Leben gekostet, unter ihnen zahlreiche Kinder. Auf einer Gebirgsstrasse hatte der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug verloren. Der Bus überschlug sich.

Schwere Unwetter mit Tornados haben im Mittleren Westen und Süden der USA Überschwemmungen ausgelöst. 14 Menschen kamen ums Leben. Besonders betroffen war der Staat Kentucky.

0000093749
Previous | Next

Anlaufstellen
ZOFNGR0020060925e29p00024
575 Words
25 September 2006
Zofinger Tagblatt
German
© 2006 ZOFINGER TAGBLATT. Sämtliche Rechte zu Artikeln des ZOFINGER TAGBLATT sind vorbehalten. Jede Verwendung, die die in Ihrem Factiva-Kundenvertrag geregelten Rechte überschreitet, nur unter Genehmigung der Redaktion. Kontaktaufnahme per Email unter ztredaktion@ztonline.ch.

Wenn Männer Kinder «lieben»

Kinder als Ziel Es gibt grobe Profile von Erwachsenen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen. Sie helfen, rechtzeitig aufmerksam zu werden.

Silvia Schütz

Für Schlagzeilen sorgt momentan der Fall Natascha Kampusch. Noch ist das Profil des Täters nicht klar. Warum er die Beziehung zu einem jungen Mädchen brauchte, das unter seiner Kontrolle aufwuchs, entzieht sich der Erkenntnis der Fachwelt.

Es gibt indes zahlreiche unspektakulärere Fälle von «Beziehungen» zwischen Männern und Mädchen (oder Jungen), die abseits der Medienaufmerksamkeit geschehen. Experten gehen davon aus, dass jede vierte Jugendliche in der Schweiz schon sexuelle Gewalt erlebt hat. Wegen sexueller Handlungen mit Kindern wurden im Jahr 2004 laut Bundesamt für Statistik (BFS) 355 Täter verurteilt; pro Tag also beinahe ein Fall. Hoch ist der Bedarf an Beratung: Die Fachleute der Opferhilfe wurden im Jahr 2004 schweizweit in rund 4350 Fällen explizit wegen sexueller Integrität von Kindern um Rat gebeten. Und die Kinderschutzgruppe des Kinderspitals Zürichs erfasste im letzten Jahr 74 Fälle von sexueller Ausbeutung an Mädchen und 18 an Knaben.

Was geht in Erwachsenen vor, die sich von Kindern sexuell angezogen fühlen? Christa Huber, Psychotherapeutin und Sexualtherapeutin am Zürcher Institut für klinische Sexologie & Sexualtherapie, referierte in einem Workshop im Rahmen der Tagung «Mädchen sind unschlagbar» über Täterprofile. Sie therapiert seit einigen Jahren verschiedene Täter. Die Fachfrau unterscheidet drei Gruppen von Pädosexuellen: Kernpädosexuelle, regressive Pädosexuelle und - selten - sadistische Pädosexuelle. Den Ausdruck Pädosexuell benutzt sie mit Absicht: «Pädophilie - also Kinderliebhaberei - wirkt verniedlichend.» Untherapierbar und deshalb für die Sexualtherapeutin uninteressant sind sadistische Pädosexuelle mit einer Psychopathie.

Anders verhält es sich mit regressiv Pädosexuellen, die sich sexuell im Prinzip für Gleichaltrige interessieren, doch unter kumuliertem Stress episodisch meist Mädchen missbrauchen. Der Täter, der, so Huber, in der Regel erst im Erwachsenenalter tätig wird, ist eine unsichere Persönlichkeit. Durch die Tat versucht er eine spezifische Stresssituation zu bewältigen. In der Regel hat er berufliche und Beziehungsprobleme, deshalb wird das Mädchen zur Partnerin. Die meisten Inzest-Täter sind Pädosexuelle. Schuld und Scham empfinden sie laut Huber jeweils erst nach der Tat.

Der Kernpädosexuelle wird bereits in der Adoleszenz aktiv und wird sexuell von Kindern angezogen, die ein ganz bestimmtes Alter haben. Er identifiziert sich laut Huber mit dem Kind, hat eine hohe emotionale Bindung und wählt in der Regel Knaben aus. Letztere sind oft emotional vernachlässigt und haben ein Bedürfnis nach Geborgenheit. Das befriedigt der «väterliche Freund» zwar mit viel Aufwand, nutzt es indes auch für sexuelle Übergriffe aus. Der Täter sei eine unreife, narzistische Persönlichkeit. Die Tat das Ergebnis von Prägung und Lebensgeschichte. Interessant sind diese Profile - «grobe Holzschnitte», wie Huber betont - für Laien deshalb, weil regressive, vor allem aber Kernpädosexuelle vor der Tat eine Beziehung zum Opfer und zum sozialen Umfeld des auserwählten Kindes suchten.

Obwohl 9 Prozent der Kinder, die etwa beim Kindernotruf Hilfe suchen, über Missbrauch durch Frauen berichten, ist in der Forschung über Täterinnen wenig bekannt. «Das Argument: Frauen haben keinen Penis, was können sie schon anrichten?» lenke den Fokus auf die Männer, so Huber. Die Sexualtherapeutin gibt jedoch zu bedenken: «Frauen haben das gleiche Aggressionspotenzial wie Männer.» Ausserdem stammten sie wie die männlichen Täter aus allen Schichten und allen Altersgruppen. Täterinnen, so vermutet die Sexualtherapeutin, weisen möglicherweise ähnliche Profile auf wie Männer. Wissenschaftliche Daten gibt es dazu noch keine.

claus Knézy

Mädchenhaus Zürich Tel. 044 341 49 45, http://www.maedchenhaus.ch. Schlupfhuus Zürich Tel. 043 268 22 66, http://www.schlupfhuus.ch Sorgentelefon für Kinder und Jugendliche, Tel. 043 268 22 68. (sis)

Previous

Wie Marlon Brando in der Midlife-Crisis
STUGTR0020060923e29n0008j
Wochenendbeilage
1399 Words
23 September 2006
Stuttgarter Zeitung
50
German
(c) 2006, Stuttgarter Zeitung Ansprechpartner: 0049-711-7205-782

Der Berufsrebell Vadim Glowna provoziert immer noch gerne

In seinem neuen Kinofilm konterkariert der Schauspieler Vadim Glowna sein Image als Bösewicht. Feministinnen werden sich die Haare raufen und entsetzt fragen: spielt dieser Mann sich selbst?

Von Antje Hildebrandt

Man spricht ihn besser nicht auf seinen großen Zeh an. Eine eigenartige Verwandlung geht dann mit ihm vor. Er fixiert sein Gegenüber mit diesem Blick, den er sonst für Figuren reserviert hat, denen man lieber nicht alleine im Dunkeln begegnet. Man ertappt sich dabei, wie man eine Gänsehaut bekommt. So weit ist es also schon gekommen. Der Schauspieler ist mit seinem Image verschmolzen. Vadim Glowna.

Wir treffen ihn in der Paris-Bar in Charlottenburg, es ist das zweite Wohnzimmer für Künstler und Politiker, für Menschen, die gerne sehen und gesehen werden. In einem stillen Winkel sitzt ein schwerer Mann mit einer wuchtigen Brille auf einer schiefen Nase und nippt an einem Weißwein. Vadim Glowna. Man sieht ihm nicht an, dass er bei den Dreharbeiten für seinen neuen Kinofilm um einen Körperteil ärmer und um ein Markenzeichen reicher geworden ist. Von seinem großen Zeh wird später noch die Rede sein. Treten wir ihm nicht schon gleich zur Begrüßung auf den Fuß.

Es ist ein warmer Tag, der Kellner hat die Fenster aufgerissen, draußen bäumt sich der Altweibersommer auf. Vadim Glowna trägt ein dunkles Sakko über einem Kaschmirpullover, er wird es während des gesamten Interviews nicht ausziehen. Er ist geschäftlich hier, nicht zum Spaß. Wir reden über seinen neuen Film "Haus der schlafenden Schönen", der am 12. Oktober ins Kino kommt. Dieser Film liegt ihm am Herzen, er hat ihn beinahe ganz alleine gestemmt, in der rekordverdächtigen Zeit von zweieinhalb Monaten. Drehbuch: Vadim Glowna. Regie: Vadim Glowna. Produzent: Vadim Glowna. Hauptdarsteller: siehe oben. Es gibt Leute, die sich fragen, warum er sich das noch antut, mit 65. Denn eines steht jetzt schon fest: der Mann wird für dieses Werk nicht nur Lob bekommen.

Der Film beruht auf dem gleichnamigen Roman des japanischen Literaturnobelpreisträgers Yasunari Kawabata. Er erzählt die Geschichte eines Mannes, der seine Frau Jahre zuvor bei einem Autounfall verloren hat. Der Witwer (Vadim Glowna) leidet an seiner Einsamkeit. Er sehnt sich nach menschlicher Nähe. Deshalb besucht er ein Haus, in dem sich Greise zu schlafenden jungen Frauen ins Bett legen können.

Derlei Etablissements hat es in den zwanziger Jahren tatsächlich gegeben, nicht nur in Japan, auch in Berlin. Was die Besucher dort mit den Frauen angestellt haben, ist nicht überliefert. Ob sich pornografische Szenen nur in ihren Köpfen abgespielt haben oder ob es zu sexuellen Übergriffen gekommen ist. Ausgeschlossen war das nicht. Die Frauen schliefen fest. Sie waren narkotisiert.

Der Drehbuchautor Glowna hat aus der Vorlage einen Psychothriller gestrickt. Es geht darin um Erotik und Tod, um die Liebe und das Älterwerden - um Themen, die auch Vadim Glowna beschäftigen. "Mein Hauptdarsteller missbraucht diese Mädchen nicht, so ist er nicht gestrickt, aber er versucht, sie wachzurütteln. Doch es misslingt. Trotzdem regt sich was bei ihm." Der geneigte Zuschauer wird diesen Film als Parabel auf die Unfähigkeit zur Kommunikation in einer vergreisenden Gesellschaft lesen.

Feministinnen werden sich jedoch die Haare raufen. Die Frau als wehrloses Opfer, als Objekt schwülstiger Altmännerfantasien? Einigen Testpersonen habe er den Film schon gezeigt, sagt Vadim Glowna, aber nicht allen habe er gefallen. Ein Mann habe ihm sogar Pädophilie vorgeworfen. "Aber der hat das falsch verstanden."

Glowna lächelt belustigt. Der Berufsrebell. Die Lust an der Provokation, er hat sie immer noch nicht verloren. Wenn er, wie er selber einräumt, inzwischen im "Vaterfach" angekommen ist, wenn ihn Regisseure wie Oskar Roehler ("Agnes und seine Brüder") oder Christopher Roth ("Baader") gerne als durchgeknallten Hippie-Papa oder väterlichen Terroristenfahnder besetzen, dann muss er eben selber Geschichten erzählen, um dieses Image wieder zu konterkarieren.

Dafür ist er bereit, beinahe jeden Preis zu bezahlen. Und sei es ein Körperteil. Seinen großen Zeh hat er seinem neuen Kinofilm geopfert. Es fing harmlos an, mit einer Blase am Zeh, die sich entzündet hatte, im Februar 2005. Kein gutes Timing. Die Dreharbeiten hatten gerade begonnen, jeder Tag kostet Geld, viel Geld, sein Geld. Erst nach 14 Tagen schaffte es Glowna, ins Krankenhaus zu gehen. Die Diagnose versetzte ihm einen Schock: "Beinahe", sagt er, "hätten die Ärzte den ganzen Fuß abnehmen müssen."

Glowna, der Maniac. Die Anekdote steht in seiner Autobiografie, die anlässlich seines 65. Geburtstags am kommenden Dienstag erschienen ist: "Der Geschichtenerzähler". Auf dem Titelbild posiert Glowna wie Marlon Brando in der Midlife-Crisis, mit einer Zigarette, die ihm schief im Mundwinkel hängt. Das Buch hat er seinem 12-jährigen Enkel gewidmet. Leo. "Damit er erfährt, was sein Großvater so alles angestellt hat."

Ausschnitte aus seinem neuen Kinofilm hat Leo schon gesehen, sein Vater Nikolaus, der Sohn von Glownas Exfrau Vera Tschechowa, hat den Soundtrack zum "Haus der schlafenden Schönen" komponiert. Dem Opa ist das offenbar ein bisschen peinlich. Er sagt, Leo solle lieber das Buch lesen. Der Film sei nicht jugendfrei. Er, der Opa, posiert nackend vor der Kamera. Er redet von seiner Einsamkeit. Die Grenze zwischen Realität und Fiktion verschwimmt. Seit seiner Scheidung von der Schauspielerin Tschechowa lebt er allein.

Hat er Angst, sich zu blamieren? So genau weiß man das bei ihm nie. Vadim Glowna, 1941 geboren in Eutin, gilt als einer der profiliertesten deutschen Charakterdarsteller. Er hat das Leben als Hotelpage, Taxifahrer und Seemann studiert, bevor er, nach Lehrjahren am Theater bei Gustaf Gründgens und Peter Zadek, zum Film wechselte. Einer wie er kann sich auch privat hinter seinen Figuren verstecken.

Seine Nase engt sein Rollenrepertoire jedoch ein. Wie ein leicht verrutschtes Ausrufezeichen sitzt sie in seinem Gesicht - ein Souvenir an seine Jugend. Glowna wächst in Hamburg St. Pauli auf. Neonlicht, Prostituierte, Bandenkämpfe - das ist seine Welt. In seinem ersten Film als Regisseur, in dem Krimimelodram "Desperado City" , hat er die Erinnerungen an diese Zeit verarbeitet.

Es erzählt die Geschichte eines Jungen, der davon träumt, dieser Welt zu entkommen. Es zieht ihn nach Amerika, ins Land der Cowboys. Der Junge überfällt eine Bank, um sich das Geld für die Reise zu besorgen, und wird dabei erschossen. Wer in St. Pauli aufwächst, suggeriert der Film, dem bleiben nur zwei Möglichkeiten: entweder er gerät auf die schiefe Bahn - oder er wird Künstler.

Vadim Glowna war sechs Jahre alt, als er das Kino als Schlupfloch entdeckte. "Es hat mir eine Ahnung davon vermittelt, dass es noch eine andere Welt gibt." Nach dem Krieg nimmt seine alleinerziehende Mutter einen jungen Flüchtling auf. Der Mann verdingt sich als Filmvorführer, und während sie arbeiten muss, nimmt er den Jungen mit in seine Vorführkabine. Glowna entdeckt seine Leidenschaft für Gangsterfilme und Western.

Es gehört zur Ironie der Geschichte des Jungen aus St. Pauli, dass er für seinen Erstling, 1980 gedreht und von seiner eigenen Filmfirma Atossa produziert, hier zu Lande keinen deutschen Fernsehsender fand. Den Programmplanern sei der Stoff zu sperrig gewesen, feixt er. Auf dem Filmfest in Cannes gewann er dafür die Goldene Palme.

Der Mann hat ein Imageproblem. Er hat im Ausland mit Regisseuren wie Sam Peckinpah ("Steiner - das eiserne Kreuz") oder Claude Chabrol ("Stille Tage in Clichy") gedreht. Sein Repertoire reicht vom Soldaten zum bis Bonvivant. Doch hier zu Lande wird er bevorzugt als Bösewicht besetzt. Wer ihm gegenüber sitzt, den wundert das nicht. Er spricht sehr leise mit dieser heiseren, leicht näselnden Kopfstimme. Sie klingt, als brodele hinter der Fassade ein Vulkan. Den psychopathischen Killer, ihm kauft man ihn ab.

Als Anwalt seiner Figuren, so sieht er sich selbst. "Wenn man einen Mörder spielt, fragt man sich, warum ist das passiert. Keiner kommt als Monster auf die Welt. Manchmal setzt der Verstand eben aus. Deshalb würde ich aber nie sagen: Dieser Mensch ist ein Böser. Er ist eher ein mit Schuld beladener."

So redet einer, der die Abgründe der menschlichen Seele selber ausgelotet hat. Mit 23, enthüllt er in seiner Autobiografie, hätte er beinahe seine Geliebte erwürgt. Vor Eifersucht. "Hätte ich noch ein bisschen mehr zugedrückt, wäre ich ins Gefängnis gekommen. Ich danke dem Schicksal, dass der liebe Gott gesagt hat: ,Nee, nee. Jetzt hör mal uff.""

Andere Männer an seiner Stelle würde man heute ein Antigewalttraining verschreiben. Glowna sagt, er habe sich gewissermaßen selber therapiert. Als Schauspieler und als Regisseur. Der Prozess ist offenbar noch immer nicht abgeschlossen. Wenn es sein muss, opfert er ihm auch einen Zeh.

Erotik und Tod, Gewalt und Eifersucht: der Schauspieler Vadim Glowna hat die Abgründe der menschlichen Seele selber ausgelotet. Foto dpa

For assistance, access Factiva's Membership Circle.

(c) 2007 Factiva, Inc. All Rights Reserved.