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«Chatten - Gefahr aus dem Internet»
ZOFNGR0020060922e29m00017
846 Words
22 September 2006
Zofinger Tagblatt
German
© 2006 ZOFINGER TAGBLATT. Sämtliche Rechte zu Artikeln des ZOFINGER TAGBLATT sind vorbehalten. Jede Verwendung, die die in Ihrem Factiva-Kundenvertrag geregelten Rechte überschreitet, nur unter Genehmigung der Redaktion. Kontaktaufnahme per Email unter ztredaktion@ztonline.ch.

Oftringen Verein «Schule und Elternhaus» lud zu einem hochinteressanten Informationsabend

Im Internet mit seinen fast unbegrenzten Möglichkeiten boomt das Kinderpornogeschäft. Der Zofinger Kantonspolizist Korporal Marcel Waller gab im Rahmen des von «Schule und Elternhaus» organisierten Informationsabends im Vortragssaal des Oberstufenschulhauses Oftringen interessierten Eltern wichtige Tipps, wie sie ihr Kind beim Umgang mit dem Internet unterstützen und schützen können.

Brigitte von Arx

«Wir wollen den PC und das Internet keinesfalls schlecht machen», betonte Kantonspolizist Korporal Marcel Waller im Vortragssaal des Oftringer Oberstufenschulhauses, «aber bei all den nützlichen Seiten im Internetangebot lauern auch Gefahren beim Internet-Surfen, dessen muss man sich bewusst sein». Der Einladung zum Informationsabend «Chatten - Gefahr aus dem Internet?!» von Schule und Elternhaus waren gut 40 interessierte Personen, darunter auch zwei Knaben in Begleitung ihrer Eltern, gefolgt. Wichtig sei es, mit dem Kind über die Gefahren im Internet und im Chat zu sprechen, riet der Präventionsbeauftragte.

Was genau ist Chatten?

Chatten ist eine Echtzeitkommunikation via Tastatur (Text) übers Mikrofon (Sprache) oder über einen Webraum (Bilder) mit speziellen Programmen (Web-Sites). Ein von Jugendlichen viel genutzter Anbieter sei beispielsweise «Swisstalk.ch». An und für sich sei das Chatten mit Kolleginnen und Kollegen in der virtuellen Welt nichts Schlechtes. Fazit sei jedoch, dass immer mehr Pädophile solche Chat-Foren nutzten, um auf diesem Weg eine Beziehung mit Kindern und Jugendlichen aufzubauen und sie später sexuell auszubeuten. Der Kantonspolizist empfahl den Eltern, die Adressdatei zur Anmeldung im Chatforum gemeinsam mit dem Kind anzulegen und bei der Auswahl und Definition des Nicknamens keine persönlichen Angaben über Name, Adresse, Telefonnummer, Schulhaus, Klasse oder Lehrer zu machen. Der Pseudoname sollte auch nicht sexistisch klingen, damit nicht sofort erkennbar sei, ob es sich beim Chatpartner nun um ein Mädchen oder einen Jungen handle. Als schlechte Beispiele führte er «girl13, bunny15, teeni14» usw. an. Idealer seien Fantasienamen wie «Simba, Spinne, Gecko» oder ähnliche. Wichtig sei es auch, sich nicht gleich mit Personen aus dem Chat zu treffen. Wenn es zu einer Verabredung komme, dann nur in Begleitung eines Erwachsenen. Der Chat-Partner sei vielleicht jemand ganz anderer, als er vorgebe zu sein! Kantonspolizist Waller riet zudem, verdächtige Feststellungen im Internet unverzüglich bei http://www.kobik.ch (Polizeiliche Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität) zu melden. Ebenso wie Kinder über die Gefahren des Strassenverkehrs aufgeklärt werden und Verkehrsregeln lernten, sollten sie ab dem Grundschulalter Schritt für Schritt über die Gefahren der Chaträume informiert werden und Sicherheitsregeln für Chatterinnen und Chatter kennenlernen.

Neu im Trend sind Blogs

Neu am Aufkommen und bei den Jugendlichen im Trend sei das Bloggen. Blogs sind persönliche virtuelle Tagebücher über Drittpersonen, über ein Produkt, über PC-Programme oder über einen bestimmten Fall. Jedermann hat später Zugriff auf das Geschriebene. Man loggt sich über das «Webcallbook» ein. Hierzu munterte Marcel Waller die Eltern auf, sich von den Kindern die Web-Anmeldung und die Funktionalität des Bloggens erklären zu lassen und nur solche Informationen in diese Tagebücher einzutragen, die man auch mit einem Beamer an die eigene Hausfassade schreiben würde. Der Präventionsbeauftragte meinte am Schluss der Veranstaltung, dass er mit seinem Referat lediglich einen kleinen Abriss über das breite Spektrum rund ums Internet geben konnte. Für weitere Infos lagen entsprechende Broschüren und Checklisten bereit, die die Vortragsbesucher mit nach Hause nehmen durften.

Wie die Polizei am Ball bleibt

Die Schweizerische Kriminalprävention (SKP) hat im Auftrag des Sicherheitsdepartements des Bundes im vergangenen Jahr ein Schutzprogramm gegen die Kinderpornografie aufgebaut. Bei der Kantonspolizei Aargau ist in diesem Zusammenhang eine Gruppe von 11 Polizeileuten speziell ausgebildet worden, um Eltern, Erziehungsverantwortliche, Kinder und Jugendliche über die Gefahren von Kinderpornografie im Netz zu informieren. Seit Anfang Jahr ist die Präventionsgruppe aktiv und führt im ganzen Kanton Aargau verschiedene Standaktionen und Informationsanlässe durch. Leiter der Präventionsgruppe Kapo Aargau ist Fw Rolf Mohn. Unterstellt ist sie dem Chef der Kriminalpolizei, Oberstlt Urs Winzenried. In der Region Aargau West zusammengeschlossen sind die Bezirke Kulm, Zofingen, Lenzburg und Aarau, in der Region Nord entsprechend alle Rheinbezirke. Für den Bezirk Zofingen zuständig ist der Zofinger Kantonspolizist Korporal Marcel Waller. (BVA)

Kompetent Kantonspolizist Korporal Marcel Waller klärt über die lauernden Gefahren der Kinderpornografie im Internet auf. Bva

Handy und Internet sicher nutzen

Sofern genügend Interesse vorhanden ist, plant «Schule und Elternhaus Oftringen» Anfang nächsten Jahres einen weiteren von der Swisscom angebotenen Informationsabend zum Thema «Gefahren der neuen Kommunikationsmittel» wie etwa der Zugriff auf Gewaltspiele, Pornografie, Pädophilie übers Handy. Ziel der Veranstaltung ist: Die Eltern wissen und verstehen (z. B. was ist Happy Slapping? = Jugendliche setzen Videofilmchen mit Gewaltszenen in Umlauf, in denen beispielsweise ein zufällig ausgewähltes Opfer geschlagen wird), welche Anwendungen auf Handy und Internet Gefahren für die Jugend bedeuten können. Sie kennen die Möglichkeiten, woher und wie Kinder und Jugendliche gefährdenden Inhalt erhalten und kennen die technischen Möglichkeiten, wie das PC-Betriebssystem, Internet und Handy «sicher» konfiguriert werden können. Der Kurs dauert 2 Stunden. Interessenten melden sich bei Ruth Stauch, Schule und Elternhaus Oftringen, Telefon 062 797 64 09, Fax 062 797 64 10 oder E-Mail R.STAUCH@SWISSONLINE. CH. Die Teilnehmerzahl ist auf 20 Personen begrenzt. Mindestens 8 Interessenten sind Voraussetzung, damit der Kurs stattfindet. (bva)

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«Chatten - Gefahr aus Internet»
ZOFNGR0020060922e29l00013
714 Words
21 September 2006
Zofinger Tagblatt
German
© 2006 ZOFINGER TAGBLATT. Sämtliche Rechte zu Artikeln des ZOFINGER TAGBLATT sind vorbehalten. Jede Verwendung, die die in Ihrem Factiva-Kundenvertrag geregelten Rechte überschreitet, nur unter Genehmigung der Redaktion. Kontaktaufnahme per Email unter ztredaktion@ztonline.ch.

Oftringen Der Verein «Schule und Elternhaus» lud zu einem hochinteressanten Informationsabend.

Im Internet mit seinen fast unbegrenzten Möglichkeiten boomt das Kinderpornogeschäft. Der Zofinger Kantonspolizist Korporal Marcel Waller gab im Rahmen des von «Schule und Elternhaus» organisierten Informationsabends im Vortragssaal des Oberstufenschulhauses Oftringen interessierten Eltern wichtige Tipps, wie sie ihr Kind beim Umgang mit dem Internet unterstützen und schützen können.

«Wir wollen den PC und das Internet keinesfalls schlecht machen», betonte Kantonspolizist Korporal Marcel Waller im Vortragssaal des Oftringer Oberstufenschulhauses, «aber bei all den nützlichen Seiten im Internetangebot lauern auch Gefahren beim Internet-Surfen, dessen muss man sich bewusst sein». Der Einladung zum Informationsabend «Chatten - Gefahr aus dem Internet?!» von Schule und Elternhaus waren gut 40 interessierte Personen, darunter auch zwei Knaben in Begleitung ihrer Eltern, gefolgt. Wichtig sei es, mit dem Kind über die Gefahren im Internet und im Chat zu sprechen, riet der Präventionsbeauftragte.

Was genau ist Chatten?

Chatten ist eine Echtzeitkommunikation via Tastatur (Text) übers Mikrofon (Sprache) oder über einen Webraum (Bilder) mit speziellen Programmen (Web-Sites). Ein von Jugendlichen viel genutzter Anbieter sei beispielsweise «Swisstalk.ch». An und für sich sei das Chatten mit Kolleginnen und Kollegen in der virtuellen Welt nichts Schlechtes. Fazit sei jedoch, dass immer mehr Pädophile solche Chat-Foren nutzten, um auf diesem Weg eine Beziehung mit Kindern und Jugendlichen aufzubauen und sie später sexuell auszubeuten. Der Kantonspolizist empfahl den Eltern, die Adressdatei zur Anmeldung im Chatforum gemeinsam mit dem Kind anzulegen und bei der Auswahl und Definition des Nicknamens keine persönlichen Angaben über Name, Adresse, Telefonnummer, Schulhaus, Klasse oder Lehrer zu machen. Der Pseudoname sollte auch nicht sexistisch klingen, damit nicht sofort erkennbar sei, ob es sich beim Chatpartner nun um ein Mädchen oder einen Jungen handle. Als schlechte Beispiele führte er «girl13, bunny15, teeni14» usw. an. Idealer seien Fantasienamen wie «Simba, Spinne, Gecko» oder ähnliche. Wichtig sei es auch, sich nicht gleich mit Personen aus dem Chat zu treffen. Wenn es zu einer Verabredung komme, dann nur in Begleitung eines Erwachsenen. Der Chat-Partner sei vielleicht jemand ganz anderer, als er vorgebe zu sein! Kantonspolizist Waller riet zudem, verdächtige Feststellungen im Internet unverzüglich bei http://www.kobik.ch (Polizeiliche Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität) zu melden.

Neu im Trend sind Blogs

Ebenso wie Kinder über die Gefahren des Strassenverkehrs aufgeklärt werden und Verkehrsregeln lernten, sollten sie ab dem Grundschulalter Schritt für Schritt über die Gefahren der Chaträume informiert werden und Sicherheitsregeln für Chatterinnen und Chatter kennenlernen. Neu am Aufkommen und bei den Jugendlichen im Trend sei das Bloggen. Blogs sind persönliche virtuelle Tagebücher über Drittpersonen, über ein Produkt, über PC-Programme oder über einen bestimmten Fall. Jedermann hat später Zugriff auf das Geschriebene. Man loggt sich über das «Webcallbook» ein. Hierzu munterte Marcel Waller die Eltern auf, sich von den Kindern die Web-Anmeldung und die Funktionalität des Bloggens erklären zu lassen und nur solche Informationen in diese Tagebücher einzutragen, die man auch mit einem Beamer an die eigene Hausfassade schreiben würde. Der Präventionsbeauftragte meinte am Schluss der Veranstaltung, dass er mit seinem Referat lediglich einen kleinen Abriss über das breite Spektrum rund ums Internet geben konnte. Für weitere Infos lagen entsprechende Broschüren und Checklisten bereit, die die Vortragsbesucher mit nach Hause nehmen durften. (bva)

Korporal Marcel Waller klärt über die lauernden Gefahren der Kinderpornografie im Internet auf. Bva

Handy und Internet sicher nutzen

Sofern genügend Interesse vorhanden ist, plant «Schule und Elternhaus Oftringen» Anfang nächsten Jahres einen weiteren von der Swisscom angebotenen Informationsabend zum Thema «Gefahren der neuen Kommunikationsmittel» wie etwa der Zugriff auf Gewaltspiele, Pornografie, Pädophilie übers Handy. Ziel der Veranstaltung ist: Die Eltern wissen und verstehen (z. B. was ist Happy Slapping? = Jugendliche setzen Videofilmchen mit Gewaltszenen in Umlauf, in denen beispielsweise ein zufällig ausgewähltes Opfer geschlagen wird), welche Anwendungen auf Handy und Internet Gefahren für die Jugend bedeuten können. Sie kennen die Möglichkeiten, woher und wie Kinder und Jugendliche gefährdenden Inhalt erhalten und kennen die technischen Möglichkeiten, wie das PC-Betriebssystem, Internet und Handy «sicher» konfiguriert werden können. Der Kurs dauert 2 Stunden. Interessenten melden sich bei Ruth Stauch, Schule und Elternhaus Oftringen, Telefon 062 797 64 09, Fax 062 797 64 10 oder E-Mail R.STAUCH@SWISSONLINE. CH. Die Teilnehmerzahl ist auf 20 Personen begrenzt. Mindestens 8 Interessenten sind Voraussetzung, damit der Kurs stattfindet. (bva)

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100 Pädophile freiwillig in der Therapie - Auszeichnung für Forschungsprojekt an der Charité zum Schutz von Kindern - 100 Pädophile freiwillig in der Therapie
BERMP00020060921e29l0003s
STADTLEBEN
Florentine Anders
339 Words
21 September 2006
Berliner Morgenpost
BM-HP1
14
259
German
Copyright 2006 Axel Springer AG . Zusatzhinweis: "Dieser Artikel darf ohne die vorherige Zustimmung des Verlages nicht weiter-verbreitet werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechte, die Ihnen generell hinsichtlich der Factiva-Dienste eingeräumt wurden." Notice: "This article may not be redistributed without the prior consent of the Publisher. This is a restriction on the rights granted under the terms of your subscription for Factiva Services."

Es ist das Dunkelfeld, das Professor Klaus Beier von der Charité erhellen will. Denn die Mehrzahl der tatsächlich verübten sexuellen Übergriffe auf Kinder bleibt im Verborgenen. Auf die aktiven oder potenziellen Täter zielt das Forschungsprojekt des Instituts für Sexualmedizin, das gestern als einer der "365 Orte im Land der Ideen" ausgezeichnet wurde.

Seit Januar sind in der Charité 100 Pädophile in einer Therapie, um ihre sexuellen Impulse zu kontrollieren. "Es geht in erster Linie um Opferschutz", erklärt Beier.

Mit einer Aufsehen erregenden Medienkampagne hatte die Charité vor einem Jahr um freiwillige pädophile Teilnehmer an der Studie geworben. Mehr als 400 Männer aus dem gesamten Bundesgebiet und dem deutschsprachigen Ausland hatten sich gemeldet. Der Bedarf sei enorm, denn praktisch gebe es bisher keine Hilfsangebote, um mögliche Übergriffe im Voraus zu verhindern.

Die telefonische Befragung hat ergeben, dass sich 60 Prozent der Freiwilligen bereits vorher vergeblich um eine Therapie bemüht hatten. Das Durchschnittsalter lag bei 43 Jahren, die Interessenten kamen aus allen sozialen Schichten. Ihre pädophile Neigung hatten die Anrufer bereits im Alter von 22 Jahren festgestellt. 55 Prozent gaben an, bereits ein oder mehrere Kinder sexuell missbraucht zu haben. "Pädophilie manifestiert sich in der Pubertät und bleibt dann stabil", sagt Beier. Eine Heilung sei nicht möglich. Die Studie soll aber beweisen, dass eine lebenslange Verhaltenskontrolle möglich ist. Erreicht werden soll dieses Ziel über Verhaltentraining, beispielsweise in Rollenspielen. Zusätzlich zur Therapie können die Teilnehmer auch Medikamente bekommen, die die sexuellen Impulse dämpfen.

Erste Erfahrungen aus den vier Therapiegruppen zeigen, dass die Teilnehmer eine hohe eigene Motivation zeigen, mögliche Übergriffe zu verhindern. Deshalb sei es kaum zu erwarten und bisher auch nicht vorgekommen, dass Teilnehmer während der Therapie sexuellen Kontakt zu Kindern aufnehmen, sagt Beier. Die behandelnden Ärzte unterliegen wie in jeder anderen Therapie der Schweigepflicht. Opferschutzverbände unterstützen das Projekt. "Die Therapie schützt vor allem die Kinder", sagt Barbara Schäfer-Wiegand von Stiftung "Hänsel+Gretel".

48961495
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Gefühl für Sexualtäter - An der Charité werden Pädophile therapiert - zum Schutz der Kinder
BERLRZ0020060921e29l0004t
Lokales
Sabine Deckwerth
655 Words
21 September 2006
Berliner Zeitung
22
German
(c) 2006 Berliner Zeitung

Der Tag war mit Bedacht gewählt: Ausgerechnet am gestrigen Weltkindertag präsentierte das Charité-Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin eine aktuelle Bilanz über ein Projekt für Männer mit pädophilen Neigungen: Aus Sicht der

Wissenschaftler dient genau das dem Schutz von Kindern.

In einer bundesweit einmaligen Aktion unter dem Motto "Lieben Sie Kinder mehr als Ihnen lieb ist", hatte das Institut vor einem Jahr Betroffene dazu aufgefordert, sich in der Charité zu melden.

Dieser Aufforderung folgten bisher 418 Männer im Alter von 17 bis 67 Jahren. 100 von ihnen unterziehen sich inzwischen einer einjährigen Therapie.

Dabei ist den Charité-Wissenschaftlern wichtig, keinerlei Druck auf diese Patienten auszuüben.

"Keiner von uns hat sich ausgesucht, wie er gestrickt ist", sagte gestern Institutsleiter Klaus Beier.

Denn pädophile Neigungen, also sexuelle Zuneigungen von Erwachsenen zu Kindern oder Jugendlichen, sind Schicksal.

Sie werden während der Pubertät offenkundig und sind ein Leben lang nicht veränderbar oder heilbar.

Nach ersten Erhebungen gibt es Männer mit solchen Neigungen in allen Schichten der Bevölkerung.

Etwa 40 Prozent von jenen, die sich freiwillig in der Charité meldeten, haben Abitur.

Etwa 60 Prozent haben einen Hauptschulabschluss oder die mittlere Reife.

Ihr Durchschnittsalter beträgt 43 Jahre.

Pädophile Neigungen haben sie bei sich etwa im Alter von 22 Jahren festgestellt.

Sie leben sie oft im Internet auf Seiten mit Kinderpornografie aus.

Knapp die Hälfte, 45 Prozent, haben sich gemeldet, weil sie Angst davor haben, ihre Fantasien eines Tages in Taten umzusetzen. 55 Prozent haben schon einmal einen sexuellen Missbrauch begangen und fürchten einen Rückfall. 61 Prozent hatten sich

bereits einmal um eine Therapie bemüht.

Die Wissenschaftler setzen bei ihrem Projekt auf Vorbeugung.

Sie bieten Beratung und Hilfe an.

Pädophile hätten "eine enorme soziale Vernichtungsangst", sagte Beier.

Zugleich erhoffen sich die Wissenschaftler nach Abschluss des auf drei Jahre begrenzten Projektes neue Erkenntnisse zu diesem weitgehend unerforschten Bereich.

Unterstützt wird das Projekt von Opferschutzorganisationen wie der Stiftung "Hänsel und Gretel" oder "Innocence in Danger" (Unschuld in Gefahr), einem Verein, der sich für den Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch im Internet einsetzt.

Pädophile Täter seien in der Gesellschaft tabuisiert.

Aber man müsse ein Gefühl für sie aufbringen, auch wenn es schwer fällt, sagte gestern die Vorsitzende der Hänsel-und-Gretel-Stiftung, Barbara Schäfer-Wiegand.

"Wenn wir Menschen helfen können, ihre Neigungen in den Griff zu bekommen, dann ist das auch ein Opferschutz."

Genau das wollen die Sexualwissenschaftler erreichen.

Pädophilie führe nicht zwangsläufig zum sexuellen Kindesmissbrauch, sagte Beier.

Er verglich diese Neigungen mit Diabetes: Wie bei dieser Stoffwechselkrankheit sei auch bei Pädophilie eine vollständige Verhaltenskontrolle möglich, und zwar mit Hilfe von Therapien oder Medikamenten.

Unter jenen, die sich an die Charité wandten, war auch eine Frau, die angab, beim Anblick von Kindern sexuelle Erregungen zu verspüren.

Er sei seit 20 Jahren auf dem Gebiet tätig, sagte Beier.

Eine pädophile Frau habe er aber zum ersten Mal kennengelernt.

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Hilfe mit Therapien und Medikamenten

In Deutschland werden jährlich rund 16 000 Fälle angezeigt, weil Kinder sexuell missbraucht - also von einem Pädophilen angefasst oder vergewaltigt wurden.

Jährlich werden etwa 2 500 Täter wegen dieser Straftat verurteilt.

Die Dunkelziffer bei sexuellem Missbrauch von Kindern wird auf etwa 60 000 Fälle geschätzt.

Nach einer Studie des Projektes Subway, das sexuell missbrauchte Jungen betreut, wurde fast jeder zwölfte Berliner Junge schon einmal sexuell missbraucht.

Bei einer Befragung von 6 000 Berliner Männern im Alter zwischen 40 und 79 Jahren im Jahre 2003 gaben zirka ein Prozent von ihnen pädophile Impulse an.

Etwa ein Drittel dieser Männer hat diese pädophilen Impulse in der Realität umgesetzt, also Kinder sexuell missbraucht.

Als Hilfe bietet die Charité Betroffenen Gruppen- und Einzeltherapien mit je 45 Sitzungen an.

Dabei geht es vor allem um Verhaltenstraining.

Zudem ist eine medikamentöse Behandlung möglich.

Informationen über das Projekt am Institut für Sexualmedizin der Charité gibt es unter Telefon 030/450 52 94 50 oder

Im Internet unter: http://www.kein-taeter-werden.de

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100 Pädophile freiwillig in der Therapie
DWELT00020060921e29l0005f
BERLIN
Florentine Anders
340 Words
21 September 2006
Die Welt
DWBE-REG
35
221
German
Copyright 2006 Axel Springer AG . Zusatzhinweis: "Dieser Artikel darf ohne die vorherige Zustimmung des Verlages nicht weiter-verbreitet werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechte, die Ihnen generell hinsichtlich der Factiva-Dienste eingeräumt wurden." Notice: "This article may not be redistributed without the prior consent of the Publisher. This is a restriction on the rights granted under the terms of your subscription for Factiva Services."

Auszeichnung für Forschungsprojekt an der Charité zum Schutz von Kindern

Es ist das Dunkelfeld, das Professor Klaus Beier von der Charité erhellen will. Die Mehrzahl der tatsächlich verübten sexuellen Übergriffe auf Kinder bleibt nämlich unentdeckt. Gerade auf diese Täter oder potenziellen Täter zielt das Forschungsprojekt des Instituts für Sexualmedizin, das gestern als einer der "365 Orte im Land der Ideen" ausgezeichnet wurde.

Seit Januar sind in der Charité 100 Pädophile in einer Therapie, um ihre sexuellen Impulse zu kontrollieren. "Es geht in erster Linie um Opferschutz", sagt Klaus Beier. Mit einer aufsehenerregenden Medienkampagne hatte die Charité vor einem Jahr um freiwillige pädophile Teilnehmer an der Studie geworben. Mehr als 400 Männer aus dem gesamten Bundesgebiet und dem deutschsprachigen Ausland hatten sich gemeldet. Der Bedarf sei enorm, denn praktisch gebe es bisher keine Hilfsangebote um mögliche Übergriffe im Voraus zu verhindern.

Die telefonische Befragung hat ergeben, dass sich 60 Prozent der Freiwilligen bereits vorher vergeblich um eine Therapie bemüht hatten. Das Durchschnittsalter lag bei 43 Jahren, die Interessenten kamen aus allen sozialen Schichten. Ihre pädophile Neigung hatten die Anrufer bereits sehr früh - im Durchschnitt im Alter von 22 Jahren - festgestellt. 55 Prozent der Befragten gaben an, bereits ein oder mehrere Kinder sexuell missbraucht zu haben.

"Pädophilie manifestiert sich in der Pubertät und bleibt dann stabil", sagt Beier. Eine Heilung sei nicht möglich. Die Studie soll aber beweisen, dass eine lebenslange Verhaltenskontrolle möglich ist. Erreicht werden soll dieses Ziel über Verhaltentraining, beispielsweise in Rollenspielen. Zusätzlich zur Therapie können die Teilnehmer auch Medikamente bekommen, die die sexuellen Impulse dämpfen.

Erste Erfahrungen aus den vier Therapiegruppen zeigen, dass die Teilnehmer eine hohe eigene Motivation zeigen, mögliche Übergriffe zu verhindern. Deshalb sei es kaum zu erwarten und bisher auch nicht vorgekommen, dass Teilnehmer während der Therapie sexuellen Kontakt zu Kindern aufnehmen, sagt Beier.

Die behandelnden Ärzte unterliegen wie in jeder anderen Therapie der Schweigepflicht. Opferschutzverbände unterstützen das Projekt. "Die Therapie schützt vor allem die Kinder", sagt Barbara Schäfer-Wiegand von der Stiftung "Hänsel+Gretel".

48961987
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PÄDOPHILIE: DER BESTE KINDERSCHUTZ IST DIE PRÄVENTION FÜR MÄNNER - Ein Erfolg, der auf die Mängel verweist
TAZ0000020060921e29l00030
Meinung und Diskussion
COSIMA SCHMITT
304 Words
21 September 2006
taz - die tageszeitung
taz
11
German
(c) 2006 taz, die tageszeitung

Es fällt leicht, Pädophile zu entarteten Sonderlingen zu erklären, zu Dämonen, denen nur ein Gefängnistor Grenzen setzt. Seit gut einem Jahr nun probt ein Berliner Krankenhaus den Perspektivwechsel. Hier werden Pädophile nicht als unbelehrbare Triebtäter betrachtet, sondern als hilfesuchende Menschen. Ihnen wird eine vorbeugende Therapie angeboten. Ein solches Pilotprojekt ist wichtig und löblich. Und doch kann es nur Teil einer umfassenden Präventionsarbeit sein.

Denn Pädophilie ist weder eine Laune nach Tagesform noch eine Lebensphase. Die sexuelle Gier auf Kinder bleibt ein Leben lang. Der einzige Ausweg kann es sein, Menschen so anzuleiten, dass sie ihr Begehren nie ausleben. Das Pilotprojekt belegt eindrücklich, dass unter dem Sammelbegriff „Pädophile” nicht nur Menschen finden, die um ihrer sexuellen Lust willen zu jeder Inhumanität bereit sind – sondern auch solche, die ihre Neigung als Fluch empfinden, die sich zerrissen fühlen zwischen Begehren und Moral.

So zeigt gerade der Ansturm auf das Berliner Projekt, wie fahrlässig die Gesellschaft bislang den Kampf gegen Kinderschänder vernachlässigt, indem sie gefährdeten Männern kaum Therapiemöglichkeiten bietet. Denn der beste Schutz vor Triebtätern ist nicht das Strafgesetzbuch, sondern eine therapeutische oder medikamentöse Strategie, damit ein Mensch seine Obsession nie in Taten umsetzt. Ein einzelnes Vorbildprojekt darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie oft sich die Ratsuchenden ignoriert fühlen: von Hausärzten, die nur mit den Schultern zucken, von Therapeuten, die für einen solchen Fall nicht ausgebildet sind.

Eine solche Ignoranz ist gefährlich. Wenn tatsächlich, wie eine Studie ermittelte, einer von hundert Männern Kinder begehrt, braucht es das Ineinandergreifen vieler Instanzen. Ärzte und Therapeuten dürfen sich nicht angewidert abwenden. Sie müssen so geschult werden, dass sie Pädophilen wirksame Hilfen anbieten. Das schützt nicht nur gefährdete Kinder. Es ermutigt auch manch Pädophilen, seine Nöte professionellen Helfern zu offenbaren. COSIMA SCHMITT

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Anlaufstellen
AARGZ00020060919e29j0001e
575 Words
19 September 2006
Aargauer Zeitung
German
© 2006 AARGAUER ZEITUNG. Sämtliche Rechte zu Artikeln der AARGAUER ZEITUNG sind vorbehalten. Jede Verwendung, die die in Ihrem Factiva-Kundenvertrag geregelten Rechte überschreitet, nur unter Genehmigung der Redaktion. Kontaktaufnahme per Email unter redaktion@azag.ch.

Wenn Männer Kinder «lieben»

Kinder als Ziel Es gibt grobe Profile von Erwachsenen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen. Sie helfen, rechtzeitig aufmerksam zu werden.

Silvia Schütz

Für Schlagzeilen sorgt momentan der Fall Natascha Kampusch. Noch ist das Profil des Täters nicht klar. Warum er die Beziehung zu einem jungen Mädchen brauchte, das unter seiner Kontrolle aufwuchs, entzieht sich der Erkenntnis der Fachwelt.

Es gibt indes zahlreiche unspektakulärere Fälle von «Beziehungen» zwischen Männern und Mädchen (oder Jungen), die abseits der Medienaufmerksamkeit geschehen. Experten gehen davon aus, dass jede vierte Jugendliche in der Schweiz schon sexuelle Gewalt erlebt hat. Wegen sexueller Handlungen mit Kindern wurden im Jahr 2004 laut Bundesamt für Statistik (BFS) 355 Täter verurteilt; pro Tag also beinahe ein Fall. Hoch ist der Bedarf an Beratung: Die Fachleute der Opferhilfe wurden im Jahr 2004 schweizweit in rund 4350 Fällen explizit wegen sexueller Integrität von Kindern um Rat gebeten. Und die Kinderschutzgruppe des Kinderspitals Zürichs erfasste im letzten Jahr 74 Fälle von sexueller Ausbeutung an Mädchen und 18 an Knaben.

Was geht in Erwachsenen vor, die sich von Kindern sexuell angezogen fühlen? Christa Huber, Psychotherapeutin und Sexualtherapeutin am Zürcher Institut für klinische Sexologie & Sexualtherapie, referierte in einem Workshop im Rahmen der Tagung «Mädchen sind unschlagbar» über Täterprofile. Sie therapiert seit einigen Jahren verschiedene Täter. Die Fachfrau unterscheidet drei Gruppen von Pädosexuellen: Kernpädosexuelle, regressive Pädosexuelle und - selten - sadistische Pädosexuelle. Den Ausdruck Pädosexuell benutzt sie mit Absicht: «Pädophilie - also Kinderliebhaberei - wirkt verniedlichend.» Untherapierbar und deshalb für die Sexualtherapeutin uninteressant sind sadistische Pädosexuelle mit einer Psychopathie.

Anders verhält es sich mit regressiv Pädosexuellen, die sich sexuell im Prinzip für Gleichaltrige interessieren, doch unter kumuliertem Stress episodisch meist Mädchen missbrauchen. Der Täter, der, so Huber, in der Regel erst im Erwachsenenalter tätig wird, ist eine unsichere Persönlichkeit. Durch die Tat versucht er eine spezifische Stresssituation zu bewältigen. In der Regel hat er berufliche und Beziehungsprobleme, deshalb wird das Mädchen zur Partnerin. Die meisten Inzest-Täter sind Pädosexuelle. Schuld und Scham empfinden sie laut Huber jeweils erst nach der Tat.

Der Kernpädosexuelle wird bereits in der Adoleszenz aktiv und wird sexuell von Kindern angezogen, die ein ganz bestimmtes Alter haben. Er identifiziert sich laut Huber mit dem Kind, hat eine hohe emotionale Bindung und wählt in der Regel Knaben aus. Letztere sind oft emotional vernachlässigt und haben ein Bedürfnis nach Geborgenheit. Das befriedigt der «väterliche Freund» zwar mit viel Aufwand, nutzt es indes auch für sexuelle Übergriffe aus. Der Täter sei eine unreife, narzistische Persönlichkeit. Die Tat das Ergebnis von Prägung und Lebensgeschichte. Interessant sind diese Profile - «grobe Holzschnitte», wie Huber betont - für Laien deshalb, weil regressive, vor allem aber Kernpädosexuelle vor der Tat eine Beziehung zum Opfer und zum sozialen Umfeld des auserwählten Kindes suchten.

Obwohl 9 Prozent der Kinder, die etwa beim Kindernotruf Hilfe suchen, über Missbrauch durch Frauen berichten, ist in der Forschung über Täterinnen wenig bekannt. «Das Argument: Frauen haben keinen Penis, was können sie schon anrichten?» lenke den Fokus auf die Männer, so Huber. Die Sexualtherapeutin gibt jedoch zu bedenken: «Frauen haben das gleiche Aggressionspotenzial wie Männer.» Ausserdem stammten sie wie die männlichen Täter aus allen Schichten und allen Altersgruppen. Täterinnen, so vermutet die Sexualtherapeutin, weisen möglicherweise ähnliche Profile auf wie Männer. Wissenschaftliche Daten gibt es dazu noch keine.

Mädchenhaus Zürich Tel. 044 341 49 45, http://www.maedchenhaus.ch. Schlupfhuus Zürich Tel. 043 268 22 66, http://www.schlupfhuus.ch Sorgentelefon für Kinder und Jugendliche, Tel. 043 268 22 68. (sis)

claus Knézy

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Millionen Worte gegen die Angst; Heute stellt der irisch-amerikanische Bestseller-Autor Frank McCourt sein neues Buch im Literaturhaus vor
SDDZ000020060927e29f001xe
Münchner Kultur
919 Words
15 September 2006
Süddeutsche Zeitung
53
German
Copyright 2006 Süddeutsche Zeitung

Das Elend machte Frank McCourt reich und berühmt. „Die Asche meinerMutter”, die Geschichte seiner unglücklichen irischen, katholischenKindheit, wurde 1996 zum Weltbestseller: millionenfach verkauft, mit demPulitzer-Preis ausgezeichnet, von Alan Parker verfilmt. Mit „Ein rundherumtolles Land” legte McCourt 1999 nach. Im vergangenen Jahr komplettierte erdie Trilogie seiner Erinnerungen mit „Teacher Man”, das mit gewohnthintergründigem Humor von seinen 30 Jahren als Englisch- undCreative-Writing-Lehrer an New Yorker Schulen erzählt und sofort wieder anden Spitzen der Bestseller-Listen stand. Die deutsche Übersetzung ist mitdem Titel „Tag und Nacht und auch im Sommer” kürzlich beiLuchterhand erschienen. Heute liest der 76-jährige Frank McCourt daraus imLiteraturhaus (Salvatorplatz 1, 20 Uhr, ausverkauft).

SZ: Sie haben den Papst in München knapp verpasst. Wenn Sie ihntreffen könnten – was würden Sie ihm sagen?

McCourt: Ich würde fragen: Warum finden Sie keinen Anschluss an diemoderne Welt? Die Themen im einzelnen wären: Geburtenkontrolle, Kondome,solche Sachen. Es ist doch verrückt – diese alten Männer in Romhalten nicht Schritt mit dem Rest der Welt.

SZ: Wie würde er wohl reagieren?

McCourt: Er würde weggehen. Das sind arrogante Leute im Vatikan. Man muss janur mal sehen, wie sie 2002 auf die Pädophilie-Vorwürfe gegen Priesterin Boston reagierten. Der Papst machte nichts. Der zuständige Kardinal Lawbekam einen guten Job in Rom, er lebt im Luxus. So ist das: Die Kirchenleutescheren sich nicht darum. Sie entfernen sich von den Menschen.

SZ: Leiden Sie noch immer unter dem Katholizismus?

McCourt: Nein, den habe ich ausgeblendet. Für mich ist er eineMythologie wie die griechische oder römische. Ich nehme ihn nicht mehrernst. Wenn du deine Angst vor der Hölle loswirst, bist du frei. DieHölle ist ihre Waffe.

SZ: Es gibt also keine Hölle?

McCourt: Doch, aber wir haben sie hier, auf der Erde.

SZ: Aber der katholische Druck war Antrieb für „Die Asche meinerMutter”.

McCourt: Das stimmt. Und ich bin fasziniert von der Macht der Kirche. Esist brillant, wie sie dich schon als Baby kriegen. Sie erzählen dir, dassdu in Sünde geboren bist. Alles ist Sünde, vor allem allesFleischliche. Aber die Kirche gibt Absolution, das ist das Brillante daran. Dasnennt man Gehirnwäsche, Konditionierung, Angst.

SZ: Aber das ist doch heutzutage nicht einmal mehr in Irland so.

McCourt: Auch in Irland schert sich niemand mehr darum. Die Menschen sindzu wohlhabend. Vor allem: Sie fürchten sich nicht mehr.

SZ: Standen Sie bei ihren zwei folgenden Büchern unter einem neuenDruck: den immensen Erfolg zu wiederholen?

McCourt: Jetzt wollte ich einfach ein Buch übers Unterrichtenschreiben. Viereinhalb Jahre lang arbeitete ich daran. Es fiel mir schwer,auszuwählen, was ich über 30 Jahre Schulzeit sagen wollte. Ich hattebestimmte Ideen übers Lehren, über Erziehung, über Kinder, dieich ausdrücken wollte. Lehrer freuen sich über dieses Buch. 99 Prozentder Briefe, die ich bekomme, sind Dankesschreiben. Denn anders als inDeutschland bekommen Lehrer in Amerika keinen Respekt.

SZ: Manche Kritiker sagen, Sie geben Ihren Lesern einfach, was sie wollen.

McCourt: Ich denke, Charles Dickens tat dies. Aber ich weißüberhaupt nicht, was die Leser wollen. Woher auch? Ich schreibe, was ausmeinem Herzen, meinen Eingeweiden und meinem Gehirn kommt. Wenn man jahrelang inKlassenzimmern mit Tausenden von Heranwachsenden zu tun hat, bekommt man einGespür für sie. Man erkennt an der Art, wie sie dasitzen und einenanschauen, ob man sie erreicht. Aber sie müssen vor einem sitzen. BeimSchreiben ist das etwas anderes. Ich saß zu Hause und dachte an meineErfahrungen als Lehrer. Ich fragte mich: Was lernte ich übers Unterrichtenund über Kinder? Das wollte ich transportieren: was ich lernte, nicht, wasdie Leser erwarten.

SZ: Und was haben Sie gelernt?

McCourt: Den Wert der Ehrlichkeit. Als ich begann zu unterrichten, war ichein Schauspieler. Ich trug eine Maske und gab vor, alles zu wissen. In Wahrheitwusste ich gar nichts, ich lernte. Später, wenn mir meine Schüler eineFrage stellten, die ich nicht beantworten konnte, sagte ich: Ich weiß esnicht, wir finden es zusammen heraus. Das war das Stärkste, was icherlebte.

SZ: Gibt es etwas, das die Leser aus Ihrem neuen Buch lernen können?

McCourt: Lehrer, vor allem junge Lehrer, können etwas darüberlernen, wie sie ihre Angst verlieren. Denn das ist das Hauptproblem inamerikanischen Klassenzimmern: Angst. Alle wollen auf die so genannten bestenColleges. Aber sie interessieren sich wirklich nicht fürs Lernen. Es gehtnur um Kurse, die man belegen muss, um später viel Geld zu verdienen.

SZ: Warum schreiben Sie immer über Ihr eigenes Leben?

McCourt: Ich kenne nichts anderes. Ich wünschte, ich würde etwasüber Architektur wissen, über Musik oder politische Wissenschaft. Aberalles, was ich weiß, entstammt meiner eigenen Erfahrung. Und so viel amTon und Stil meiner Schreibweise verdanke ich dem Unterrichten, weil man dabeisehr klar und explizit sein muss. Das ist etwas anderes, das ich gelernt habe:den Wert der Klarheit.

SZ: Fällt es Ihnen schwer, sich als alter Mann in junge Menschenhineinzudenken?

McCourt: Nein. Außerdem las ich als Lehrer Tausende, vielleicht Millionen vonWorten, die sie geschrieben haben: Geschichten, Essays und so weiter. All dieseÄngste, Freuden, Hoffnungen stecken in meinem Kopf.

SZ: München kennen Sie noch aus Ihrer Zeit als GI in denfünfziger Jahren. Wenn Sie jetzt wiederkommen, haben Sie dann Zeit. . .

McCourt: . . . keine Zeit. Absolut keine Zeit. Ich möchte eines Tagesals Tourist mit meiner Frau die Dinge anschauen, die ich damals gesehen habe,als ich ein 20-jähriger Soldat in Lenggries war. Dann rede ich mit keinemMenschen über mein Leben oder meine Bücher oder sonst was.

Interview: Jochen Temsch

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Besonders Pädagogen lieben sein neues Werk: Frank McCourt heute (oben) und in seiner Zeit als Lehrer in New York.Fotos: Isolde Ohlbaum, privat
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«Ich war mir nicht bewusst, dass wir die Welt schockieren würden»
SONNZ00020060911e29a00004
Fokus
Christian Hubschmid und Serge leblon
2105 Words
10 September 2006
Sonntagszeitung
29
German
(c) 2006 Sonntags Zeitung

Sängerin und Schauspielerin Charlotte Gainsbourg über ein skandalöses Duett mit Vater Serge, den unglaublichen Erfolg ihres Albums «5.55» und schlaflose Nächte

Charlotte Gainsbourg, haben Sie gut geschlafen?

Nicht genug.

Warum?

Weil ich unter Schlaflosigkeit leide. Ich werde erst am Abend so richtig wach und kann nachts nicht schlafen. Ich habe aber auch keine Lust dazu.

Ihr Album «5.55» ist eine Hommage an die Schlaflosigkeit. Was tun Sie um 5.55 Uhr, wenn Sie wach liegen?

Ich lese. Oder ich schaue einen Film. Alles ist möglich. Die Zeit steht still. Die Nacht ist meine grosse Freiheit.

Eher eine Zeit der Arbeit oder der Erholung für Sie?

Nicht der Arbeit. Die Nacht bedeutet mir Vergnügen. Die Nacht ist die einzige Tageszeit, wo ich tun kann, was ich will. Das geht ja allen so, die tagsüber arbeiten.

Was machen Sie am Tag, wenn Sie übermüdet sind?

Ich sehne mich nach dem Wochenende!

Sie werden bestimmt von Ihren zwei Kindern geweckt.

Ja, deshalb habe ich ihnen auch ein Lied auf meinem Album gewidmet: «Little Monsters».

Stehen Ihre Kinder Ihrer Karriere im Weg?

Nein, überhaupt nicht. Ich stehe auf und bringe die Kinder zur Schule. Und manchmal habe ich zwei Monate lang nichts zu tun, dann bin ich voll für sie da.

In Frankreich ist Ihr Album soeben auf Platz eins der Hitparade angekommen. Hätten Sie das erwartet?

Nein, es ist unglaublich. Ich machte diese Platte nur für mich und zu meinem Vergnügen. Ich habe nicht daran gedacht, ob es jemand mögen wird oder nicht.

«5.55» ist nicht Ihr erstes Album. . .

... ich würde sagen, es ist mein erstes erwachsenes Album ...

Sie haben schon vor zwanzig Jahren eine Platte gemacht.

«Charlotte for ever», da war ich fünfzehn. Aber ich habe schon im Alter von zwölf mit meinem Vater die ersten Chansons aufgenommen.

Erinnern Sie sich daran?

Ja, es war magisch, weil ich mit meinem Vater zusammen war. Für mich sind das Kindheitserinnerungen.

Ihr erstes Duett mit Ihrem Vater Serge Gainsbourg hat einen Skandal verursacht, weil es die Liebe Ihres Vaters zu Ihnen zelebrierte. Haben Sie vom Skandal etwas mitbekommen?

Nein, nichts. Ich habe überhaupt nichts bemerkt. Ich war mir nicht bewusst, dass wir die Welt schockieren würden. Ich wusste zwar schon, dass mein Vater eine provokative Seite hatte, aber der Chansontext hat mich überhaupt nicht schockiert. Warum auch? Es ist ja einfach von der Liebe die Rede.

Heute würde man Ihren Vater für den Clip, in dem er halbnackt mit seiner Tochter auf dem Bett liegt, verhaften.

Ja, leider. Das Chanson ist sehr direkt - explizit, wie man heute sagt -, aber es erzählt von etwas sehr Schönem, von der Liebe eines Vaters zu seiner Tochter. Und es sagt deutlich, dass der sexuelle Akt in dieser Liebe nicht vorkommt. Ich finde es schade, dass ein so poetisches Lied heute nicht mehr möglich wäre. Es hat zwar ein heikles, schwieriges Thema, aber Zensur ist immer traurig. Heute herrscht wegen der Pädophilie ein Klima, in dem man keine Risiken mehr eingehen kann.

Hat man Sie damals belästigt wegen «Lemon Incest»?

Nein, als das Chanson herauskam, war ich weit weg, in einem Pensionat in der Schweiz.

Wo?

In Villars-sur-Ollon, einem Winterkurort in der Nähe des Genfersees.

Warum waren Sie dort?

Ich hatte mit 13 den Wunsch geäussert, in ein Pensionat zu gehen.

Sie wollten weg von Ihren Eltern?

Ja, ich wollte die Erfahrung machen, weg von meiner Familie zu sein.

Hat es Ihnen zu Hause nicht gefallen?

Doch, aber ich brauchte meine Freiheit. Ich hatte zwar sehr viele Freiheiten. Ich durfte mein Leben leben und verbrachte die Sommerferien oft mit Dreharbeiten. Eine sehr spezielle Kindheit.

Als Ihre Eltern sich scheiden liessen, waren Sie neun. Lebten Sie bei Ihrer Mutter oder bei Ihrem Vater?

Bei meiner Mutter. Aber ich habe meinen Vater oft gesehen.

Stimmt es, dass Ihre Mutter Sie zu Ihrem ersten Film gedrängt hat?

Nein, sie hat mich nicht gedrängt. Vielleicht ermutigt. Eines Tages hat sie mir einen Zettel auf den Küchentisch gelegt, wo sie draufgeschrieben hatte, dass es ein Casting gebe für einen Film. Man suche ein Mädchen meines Alters, ich könne ja mal hingehen. Also bin ich hingegangen. Alleine und aus eigenem Antrieb. Ich war neugierig. Als man mich nahm, war ich sehr, sehr glücklich.

Ihre erste Hauptrolle hatten Sie im Film «L’éffrontée», das unverschämte Mädchen. Waren Sie auch im wirklichen Leben frech?

Nein, ich war sehr brav. Benahm mich immer tadellos, hatte immer gute Noten. Dadurch machte ich mich unantastbar. Niemand konnte mir etwas vorwerfen. Aber innerlich machte ich, was ich wollte.

Sie haben nie offen rebelliert?

Nein. Ich weiss, ich hätte eine Adoleszenzkrise durchmachen sollen. Aber das machte ich nicht. Stattdessen machte ich Filme, da lebte ich mich aus. Eine Konfrontation mit meinen Eltern gab es nicht.

Sie gingen im Pensionat zur Schule, in den Sommerferien drehten Sie Filme. Man hat den Eindruck, Sie seien Ihren Eltern entflohen.

Hm ..., so kann ich es nicht sagen. Aber es bedeutete mir sehr viel, an den Dreharbeiten von einer Art Familie ausserhalb meiner richtigen Familie adoptiert zu werden. Eine Filmequipe ist wie eine Familie auf Zeit. Das ergab starke Beziehungen zu Menschen, die nichts mit meinen Eltern zu tun hatten. Etwa zum Regisseur Claude Miller, er hat mich sozusagen adoptiert, für «L’éffrontée» und «La petite voleuse».

1991 starb Serge Gainsbourg. Wurde Claude Miller Ihr Ersatzvater?

Nein, kein Ersatzvater, aber er bedeutete mir viel.

Es hat zwanzig Jahre gedauert, bis sie ein zweites Album gemacht haben. Warum?

Ich war erst fünfzehn damals, ging noch zur Schule. Ich habe mich nicht als Sängerin definiert und wusste nicht, ob ich Sängerin werden wollte. Ich habe wegen meines Vaters gesungen. Dann ist er gestorben. Ohne ihn gab es keine Gelegenheit mehr.

Bis heute ...

Ja, die Idee reifte langsam heran. Lange war alles sehr vage, ich war unsicher.

Wovor hatten Sie Angst?

Ich machte mir Sorgen, worauf ich mich da einlasse. Ich wollte auf keinen Fall auf Französisch singen. Ich wollte jede Bezugnahme auf meinen Vater vermeiden. Alle französischen Texte kamen mir vor, als wären es Chansons von ihm. Das hat mich so in Verlegenheit gebracht.

Haben Sie versucht, auf Französisch zu singen?

Ja, ich habe es versucht, aber es ging nicht. Ich habe auch versucht, französische Texte zu schreiben, aber ich war vollkommen blockiert. Jetzt hat es nur noch ein französisches Chanson drauf, «Tel que tu es».

Glauben Sie, das Album würde Ihrem Vater gefallen?

Ich wage es nicht, mir diese Frage zu stellen. Natürlich würde ich ihm gerne gefallen.

Ist Serge Gainsbourg ein Handicap für Sie?

Ja. Alles dreht sich um ihn. Dabei bin ich jetzt 35 Jahre alt, führe mein eigenes Leben. Es gibt anderes in meinem Leben als meinen Vater. Und trotzdem muss ich in Interviews dauernd über meine Eltern reden. Sogar wenn es um einen Film geht.

Aber jetzt geht es um Musik.

Ja, jetzt finde ich es auch verständlich, dass man mich nach meinen Eltern fragt. Ich habe schliesslich mein erstes Album mit meinem Vater zusammen gemacht. Und in «5.55» gibt es direkte Anspielungen auf ihn. Nur möchte ich nicht, dass dieses Thema alles beherrscht.

Gab es Momente, wo Sie gedacht haben, deswegen auf eine Platte zu verzichten?

Seltsamerweise nicht. Ich habe das Album wirklich nur für mich gemacht. Erst mit den ersten Interviews merkte ich, dass ich über meine Eltern reden musste. Kein einfaches Thema für mich. Es ist schmerzhaft, darüber zu reden. Mein Vater ist tot.

Sie haben das Haus Ihres Vaters gekauft. Um darin zu wohnen?

Nein, unmöglich!

Warum dann?

Ich möchte ein Museum einrichten. Es ist alles noch so, wie es war, als er starb. Die Möbel sind noch da, wir haben nichts verändert. Aber das Haus ist klein, kein Schloss. Wie sollen wir all die Besucher reinbringen? Jetzt habe ich den Architekten Jean Nouvel kontaktiert, vielleicht findet er eine Lösung.

Ihre Mutter Jane Birkin ist auch Sängerin. Werden Sie nun zur Konkurrenz?

Oh nein. Ich trete nicht in Konkurrenz zu ihr. Sie hat eine Vergangenheit, die viel bedeutender ist als meine. Sie ist ihren eigenen Weg gegangen.

Haben Sie sich mit ihr abgesprochen, bevor Sie mit dem Album angefangen haben?

Nein, ich hielt es vor meiner Familie geheim, ausser vor meinem Freund und meinen Kindern.

Englisch ist die Sprache Ihrer Mutter.

Deshalb schien es mir ja legitim, auf Englisch zu singen. Ich bin in London geboren, meine halbe Verwandtschaft besteht aus Engländern. Ich habe das Recht, auf Englisch zu singen, es ist meine zweite Sprache.

Gefällt Ihrer Mutter die Platte?

Ja, das heisst ... sie ist meine Mutter, ich weiss nicht, ob sie sich getrauen würde, mir zu sagen, falls sie es miserabel fände. Aber sie sagte, die Musik von Air gefalle ihr sehr.

Warum haben Sie mit Air zusammengearbeitet?

Weil Nicolas Godin und Jean-Benoit Dunckel mir gesagt haben, im Studio könnten magische Dinge passieren. Also gingen wir hin, diskutierten viel und probierten viel aus - und es hat super gut funktioniert.

Die Musik ist von Air, die Texte sind von Jarvis Cocker: Was ist von Ihnen?

Ich habe versucht, selber zu schreiben, habe sogar kurze Texte geschrieben. Sie waren auch in Ordnung, aber ich war trotzdem frustriert. Ich wollte einen guten Autor finden. Also habe ich Jarvis Cocker angerufen, er lebt ja in Paris.

Sie mochten seine Band Pulp?

Sehr. Jarvis Cocker ist eines der grössten Talente als Songwriter. Das Schreiben scheint ihm so leicht zu fallen.

Haben Sie ihm die Themen vorgegeben?

Ja, er kam erst gegen Ende dazu, als die Atmosphäre des Albums und fast die ganze Musik schon bestanden. Ich habe ihm meine Notizen gegeben, und er hat Songs daraus gemacht.

Die man leider nicht so gut versteht. Sie flüstern, wenn Sie singen.

Flüstern? Ich glaube nicht, dass ich flüstere, jedenfalls nicht immer. Aber es ist wahr, dass ich eine schwache Stimme habe, nicht die Stimme einer grossen Sängerin. Ich versuchte, so natürlich wie möglich zu singen, ohne meine Stimme zu vergewaltigen. Der Produzent Nigel Godrich hat meine Stimme dann in den Vordergrund gemixt, auf die englische Art.

Die französische Art ist,

die Stimme im Hintergrund zu halten ...

Finden Sie? Vielleicht. Sie finden vielleicht, dass ich eine schwache Stimme habe und nur flüstere, aber am Anfang war es viel schlimmer. Da war ich echt eingeschüchtert. Ich habe Fortschritte gemacht während der Aufnahmen. Es war ein langer Weg für mich.

Demnächst kommen mehrere Filme mit Ihnen ins Kino. Unter anderem «Science of Sleep» von Michel Gondry. Zufall?

Ja, es kam viel zusammen in letzter Zeit. Nach dem Film mit Michel Gondry habe ich das Album begonnen, dann einen Film in Argentinien gedreht, dann wieder am Album gearbeitet, dann einen Film in Frankreich gedreht und dann das Album fertig gemacht.

Derzeit drehen Sie mit dem Regisseur Todd Haynes einen Film über Bob Dylan. Spielen Sie den weiblichen Dylan?

Nein, diese Rolle hat Cate Blanchett bekommen. Sie spielt einen sehr androgynen Rockstar.

Das hätte auch zu Ihnen gepasst.

Ich hätte es gerne gemacht!

Wer ist grösser: Bob Dylan oder Serge Gainsbourg?

Erwarten Sie von mir eine Antwort auf diese Frage? Ich bewundere Bob Dylan. Mein Lieblingssong von ihm ist «Lay, Lady, Lay». Mein Vater sagte, ich müsse nur ein einziges Lied kennen. Dieses.

Welches ist Ihr Lieblingslied auf Ihrem Album?

«Everything I Cannot See» und «Morning Song», die beiden letzten.

Normalerweise setzt man die besten Lieder an den Anfang.

Ich nicht. Die Reihenfolge ist richtig so.

Morgen jährt sich der 11. September zum fünften Mal. Erinnern Sie sich an den Tag?

Ja, ich war am Filmfestival von Toronto und bestellte im Hotel das Frühstück. Der Kellner kam herein und sagte: «Schalten Sie den Fernseher ein.» Ich sah das zweite Flugzeug in das World Trade Center fliegen. Das war sehr, sehr seltsam.

Hat der Tag etwas verändert in Ihrem Leben?

Es hat irgendwie alles verändert. Etwas, das so unantastbar war wie New York, wurde plötzlich verletzlich. Eine neue Bedrohung ist da, eine Gefahr.

Spüren Sie das im Alltag?

Nein, ich lebe nicht mit der täglichen Angst. Ich wohne in Paris in einem wohlhabenden Milieu, führe ein unbeschwertes Leben. Die Probleme der Welt sind ziemlich weit weg. Ich bin ein wenig isoliert.

«Je t’aime ... moi non plus»

Charlotte Gainsbourg, 35, ist das Kind des berühmtesten Liebeslieds der Welt: «Je t’aime . . . moi non plus». Ihre Eltern Serge Gainsbourg und Jane Birkin waren das französische Glamourpaar der Sechziger. Mit zwölf sang sie mit ihrem Vater den Skandalsong «Lemon Incest». «5.55» ist ihr erstes Album als Erwachsene. Populär ist sie als Filmstar: «La petite voleuse» (1988), «The Cement Garden» (1993), «Lemming» (2005). Sie lebt mit dem Filmemacher Yvan Attal und ihren zwei Kindern in Paris.

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(Feature) Auf Klassenfahrt ermordet - Vor fünf Jahren verschwand der neunjährige Dennis aus Schullandheim - Polizei sucht Serientäter --Von ddp-Korrespondentin Janet Binder-- (Mit Bildern und Datenblatt).
ADN0000020060904e294002uv
523 Words
04 September 2006
ddp Basisdienst
German
(c) 2006 ddp-Wirtschaftsdienst www.ddp.de

Rotenburg (ddp). Der neunjährige Dennis Klein aus Niedersachsen liebte Fußball und seinen Pokemon. Wohl deshalb hält der Junge das kleine, gelbe Plüschmonster vor sich, als er auf Klassenfahrt von seiner Lehrerin vorm Zu-Bett-Gehen fotografiert wird. Es ist das letzte Foto von ihm. Am nächsten Morgen, dem 5. September 2001, ist der Grundschüler aus Scharmbeckstotel bei Osterholz-Scharmbeck aus dem Schullandheim Wulsbüttel verschwunden. Zwei Wochen später wird seine Leiche ein paar Kilometer entfernt gefunden. Die Polizei geht von einem Serientäter aus. Dessen Identität ist noch immer unbekannt. Am Dienstag jährt sich der Mord an Dennis zum 5. Mal.

Die Sonderkommission ist nach wie vor im Einsatz. 20 Beamte mühen sich weiter darum, den Täter zu fassen. Bislang wurden rund 3000 Spuren überprüft. Polizeisprecher Detlev Kaldinski betont aber, dass es «keine großen neuen Erkenntnisse» gebe. Immer wieder würden bekannt gewordene Päderasten überprüft, ob sie ins Täterprofil passen. Nach solchen intensiven Phasen folgten wieder solche, in denen die Soko lediglich auf «Stand-by» sei. «Die Soko Dennis wird es geben, bis der Täter gefasst ist», sagt Kaldinski.

Dennis' Mörder steht im Verdacht, seit 1992 vier weitere Jungen getötet und 36 Mal Kinder in Schullandheimen, Zeltlagern und Einfamilienhäusern in Norddeutschland missbraucht zu haben. Sein erstes Mordopfer war vermutlich der 13-jährige Stefan Jahr, der vor 14 Jahren aus einem Internat in Scheeßel (Kreis Rotenburg) verschwand und später tot aufgefunden wurde. 1995 starb der achtjährige Dennis Rostel, der bei Schleswig aus einem Zeltlager verschleppt wurde. 1998 wird Nicky Verstappen aus einem Zeltlager in den Niederlanden entführt und ermordet.

Die Polizei hält es für möglich, dass derselbe pädophilie Sexualverbrecher zuletzt kurz vor Ostern 2004 an der französischen Atlantikküste den elfjährigen Jonathan Coulom tötete. Der Junge war ebenso wie Dennis nachts aus einem Schullandheim verschleppt worden. «Wir können uns natürlich nicht 100-prozentig sicher sein, dass es derselbe Täter war», sagt Kaldinski. «Aber es ist eine sehr ähnliche Tatbegehung.»

Auch die 36 Missbrauchsfälle weisen immer das gleiche Tatmuster auf. Der stets maskierte Täter taucht plötzlich in einem vermeintlich geschützten Raum auf, berührt die Kinder unsittlich. Auch im Schullandheim Wulsbüttel, aus dem er Dennis verschleppte, soll er bereits 1995 und 1999 zwei Jungen missbraucht haben.

Der Täter wird von Zeugen als auffallend groß und mit einer tiefen Stimme beschrieben. Er trägt stets dunkle Kleidung, eine Maske und Handschuhe. In letzter Zeit soll er sich etwas verändert haben, dicklicher geworden sein. Die Ermittler gehen davon aus, dass er zurückgezogen lebt. Offenbar kann er gut mit Kindern umgehen, denn er konnte leicht das Vertrauen seiner Opfer gewinnen. Diese waren allesamt Jungen zwischen acht Jahren und der beginnenden Pubertät.

Dass die meisten Taten in Landschulheimen oder Ferienlagern passierten, könnte nach Ansicht der Polizei auf eine besondere Beziehung des Mannes zu diesem Umfeld hinweisen. «Der Täter könnte selbst als Lehrer oder Erzieher Heimerfahrung haben», sagt Kaldinski. Für Hinweise zur Ergreifung des Täter sind allein in den Fällen der drei deutschen Kinder insgesamt rund 22 500 Euro Belohnung ausgesetzt.

(polizei.niedersachsen.de/dennis/)

ddp/jab/wsd

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(Feature) Auf Klassenfahrt ermordet - Vor fünf Jahren verschwand der neunjährige Dennis aus Schullandheim - Soko weiterhin im Einsatz --Von ddp-Korrespondentin Janet Binder-- (Mit Bildern und Datenblatt).
DDPLD00020060904e2940030i
528 Words
04 September 2006
ddp Landesdienste
German
(c) 2006 ddp-Wirtschaftsdienst www.ddp.de

Rotenburg (ddp-nrd). Dennis Klein liebte Fußball und seinen Pokemon. Wohl deshalb hält der Neunjährige das kleine, gelbe Plüschmonster vor sich, als er auf Klassenfahrt von seiner Lehrerin vorm Zu-Bett-Gehen fotografiert wird. Es ist das letzte Foto von Dennis. Am nächsten Morgen, dem 5. September 2001, ist der Grundschüler aus Scharmbeckstotel bei Osterholz-Scharmbeck aus dem Schullandheim Wulsbüttel verschwunden. Zwei Wochen später wird seine Leiche ein paar Kilometer entfernt bei Kirchtimke gefunden. Die Polizei geht von einem Serientäter aus. Dessen Identität ist noch immer unbekannt. Am Dienstag jährt sich der Mord an Dennis zum 5. Mal.

Die Sonderkommission ist nach wie vor im Einsatz. 20 Beamte mühen sich auch fünf Jahre nach dem Mord darum, den Täter zu fassen. Bislang wurden rund 3000 Spuren überprüft. Polizeisprecher Detlev Kaldinski betont aber, dass es «keine großen neuen Erkenntnisse» gebe. Immer wieder würden bekannt gewordene Päderasten überprüft, ob sie ins Täterprofil passen. Nach solchen intensiven Phasen folgten wieder solche, in denen die Soko lediglich auf «Stand-by» sei. «Die Soko Dennis wird es geben, bis der Täter gefasst ist», sagt Kaldinski.

Dennis' Mörder steht im Verdacht, seit 1992 vier weitere Jungen getötet und 36 Mal Kinder in Schullandheimen, Zeltlagern und Einfamilienhäusern in Norddeutschland missbraucht zu haben. Sein erstes Mordopfer war vermutlich der 13-jährige Stefan Jahr, der vor 14 Jahren aus einem Internat in Scheeßel (Kreis Rotenburg) verschwand und später tot aufgefunden wurde. 1995 starb der achtjährige Dennis Rostel, der bei Schleswig aus einem Zeltlager verschleppt wurde. 1998 wird Nicky Verstappen aus einem Zeltlager in den Niederlanden entführt und ermordet.

Die Polizei hält es für möglich, dass derselbe pädophilie Sexualverbrecher zuletzt kurz vor Ostern 2004 an der französischen Atlantikküste den elfjährigen Jonathan Coulom tötete. Der Junge war ebenso wie Dennis nachts aus einem Schullandheim verschleppt worden. «Wir können uns natürlich nicht 100-prozentig sicher sein, dass es derselbe Täter war», sagt Kaldinski. «Aber es ist eine sehr ähnliche Tatbegehung.»

Auch die 36 Missbrauchsfälle weisen immer das gleiche Tatmuster auf. Der stets maskierte Täter taucht plötzlich in einem vermeintlich geschützten Raum auf, berührt die Kinder unsittlich. Auch im Schullandheim Wulsbüttel, aus dem er Dennis verschleppte, soll er bereits 1995 und 1999 zwei Jungen missbraucht haben.

Der Täter wird von Zeugen als auffallend groß und mit einer tiefen Stimme beschrieben. Er trägt stets dunkle Kleidung, eine Maske und Handschuhe. In letzter Zeit soll er sich etwas verändert haben, dicklicher geworden sein. Die Ermittler gehen davon aus, dass er zurückgezogen lebt. Offenbar kann er gut mit Kindern umgehen, denn er konnte leicht das Vertrauen seiner Opfer gewinnen. Diese waren allesamt Jungen zwischen acht Jahren und der beginnenden Pubertät.

Dass die meisten Taten in Landschulheimen oder Ferienlagern passierten, könnte nach Ansicht der Polizei auf eine besondere Beziehung des Mannes zu diesem Umfeld hinweisen. «Der Täter könnte selbst als Lehrer oder Erzieher Heimerfahrung haben», sagt Kaldinski. Für Hinweise zur Ergreifung des Täter sind allein in den Fällen der drei deutschen Kinder insgesamt rund 22 500 Euro Belohnung ausgesetzt.

(polizei.niedersachsen.de/dennis/)

ddp/jab/mwa

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Vor fünf Jahren wurde der neunjährige Dennis getötet.
DDPLD00020060904e294000dz
143 Words
04 September 2006
ddp Landesdienste
German
(c) 2006 ddp-Wirtschaftsdienst www.ddp.de

Rotenburg (ddp-nrd). Vor fünf Jahren ist der neunjährige Dennis Klein aus Scharmbeckstotel bei Osterholz-Scharmbeck ermordet worden. Er war mit seiner vierten Klasse im Schullandheim Wulsbüttel (Kreis Cuxhaven), als ein Unbekannter ihn in der Nacht zum 5. September 2001 aus seinem Zimmer verschleppte. Zwei Wochen später fand ein Pilzsammler seine Leiche bei Kirchtimke (Kreis Rotenburg/Wümme). Die Polizei geht von einem Serientäter aus.

Dennis' Mörder tötete seit 1992 nach Ansicht der Ermittler vier weitere Jungen, 36 Mal habe er Kinder in Schullandheimen, Zeltlagern und Einfamilienhäusern in Norddeutschland missbraucht. Die Polizei geht davon aus, dass der pädophilie Sexualverbrecher zuletzt kurz vor Ostern 2004 an der französischen Atlantikküste den elfjährigen Jonathan tötete. Der Junge war ebenso wie Dennis nachts aus einem Schullandheim verschleppt worden.

(folgt Korrespondentenbericht bis 13.00 Uhr)

ddp/jab/fgr

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Frage der Woche vom 27. August - Braucht es jetzt spezielle Gesetze gegen die Internet-Pädophilie?
SBLICK0020060911e2930002z
Forum
427 Words
03 September 2006
SonntagsBlick
A33
German
© 2006 Ringier AG, Switzerland. All rights reserved. For further information see http://www.ringier.com

20 % NEIN

80 % JA

Ich gratuliere Ihnen, endlich macht jemand dieses Thema publik! Es sollten vor allem Gesetze geschaffen werden, welche die Betreiber zwingen, bei «Adult»-, «Men only»- oder Erotik-Chats eine ID-Kontrolle einzuführen. Und anstössige User gleich zu sperren - für immer!

M. S., Ehrendingen AG

Ja, es braucht harte Gesetze!

G. Siegenthaler, per E-Mail

Bei Ihren Tipps haben Sie etwas Wichtiges vergessen: Oft werden E-Mail-Adressen nach dem Schema «vorname.nachname@irgendwas» verwendet. So kann von der E-Mail-Adresse auf den Namen und möglicherweise auf den Wohnort geschlossen werden. Daher sollten auch Kinder für ihre Chat-Identität eine E-Mail-Adresse mit einem Fantasienamen anlegen.

Martin Blapp, Pratteln BL

Super, dass Sie diese Problematik thematisieren. Spezielle Gesetze sind unbedingt notwendig! Als Mutter von zwei Teenagern kann ich nicht verstehen, weshalb solche Aktionen so lange Zeit brauchen, um zu greifen und unsere Gesellschaft sicherer und friedlicher zu machen, Kosten für die Heilung langwieriger seelischer Schäden zu minimieren und überhaupt viele Folgeschäden zu vermeiden.

E. van der Wee, per E-Mail

Ständerat Rolf Schweiger hat mit seiner Forderung, im bestehenden Gesetz über die verdeckte Ermittlung raschmöglichst eine Ergänzung vorzunehmen, völlig Recht. Aber auch die Eltern sind gefordert: Sie sollten den Kindern erklären, worum es sich bei Pädosexuellen eigentlich handelt. Max Geiser, Biel BE

Wenn die Polizei im Internet als «Minderjährige» auftritt, nur um Pädophile in die Falle zu locken, so ist das hinterhältig und eines Rechtsstaates unwürdig. Man soll nicht immer alles übertreiben! Die bisherigen Kontrollen bei einem Verdacht und die Anordnung eines Richters genügen.

Jürg Stauffer, Zürich

Chat sollte generell verboten werden. Auch wenn man sich als ältere, verheiratete Dame einloggt, ist Sex das einzige Thema und sogar Taschengeld wird angeboten.

U. Wiedmer, SCHüPFEN BE

Nein, es braucht keine speziellen Gesetze. Angesichts der rasanten Entwicklung des Internets wären solche Bestimmungen schon bei ihrer Inkraftsetzung überholt. Da es offenbar unmöglich ist, Kinder von der Benutzung des Internets abzuhalten, müssen sie dazu erzogen werden, mit seinen Vorteilen, aber auch mit seinen Nachteilen ummzugehen.

Jacques Messeiller, Binningen BL

Mit Verboten ist dem Übel nicht beizukommen, das würde nur Scheinheiligkeit vortäuschen und das eigene Gewissen beruhigen: «Wir tun doch was.» Kinder und Jugendliche müssen aufgeklärt werden, um mit den negativen Aspekten im Internet umgehen zu können.

Peter W. Schneider,

Wädenswil ZH

Man sollte sofort und ohne Wenn und Aber reagieren. Wieso warten, bis etwas passiert? Kinder müssen geschützt werden. Und zwar sofort! Martha Fuchs,

Horgen ZH

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«Man muss ihnen eröffnen, dass Liebe auch Geborgenheit und Zärtlichkeit ist»
NEUZZS0020060903e2930001z
849 Words
03 September 2006
NZZ am Sonntag
4
German
"Besuchen Sie die Website der führenden Schweizer Internationalen Tageszeitung unter http://www.nzz.ch"

Cornelia Bessler, die Leiterin der Fachstelle für Kinder- und Jugendforensik des Kantons Zürich, hat Sexualdelikte von Kindern erforscht. Interview: Larissa Bieler

NZZ am Sonntag: Zwei Primarschüler haben ein fünfjähriges Mädchen vergewaltigt. Warum geschieht so etwas?

Cornelia Bessler: Es gibt verschiedene Hintergründe, Ursachen und Motive, die zu einem solchen Verhalten führen. Ein eigentliches Täterprofil gibt es nicht.

Ist es ein neues Phänomen, dass auch Kinder solche Straftaten begehen?

Mein Eindruck ist, dass früher solche Vorfälle eher verschwiegen wurden. Man wusste ja auch nicht, was man in einer solchen Situation tun sollte. In den letzten Jahren wurde aber in diesem Bereich viel unternommen, um die Situation zu verbessern.

Sind die Straftaten von Kindern und Jugendlichen brutaler geworden?

Diese Frage bewegt die Gemüter. Doch zur Entwicklung des Schweregrades solcher Straftaten können wir keine Aussagen machen. Der Graubereich ist gross - viele Übergriffe werden aus Scham oder Angst nicht gemeldet -, und zudem gibt es auch viele unklare Fälle.

Welche Rolle spielt es, dass Kinder via Internet oder Handy direkten Zugriff auf pornographisches Material haben?

Die Untersuchungen dazu sind widersprüchlich. Aufgrund meiner klinischen Erfahrung gehe ich davon aus, dass Pornographie eine Einwirkung hat. Was die Kinder und Jugendlichen im Internet finden, ist nicht unbedingt adäquat, denn es entspricht nicht ihrem Entwicklungsstand. Die Jugendlichen haben dann diese Bilder im Kopf, wollen es nachahmen, aber sie wissen oft nicht einmal, wie man den Kontakt zu einem Mädchen herstellt, wie man eine Liebesbeziehung aufbaut oder überhaupt was unter Liebe zu verstehen ist. In den Pornos sind die Frauen verfügbar, und der schwierige Annäherungsprozess ist kein Thema. Zudem geht es nur um sofortige Bedürfnisbefriedigung.

In Werbung oder Fernsehen ist das Thema Sex omnipräsent. Sind solche Straftaten das Abbild einer sexualisierten Gesellschaft?

Ich sehe dies eher als Abbild des Konsumverhaltens in unserer Gesellschaft. Es geht um schnelles Konsumieren, auch in der Sexualität. Dadurch wird die Qualität dieses Erlebnisses flach, oberflächlich, der Partner spielt keine Rolle mehr. Straffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen muss man in der Therapie oft zuerst eröffnen, dass Liebe auch Geborgenheit und Zärtlichkeit implizieren könnte und dass es sinnvoll sein kann, nicht gleich miteinander ins Bett zu steigen, sondern zuerst zu versuchen, eine Beziehung aufzubauen.

Die Familien der Täter von Rhäzüns stammen aus Kosovo. Begehen Kinder von Immigranten mehr Sexualstraftaten als Kinder von Schweizern?

In einer Untersuchung haben wir herausgefunden, dass die Hälfte der jugendlichen Sexualstraftäter Ausländerkinder sind. In den untersuchten Jahrgängen betrug der Anteil der jugendlichen Ausländer 35 Prozent, womit die straffälligen Ausländerkinder wohl überrepräsentiert sind. Doch es ist nicht zulässig, die Ursache für die Straftat auf die Herkunft der Täter zu reduzieren. Kinder von Immigranten haben erschwerte Bedingungen, sind entwurzelt, müssen in einer anderen Kultur ein neues Kontaktverhalten erlernen und haben weniger Möglichkeiten, den Umgang mit einem möglichen Gegenüber zu üben. Das wirkt sich auch im Sexualverhalten aus.

Der Vater des Täters hat offenbar gesagt, er habe kaum mit seinem Sohn über die Tat gesprochen, über solche Themen rede man nicht in der Familie, dafür sei die Schule da. Wie beurteilen Sie solche Aussagen?

Das gibt Hinweise auf den kulturellen Hintergrund der Familie. In Kosovo, wo sie laut Presseberichten herkommt, ist das Thema Sexualität tabuisiert und schambesetzt. Auch der Umgang zwischen den Geschlechtern unterscheidet sich, zum Beispiel werden die Mädchen immer von einem Bruder oder dem Vater begleitet. Es gibt viele Missverständnisse, zum Beispiel die Vorstellung, dass die Frauen bei uns «Schlampen» seien, weil sie sich freizügiger verhalten.

Bei Erwachsenen hat eine Vergewaltigung viel mit Machtausübung zu tun. Wie ist das bei Kindern?

Es gibt auch Kinder, die ihre Stärke beweisen möchten und andere Kinder quälen. Sie tun das zum Teil unreflektierter, weil sie sich noch weniger gut in andere einfühlen können. Eine Vergewaltigung unter Kindern ist insofern anders, als die Täter in einem anderen Entwicklungsstadium und weniger auf bestimmte Themen fixiert sind, wie zum Beispiel auf Pädophilie. Bei den Kindern handelt es sich öfter um ein Probierverhalten und um ein Abreagieren, wenn sie zum Beispiel selbst unter Druck stehen.

Passieren die Taten aus heiterem Himmel, oder sind die Täter vorbelastet?

Es gibt alles. In der Gruppe, an einer Party zum Beispiel, wenn getrunken wird, kann auch ein unauffälliger Knabe eine Sexualstraftat begehen. Es gibt aber auch Jugendliche, die bereits Straftaten wie Einbrüche oder Körperverletzungen verübt haben. Denen fehlen oft Schuldgefühle und adäquate Wertvorstellungen, oder sie haben ein ausgeprägtes Dominanzbedürfnis und den Drang, sich zu nehmen, was sie gerade wollen, auch in der Sexualität.

Kommen solche Kinder und Jugendliche je wieder auf die richtige Bahn?

Im Gegensatz zu erwachsenen Tätern kann bei ihnen durch Behandlung und erzieherische Massnahmen viel erreicht werden. Aber es gibt einige wenige, bei denen dies schwierig wird.

Die Eltern des Opfers sind mit der Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen. Wie beurteilen Sie dies?

Eine solche Tat ist nicht nur für das Kind ein Trauma, sondern auch für die Eltern. Sie weckt Wut und Verzweiflung. Ich kann einen solchen Schritt verstehen. Wie sich das auf das Mädchen auswirkt, kann man erst später beurteilen. Aber nicht über das Geschehene zu reden, ist auch falsch und macht es noch unfassbarer.

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Behinderten Jungen missbraucht
RHEPO00020060901e291001qe
L
VON DIETMAR SCHÖRNER
298 Words
01 September 2006
Rheinische Post
Rheinische Post KrefeldE
German
© Copyright 2006. Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH. All rights reserved. For further information see http://www.rp-online.de

„Die Pädophilie ist strukturell so tief in seinem Wesen verankert, dass er therapeutisch nicht zu erreichen ist“, führte der Sachverständige gestern in seinem Gutachten über einen 53-jährigen Krefelder aus. Der Mann ist überführt von April 2005 bis Februar 2006 einen 14 Jahre alten, geistig behinderten Jungen 14 Mal sexuell missbraucht zu haben. Während der Sprödentalkirmes hatte er den Jungen zu „Doktorspielen“ in einem Schrebergartengelände und später bei sich zu Hause überredet. Zur Belohnung gab es hinterher Geld, und meistens einen Besuch im Café im Schwanenmarkt zu Kakao und Kuchen. Letzteres war für den geistig Behinderten ein großer Anreiz.

Der Angeklagte hat sieben Einträge wegen Kindesmissbrauchs im Strafregister und lebt seit seinem 16. Lebensjahr fast ausschließlich im Gefängnis oder in der Psychiatrie. Zuletzt wohnte in Bockum in einem Einfamilienhaus mit einem homosexuellen „Opa“ zusammen. Ein aufmerksamer Postboten sah im Februar einen weinenden Jungen vor der Tür des besagten Hauses. Er schöpfte Verdacht und alarmierte die Polizei. Diese fand den 14-Jährigen dann im Keller des Hauses. Der Angeklagte hatte sein Opfer zu sich nach Hause bestellt, war zu der verabredeten Uhrzeit aber nicht anwesend. Der 81-jährige Freund des Angeklagten lies den Jungen ins Haus und versteckte ihn im Keller, als plötzlich die Polizei vor der Türe stand. - Der Angeklagte gab alle in der Anklage verlesenen Punkte zu. Er wolle dem Jungen ersparen, als Zeuge aussagen zu müssen, sagte er. Allerdings wollte der 14-Jährige unbedingt eine Aussage machen. Sein Betreuer und das Gericht erkannten, dass dies ein wichtiger therapeutischer Schritt für den Jungen ist und hörten ihn an. Neues konnte dieser jedoch nicht beisteuern. Auf Grund der Vorstrafen und der fruchtlosen Therapien verurteilte die Strafkammer den Angeklagten zu fünfeinhalb Jahren Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung.

176785077
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Mozart statt Pop
SLZNT00020060831e2910001y
chronik
285 Words
01 September 2006
Salzburger Nachrichten
8
German
(c) 2006. SN. All rights reserved.

Rom (SN, APA). Papst Benedikt XVI. mag keine Popmusik und hat daher das Weihnachtskonzert im Vatikan gestrichen, bei dem in der Adventszeit große Namen der internationalen Musikszene auftreten. Nach zwölf Jahren wird das Konzert in der vatikanischen Audienzhalle, das von Johannes Paul II. gewollt worden war, nicht mehr stattfinden. Das Wohltätigkeitskonzert, bei dem im vergangenen Jahr Stars wie Miriam Makeba, Paul Anka und die Sängerin der irischen Band Cranberries, Dolores O’Riordan, aufgetreten seien, werde auf Wunsch des Papsts nicht mehr im Vatikan, sondern in Monte Carlo organisiert, berichtete die Turiner Tageszeitung „La Stampa“ am Donnerstag.

Schon im Vorjahr hatte Josef Ratzinger im Gegensatz zu seinem Vorgänger keine Grußbotschaft in Wort oder Video an die Teilnehmer des Konzerts geschickt. Der Heilige Vater war weder zur Darbietung gekommen, noch hatte er die Musiker zu einer Audienz empfangen, wie es Johannes Paul II. getan hatte, auch als er schon sehr krank war. Dies hatte großen Unmut unter den Künstlern ausgelöst, die sich auf ein Treffen mit dem Papst gefreut hatten. Der Erlös des Konzerts kam der Ostasienmission zugute. Dennoch: „Ratzinger zieht der Pop-Musik Mozart und Bach vor. Nach zwölf Jahren geht die Ära des Weihnachtskonzerts im Vatikan zu Ende“, schrieb „La Stampa“.

Dieses Weihnachtskonzert war während dieser Zeit immer wieder für Schlagzeilen gut. Die US-Hip-Hop-Sängerin Lauryn Hill hatte 2003 den Vatikan mit einem Appell gegen Pädophilie geschockt, den sie bei dem Weihnachtskonzert in dem Saal „Paul VI.“ verlesen hat. Vor ihrem Auftritt vor 7500 Zuschauern, darunter mehrere Kardinäle und Bischöfe, hatte die mehrfache Grammy-Gewinnerin einen selbst geschriebenen Text gegen pädophile Priester in der katholischen Kirche verlesen, der die Anwesenden zutiefst entrüstete.

snstamm | SNZ41-684685201.09.2006 | 41-6846852
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Urteil für Kinderschänder
RHEPO00020060831e28v0016u
L
132 Words
31 August 2006
Rheinische Post
Rheinische Post Duisburg
German
© Copyright 2006. Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH. All rights reserved. For further information see http://www.rp-online.de

(am) Ein Erbgut-Test hatte den heute 24-Jährigen überführt, der in den Jahren 2002 und 2005 drei neun- bis zwölfjährige Mädchen sexuell missbraucht hatte. Jetzt wurde vor dem Landgericht Duisburg das Urteil verkündet: Der ehemalige Koch-Lehrling wurde zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Zusätzlich ordnete die Jugendkammer an, den Täter unbefristet in der Psychiatrie unterzubringen. Denn der psychiatrische Gutachter zeigte sich überzeugt, dass es sich bei dem Meidericher, dem er Pädophilie attestierte, um einen gefährlichen Wiederholungstäter handele. Am 14. September des Jahres 2002 hatte er sein erstes Opfer, ein neunjähriges Mädchen, auf einem Feld Kalkar-Wissel missbraucht. Am 27. April 2002 verging er sich an einem Duisburger Mädchen. Die dritte und letzte Tat beging er am 31. Januar 2005 in Oberhausen.

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die taz vor 10 jahren über die empörung über kinderschänder
TAZ0000020060830e28v00036
Meinung und Diskussion
Katharina Rutschky
270 Words
31 August 2006
taz - die tageszeitung
taz
12
German
(c) 2006 taz, die tageszeitung

Von 400.000 Männern, die jährlich nicht als Urlauber, sondern als Sextouristen ins Ausland reisen, bedienen sich 10.000 nach „Erkenntnissen von Experten” bei Minderjährigen. Genauer gesagt: „etwa” 10.000 der „bis zu” 400.000 Deutschen (Berliner Zeitung vom 21. 8.). Daraus scheint zu folgen, daß 10.000 Minderjährige auf deutsch mißbraucht werden (Berliner Zeitung vom 26. 8.); nach Schätzungen von „Hilfswerken” waren es 1995 aber 100.000. Die Entscheidung zwischen beiden Zahlen sollte jedem Vernünftigen leicht fallen. Höhere Zahlen sprechen von höherer Betroffenheit und Moral. Unser neuer Kinderschutzexperte Außenminister Kinkel fordert daher: „Kinderschänder müssen geächtet werden.” Ächtung ist ein altdeutscher Rechtsvorgang und meint Ausstoßen aus der Gemeinschaft der Menschen. Ein Geächteter ist vogelfrei und konnte früher straflos von jedem ums Leben gebracht werden. Ich persönlich freue mich über die sich abzeichnende Etablierung des Begriffs „Kinderschänder”.

Mit Fremdwörtern wie Päderastie und Pädophilie, mit der Untersuchung von Einzelfällen (Bartsch oder Dutroux) verlieren wir doch bloß kostbare Zeit. Man möge mich bitte nicht als Nazi klassifizieren, aber wir müssen doch heute zugeben, daß neben der Autobahn der Kinderschänder eine wirkliche Errungenschaft jener sonst zu Recht verurteilten Zeit darstellt. Natürlich weiß ich so gut wie jeder, daß es falsch ist, gegen Kinderschänder mit Todesstrafe, Kastration und KZ vorzugehen. Heute setzen wir auf international vernetzte Verfolgung im Zeichen der Ächtung, Verschärfung der Strafgesetze und Ausbau der Gefängnisse, in welche die 10.000 bis 100.000 Kinderschänder (Sextouristen) künftig eingewiesen werden. Dort wird dann Therapie angeboten. Halali! Die Jagdsaison ist eröffnet.

Katharina Rutschky in der taz

vom 30. 8. 1996

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So leicht gehen unsere Kinder den Sex-Grüseln ins Netz
SBLICK0020060828e28r00002
Sexfalle Internet
539 Words
27 August 2006
SonntagsBlick
A2
German
© 2006 Ringier AG, Switzerland. All rights reserved. For further information see http://www.ringier.com

GEFAHR Immer häufiger missbrauchen Pädosexuelle die Internet-Plauderforen. Ihr Ziel: Sex mit Minderjährigen. SonntagsBlick testete, wie schamlos die Kinder angemacht werden. Schlimm dabei: Die Polizei ist machtlos.

Von Daniel Jaggi (Text), Paolo foschini (foto)

Donnerstag, 24. August, 13.58 Uhr: SonntagsBlick loggt sich unter dem Namen «melanie14» im Forum von chat.ch ein. Wir wollen in dem vom Betreiber überwachten Internetforum ein bisschen plaudern. Weil Melanie als 14-Jährige erkennbar ist, wird sie sofort Freiwild für pädosexuelle Männer. Es dauert keine Minute und «blueeyes1972» meldet sich. SonntagsBlick findet heraus: Es ist ein Familienvater aus dem Aargau, von Beruf Verkaufsleiter, Garten- und Weinliebhaber. Der Pädosexuelle will bereits mit der dritten Frage wissen, ob melanie14 auf Ältere stehe. Dann ob sie ihm ein Bild mailen könne. Nach drei Minuten fragt er nach der BH-Grösse (siehe Protokoll nebenan). Wir schweifen immer wieder vom Thema Erotik ab, schneiden andere Themen an, aber er will nur eines: melanie14 treffen. Das schreibt er nach 22 Minuten.

Einzig die Stadtpolizei Zürich ermittelt aktiv

Dieser reale Chat zeigt: Internetforen sind äusserst gefährlich für unsere Jugendlichen. Besonders die Kinder-Chaträume. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Chats von Moderatoren überwacht werden. «Überall besteht eine massive Gefährdung», warnt Rolf Nägeli (46), Ermittler bei der Stadtpolizei Zürich und Leiter der Fachgruppe Kinderschutz.

Pädosexuelle tun alles, um Kinder zu treffen. 2005 wurden der Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik) 46 Fälle bekannt. «In den ersten acht Monaten dieses Jahres waren es bereits 41», sagt Kobik-Analytiker Mauro Vignati (32). Tendenz stark steigend.

Besonders dramatisch: Die Ermittlungsbehörden müssen dem Treiben der Pädosexuellen machtlos zusehen. Ihnen fehlen gesetzliche Grundlagen für verdeckte Ermittlungen in Internet-Chats.

Das hält die Stadtpolizei Zürich als einziges Deutschschweizer Korps aber nicht davon ab, dennoch in den Foren nach Pädosexuellen zu ermitteln. Nägeli: «Uns ist das Wohl der Kinder wichtiger. Wir könnten täglich Verhaftungen vornehmen.» Die Stadtpolizei hofft, dass bald ein verbindlicher Bundesgerichtsentscheid vorliegt, der das Vorgehen bei verdeckten Ermittlungen in Chats regelt.

Rechtskommission plädiert für verdeckte Ermittlung

Die Gefahr für unsere Kinder hat auch das Parlament erkannt. Bei der Beratung der neuen Strafprozessordnung sprach sich die Rechtskommission für die verdeckte Ermittlung im Internet aus. Doch bis zur Inkraftsetzung kann es noch Jahre dauern. FDP-Ständerat Rolf Schweiger (61) will deshalb im bestehenden Gesetz über die verdeckte Ermittlung eine Ergänzung vornehmen: «Diese Änderung wäre viel schneller umsetzbar.»

Aber bis es so weit ist, heisst es für Kinder und Eltern: aufgepasst!

Sexuelle Anmache im Internet-Chat

Protokoll Anmache, Verführung und perverse Ausdrücke. Der SonntagsBlick-Test beweist: Pädosexuelle Männer gehen schamlos vor, um Minderjährige zu einem Treffen zu überreden. Die folgenden Auszüge aus dem zehnseitigen Chatprotokoll zeigen, wie der Familienvater «blueeyes1972» die SonntagsBlick-Testchatterin «melanie14» trotz ihrer Ausweichmanöver immer wieder sexuell belästigte. Hinterlistig lockte er intime Details aus ihr heraus, verlangte Bilder und überredete sie schliesslich zu einem Treffen - obwohl ihm die Strafbarkeit der Tat bewusst war. Das hat er ihr sogar geschrieben.

Frage der Woche

Braucht es jetzt spezielle Gesetze gegen die Internet-Pädophilie?

Bitte schreiben Sie an:

Redaktion SonntagsBlick, Dufourstrasse 23, 8008 Zürich, oder per E-Mail an sobli@ringier.ch, oder stimmen Sie via Internet ab: http://www.sonntagsblick.ch

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Pädophiler als Sekretär
AARGZ00020060826e28q0000c
235 Words
26 August 2006
Aargauer Zeitung
German
© 2006 AARGAUER ZEITUNG. Sämtliche Rechte zu Artikeln der AARGAUER ZEITUNG sind vorbehalten. Jede Verwendung, die die in Ihrem Factiva-Kundenvertrag geregelten Rechte überschreitet, nur unter Genehmigung der Redaktion. Kontaktaufnahme per Email unter redaktion@azag.ch.

Nachrichten

1991 gründete er in Linn auf dem Bözberg eine Beratungsstelle für Pädophilie. 1993 wurde er wegen Missbrauchs seiner Stiefkinder verhaftet und ist seit 1998 verwahrt. Seither ist der 60-jährige Beat Meier der «bekannteste Pädophile der Schweiz». Und ausgerechnet dieser Mann arbeitet heute von seiner Zelle in der Regensdorfer Strafanstalt Pöschwies aus als Sekretär für den Verein «Verdingkinder suchen ihre Spur». Wie der «Blick» in seiner gestrigen Ausgabe enthüllte, ist die Präsidentin der Vereinigung auch Gründungsmitglied eines Komitees «zur Befreiung von Beat Meier». Ihr wird jetzt vorgeworfen, die Verdingkinder-Vereinigung als Plattform für Meiers Freilassung zu missbrauchen. (mz)

Fall Kneuss Bald vor Bezirksgericht Baden

Das Bezirksgericht Baden wird sich am 13. September in einem ganztägigen Prozess mit dem Fall des ehemaligen Inhabers der Kneuss Geflügel AG in Mägenwil zu befassen haben. Wie der neuesten Prozessliste der Staatsanwaltschaft zu entnehmen ist, hat sich der frühere Firmenchef in knapp drei Wochen wegen des Vorwurfs des Betrugs und der Urkundenfälschung vor den Schranken zu verantworten. Wie Gerichtspräsident Guido Näf schon früher bestätigt hat, fordert die Staatsanwaltschaft eine bedingte Gefängnisstrafe von 18 Monaten und eine Busse von 10 000 Franken. Zudem soll der Angeklagte dem Staat eine grössere Summe abliefern, die er nach Dafürhalten der Staatsanwaltschaft durch die Falschdeklaration von Geflügelfleisch aus Deutschland unrechtmässig verdient haben soll. Hintergrund der strafrechtlichen Aufarbeitung des Falls: Zwischen 2001 und 2004 war ausländisches Geflügelfleisch als einheimisches verkauft worden. (mz)

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«Irgendwann gibt es einen eingespielten Alltag»; Psychologische Erklärungsversuche zum Wiener Entführungsfall
NEUZZ00020060826e28q00046
666 Words
26 August 2006
Neue Zürcher Zeitung
3
German
Besuchen Sie die Website der führenden Schweizer Internationalen Tageszeitung unter http://www.nzz.ch

Der unglaubliche Fall der Natascha Kampusch, die während acht Jahren von ihrem Entführer in einem Kellerloch gefangen gehalten wurde, hat Entsetzen ausgelöst. Der forensische Psychiater Frank Urbaniok aus Zürich erklärt, was man über solche Täter und deren Opfer weiss.

Herr Urbaniok, hat es einen vergleichbaren Fall schon in der Schweiz gegeben?

Frank Urbaniok: Soweit ich weiss, nein. Aber im Ausland hat es Fälle ähnlicher Natur gegeben.

Was weiss die Forensik über das Profil solcher Täter? Was sind ihre Motive?

Es kommen verschiedene Erklärungen in Frage. Wesentlich ist die Unterscheidung: Handelt es sich um eine sexuell motivierte Tat oder nicht? Wenn sie sexueller Natur ist, dann muss man im Wiener Fall eine spezielle Form der Pädophilie annehmen. Denn wenn sich jemand sein Opfer über Jahre verfügbar hält, dann ist das kein «normaler» Pädophiler. Die sexuelle Neigung ist dann kombiniert mit einer Psychopathologie, etwa einer ausgeprägten Gefühlskälte, oder mit Sadismus.

Und wenn die Tat nicht sexueller Natur ist?

Dann kann es sich um ein übersteigertes Bedürfnis nach Dominanz handeln. Der Täter will die absolute Verfügungsgewalt über sein Opfer.

Was passiert bei einem pädophilen Täter, wenn das Kind erwachsen wird?

In der Regel verliert er ab einem gewissen Alter das Interesse am Opfer. Wann das ist, hängt stark von seinem «Präferenzalter» ab.

Wie erlebt der Täter seine Beziehung zum Opfer?

Im Wiener Fall scheint mir die Dominanz über das Opfer im Vordergrund zu stehen. Es ist auch möglich, dass dies den Täter sexuell erregt hat.

Kommt es mit den Jahren zu einer Verdrängung der Tat?

Es ist wahrscheinlich, dass es irgendwann so etwas wie einen eingespielten «Alltag» gibt. Das gilt auch für die Beziehung zwischen Täter und Opfer. Es findet eine Art Gewöhnung statt. Dadurch kann beim Täter das Bewusstsein für die Tat in den Hintergrund geraten.

Wie reagiert ein 10-jähriges Kind, das aus seinem Sozialleben herausgerissen wird und nur noch zu einer einzigen Person Kontakt hat?

Es befindet sich in einer extremen Abhängigkeit zum Entführer. Der Überlebenswille führt meistens dazu, dass sich das Kind irgendwann mit der Situation und dem Täter «arrangiert».

In diesem Zusammenhang wird auch von Stockholm-Syndrom gesprochen...

Durch die Nähe zu den Tätern (im klassischen Fall handelt es sich um mehrere Täter) kann beim Opfer so etwas wie Sympathie und sogar Mitgefühl für die Täter entstehen. Das Opfer übernimmt dann die Perspektive seiner Widersacher.

Könnte das ein Erklärungsansatz sein, weshalb Natascha nicht schon früher geflohen ist? Laut Berichten hat sie ihr Peiniger ja gelegentlich in den Supermarkt zum Einkaufen mitgenommen.

Ich bin mir nicht sicher, ob es sich dabei nicht eher um eine jahrelange Prägung handelt, die mit einer psychisch bedingten Einschränkung von Handlungsalternativen einhergeht. Das kennt man auch von Sektenmitgliedern.

In die Kindheit fallen wichtige Entwicklungsschritte, ohne die ein normales Leben später kaum möglich ist. Mit welchen Folgen ist zu rechnen, wenn in dieser Phase das komplette Umfeld fehlt?

Ein solch prägendes Erlebnis kann die ganze weitere Entwicklung beeinträchtigen. Stichworte sind Persönlichkeitsentwicklung, soziale Kontakte, Selbstbewusstsein usw. Wie stark die Folgen beim Einzelnen sind, hängt erfahrungsgemäss von verschiedenen Faktoren ab, etwa ob sexueller Missbrauch stattgefunden hat oder ob es zu Gewalttätigkeiten gekommen ist. Wir wissen auch, dass es Opfer gibt, die aufgrund ihrer psychischen Konstitution besser mit einem Trauma umgehen können als andere.

Was gilt es bei der Opferbetreuung zu beachten?

Diese Menschen sind in ihren Grenzen verletzt worden. Sie haben kein normales Empfinden von Sicherheit mehr. Es ist deshalb wichtig, dass sie sich absolut sicher fühlen und sich wieder als eigenständige Wesen erleben können, die vor psychischen Verletzungen geschützt sind.

Braucht es in jedem Fall eine Psychotherapie?

Beim Wiener Fall halte ich es für sehr wahrscheinlich.

Dieser Fall wird bestimmt wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Was erhofft sich die Forensik daraus zu lernen?

Erkenntnisse über den Täter können helfen, Risikosituationen besser zu erkennen. Weil solche Taten aber selten vorkommen und von vielen individuellen Faktoren geprägt sind, ist es fraglich, ob die Erkenntnisse auf andere Situationen übertragbar sind.

Interview: ni.

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Skandal bei Hilfswerk - Ausgerechnet Bubenschänder arbeitet für Verdingkinder
BLICK00020060825e28p0000n
BlickAktuell
607 Words
25 August 2006
Blick
A9
German
© 2006 Ringier AG, Switzerland. All rights reserved. For further information see http://www.ringier.com

von viktor dammann

REGENSDORF ZH. SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr (43) ist empört. Ausgerechnet der schlimmste Bubenschänder der Schweiz kümmert sich um Verdingkinder. Als Verwahrter vom Knast aus!

Als BLICK die Zürcher SP-Politikerin über diese Tatsache informiert, zieht sie die Konsequenzen. Sie tritt sofort aus dem Verein «Verdingkinder suchen ihre Spur» zurück. Der Verein will ehemaligen Verdingkindern zu ihrem Recht verhelfen. Menschen, die in ihrer Jugend ausgenutzt und oft Opfer von sexueller Gewalt wurden.

Fehrs Empörung ist verständlich: Sekretär des Verdingkinder-Vereins ist ausgerechnet Beat Meier (60) - seit Jahren im Knast verwahrt, weil er seine eigenen Stiefsöhne missbraucht hat (siehe Box).

Auf Erhebungsbögen des Vereins können die ehemaligen Verdingkinder über ihre schreckliche Vergangenheit Auskunft geben.

Doch sie müssen damit rechnen, dass ihre traumatischen Erinnerungen nicht nur von einer Fachperson oder einem Historiker studiert werden. Zuerst geraten sie in die Hände von Beat Meier. Im Knast liest er die Unterlagen und bearbeitet sie.

Die Verdingkinder wissen nur, dass ein gewisser Beat Meier Sekretär ihres Vereins ist. Dass er verwahrt ist, verschweigt man ihnen.

Im Jahresbericht 2005 steht bloss, Meier habe «neben seiner Arbeit in der Autogarage mindestens 60% für uns gearbeitet». Die Zusammenarbeit mit ihm sei jedoch «aus strukturellen Gründen erschwert», da weder telefonischer Verkehr noch E-Mail möglich sei.

Kunststück: Beat Meier sitzt im Zuchthaus Pöschwies, die Garage gehört zur Strafanstalt.

Die ehemaligen Verdingkinder wissen auch nicht, dass Vereinspräsidentin Heidi Meichtry den Bubenschänder sogar aus dem Knast holen will. Sie ist Gründungsmitglied des «Komitees zur Befreiung von Beat Meier». Meichtry stört Meiers Pädophilie nicht: «Die sexuelle Präferenz von Herrn Meier ist für uns eigentlich nicht von Interesse, sondern nur seine gute Arbeit.»

Die Präsidentin, offenbar berührt vom «tragischen Schicksal» Meiers, geht noch weiter. In einem Brief bittet sie ihre Regionalgruppenleiterinnen, für ihn Geld zu sammeln. Sie betont: «Alle meine Aktivitäten für Beat Meier mache ich als Privatperson und nicht als Co-Präsidentin der Vereinigung.» Doch BLICK liegt ein Brief vor, der das Gegenteil beweist: Meichtry wollte dem Bubenschänder sogar die ganze Geschäftsstelle übertragen. Sie war überzeugt, er käme wegen eines Verfahrensfehlers frei.

«Dies zeigt, dass die Verdingkinder-Vereinigung als Plattform für die Freilassung von Beat Meier missbraucht wird», sagt Gründungsmitglied Theresia Rohr (60). «Die Desinformation durch die Präsidentin und einen Teil des Vorstandes verunmöglichten mir meine Arbeit», sagt Ex-Vorständin Petra Hartmann (38).

Was die Frauen vor allem beschäftigt: «Wir können einen Daten-Missbrauch nicht ausschliessen.» Dies findet auch SP-Fehr inakzeptabel: «Eine nicht geständige und wegen schwerer pädophiler Verbrechen verwahrte Person ist absolut nicht geeignet, vertrauliche Lebensdaten von Drittpersonen einzusehen und zu bearbeiten.»

Verdingkinder sind und bleiben ihr trotzdem ein Anliegen. «Ich werde mich weiterhin auf politischem Weg dafür einsetzen, dass Kantone und Bund die sorgfältige und wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte der Verdingkinder an die Hand nehmen.»

Über Jahre hinweg verging er sich an seinen Stiefsöhnen

ZÜRICH. Beat Meier (60, Bild), der bekannteste Pädophile der Schweiz. Wegen Missbrauchs seiner Stiefsöhne ist er in Verwahrung.

1990 lernt Meier die Mutter der Buben über einen pädophilen Kinderhändler kennen. Zu dieser Zeit hatte er in England bereits ein Brüderpaar missbraucht.

1991 zieht Meier mit seiner Frau und den Buben nach Linn AG, wo er eine Beratungsstelle für Pädophile gründet. 1993 wird Meier verhaftet, seither sitzt er hinter Gittern.

Zwei der Buben sagen aus, Meier habe sie über Jahre hinweg sexuell ausgebeutet. Obwohl Meier alles bestreitet, glaubt das Zürcher Obergericht den Opfern. 1998 wird Meier verwahrt. Weitere Verfahren wegen Missbrauchs von insgesamt 17 Kindern müssen wegen Verjährung eingestellt werden. 2003 wird die Verwahrung bestätigt. Das Gericht glaubt den Stiefkindern nicht, als diese ihre Aussagen widerrufen. Viktor Dammann

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Von den Insekten zum Sex
DIEP000020060825e28p0003b
fe
687 Words
25 August 2006
Die Presse
German
(c) Die Presse 2006 www.diepresse.at.

Medizin. Heute vor 50 Jahren starb Alfred Kinsey. Sein Werk blieb umstritten. Von Christian Zwittnig

Sein Hauptwerk, der nach ihm benannte "Report", schlug im prüden Amerika ein wie eine Atombombe und ist bis heute ein Zankapfel der Wissenschaft. Nur eines ist unbestritten: Die gesellschaftlichen Veränderungen, zu denen er beitrug. Dabei war Alfred Charles Kinsey alles andere als zum Sexualforscher prädestiniert, er war in streng puritanischem Umfeld an der US-Ostküste aufgewachsen. Da verwundert es wenig, dass der Harvard-Absolvent einige Zeit brauchte, um seine Zugänge zur Sexualität zu entdecken: Den "praktischen" fand er mit 27 Jahren in seiner Hochzeitsnacht. Der theoretische ließ länger auf sich warten: Erst im Alter von 42 Jahren kam der Professor der Zoologie von den Insekten ab und wandte sich dem Menschen zu. Zuvor hatte er 20 Jahre recht unspektakulär mit der Erforschung der Gallwespe zugebracht.

Babys aus dem Bauchnabel?

Auslöser für den Wandel war ein Eheberatungs-Kurs, den Kinsey für verheiratete Studenten anbieten sollte: Bei der Einarbeitung in das neue Gebiet entdeckte er, dass es mehr wissenschaftliches Material zur Fortpflanzung von Insekten gab als zu der des Menschen. Zudem befremdete ihn die Tatsache, dass viele seiner Studenten noch immer der Meinung waren, Babys kämen aus dem Bauchnabel. "Dr. Sex" war geboren und sollte mit seinem Blick in die Schlafzimmer bald die Grundfesten des puritanisch-konservativen Amerikas erschüttern. Als 1948 der erste Teil des Report _ "Das sexuelle Verhalten des Mannes" _ erschien, brach ein Sturm der Entrüstung los, beim zweiten Teil "Das sexuelle Verhalten der Frau" schwoll er noch an: Das Bild eines "sauberen", asexuellen Amerika war für immer zerstört. Im Detail kommt der Report zum damals schockierenden Ergebnis, dass es jede vierte Ehefrau mit der Treue nicht allzu genau nimmt, jede zweite keineswegs als Jungfrau vor den Traualtar tritt, und Homosexualität viel verbreiteter ist als angenommen. Aber auch andere heikle Bereiche wie Onanie, "Positionen", Sexualität von Kindern und sexuelle Erfahrungen mit Tieren werden im Report behandelt. Die Aufregung war so groß wie das Interesse: Obwohl die 800-Seiten-Wälzer in wissenschaftlich-nüchterner Sprache verfasst sind und weder Fallbeschreibung noch Bilder enthalten, werden die Bücher Bestseller. Sie verkaufen sich in den ersten zehn Jahren über 500.000 Mal. Ihre Grundlage sind Interviews mit 18.000 Personen, die Kinsey mit seinem Team über 10 Jahre führte, sie umfassten bis zu 300 intime Fragen. Wichtigste Maxime: "Wir forschen und berichten von Tatsachen, aber wir sind nicht die Richter des Verhaltens, das wir beobachten." Gleiches galt für die teils seltsamen Laborexperimente: Um etwa zu klären, ob Sperma bei der Ejakulation spritzt oder tröpfelt, ließ Kinsey 2.000 Männer zu Forschungszwecken masturbieren. Der nüchterne Zugang des Behaviouristen, gepaart mit manischer Sammler- und Arbeitswut, dürfte Voraussetzung für Kinseys Erfolg gewesen sein. Er ermöglichte es, die sexuellen Tabus und Stigmatisierungen des prüden Amerikas restlos auszublenden.

Orgien, Pädophilie, Bisexualität?

Es dauerte nicht lange, bis religiös-konservative Gegner den amoralischen Zähler und Sammler mit allerlei Nachreden in ein ganz anderes Licht zu stellen versuchten: Kinsey fertige pornografische Aufnahmen zum Privatgebrauch an, beteilige sich an Gruppensex und bezahle Pädophile, um Datenmaterial zu beschaffen. Bis heute konnte nur eines dieser Gerüchte bestätigt werden: Kinsey entdeckte irgendwann seine Bisexualität und ging ein Verhältnis mit einem Assistenten ein. Die Ehe des dreifachen Vaters hielt trotzdem bis zu seinem Tod. Doch auch von Wissenschaftlern hagelte es bald Kritik: Kinseys Ergebnisse seien für die US-Bevölkerung nicht repräsentativ. Auch die Art der Fragen und Kinseys Qualifikation wurden in Zweifel gezogen: Als Zoologe und Empiriker ignoriere er psychologische Aspekte, so der Vorwurf. Trotzdem verfehlten die Reports ihre Wirkung nicht. Die größte Enttabuisierung von Sexualität seit Freud setzte ein. Aber auch eine Entmystifizierung des Eros: Mit dem Ende der Tabus begann der Aufstieg der Sexindustrie. Kinsey wandte sich vor allem gegen die Unterscheidung in normale/perverse Praktiken: Alles solle erlaubt sein, solange kein Partner zu etwas gezwungen wird. Nebenbei kam auch die Männerwelt unter Druck: Plötzlich hatten auch Frauen sexuelle Bedürfnisse, die befriedigt werden wollten. Im Jahr 1956 starb Alfred Charles Kinsey im Alter von 62 an Herzversagen. Zu diesem Zeitpunkt war er, nach dem Präsidenten, der bekannteste Mann der USA.

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Das Top-Model Kate Moss will den Skandalrocker Pete Doherty heiraten - Info: Kate Moss - Das teuerste Model der Welt
BERMP00020060821e28l0001p
PANORAMA
Christine Hoffmann
136 Words
21 August 2006
Berliner Morgenpost
BM-HP1
8
228
German
Copyright 2006 Axel Springer AG . Zusatzhinweis: "Dieser Artikel darf ohne die vorherige Zustimmung des Verlages nicht weiter-verbreitet werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechte, die Ihnen generell hinsichtlich der Factiva-Dienste eingeräumt wurden." Notice: "This article may not be redistributed without the prior consent of the Publisher. This is a restriction on the rights granted under the terms of your subscription for Factiva Services."

Karriere Im Alter von 14 Jahren wurde Kate Moss 1988 in New York entdeckt. Kritiker bemängelten ihre zu dünne Figur und die mit 1,70 Meter zu geringe Größe. Von Pädophilie und unsittlicher Darstellung Minderjähriger war die Rede. Doch Moss machte Cindy Crawford und Claudia Schiffer Konkurrenz und verdiente Anfang der 90er-Jahre bereits 2,2 Millionen US-Dollar. Heute ist sie mit geschätzten 29,6 Millionen Euro das bestbezahlte Model der Welt.

Privatleben Von 1994 bis 1998 war Moss mit Johnny Depp liiert. Mit dem Verleger Jefferson Hack hat sie die dreijährige Tochter, Lila Grace. Moss ist seit Beginn ihrer Karriere für ihr exzessives Nachtleben mit reichlich Alkohol und gelegentlich Drogen bekannt.

48503787
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Sie ist 24, und auf ihrem Bankkonto liegen 50 Millionen Euro. Sie ist Model,...
TAGSS00020060819e28k00004
SONNTAG
Von Peer Teuwsen
3448 Words
20 August 2006
Der Tagesspiegel
S04
19286
German
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Sie ist 24, und auf ihrem Bankkonto liegen 50 Millionen Euro. Sie ist Model, Schauspielerin - und die Enkelin von Charlie Chaplin. Kiera Chaplin bewegt sich souverän in der Welt der Reichen und Schönen. Doch seit ihr Verlobter verhaftet wurde, ist so einiges aus den Fugen geraten.

Noch glänzt der See silbern, wenn man aus den Panoramafenstern des Luxushotels Des Trois Couronnes in Vevey blickt. Aber am Horizont türmen sich Gewitterwolken.

Wir sind verabredet mit einem jungen Superstar. Kiera Chaplin ist schon vom Namen her ein Star, ist sie doch die Enkelin des Jahrhundertkomikers. Aber zum Superstar hat sie sich selbst gemacht, ihr Name mag geholfen haben. Als Model für die großen Zeitschriften, als Schauspielerin, als Besitzerin von Limelight Films, einer Filmproduktionsfirma in Los Angeles und als Gründerin eines Internetportals namens webforjetset.com, das den Reichen alles besorgt, was man so braucht, wenn man wirklich reich ist. Kiera Chaplins Vermögen wird auf mehr als 50 Millionen Euro geschätzt.

Sie dementiert das nicht. So ist die Nordirin, die im Schweizer Familiensitz über Vevey aufgewachsen ist, eine der wohlhabendsten Frauen Großbritanniens.

Dem Taxi entsteigt sie mit ihrem Verlobten, Graf Alé de Basseville, 35-jährig. Er trägt einen Brioni-Anzug, am Revers einen Totenkopf aus Silber, die Beine in Carabinieri-Stiefeln. Da unser Fotograf wegen des ungewissen Wetters seine Arbeit sofort in Angriff nehmen muss, bleibt Zeit, mit dem Mann ins Gespräch zu kommen. Und der Sprössling einer französischen Aristokratenfamilie redet ohne Punkt und Komma, manchmal zusammenhanglos.

Er sei Chef eines Firmenkonsortiums von 75 Unternehmen, Besitzer einer Privatbank, die vor allem in Uruguay und Miami tätig sei, die Geschäfte liefen prächtig, danke. Sein Vertu-Handy aus Platin (Anschaffungspreis 26700 Euro) klingelt im Zwei-Minuten-Takt, sein Blackberry jammert unaufhörlich, aber er lehnt sich zurück, bestellt sich einen Drink, steckt sich eine Zigarette an und beugt seinen Kopf zu seinem Gegenüber, um ihm die Operationsnarbe zu zeigen. Der Graf hatte letzten Dezember einen Hirnschlag. "Überarbeitet", sagt er.

Dann kommt die ihm Versprochene zurück. Das Gespräch, zu dem er sich selbstverständlich dazusetzt und seine Beine breit über die Sessellehnen wirft, kann beginnen. Chaplin bestellt Pfirsich-Eistee.

* * *

Frau Chaplin, wollen Sie aus sich selbst eine globale Marke machen?

Ja. Ich sehe die Dinge global. Heute ist die Welt klein geworden, und wenn man es richtig macht, wird man schnell global. Meine Produktionsfirma Limelight Films soll eine globale Marke werden.

Und Kiera Chaplin auch. Wie machen Sie das?

Komplizierte Frage. Ich bin jung und ehrgeizig, das ist mein Image, und dieses Image will ich transportieren.

Sie haben aufgehört zu modeln, obwohl Sie darin sehr erfolgreich waren.

Ach, ab und an tue ich es immer noch, wenn es einen netten Auftrag gibt.

Was ist nett?

Ein netter Fotograf, eine nette Kampagne. Aber eigentlich hat mich das Modeln nie interessiert. Es bot sich an als Zeitvertreib zwischen den Schauspielstunden.

Sie haben das nie um des Geldes willen gemacht?

Nein, ich wollte Erfahrungen sammeln und Spaß haben. Geld ist nur wichtig, um die Dinge gut zu machen - und um meine Projekte weitertreiben zu können, um besser und größer zu werden.

Sie haben seltsame Dinge in Ihrer Jugend gemacht. Sie haben die Garage Ihrer Eltern angezündet, die Musikinstrumente Ihrer Schule gestohlen.

Das macht man doch als Teenager. Ich war immer eine, die sich sagte: "Go for it, du lebst nur einmal!" Als Teenager habe ich blöde Dinge gemacht, heute bin ich produktiver.

Sie haben sich so nicht gegen Ihre Familie gewehrt?

Nein.

Ihre Herkunft war nie eine Last?

Manchmal, doch. Aufzuwachsen ist sowieso eine seltsame Sache und in der Schweiz noch mehr, es gibt nicht viel Unterhaltung. Ich war hier immer ein Alien. Ich habe ja meinen Großvater nie gekannt, trotzdem vergleichen die Leute ihn immer mit mir - und ziehen mich auf: Du hast es ja leicht mit so einem Großvater.

Diese Leute haben ja nicht so unrecht.

Na, ich habe mir mein Leben schon selbst gemacht. Aber die Leute denken immer, ich sei ein Snob - und so bin ich scheu geworden. Ja, manchmal ist es hart als junger Mensch. Ich erlebte meinen Großvater also zuerst als Last, bis ich mehr über ihn wusste und ihn heute bewundern kann. Ich bin heute glücklich und stolz, Teil der Chaplin-Familie zu sein.

Aber Sie machen immer noch seltsame Dinge. Jetzt werden Sie in einem Film die letzte Frau des großen Playboys Rubirosa spielen.

Ja, seine Witwe Odile Rodin, eine unglaublich selbstbewusste, aber letztlich gebrochene französische Schauspielerin, aus einer sehr interessanten, verruchten Zeit.

Sie spielen immer diese Charaktere, die auf der Kippe stehen, die eine anrüchige Aura haben.

Ich habe halt am meisten Spaß, wenn ich wahnsinnige, komplexe Menschen spielen kann.

Sie reden die ganze Zeit von Spaß. Was meinen Sie damit?

Mit Menschen zusammen sein, meine Arbeit.

Was wollen Sie vom Leben? Was suchen Sie? In Cannes wurde Ihnen verboten, nackt auf einem Pferd über die Croisette zu reiten.

Ach, das! Ich plante nie, nackt auf einem Pferd zu reiten, das hätten die Medien gerne gehabt, gut, so viel hätte ich nicht angehabt, aber doch etwas.

Sie lieben die Provokation.

Das ist eben Spaß. Ich will die Leute necken, ich will wissen, wie weit man gehen kann. Mein Verlobter Alé de Basseville da drüben provoziert die Menschen aber mehr als ich.

Ja, wie er sich da im Sessel lümmelt, mit Carabinieri-Stiefeln und einem Totenkopf am Brioni-Anzug.

Ich bin netter als er, das stimmt.

Er lacht gerade extrem laut. Ist er der Böse?

Er liebt das, ja.

Sie haben sich Totenköpfe auf den Oberarm tätowieren lassen. Ist das ein Zeichen von Bosheit?

Totenköpfe mag ich, weil sie zeigen, dass wir unter der Oberfläche nur aus Knochen bestehen. Und ich mag sie, weil man sie nicht erwartet bei einem Mädchen mit blonden Haaren und blauen Augen. Die alten Damen kommen und sagen: "Ich liebe Ihr Tattoo!" Und dann kommen sie näher und erschrecken, weil sie dachten, es seien Blumen. Herrlich!

Sie wollen also ständig Ihr Image zerstören. Die Zeitschrift "GQ" wählte Sie immerhin zur siebtschönsten Frau der Welt.

Es geht mehr darum, eine starke Seite zu zeigen. Ich will nicht das Pretty Baby sein. Ich will eine Kämpferin sein. Ich mag auch den Gothic Style, ich liebe Marilyn Manson, ich liebe Menschen, die dazu da sind, Fragen zu stellen, anders zu sein, die machen, was sie wollen. Ich will immer am Maximum leben.

Was fasziniert Sie am Gothic Style?

Als ich sieben Jahre alt war, ging ich mit meiner Tante Géraldine zum Kensington-Markt in London. Ich sah diese Gothic-Leute, die Mädchen sahen mit ihren weißen Gesichtern so schön aus, ich mag Vampire, Eulen, Fledermäuse und Totenköpfe. Es ist alles eine Frage des Geschmacks. Ich liebe die Gefahr, sie macht das Leben würzig.

Sie meinen, Sie protestieren gegen die allgemeine Oberflächlichkeit?

Unbedingt, das Hirn ist viel wichtiger als das Aussehen.

Paris Hilton ist also nicht Ihr Vorbild?

Sie ist zwar nett, ich kenne sie ja, aber sicher nicht mein Vorbild. Wissen Sie, ich lebe in Los Angeles, einer Stadt mit vielen schönen Frauen und Männern. Da muss man sich mit mehr Hirn unterscheiden, ich will etwas Bedeutsames tun.

Worauf sind Sie stolz?

Auf Limelight Films. Die Firma haben wir vor drei Jahren gegründet, heute haben wir zwölf Büros in der ganzen Welt, hundert Mitarbeiter, so viele Filme, es läuft so gut - und das so schnell.

Sie sind jetzt ein Big Player?

Ja, ich rede mit den Chefs der ganz großen Studios, Harvey Weinstein zum Beispiel kenne ich sehr gut, Lawrence Bender, den Produzenten von Quentin Tarantino. Ich kenne jeden.

Na ja, Sie produzieren auch seltsame Fernsehformate, in einem mussten die Kandidaten zum Beispiel Obdachlosen Geld wegnehmen, um Punkte zu gewinnen.

Ja, die "Scavengers" (Aasgeier). Das machte Spaß. Die Kandidaten mussten zum Beispiel auch die Unterwäsche von Leuten auf der Straße erbetteln - und sie dann anziehen. Wir haben die Rechte in viele Länder verkauft. Jetzt haben wir gerade einen Film mit Peter Fonda gemacht: "Japan".

Warten Sie mal. Was fasziniert Sie daran, Obdachlosen Geld wegzunehmen?

Das ist Teil des Spiels. Für das Schamloseste bekommt man am meisten Punkte.

Moralisch ist das richtig?

Es geht nicht um Moral, es geht um ein Spiel. Ich mag das, aber ökonomisch. Mich persönlich interessieren eher Filme wie "The Professional", den wir gemacht haben, ein intellektueller Film über den Fall des Kommunismus in Serbien, der für den Oscar nominiert war.

Was funktioniert denn heute?

Es kommt auf den Markt an. Für die Jungen aber muss es immer verrückter sein, für die Masse müssen es romantische Komödien sein.

Tun Sie heute die Dinge, die Sie schon als Mädchen tun wollten?

Ja. Ich wollte aber eigentlich erst eine Produktionsfirma haben, wenn ich 40 bin - und mich dann von der Schauspielerei zurückziehen. Aber als wir nach L. A. kamen, trafen wir Bruno Cavelier d’Esclavelles, der heute CEO meiner Firma ist. Und so ging alles ganz schnell.

Und Ihr Verlobter macht das Finanzielle?

Ja, ich bin eher die Kreative, er ist strukturierter, geschäftsorientierter. Er hilft mir.

Hat sich die Welt der Reichen verändert?

(Alé de Basseville) Oui, das ist nicht mehr das Gleiche. Die Welt ist heute eine Meritokratie!

(Sie) Ich gehöre nicht zu den Reichen, ich gehöre zu den Künstlern.

Aber Sie sind im Reichtum aufgewachsen.

Ja, aber in der Art der Zigeuner. Mein Vater, Eugène Chaplin, ist der entspannteste Mensch der Welt. Er kümmert sich nicht ums Geld.

Ich wundere mich schon, Sie beide repräsentieren die jungen Reichen von heute. Schauen Sie sich doch mal an!

Es gibt halt die Aristokraten, von denen mein Verlobter abstammt. Und dann gibt es die Künstler, die Geld gemacht haben. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Wir waren immer verrückter als die Aristokraten.

(Er) Das ist doch alles Unsinn! Ich bin kein Bourgeois! Ich habe immer gearbeitet für mein Geld!

Jedenfalls sind Sie ein Traumpaar. Der Aristokrat und die Zigeunerin.

Ich bin sehr stolz auf meine Zigeunerwurzeln. Mein Vater ist heute der künstlerische Direktor des Zirkus Nock. Wenn ich diese Leute anschaue, was die mit ihren Körpern machen, das ist die meistunterschätzte Kunstform.

(Er) Ich liebe diese Menschen!

(Sie) Ja, ich mag die mehr als jeden Menschen in Hollywood.

Sie müssen wissen, was die Reichen wollen, Sie haben ja eine Internetfirma, die alles für die Reichen organisiert.

Ja, die Reichen wollen Komfort, bloß keinen Ärger.

(Er) Entschuldige, Kiera, aber die wollen vor allem Geschäfte machen.

(Sie) Ja, ja, aber wir organisieren alles, was das mit sich bringt: Häuser, Jets, Boote, Bodyguards.

Wollen die Reichen nicht Zeit?

Nein, sie wollen sich amüsieren, nachdem sie hart gearbeitet haben. Das ist das Jetset-Game.

Was sind die besten Plätze für die Reichen heute?

Saint-Tropez, Ibiza, Saint-Tropez ist nicht mehr so in. Punta del Este in Uruguay, ein Top Spot. Ich liebe vor allem Ibiza, weil man dort eine verrückte Party mit Tänzern, Drag Queens, Feuerspeiern, Striptease, Tabledance haben und am nächsten Morgen nach Formentera fliegen kann, um Ruhe zu haben. Etwas vom Besten war die Premiere des Cirque du Soleil in Las Vegas auf dem Dach des Caesars Palace. Die tanzten über unseren Köpfen auf dünnen Seilen. Aber die meisten Orte, wo die Reichen hingehen, sind sehr langweilig. Los Angeles, da macht schon alles um zwei Uhr morgens zu.

Was war der langweiligste Ort, wo Sie je waren?

Hey! Monaco ist schrecklich langweilig, Sardinien auch. Ich liebe Miami. Alé will mich immer nach Brasilien bringen. Lateinamerikaner können gut feiern.

Nicht die Schweizer?

Ich hatte eine gute Zeit hier. Ich musste nie Angst haben. Ich war sehr jung und bin viel ausgegangen.

Sie hatten schon mit 16 Jahren Sex, Drugs and Rock’n’Roll?

Natürlich. Das ist doch normal.

Würde Ihr Großvater stolz auf Sie sein?

Ich hoffe doch. Mein Vater sagte mir, sein Vater habe ihm immer gesagt: "Du kannst auch die Straße putzen, solange du das gerne und mit deiner ganzen Energie tust." Und so bin ich.

Haben Sie mal jemanden sterben sehen?

Nein. Aber Alé ist letzte Weihnachten fast gestorben. Er hatte einen Hirnschlag. Er war so bleich, ich glaubte, er würde für immer gehen. Nein, mit dem Leben sollte man nicht spielen.

Wo war das?

In Holland, und zwar am 25. Dezember - mein Großvater ist ja genau an diesem Tag 1977 gestorben, das war unheimlich - wir machten uns gerade für das Weihnachtsessen fertig. Am nächsten Tag fuhr Alé nach Lausanne ins Krankenhaus.

Ihr Verlobter fuhr?

Nein, er wurde natürlich gefahren. Wir hatten Glück. Die holländische Ärztin sagte nur, er solle sich ausruhen, dann sei wieder alles in Ordnung. Verrückt. Mein Vater bestand aber darauf, dass er untersucht wird. Wir dachten nicht, dass es so schlimm sein würde. Gut, dass wir nicht das Flugzeug genommen haben. Wir hatten schon die Tickets. Er wäre dort oben gestorben.

Warum kam es so weit?

Alé hat zu viel gearbeitet, zu wenig gegessen und geschlafen. Ich schaue besser nach mir. Ich mache Fitness, esse regelmäßig und gern, trinke und rauche weniger als er. Er raucht drei Päckchen Zigaretten am Tag, trinkt unaufhörlich Kaffee und schläft nur vier Stunden. Ich bin noch nicht so weit. Er ist viel nervöser als ich, ich bin entspannter. Die Arbeit von Alé ist auch viel stressiger als meine, diese Banker, extrem unter Druck, Hollywood-Menschen wie ich haben’s da leichter. Wir sind eher die Träumer, haben Zeit nachzudenken.

Ja, Herr de Basseville, Sie werden nicht überleben, wenn Sie so weitermachen.

(Er) Mir egal, ich finde es schrecklich, dass Kiera nie sieht, wie viel so ein Film auch kostet, die haben ein Budget von 20 Millionen Dollar, geben 2 Millionen mehr aus und merken’s nicht einmal.

(Sie) Er ist immer geschockt, was das für ein Chaos ist im Filmbusiness.

(Er) Ich bin immer der Böse. Ich herrsche die Leute an, wenn sie zu viel ausgeben. Dann gehen sie zu Kiera und beklagen sich.

Alle wollen Ihr Geld, Frau Chaplin?

Ja, verdammt.

Sie sind die zweitreichste junge Frau in Großbritannien mit einem Vermögen von 50,6 Millionen Euro. Hat das Geld Sie verändert?

Nein, ich bekomme nur sehr viele E-Mails von Menschen, die mein Geld wollen.

Vertrauen Sie den Menschen noch?

Ich vertraue ihnen bis zu einem gewissen Grad.

Warum kichern Sie so?

Nein, die Wahrheit ist: Ich bin sehr schlecht darin, Menschen zu vertrauen. Aber man muss vertrauen, sonst kann man nicht leben.

War das immer so?

Ja. Bei meinem Nachnamen kommen immer viele Menschen und wollen etwas. Das ist schon seit meiner Kindheit so. Man muss lernen, Distanz zu nehmen und das Vertrauen zu dosieren.

(Er) Wir haben so viele unseren Alters erlebt, die viel Geld von ihren Eltern und Großeltern geerbt haben, und das Geld war innerhalb von zwei, drei Jahren weg.

Warum ist das bei Ihnen nicht so?

Weil wir schlauer sind.

(Er) Alle lügen, alle. So ist das. Das Leben ist wie ein Film. Ein Namenloser kann ganz schnell zum Märchenprinzen werden. Das gefällt mir. In Europa träumen ja die Menschen nicht mehr. Nur ein Träumer kann erfolgreich werden.

Finden Sie das auch?

Ich habe meine Träume schon umgesetzt.

Wie langweilig.

Nein, nein. Ich will noch einen Oscar gewinnen.

Also sind diese Totenköpfe ein Versuch, Distanz zu gewinnen: "Bleib weg, ich bin gefährlich!"

Völlig richtig. Wir haben ja auch Verlobungsringe in Form von Totenköpfen, mit Rubinen.

Sie haben mit 17 abgelehnt, ein James-Bond-Girl zu werden. War das klug?

Ja. Ich war zu jung. Ich war ein renitenter Teenager und wollte nicht das sexy Bond-Girl geben.

Und vor allem kommen sie da nicht mehr raus. Sie werden immer ein Bond-Girl sein.

Schon, aber man muss dazu eine richtige Frau sein, selbstbewusst, seine Sexualität kennen, damit spielen können.

Ihre Sexualität kennen Sie heute?

Ja, heute könnte ich mit Bond spielen. Damals hätte ich ihn eher als Onkel wahrgenommen. Aber ich würde gerne so was wie "Kill Bill" oder Lara Croft machen, das Action-Girl. Wenn ich ein Bond-Girl wäre, dann aber ein böses.

Haben Sie je Menschen getroffen, die böse waren?

Oh, ja. Ich aber bin kein böser Mensch - deshalb will ich es ja spielen, es ist das Gegenteil von mir.

Was war das Böseste, was Sie je getan haben?

Ich habe ab und zu jemand anderem den Freund ausgespannt. Aber sonst? Nein. Ich achte auf die Gefühle anderer Menschen. Gut, im Business ist das anders.

Sie haben wiederholt Michael Jackson verteidigt, er sei kein Pädophiler. Denken Sie das noch heute?

Ja, ich habe ihn erstmals getroffen, als ich sechs war. Dann habe ich ihn bei den Aufnahmen zu "Blood on the Dancefloor" getroffen und gut kennen gelernt. Er ist ein fünfjähriges Kind. Er hatte nie ein normales Leben. Er hat große Angst vor Erwachsenen. Mit Kindern kann er reden, weil er deren Welt versteht. Ich glaube, er ist generell kein sexuelles Wesen.

Wie geht es ihm?

Es geht. All diese Childactors drehen durch. Sie kommen nie im richtigen Leben an.

Wen bewundern Sie?

Che Guevara. Er hat an eine Idee geglaubt und für sie gekämpft.

Glauben Sie an die Revolution?

Nein, aber Alé tut das.

Er ist ja auch Franzose.

(Er) Ja, ich liebe die Revolution, großartig.

Eine Revolution hat selten zu etwas Gutem geführt.

(Er) Quatsch! Europa würde dringend eine Revolution brauchen. Es ist so lahm.

Ja?

Sicher, in England auch. (Er springt auf.)

(Sie) Sehen Sie, da ist er in seinem Element. Ich hasse es, über Politik zu reden.

Warum?

Es ist so kompliziert, und wenn ich mit Alé darüber rede, bekommen wir immer Krach. Er glaubt an die Diktatur, ich an die Demokratie. Ich will, dass alle friedlich miteinander leben.

Wählen Sie?

Es interessiert mich nicht. Die globalen Dinge interessieren mich.

Sind Sie wohltätig?

Ich unterstütze Action Innocence, die gegen Pädophilie im Internet kämpfen. Dann arbeite ich mit Peta, der Tierschutzorganisation. Und mit dem Roten Kreuz.

Warum kämpfen Sie gerade gegen Pädophilie?

Ich habe jüngere Brüder und Schwestern. Ich will sie beschützen. Und ich mag generell die Kinder, die brauchen Erwachsene, die ihnen helfen - sonst sind sie verloren. Ich mache so viel Charity, wie ich kann, ich liebe es zu helfen.

Finden Sie manchmal, Sie seien älter, als Sie sind?

Ich habe sehr viel Verantwortung für mein Alter, das macht alt.

Letzte Frage. Sind Sie und Ihr Verlobter Blutsbrüder?

Wir wollten das tun. Aber dann hat es Angelina Jolie mit Billy Bob Thornton gemacht. Da war es kein Thema mehr für uns.

* * *

Am 5. Juni 2006 gibt die amerikanische Drogenfahndung (DEA) die Vollendung der "Operation Director’s Cut" bekannt. Nach zwei Jahre dauernden geheimen Ermittlungen wurden Alé de Basseville und sechs seiner Gefährten wegen Verdachts auf Drogen- und Waffenhandel Anfang Juni in Arlington, Virginia, verhaftet. Darunter war auch der Chef von Limelight Films, Bruno Cavelier d’Esclavelles. Sie sollen Hunderttausende von Dollar aus Drogen- und Waffengeschäften über Kiera Chaplins Firma Limelight Films gewaschen haben.

Im Zuge der Ermittlungen wurde auch Kiera Chaplins Haus durchsucht. Daraufhin beklagte sie über ihren Manager, Mitch Zamarin von Asbury Communications in Los Angeles, dass die DEA den prominenten Namen Chaplin missbrauche, um die teuren Ermittlungen zu rechtfertigen. Zamarin sagte vergangene Woche zum Tagesspiegel: "Kiera Chaplin ist von den Ereignissen um ihren Freund immer noch geschockt. Aber sie hat mit der Sache nichts zu tun. Sie wusste auch nichts davon." Zamarin gab an, dass Kiera Chaplin persönliche Konsequenzen aus der Affäre gezogen habe, ohne zu spezifizieren, welche. Nur so viel: "Weil der Chef von Limelight Films in den Fall verstrickt ist, hat die Firma ihre Aktivitäten eingestellt."

Auch ein 26-jähriger Schweizer wurde in Amsterdam verhaftet, als er im Auftrag von Alé de Basseville und Bruno d’Esclavelles einem Undercover-Agenten der US-Behörden 500000 Ecstasypillen verkaufen wollte.

Alé de Basseville soll gegenüber verdeckten Ermittlern geprahlt haben, er könne Kalaschnikows aus Russland besorgen. Sein Anwalt, Pleasant Brodanx aus Washington, war nicht für eine aktuelle Stellungnahme zu erreichen. Unmittelbar nach der Festnahme de Bassevilles hatte er den Fall nicht kommentieren wollen: "Dazu muss ich die Einwilligung meines Mandanten haben. Ich erreiche ihn aber nicht." Special Agent Steve Robertson von der DEA in Washington sagte dem Tagesspiegel vor wenigen Tagen: "Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Es wird Anklage erhoben werden. Zu Kiera Chaplin kann ich sagen: Sie ist keine Verdächtige, aber das kann sich ändern."

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Modenschau. Kiera Chaplin beim Designer Roberto Cavalli, als in Beverly Hills seine Boutique eröffnet wird. Auf dem Arm hat sie Totenköpfe tätowiert. Foto: Getty Images/AFP // Cocktailparty. Vergangenen Herbst feiert Chaplin mit ihrem Verlobten, dem Grafen Alé de Basseville, bei einem Juwelier in Los Angeles. Foto: Getty Images/AFP // Filmfestival. Kiera Chaplin mit Graf auf dem roten Teppich in Cannes, 2005. Foto: APF // Familienurlaub. Charlie Chaplin mit Frau Oona (ganz links) und Kindern 1957 in Frankreich; zu seiner Linken Eugene, Kieras Vater. Foto: Keystone Pressedienst/Keystone
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Mord an US-Kinderschönheitskönigin nach fast zehn Jahren aufgeklärt
AFPDE00020060817e28h001hc
GT
463 Words
17 August 2006
11:44 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2006 All reproduction and presentation rights reserved.

Bangkok, 17. August (AFP) -

Der geheimnisumwitterte Mord an einer sechsjährigen US-Schönheitskönigin scheint nach fast zehn Jahren aufgeklärt. Der US-Schullehrer John Mark Karr hat nach Angaben der thailändischen Behörden vom Donnerstag gestanden, das Kind getötet zu haben. Der 41-Jährige stelle den Tod der kleinen JonBenet Ramsey allerdings als Unfall dar, sagte Suwat Thamrongsrisakul von der thailändischen Einwanderungspolizei. US-Ermittler und die thailändische Polizei hatten den Verdächtigen in zweimonatiger Fahndung aufgespürt, wie Ann Hurst vom US-Heimatschutzministerium in Bangkok berichtete. Nach seiner Festnahme in einer Wohnung in Bangkok am Mittwochabend solle er binnen einer Woche an die USA ausgeliefert werden. Möglicherweise sei Karr in ein weiteres Verbrechen in Kalifornien verwickelt.

Die Festnahme ist ein überraschender Coup in dem mysteriösen Fall. Der Tod der kleinen Schönheitskönigin gehört zu den bekanntesten ungelösten Mordfällen in den USA. Die Sechsjährige war einen Tag nach ihrem Verschwinden an Weihnachten 1996 erschlagen und erwürgt im Keller ihres Elternhauses in Boulder im US-Bundesstaat Colorado gefunden worden. Laut Obduktionsbericht wurde sie vermutlich sexuell missbraucht. Lange Zeit wurden JonBenets Eltern verdächtigt, das Kind getötet zu haben. Sie beharrten jedoch stets darauf, ein Unbekannter sei ins Haus eingedrungen und habe das Kind getötet. JonBenets Mutter Patsy starb in diesem Juni im Alter von 49 Jahren an Krebs.

Karr sagte bei seiner Vernehmung aus, er habe JonBenet "geliebt", berichtete Einwanderungs-Polizeichef Suwat. Er habe die Kleine angeblich bei ihr zu Hause besucht, und beide seien gemeinsam in den Keller gegangen, "wo er sie durch einen Unfall getötet habe". In einem kurzen Auftritt vor Journalisten beharrte Karr ebenfalls auf seiner Unfallversion. Gegen ihn liegt US-Haftbefehl wegen Mordes, Entführung und sexuellen Kindesmissbrauchs vor.

JonBenets Vater John Ramsey zeigte sich im US-Fernsehen erleichtert über die Festnahme. "Wir haben zehn Jahre auf diesen Tag gewartet", sagte er dem Sender ABC. Er hoffe, dass dies wirklich ein Durchbruch in den Ermittlungen sei. Andererseits würden durch die Festnahme alte Wunden aufgerissen, "es ist schmerzhaft". Seines Wissens kenne er Karr nicht. Seine Frau Patsy habe bei ihrem Tod gewusst, dass die Behörden endlich einem Verdächtigen auf der Spur seien, sagte Ramsey. Laut ABC kamen die Behörden Karr durch dessen Email-Korrespondenz mit einem Journalisten auf die Schliche. Darin habe er Details des Mordfalls erwähnt, die in der Öffentlichkeit nicht bekannt waren.

Der Mord an dem kleinen Mädchen mit dem Engelsgesicht hatte auch die Praxis der Schönheitswettbewerbe für Kinder in den USA in die Kritik gebracht. Monatelang zeigten US-Fernsehsender Aufnahmen davon, wie die blonde, blauäugige JonBenet im sexy Outfit, geschminkt und mit verführerischen Gesten vor der Kamera herumstolzierte. Kritiker sehen bei diesen Schönheitswettbewerben die Grenze zur Kinderpornografie erreicht. Der Verdächtige wurde nun in Thailand festgenommen, wo Pädophilie und Kindesmissbrauch durch Touristen ein großes Problem sind.

gt/ju

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Mord an US-Kinder-Schönheitskönigin nach zehn Jahren aufgeklärt
AFPDE00020060817e28h001e5
GT
234 Words
17 August 2006
07:52 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2006 All reproduction and presentation rights reserved.

Bangkok, 17. August (AFP) -

Der geheimnisumwitterte Mord an einer sechsjährigen US-Schönheitskönigin scheint nach zehn Jahren aufgeklärt. Der US-Schullehrer John Mark Karr gestand nach Angaben der thailändischen Behörden vom Donnerstag, das Kind getötet zu haben. Der 41-Jährige stelle den Tod der kleinen JonBenet Ramsey allerdings als Unfall dar, sagte Suwat Thamrongsrisakul von der thailändischen Einwanderungspolizei der Nachrichtenagentur AFP. Karr war am Mittwochabend auf Bitten der US-Botschaft in seiner Wohnung in Bangkok festgenommen worden.

Der Tod der sechsjährigen Schönheitskönigin gehört zu den bekanntesten ungelösten Mordfälle in den USA. Die Sechsjährige war einen Tag nach ihrem Verschwinden an Weihnachten 1996 mit Schlagverletzungen erwürgt im Keller ihres Elternhauses in Boulder im Bundesstaat Colorado gefunden worden. Lange Zeit wurden ihre Eltern verdächtigt, das Kind getötet zu haben. Sie bestanden jedoch stets darauf, ein Unbekannter sei ins Haus eingedrungen und habe JonBenet getötet. JonBenets Mutter Patsey starb in diesem Juni im Alter von 49 Jahren an Krebs.

Der Fall hatte auch die Praxis der Schönheitswettbewerbe für Kinder in den USA in die Kritik gebracht. Monatelang zeigten US-Fernsehsender Aufnahmen davon, wie die blonde, blauäugige JonBenet im sexy Outfit, geschminkt und mit verführerischen Gesten vor der Kamera herumstolzierte. Kritiker sahen bei diesen Schönheitswettbewerben die Grenze zur Kinderpornografie erreicht. Der Verdächtige wurde nun in Thailand festgenommen, wo Pädophilie und Kindesmissbrauch durch Touristen ein großes Problem sind.

gt/ogo

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Treiben am Wasser stört die Anwohner Beschwerden Nacktbaden und Sex am Mahndorfer See soll jetzt ein Riegel vorgeschoben werden
NWZEI00020060816e28h00083
LANDKREIS | BREMEN1
Jan Zier
274 Words
17 August 2006
Nordwest-Zeitung
19500047
German
© 2006 Nordwest-Zeitung Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Oldenburg. All rights reserved. For further information see http://nwz-online.de

Schlechte Zeiten für „Cruiser“. Sex im Freien wird am Mahndorfer See schwieriger.

BREMEN Jahrelang wurden die Männer auf der Suche nach schnellem Sex in Mahndorf toleriert. Jetzt droht Vertreibung. Bei besserem Wetter treffen sich am Mahndorfer See homo- und bisexuelle Männer zum „Cruisen“, wie sie es nennen - zum schnellen anonymen Sex also.

Jetzt will Stadtgrün dem unzüchtigen Treiben am Badesee ein Ende bereiten: Wie schon im Frühjahr geschehen, soll auch im Herbst wieder das Gebüsch zurückgeschnitten und der Wanderweg rund um den See freigelegt werden. Damit würde vieles sichtbar - und den „Cruisern“ drohen Platzverweise.

Arno Oevermann, Sozialarbeiter der Aids-Beratungsstelle im Rat-und-Tat-Zentrum Bremen, ist gemeinsam mit seinem Kollegen Bernd Thiede bereits seit über zehn Jahren regelmäßig vor Ort, um Präventions- und Aufklärungsarbeit zu leisten. Er sagt, das Problem am Mahndorfer See nehme eher ab als zu. In diesem Jahr habe sich die Zahl regelmäßiger „Cruiser“ halbiert. „Keinesfalls“ könne in Mahndorf von einer „No Go Area“ für Anwohner oder Badegäste gesprochen werden. Auch gebe es „keinerlei Hinweise“ auf Prostitution oder gar Pädophilie, betont Oevermann. Es handele sich um „einvernehmliche Kontakte“ unter Erwachsenen.

Kontaktpolizist Thomas Mehmke geht „beinahe täglich“ auf Streife am See. „Laufend“ werde er von Mahndorfern wegen der „Nackedeis“ angesprochen. Die meisten Nacktbadenden, so seine Erfahrung, zeigten sich sehr wohl „einsichtig“ und schlüpfen schnell in eine Badehose.

In einem Punkt gibt auch Oevermann den Beschwerden der Mahndorfer Recht. „Es ist ziemlich verdreckt“ - gebrauchte Kondome, Taschentücher, auch Bierdosen lassen die Gäste am See liegen.

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Treiben im Unterholz
TAZ0000020060814e28f0004x
Bremen Aktuell
mnz
475 Words
15 August 2006
taz - die tageszeitung
taz Nord
20
German
(c) 2006 taz, die tageszeitung

Jahrelang wurden die Männer auf der Suche nach dem schnellen Sex in Mahndorf toleriert. Jetzt droht Vertreibung

An einem regnerischen Tag wie gestern war auch am Mahndorfer See kaum Verkehr. Am Badestrand ohnehin nicht, aber auch dort, wo der See an den Autobahn-Rastplatz der A1 grenzt, war es gestern eher ruhig. Immer wieder treffen sich dort homo und bisexuelle Männer zum „cruisen”, wie sie es nennen – zum schnellen anonymen Sex also. Jetzt will Stadtgrün dem unzüchtigen Treiben am Badesee ein Ende bereiten: Spätestens im Herbst wird das Unterholz wieder ausgelichtet.

Zwar vermeldet das zuständige Ortsamt Hemelingen derzeit „keine neuen Beschwerden” über nackte Menschen und sexuell aktive Pärchen am Mahndorfer See. Dennoch hat der Weser Report vom Sonntag dort ein schwules „Netzwerk” ausgemacht, das „gewaltige, teilweise beängstigende Strukturen angenommen hat”.

Arno Oevermann, Sozialarbeiter der AIDS-Beratungsstelle im Rat und Tat-Zentrum Bremen, hält das für „aufgebauscht” und „polemisch”. Gemeinsam mit seinem Kollegen Bernd Thiede ist er bereits seit über zehn Jahren regelmäßig vor Ort, um Präventions und Aufklärungsarbeit zu leisten. Sein Fazit: „So dramatisch ist das nicht.” Zwar sei „seit langem klar”, dass sich am Mahndorfer See homo, aber auch heterosexuelle Menschen treffen, um sich nackt zu sonnen oder im Gebüsch Sex zu haben. Doch das, sagt Oevermann, sei in den vergangenen Jahren „immer toleriert” worden.

Das Problem am Mahndorfer See nimmt Oevermann zufolge ohnehin eher ab als zu. In diesem Jahr habe sich die Zahl der regelmäßigen „Cruiser” halbiert – ein Trend, der laut Oevermann auch in anderen so genannten „Cruising Areas” zu beobachten sei. „Keinesfalls” könne in Mahndorf von einer „No Go-Area” für AnwohnerInnen oder Badegäste gesprochen werden. Auch gebe es „keinerlei Hinweise” auf Prostitution oder gar Pädophilie, betont Oevermann. „Das sind alles einvernehmliche Kontakte” – unter Erwachsenen. Gleichwohl stünde das Areal „unter verschärfter Beobachtung”.

Die Polizei ist regelmäßig vor Ort: Entsprechendes Wetter vorausgesetzt, geht der zuständige Kontaktpolizist Thomas Mehmke nach eigenen Angaben „beinahe täglich” auf Streife am See. Die Lage sei „ziemlich ernst”, findet Mehmke, „laufend” werde er von MahndorferInnen angesprochen. Die meisten Nacktbadenden indes, so seine Erfahrung, zeigten sich sehr wohl „einsichtig” – und schlüpfen schnell in eine Badehose. Und ein begründeter Verdacht auf illegale Prostitution besteht laut Polizeiangaben nicht.

In einem Punkt allerdings gibt auch Oevermann den Beschwerden der MahndorferInnen recht. „Es ist wirklich ziemlich verdreckt” – gebrauchte Kondome, Taschentücher, auch Bierdosen lassen die Gäste gerne mal am See liegen.

Stadtgrün will jetzt die ungeliebten Gäste vom See vertreiben. Wie schon im Frühjahr geschehen, soll auch im Herbst wieder das Gebüsch zurück geschnitten und der Wanderweg rund um den See frei gelegt werden. Damit würde vieles sichtbar – und den Cruisern drohen Platzverweise. Auch Parkuhren wurden neuerdings aufgestellt – länger als eine Stunde darf nun niemand mehr sein Auto auf dem Rastplatz abstellen.

Die Cruiser, sagt Oevermann, haben schon einen neuen, kleineren See gefunden: zwischen Brinkum und Arsten. mnz

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Straferlass - Italien lässt Tausende Häftlinge frei
SPGLO00020060810e2890002i
Panorama
190 Words
09 August 2006
Spiegel Online (Deutsch)
0
German
© 2006 SPIEGEL net GmbH. All rights reserved.

(News)

Dank eines Straferlasses wurden in Italien seit Ende Juli 13.000 Häftlinge in die Freiheit entlassen. Für einige Dutzend Ex-Insassen währte das Leben jenseits der Gefängnistore allerdings nur kurz: Wegen Diebstahls und anderer Gewalttaten wurden sie Medienangaben zufolge gleich wieder festgenommen.

Rom - Von dem Straferlass zur Entlastung der italienischen Haftanstalten hätten bislang 8663 Italiener und 4559 Ausländer profitiert, teilte ein leitender Beamter der italienischen Vollzugsverwaltung am Mittwoch mit. Bis Ende August könnten es insgesamt bis zu 17.000 Gefangene werden, die von der Regelung betroffen seien.

Der italienische Senat hatte Ende Juli einem Straferlass von drei Jahren zugestimmt, mit dem die rund 200 Justizvollzugsanstalten entlastet werden sollen. Während die italienischen Gefängnisse nur für 43.000 Häftlinge ausgelegt sind, hatten im Juli rund 63.000 Menschen hinter Gittern gesessen.

Das neue Gesetz sieht einen Strafnachlass für alle vor Mai begangenen Vergehen vor. Von der Maßnahme sind jene Häftlinge ausgenommen, die wegen Terrorismus, Mafiazugehörigkeit, Pädophilie, sexueller Gewalt, Entführungen, Schieberei, Geldwäsche und Drogenhandel verurteilt worden sind.

<i>reh/AFP</i>

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,430962,00.html

PMGSPON-xPMG-spiegel-430962
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Über 13.000 Häftlinge nach Straferlass in Italien frei
AFPDE00020060809e289001up
KL
183 Words
09 August 2006
20:03 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2006 All reproduction and presentation rights reserved.

Rom, 9. August (AFP) -

Seit einem Straferlass am vergangenen Dienstag sind in Italien mehr als 13.000 Häftlinge aus dem Gefängnis entlassen worden. Von dem Straferlass zur Entlastung der italienischen Haftanstalten hätten bislang 8663 Italiener und 4559 Ausländer profitiert, teilte ein leitender Beamter der italienischen Vollzugsverwaltung am Mittwoch mit. Bis Ende August könnten es insgesamt bis zu 17.000 Gefangene werden, die von der Regelung betroffen seien. Wie italienische Medien in den vergangenen Tagen berichtet hatten, nahm die Polizei einige Dutzend der freigelassenen Häftlinge gleich wieder fest, weil sie Diebstähle oder Gewalttaten begangen hätten.

Der italienische Senat hatte Ende Juli einem Straferlass von drei Jahren zugestimmt, mit dem die rund 200 Justizvollzugsanstalten entlastet werden sollen. Während die italienischen Gefängnisse nur für 43.000 Häftlinge ausgelegt sind, hatten im Juli rund 63.000 Menschen hinter Gittern gesessen.

Das neue Gesetz sieht einen Strafnachlass für alle vor Mai begangenen Vergehen vor. Von der Maßnahme sind jene Häftlinge ausgenommen, die wegen Terrorismus, Mafiazugehörigkeit, Pädophilie, sexueller Gewalt, Entführungen, Schieberei, Geldwäsche und Drogenhandel verurteilt worden sind.

kl/smo

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Paradies für Täter
FOCUS00020060806e28700039
Ausland
Eva Maria Kallinger
427 Words
07 August 2006
Focus
141
32
German
© 2006 FOCUS – DAS MODERNE NACHRICHTENMAGAZIN, FOCUS MAGAZIN VERLAG GMBH, www.focus.de

ITALIEN

Ein Strafnachlass setzt Schwerverbrecher auf freien Fuß. Der überlasteten Justiz hilft er nicht weiter

Selten waren sich die Italiener so einig: Das jüngste Gesetzeswerk ihrer Regierung, ein Strafnachlass für Kriminelle, lehnen sie zu 95 Prozent ab. Selbst die Mutter eines Häftlings zeigte sich wenig begeistert, ihren prügelwütigen Filius, seit 30 Jahren wiederholt wegen Diebstahls und Drogendelikten im Knast, in die Arme schließen zu dürfen. "Gebt mir eine Eskorte, oder ich bringe mich um", flehte die 68-jährige Römerin in einem Brief an die Regierung.

15000 Kriminelle, darunter viele Schwerverbrecher, werden vom Strafnachlass profitieren, den die Mitte-links-Koalition Romano Prodis mit Hilfe der Forza Italia seines Amtsvorgängers Silvio Berlusconi im Parlament durchbrachte. Allein in Mailand kämen 358 wegen Raubüberfalls Verurteilte auf freien Fuß, warnte ein Abgeordneter. Gefangenen erlässt das Gesetz drei Jahre Haft für fast alle vor dem Mai 2006 begangenen Taten - außer für Mafia-Delikte, Terrorismus, Pädophilie und Geldwäsche. Offiziell begründet die Regierung ihren Schritt mit einer humanitären Geste, denn so könnten die verbliebenen Häftlinge in den 200 Anstalten würdiger untergebracht werden. Zurzeit drängen sich mehr als 60000 Insassen auf 45000 Zellenplätzen.

Das Gesetz solle der jeweiligen Klientel der Parteien aus der Patsche helfen, glaubt dagegen Ignazio La Russa, Abgeordneter der rechten Nationalen Allianz. Weil der Strafrabatt auch für Korruptions- und Wirtschaftsdelikte gilt, profitieren von ihm Manager, die Tausende Sparer prellten oder wie im Fußballskandal Spiele manipulierten.

"Eine Amnestie wäre ehrlicher und sinnvoller gewesen", kritisiert Cuno Tarfusser, Oberstaatsanwalt von Bozen. Sie hätte Straftaten gelöscht und so die italienischen Gerichte entlastet, wo Verfahren bis zur letzten Instanz mehr als zehn Jahre dauern und Delikte häufig verjähren. Im Falle des Straferlasses müssen Verfahren trotzdem durchgezogen werden. "Wir werden ermitteln", sagt Tarfusser, "anklagen, aufwändig Prozesse zelebrieren, und wenn Richter Haftstrafen unter drei Jahren dekretieren, war alles für die Katz." Das skandalgeschüttelte Italien wird immer mehr zum Paradies für Täter.

Chefermittler Tarfusser warnt vor den Folgen, wenn sich Opfer allein gelassen fühlten. "Wenn der Staat kapituliert, greifen wir zu den Waffen", droht der Unternehmer Dante Nardini, im vorigen November in seiner Villa bei Venedig überfallen.

Für Selbstjustiz könnte es schon bald Anlass geben. Kaum hatten die ersten Häftlinge vorige Woche ihre Zellen verlassen, gerieten einige schon wieder mit der Justiz in Konflikt: Einer versuchte, seine Ehefrau umzubringen, ein anderer, die Kasse einer Pizzeria auszurauben, zwei weitere schlugen Polizisten zusammen.

Kräftiger Rabatt

Italiens Regierung und Opposition wollen Gefängnisse entlasten.

Drei Jahre Haft werden Tätern für fast alle vor Mai 2006 begangenen Vergehen erlassen.

15000 Häftlinge werden voraussichtlich demnächst vorzeitig entlassen.

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KATE
GNLZGR0020060804e284000ao
97 Words
04 August 2006
General Anzeiger
German
(c) 2006 General-Anzeiger, Bonn

MOSS

Seit dem 14. Lebensjahr stakst Kate Moss über den Laufsteg. Die Karriere der am 16. Januar 1974 im Londoner Vorort Croydon geborenen Engländerin war jedoch nie frei von Kontroversen. Eine Kampagne für Unterwäsche löste gleich zu Beginn der Karriere der stark untergewichtigen Minderjährigen eine Diskussion über Pädophilie aus. Mediziner warnten später vor einem Moss-Kult, der bei Mädchen angeblich Magersüchtigkeit auslösen kann. Der magere Körper des Models wurde auch zum Symbol einer Modekampagne, die in den Neunzigern mit dem Motto "Heroin Kids" schockieren wollte. Ein ausgiebiges Nachtleben wurde häufiger von Aufenthalten in Entziehungskliniken unterbrochen. ssu

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Bischof verschwunden
DBUND00020060803e2840002c
Letzte
120 Words
04 August 2006
Der Bund
32
German
(c) 2006 Der Bund Verlag AG

Rom Joseph John Henn, Bischof aus dem US-Bundesstaat Arizona, ist kurz vor seiner Auslieferung in die USA aus dem Vatikan in Rom verschwunden. Dort hatte er wegen Verdachts auf Pädophilie unter Hausarrest gestanden. Henn wird beschuldigt, zwischen 1978 und 1980 drei minderjährige ehemalige Schüler in einer katholischen Schule im US-Bundesstaat Arizona sexuell missbraucht zu haben. In den USA liegt ein Haftbefehl gegen ihn vor. Vor einigen Tagen hatte ein römisches Gericht einer Auslieferung in die USA zugestimmt – doch der Bischof war etwa zwei Wochen davor aus seiner Wohnung im Vatikan verschwunden.

Im Juli 2005 war er aufgrund eines amerikanischen Haftbefehls in Italien verhaftet und unter Hausarrest gestellt worden. Nun wird er als Flüchtiger gesucht. (sda)

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Vom Drogensumpf in die Ruhmeshalle der Mode
STUNAC0020060803e2830001v
Panorama
Schilling-Strack, Ulrich
457 Words
03 August 2006
Stuttgarter Nachrichten
8
German
© 2006 Stuttgarter Nachrichten. http://www.stuttgarter-nachrichten.de

Britisches Topmodel Kate Moss feiert sensationelles Comeback

Die Karriere der Kate Moss schien eigentlich schon beendet. Nach einer Drogenaffäre hatte das Topmodel zahlreiche Verträge verloren, in den Londoner Boulevardblättern wurde es als "Kokain-Kate" beschimpft. Doch nicht einmal ein Jahr später feiert die 32-jährige Engländerin ein sensationelles Comeback. Einflussreiche Magazine wie "Vogue" opfern ihre Titelseiten und neigen das Haupt vor einer "Jahrhundert-Ikone". "Vanity Fair" reserviert in der neuen Ausgabe gar einen Thron in der Hall of Fame, gleich neben Legenden wie Jackie Kennedy, Marlene Dietrich oder Audrey Hepburn, die Modehäuser vergolden jeden Auftritt mit unglaublichen Gagen.

"Vanity Fair" suchte gar nicht lange nach einer Entschuldigung für eine Auszeichnung, die nur den ganz Großen zuteil wird. Mit überwältigender Mehrheit habe die Leserschaft entschieden, der "einflussreichsten Stil-Ikone unserer Zeit" einen Ehrenplatz in der Hall of Fame zu widmen, heißt es in dem Beitrag. Kate Moss sehe stets umwerfend aus, "egal ob an der Supermarktkasse oder auf dem roten Teppich". Andere Kritiker dagegen halten Moss vor, sie kleide sich durchschnittlich.

Die erfolgreiche Rückkehr auf den Laufsteg überrascht: Vor wenigen Monaten hatte der skandinavische Modegigant H&M erbost erklärt, er sei strikt gegen Drogenkonsum, und stampfte die gemeinsame Werbekampagne ein. Unter den gegebenen Umständen halte man eine weitere Zusammenarbeit für nicht opportun, ließ auch Burberry damals verlauten und löste den Vertrag. Schon die Frühjahrskollektion stand jedoch unter dem Motto der Versöhnung. "Absolut cool" sei Moss, behauptete Burberry im Dezember und versicherte, dass sie zur Familie gehöre. Offenbar hatte man die Zeichen der Zeit früh erkannt. Schwer angeschlagen durch die Anschuldigungen hatte sich Kate Moss öffentlich entschuldigt, einen Aufenthalt in einer Klinik gebucht, die Beziehung zu Skandalrocker Pete Doherty beendet und damit wie gefordert tätige Reue gezeigt. Zudem stellte die Polizei die Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ein.

Geschäftlich gesehen waren die Reha-Maßnahmen ein voller Erfolg. Für den deutschen Designer Karl Lagerfeld ist das Comeback keine Überraschung: "Sie ist einmalig. Die Leute wollen nicht nur so aussehen wie sie, sondern auch so sein."

Seit dem 14. Lebensjahr stakst Kate Moss über den Laufsteg. Die Karriere der im Londoner Vorort Croydon geborenen Engländerin war jedoch nie frei von Kontroversen. Eine Kampagne für Unterwäsche löste gleich am Anfang eine Diskussion über Pädophilie aus. Mediziner warnten vor einem Moss-Kult, deren extrem dünner Körper könne bei Mädchen angeblich Essstörungen auslösen. Ob sie sich wirklich freut über die Rückkehr ins Rampenlicht, würden wir gern aus erster Hand erfahren. Leider gibt Kate Moss grundsätzlich keine Interviews. Marlene Dietrich, die bereits vor Jahrzehnten in die Ruhmeshalle von "Vanity Fair" aufgenommen wurde, hielt das übrigens genauso.

Ulrich Schilling-Strack, London

Moss auf dem "Vanity Fair"-Titel AP

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USA - Amerikanische Falafel-Fehde
BERLRZ0020060801e2810006y
Medien
Nina Rehfeld
436 Words
01 August 2006
Berliner Zeitung
26
German
(c) 2006 Berliner Zeitung

Ein prominenter Feind kann einer Fernsehkarriere sehr zuträglich sein.

So gesehen und geschehen im amerikanischen Fernsehen, auf dem Sender MSNBC.

Deren Moderator Keith Olbermann etwa gelangte erst ins Rampenlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit, als er in der Nachrichtensendung "Countdown" den bekannten Talkmaster Bill O'Reilly vom Konkurrenzsender Fox abwatschte.

Die Einschaltquoten der Sendung, in der Olbermann "harte" Nachrichten mit spitzzüngigen Sozialkommentaren und ironischen Wichtigkeits-Statistiken mischt, stiegen dank der Fernseh-Fehde um satte 30 Prozent.

Fox-Mann O'Reilly wurde nämlich Dauergast einer Rubrik, in der Olbermann täglich einen schlimmen, einen noch schlimmeren und und den schlimmsten Menschen der Welt kürt - basierend auf besonders ignoranten oder haarsträubenden Worten oder Taten.

Solche produziert der Talkmaster in seiner tollwütigen Rechthaberei-Show "The O'Reilly Factor" ständig.

Beispielsweise verglich er das Schweigen der katholischen Kirche zum "Weihnachtskrieg" (Merry Christmas oder Happy Holidays als Weihnachtsgruß?) mit ihrem Schweigen zum Pädophilie-Skandal in den eigenen Reihen.

Ein andermal rief er El Kaida dazu auf, San Francisco zu attackieren, weil die Stadt Militärrekruten aus öffentlichen Schulen verbannte.

Über all dies spottete Olbermann.

Ihren Höhepunkt aber fand seine Häme, als O'Reilly wegen eines obszönen Anrufs bei einer Produzentin verklagt wurde.

Mit dem frivolen Telefonat macht er sich insbesondere dadurch zum Gespött, dass er die tropische Gurkenart Luffa als "Falafel-Ding" bezeichnete.

Olbermann nahm sich der Sache an und machte O'Reillys Ausfälle zum Running Gag seiner Sendung.

Nun hätte O'Reilly den Kommentaren durch würdevolles Schweigen Paroli bieten können.

Stattdessen startete "Bill-O", dessen Ego sogar im amerikanischen Fernsehen seinesgleichen sucht, eine öffentliche Kampagne: Er wollte Olbermann durch den ehemaligen MSNBC-Nachrichtenmann Phil Donohue ersetzt sehen.

In seiner Sendung heizte er die Fehde sogar weiter an und wollte einem Anrufer in seiner Sendung die Sicherheitsleute von Fox nach Hause schicken, als dieser den Namen Olbermann erwähnte.

Damit war die "Falafel guy fatwa" (Streit mit dem Falafel-Typ) längst in aller Munde.

Doch bisweilen scherzt Olbermann nicht.

Kürzlich bemühte er sich um eine Richtigstellung über das Malmedy-Massaker im Zweiten Weltkrieg, das O´Reilly wiederholt als Massaker von Amerikanern an deutschen Truppen bezeichnet hatte, um amerikanisches Verhalten im Irak zu rechtfertigen.

Tatsächlich erschossen damals SS-Truppen mehr als 80 amerikanische Soldaten, die sich bereits ergeben hatten.

"Abraham Lincoln hat nicht John Wilkes Booth erschossen", sagte Olbermann in seiner Sendung, "die Titanic hat keinen nordatlantischen Eisberg versenkt, und Fox News ist weder fair noch ausgewogen.

Dies sind schlichte historische Fakten, leicht erfassbar für alle Erwachsenen, die meisten Kinder und die anspruchsvolleren unter ihren Haustieren.

Aber nicht für Bill-O."

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Foto: "Fox ist weder fair noch ausgewogen."

Keith Olbermann

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Italien beschließt Strafnachlass
FRARUN0020060730e27v00013
459 Words
31 July 2006
Frankfurter Rundschau
6
German
(c) Copyright Frankfurter Rundschau 2006 www.fr-aktuell.de

Berlusconis Opposition setzt durch, dass auch wegen Korruption Verurteilte dabei sind / Unmut in der Bevölkerung

Der italienische Senat hat am Samstag einen umstritten Strafnachlass für etwa 12 000 Häftlinge aus den überfüllten Gefängnissen des Landes gebilligt.

Rom · Mit 245 Stimmen bei sechs Enthaltungen und 56 Gegenstimmen aus unterschiedlichen Fraktionen wurde der Strafnachlass beschlossen, der in der Bevölkerung sehr unpopulär ist. In Umfragen äußerten sich über 60 Prozent ablehnend; an einer nicht repräsentativen Umfrage der linksliberalen Zeitung La Repubblica stimmten 93 Prozent der mehr als 115 000 beteiligten Internetnutzer mit Nein.

Grund für die hohe Ablehnung ist, dass Korruptionsdelikte nicht von dem Strafnachlass ausgenommen sind und auf diese Weise prominente Verurteilte in den Genuss der Gnade kommen. Dies wird in der Bevölkerung als Provokation empfunden und von etlichen Intellektuellen und Politikern als fatal für die öffentliche Moral angesehen.

Schon in der Zeit des Berlusconi-Regimes waren in entgegen der internationalen Tendenz - etwa in den USA - Delikte wie Bilanzfälschung weitgehend außer Strafe gestellt worden. Jetzt wird etwa Berlusconis Anwalt und Ex-Verteidigungsminister Cesare Previti, wegen Richterbestechung zugunsten seines Mandatgebers rechtsgültig zu sechs Jahren Haft verurteilt, die Strafe erlassen.

Previti, der als über Siebzigjähriger nach einem Gesetz ad personam aus der vorigen Legislaturperiode seine Strafe ohnehin im Hausarrest absitzen kann, werden nach dem neuen Gesetz drei Jahre erlassen. Die restlichen drei Jahre wird er, wie seit langem üblich, in Diensten einer sozialen Organisation abarbeiten können. Der Schriftsteller Jacopo Fo, Sohn des Nobelpreisträgers Dario Fo, warf der Regierung Prodi vor: "Ihr führt das Werk Berlusconis zu Ende."

Keine Amnestie

Der Strafnachlass von drei Jahren ist keine Amnestie und tilgt ein Verbrechen nicht. Er wird widerrufen, wenn der Begünstigte innerhalb von fünf Jahren zu einer neuen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt wird. Eine Reihe von Verbrechen ist ausgenommen: etwa Terrorismus, Mafiazugehörigkeit, Pädophilie, Kinderprostitution, Drogenhandel und Wucher.

Vom Strafnachlass profitieren etwa 12 000 Insassen in den inhuman überbelegten Strafanstalten Italiens. Die Überfüllung der Gefängnisse ist im Zusammenspiel mit einer berüchtigt langsam arbeitenden Justiz ein seit langem bestehendes Problem. In Gefängnissen für nominell 42 500 Häftlinge sitzen derzeit 61 000 Gefangene ein.

Dass auch wegen Korruption Verurteilte begünstigt werden, ist Ergebnis einer Forderung der Mitte-Rechts-Opposition unter Berlusconi. Sie hatte ihre Zustimmung zu dem Nachlass, der eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt, davon abhängig gemacht. Infrastrukturminister Antonio Di Pietro, der als Staatsanwalt vor bald 15 Jahren mit dem Kampf gegen die Korruption begonnen hatte, kämpfte leidenschaftlich, aber vergebens gegen die Gnade für Previti und Co.

Einen Strafnachlass, der in der Rechtstradition des Landes nicht unüblich ist, gab es zuletzt Weihnachten 1990. Für den jetzigen hatte sich schon Papst Johannes Paul II. eingesetzt. So wurde die Entscheidung des Senats im Vatikan mit großer Zufriedenheit aufgenommen. ens/ap/rtr

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Italienischer Senat billigt Gesetz zu Strafnachlass =
AFPDE00020060729e27t003ml
JAH
139 Words
29 July 2006
18:01 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2006 All reproduction and presentation rights reserved.

Rom, 29. Juli (AFP) -

Der italienische Senat hat am Samstag einem Strafnachlass zur Entlastung der italienischen Gefängnisse zugestimmt. Für den in der Regierungskoalition von Romano Prodi umstrittenen Gesetzesentwurf stimmten 245 Senatoren, 56 votierten dagegen bei sechs Enthaltungen. Die Abgeordnetenkammer hatte bereits am Donnerstag grünes Licht gegeben.

Mit dem Gesetz sollen die rund 200 Strafanstalten des Landes, von denen viele überbelegt sind, entlastet werden. Von dem Strafnachlass könnten in den kommenden zwei Jahren etwa 20.000 von insgesamt 63.000 Häftlingen profitieren. In den italienischen Gefängnissen ist nur Platz für etwa 43.000 Häftlinge.

Das Gesetz sieht einen Strafnachlass von drei Jahren für alle vor Mai 2006 begangenen Vergehen vor. Von der Maßnahme sind jene Häftlinge ausgenommen, die wegen Terrorismus, Mafiazugehörigkeit, Pädophilie, sexueller Gewalt, Entführungen, Schieberei, Geldwäsche und Drogenhandel verurteilt worden sind.

jah

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Islam-Hasser verurteilt
STGTAG0020060725e27p0002a
Ostschweiz
165 Words
25 July 2006
St. Galler Tagblatt
7
German
Copyright (c) 2006 St Galler Tagblatt. Besuchen Sie die Website http://www.tagblattmedien.ch/

Der Verfasser eines islamfeindlichen Flugblatts ist vom Freiburger Untersuchungsrichter zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der 47-jährige St. Galler hatte behauptet, das Tolerieren von Pädophilie gehöre im Islam zur kulturellen Tradition.

Gegen den Mann sei ein Strafbefehl ausgestellt worden wegen Diffamierung, Drohung, Nötigung und Rassendiskriminierung, teilte der Freiburger Untersuchungsrichter Jean-Luc Mooser am Montag mit. Die verhängte Gefängnisstrafe gilt unbedingt, weil der Mann schon im Dezember 2005 ein ähnliches Flugblatt verschickt hatte. Er wurde deshalb Ende Februar zu einer Gefängnisstrafe von 30 Tagen bedingt verurteilt. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig: Gegen den Strafbefehl von Ende Februar ist ein Rekurs hängig, beim neuen Strafbefehl läuft die Rekursfrist.

Der Verurteilte, ein Jurist, hatte im Dezember ein Flugblatt gestaltet und verteilt, auf dem eine Person, dargestellt als Prostituierte, ihre eigene Tochter missbrauchte. Im Februar doppelte er nach: Auf dem neuen Flugblatt wurde Prophet Mohammed als Pädophiler dargestellt. Nach Erscheinen der Flugblätter wurde ein Dutzend Strafklagen eingereicht. (sda)

0000299270
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Gleisarbeiten am Lötschberg zu Ende
TANZ000020060725e27p0000x
Inland
374 Words
25 July 2006
Tages Anzeiger
2
German
(c) 2006 Tages Anzeiger Homepage Address: http://www.tages-anzeiger.ch

Frutigen. - Im Lötschberg-Basistunnel ist die letzte Gleislücke geschlossen. Die BLS Alptransit hat gestern den termingemässen Abschluss der Gleisarbeiten mit dem Einschlagen des symbolischen goldenen Nagels fast in der Mitte des 34,6 Kilometer langen Tunnels gefeiert. Ab Oktober plant sie intensivere Testfahrten. Am 14. Juni 2007 sollen die Ampeln dann mit der definitiven Betriebsbewilligung durch das Bundesamt für Verkehr auf Grün gestellt werden. (AP)

Umbau von Basler Museum verzögert sich

Lausanne. - Mit dem Ausbau des Basler Museums der Kulturen darf noch nicht begonnen werden, soweit die umstrittenen, nach aussen sichtbaren Projektbereiche betroffen sind. Das Bundesgericht hat einer Beschwerde der Freiwilligen Basler Denkmalpflege und des Basler Heimatschutzes teilweise die aufschiebende Wirkung erteilt. Erlaubt sind demnach nur die Erneuerungen der museumsinternen Infrastruktur. Umstritten sind die Neugestaltung des Dachs, die Absenkung des Innenhofs und die Umgestaltung der Fassade. Das 13-Millionen-Ausbauprojekt wurde von den Stararchitekten Herzog und de Meuron entworfen. (SDA)

Islamhasser zu drei Monaten verurteilt

Freiburg. - Der Verfasser eines islamfeindlichen Flugblatts ist vom Freiburger Untersuchungsrichter zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der 47-jährige Mann hatte behauptet, das Tolerieren von Pädophilie gehöre im Islam zur kulturellen Tradition. Es sei ein Strafbefehl gegen ihn ausgestellt worden wegen Diffamierung, Drohung, Nötigung und Rassendiskriminierung, teilte Untersuchungsrichter Jean-Luc Mooser mit. Die verhängte Gefängnisstrafe gilt unbedingt, weil der Mann schon im Dezember 2005 ein ähnliches Flugblatt verschickt hatte. (SDA)

Ja zu ziviler Nutzung von Flugplatz Emmen

Luzern. - Die weitere Öffnung des Militärflugplatzes Emmen für zivile Flüge stösst nicht auf grundsätzlichen Widerstand. Allerdings verlangen die betroffenen Gemeinden in der Vernehmlassung, dass der volkswirtschaftliche Nutzen klarer aufgezeigt wird. Die Träger des Projekts - der Kanton Luzern, Emmen, die Ruag und die Luftwaffe - wollen dem nachkommen. Das Projekt sieht vor, dass die Zahl der zivilen Flüge von derzeit 1000 auf maximal 2500 pro Jahr erhöht wird. (AP)

Holz mit Umweltsiegel kommt bei Kunden an

Bern. - Der Umsatz mit umweltfreundlichen Holzprodukten stieg im letzten Jahr von 93 auf 98 Millionen Franken, teilte der WWF mit. Mehr verkauft wurden vor allem Garten- und Do-it-yourself-Möbel mit dem FSC-Label. In der Schweiz erhielten 51 Prozent der Waldfläche das FSC-Zertifikat. Es bescheinigt, dass Holz nachhaltig, umwelt- und sozialgerecht produziert wird. (SDA)

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Gefängnisstrafe wegen Hetze gegen Muslime
NEUZZ00020060725e27p00037
130 Words
25 July 2006
Neue Zürcher Zeitung
1
German
Besuchen Sie die Website der führenden Schweizer Internationalen Tageszeitung unter http://www.nzz.ch

Freiburg, 24.Juli. (sda) Der Verfasser eines islamfeindlichen Flugblatts ist vom Freiburger Untersuchungsrichter zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der 47-jährige St.Galler hatte unter anderem behauptet, das Tolerieren von Pädophilie gehöre im Islam zur kulturellen Tradition. Die wegen Diffamierung, Drohung, Nötigung und Rassendiskriminierung verhängte Strafe gilt unbedingt, da der Mann schon wegen eines ähnlichen Flugblatts zu einer Gefängnisstrafe von 30 Tagen bedingt verurteilt worden war. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Der Verurteilte, ein Jurist, hatte im Dezember 2005 ein Flugblatt gestaltet und verteilt, auf dem eine Frau, dargestellt als Prostituierte, ihre eigene Tochter missbrauchte. Im Februar wurde auf einem neuen Flugblatt der Prophet Mohammed als Pädophiler dargestellt. Zudem hiess es, die Freiburger Muslime behandelten ihre Kinder wie Vieh.

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Röteln sind auf - dem Vormarsch
BASLRZ0020060725e27p00023
schweiz
281 Words
25 July 2006
Basler Zeitung
4
German
(c) 2006 Basler Zeitung Homepage Address: http://www.baz.ch

nachrichten

Bern. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) geht für das erste Halbjahr 2006 von 150 Rötelnerkrankungen aus. Sieben Fälle wurden im Labor bestätigt. Das sind sechs mehr als in den drei Jahren zuvor. Bei den neuen Fällen handelt es sich um Kinder und junge Erwachsene. Erstmals seit 2003 erkrankte zudem eine schwangere Frau, die darauf ihr Kind verlor. Das BAG spricht von einem «Warnsignal». Die aktuelle Durchimpfungsrate in der Schweiz sei ungenügend. sda

Jurist verleumdet Muslime

Freiburg. Ein 46-jähriger Jurist aus Freiburg muss wegen pauschaler Pädophilie-Vorwürfe gegen Muslime und Amtsträger aus Freiburg für drei Monate ins Gefängnis. Der einschlägig Vorbestrafte wurde der Verleumdung und Rassendiskriminierung schuldig gesprochen, wie gestern mitgeteilt wurde. Der Verurteilte hatte sich mit zwei Traktaten rund zehn Strafklagen eingehandelt. Unter anderem stellte er darin den Propheten Mohammed als Pädophilen dar und unterstellte, dass diese Perversion Teil der kulturellen Tradition des Islam sei. AP

Flugplatz Emmen soll rentieren

EMMEN. Auf dem Militärflugplatz Emmen soll es nur zivile Flüge geben, wenn ein volkswirtschaftlicher Nutzen und eine wirtschaftliche Machbarkeit ausgewiesen wird. Dies fordern die Nachbargemeinden in der Vernehmlassung. Das von der Ruag Aerospace, der Gemeinde Emmen, dem Kanton Luzern und der Luftwaffe getragene Umnutzungsprojekt sieht vor, die Zahl der zulässigen zivilen Flugbewegungen von 1000 auf 2500 pro Jahr zu erhöhen. Dazu kommen 17500 militärische Starts und Landungen. SDA

Bundesrat tagt - zu Libanon

Bern. Der Bundesrat unterbricht die laufenden Sommerferien, um am Mittwoch zu einer ausserordentlichen Sitzung zur Libanon-Krise in Bern zusammenzukommen. Bundespräsident Moritz Leuenberger sei einem Antrag von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey gefolgt, bestätigte die Bundeskanzlei einen Bericht des Schweizer Radios vom Montagabend. SDA

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TV Kritisch
SLZNT00020060724e27p00079
tv
227 Words
25 July 2006
Salzburger Nachrichten
23
German
(c) 2006. SN. All rights reserved.

Ein Selbstmord, ein Zufallsmord und ein echter, geplanter Mord – im Tatort floss wieder einmal jede Menge Blut. Kommissarin Klara Blum (Eva Mattes) musste sich bei Schönwetter am Bodensee in Kon„sch“tanz erst einmal durch allerlei Beziehungsprobleme kämpfen, ehe sie der wahren Mörderin auf die Spur kam.

Enttäuschte Liebe war es, die sowohl den Ausgangs- wie auch den Endpunkt des Dramas darstellte. Zuerst war es ein zehnjähriges Mädchen, das von seinem pädophilen Turn-Trainer aus Eifersucht vergewaltigt wurde, nachdem es sich in einen gleichaltrigen Buben verschaut hatte.

Dann wiederum wurde die neue Freundin des Vergewaltigers zur Mörderin, weil sie erkennen musste, dass sie dieser nur benutzte, um früher aus dem Gefängnis herauszukommen, in Wahrheit aber weiterhin nur an sein damaliges Opfer herankommen wollte.

Autorin Dorothee Schön lässt das Publikum einen Einblick in die Sorgen und Nöte von Familien machen, deren Angehörige entweder Täter oder Opfer von Pädophilie wurden.

Und sie öffnet uns auch die Augen dafür, dass es gar nicht so selten Menschen gibt, die Straftätern gegenüber tiefe Gefühle entwickeln und sie gewissermaßen bessern wollen. Die Täterin ist so eine Weltverbesserin, die an das Gute selbst im Bösen glaubt und erst zum Schluss erkennen muss, dass sie getäuscht wurde.

Alles in allem ein Krimi, bei dem selbst für altgediente „Tatort“-Experten die Spannung lange aufrecht blieb.per

snstamm | SNZ41-649716325.07.2006 | 41-6497163
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Jurist muss wegen Pädophilie-Vorwürfen gegen den Islam ins Gefängnis
APDEW00020060724e27o000o1
205 Words
24 July 2006
12:18 GMT
AP German Worldstream
German
Copyright 2006. The Associated Press. All Rights Reserved.

Freiburg (AP) - Ein 46-jähriger Jurist aus Freiburg muss wegen pauschaler Pädophilie-Vorwürfe gegen Muslime und Amtsträger aus Freiburg für drei Monate ins Gefängnis. Der einschlägig Vorbestrafte wurde der Verleumdung und Rassendiskriminierung schuldig gesprochen, wie Untersuchungsrichter Jean-Luc Mooser am Montag bekannt gab.

Der Verurteilte hatte sich mit zwei zwischen vergangenem Dezember und März verbreiteten Traktaten rund zehn Strafklagen eingehandelt. In einer »satirischen Revue über den Islam in Freiburg« hatte er den Propheten Mohammed als Pädophilen dargestellt. Dabei unterstellte er, dass diese Perversion Teil der kulturellen Tradition des Islam sei. Weiter behauptete er, die Muslime in Freiburg behandelten ihre Kinder wie Vieh und zögerten nicht, sie an Perverse zu verkaufen, wie der Untersuchungsrichter darlegte. Im zweiten Text hatte der Mann einer marokkanischen Frau vorgeworfen, ihre Tochter zu missbrauchen und sie unter dem Schutz der Polizei, der Justiz und der Sozialdienste zur Prostitution zu zwingen.

Nachdem der in Freiburg wohnhafte St. Galler bereits im vergangenen Februar für ähnliche Texte eine 30-tägige Gefängnisstrafe auf Bewährung erhalten hatte, verurteilte ihn der Untersuchungsrichter nun am (vergangenen) Dienstag zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von drei Monaten. Der Verurteilte kann innert 30 Tagen Rekurs einreichen.

Ende

ap/aw/fs/t

7
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Pädophilen-Partei der Niederlande ist legal
NEUZZS0020060723e27n0001b
René Vautravers, Amsterdam
282 Words
23 July 2006
NZZ am Sonntag
2
German
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Ein Gericht in Den Haag hat es abgelehnt, eine von Pädophilen gegründete Partei zu verbieten. Dies trotz dem erschreckenden Programm der Gruppierung.

Seit Ende Mai haben die Niederlande eine neue Partei, die Partei für Nächstenliebe, Freiheit und Demokratie (PNVD). Der Name mag harmlos erscheinen, die drei Parteigründer sind es aber nicht. Sie wollen angeblich Dogmen durchbrechen und der Intoleranz zu Leibe rücken - vor allem jener gegenüber Pädophilen. Konkret fordern sie, dass das Schutzalter von 16 auf 12 Jahre gesenkt wird. Mittelfristig soll sogar ganz darauf verzichtet werden. Jugendliche sollen bereits ab 16 Jahren in Pornofilmen mitspielen oder als Prostituierte arbeiten dürfen. Kinderpornographie soll legal werden.

Eine Stiftung, die Pädophilie wissenschaftlich untersucht, und eine Gruppe von Erwachsenen, die als Kinder sexuell missbraucht wurden, haben die Partei eingeklagt. Ihre Ideen kämen einer Schändung der Rechte des Kindes gleich. Der Anwalt der Partei konterte, in den letzten Jahrzehnten sei nur die rechtsextreme Partei CP86 verboten worden, und zwar weil sie zu strafbaren Handlungen angesetzt habe. Von der PNVD sei dies nicht zu erwarten.

Die Forderung nach einem Verbot der Partei wurde nun am Montag von den Richtern in den Haag abgelehnt. Es liege an den Wählern, über die Partei zu urteilen, erklärten sie. Meinungsfreiheit gehöre zu den Grundfesten einer Demokratie. Von der Partei gehe keine unmittelbare Gefahr aus, und moralische Entrüstung genüge nicht, um ein Verbot zu verhängen.

Auf die niederländischen Diplomaten dürfte nun wieder viel Arbeit warten. Die Imagepflege ist der Regierung wichtig, da ihrer Ansicht nach im Ausland wenig nuancierte Meinungen zur niederländischen Politik verbreitet sind. Jüngst betraf das vor allem den Fall der umstrittenen liberalen Abgeordneten Ayaan Hirsi Ali.

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Sie gaben ihr Leben für die Feuerwehr
SOLOZ00020060722e27m00013
495 Words
22 July 2006
Solothurner Zeitung
German
© 2006 SOLOTHURNER ZEITUNG. Sämtliche Rechte zu Artikeln der SOLOTHURNER ZEITUNG sind vorbehalten. Jede Verwendung, die die in Ihrem Factiva-Kundenvertrag geregelten Rechte überschreitet, nur unter Genehmigung der Redaktion. Kontaktaufnahme per Email unter redaktion@vsonline.ch.

Leserbriefe

Ausgabe vom 19.7. «Das vergisst man nicht so schnell» (Tela-Brand in Niederbipp)

Zu Zeiten des Tela-Brandes war ich Feuerwehrkommandant - und es stimmt: «Das vergisst man nicht so schnell.» Unsere Feuerwehr war damals zwar nicht direkt im Einsatz vor Ort - trotzdem vergisst man diesen Brand wohl nie. Betroffen machte mich aber die Aussage «In stiller Trauer gedenkt auch das Feuerwehr-Korps von Herzogenbuchsee der drei ums Leben gekommenen Kameraden.» Denn auch hier ging leider wieder mal vergessen, dass der Tela-Brand eben noch ein viertes Todesopfer forderte: den damaligen Einsatzleiter, welcher sich als Folge des erlebten Traumas bei diesem schweren Einsatz kurze Zeit nach dem Brand das Leben nahm, alleine in seiner Not. Ich bitte darum, dass man bei solchen Gelegenheiten nicht von drei, sondern richtigerweise von vier Todesopfern spricht und auch ortsübergreifend(!) aller vier gedenkt - sie alle gaben ihr Leben für die Feuerwehr und damit für die Allgemeinheit. Weiter weisen Sie in Ihrem Artikel richtigerweise darauf hin, dass heute die psychologische Betreuung der Feuerwehrmänner nach Einsätzen verbessert wurde. Ich stellte aber fest, dass leider allzuoft das Debriefing nicht unbedingt von den geeignetsten, sondern einfach von den hierarchisch höchsten Personen ausgeführt wird - so zumindest im Kanton Bern. Für viele Führungskräfte wurde das Debriefing unterdessen leider schon fast zu einer Modesache. Dennoch ist es sehr wichtig, dass man den von so schweren Einsätzen gezeichneten Feuerwehrleuten eine psychologische Hilfe anbietet. Denn auch die Feuerwehrmänner sind keine Helden, sondern gewöhnliche Menschen wie du und ich. Hptm Daniel Christinat Alt-Kdt Feuerwehr Lengnau

Abschätzige Kritik

Ausgabe vom 17.7. «Lachen und Weinen zum Schluss»

Wir müssen bezweifeln, ob der Kritiker überhaupt in der gleichen Vorstellung war wie wir. Wir haben nämlich eine grossartige Noëmi Nadelmann gehört und gesehen, die mühelos und einfühlsam die Mimi gestaltete und einen ebenso feinen und stimmgewaltigen Zoran Todorovich. Auch Vladimir Petrov überzeugte. Von der sensiblen Orchesterführung Giorgio Crocis war unsere Zuschauergruppe aus Musikern und Musikwissenschaftern ebenso begeistert wie die 800 Festivalbesucher (minus 1 Kritiker), die sich zum Schluss teilweise tatsächlich unter Tränen - zu einer stehenden Ovation für das Gesamtkunstwerk «La Bohème» hinreissen liessen. Wenn Ihr Kritiker abschätzig schreibt, es sei ein Festival-Finale «ganz nach dem Geschmack des Solothurner Publikums» gewesen, dann muss sich das Publikum beim Lesen reichlich blöd vorkommen, weil sie so voll Begeisterung auf den Stühlen standen und «Bravo» riefen. War es Kurt Tucholsky, der geschrieben hat, Kritiker seien Eunuchen? Zu untalentiert für eine Geiger- oder Pianistenkarriere und ähnlich frustriert wie ein abgewiesener Liebhaber. Klaus, Katrin und Philip Cadsky, Solothurn

Als Ferienziel boykottieren

Ausgabe vom 19.7. «Holland toleriert Pädosex-Partei»

Dass Holland als erstes Land eine Partei hat, welche aus lauter Perverslingen besteht, erstaunt mich nicht. Seit Jahren betrachten Justiz und Politiker Pädophilie als Lausbubenstreiche und Bagatellen, und dies nicht nur europaweit. Das in Holland wird nur der Anfang sein. Dieses Land sollte man als Ferienziel boykottieren. Wer es nicht tut, ist mit der ganzen Sauerei einverstanden. Patrick FLuri, Oensingen

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Homos bekämpfen Paradeverbot
TAZ0000020060720e27l0001m
Ausland
BARBARA OERTEL
411 Words
21 July 2006
taz - die tageszeitung
taz
9
German
(c) 2006 taz, die tageszeitung

Rigaer Stadtverwaltung untersagt aus „Sicherheitsgründen” Homo-Marsch durch die lettische Hauptstadt. Heute entscheidet ein Gericht über eine Klage der Organisatoren

BERLIN - taz ■ Geht es nach der Rigaer Stadtverwaltung, fällt die diesjährige Parade Homosexueller aus. Am Mittwoch verboten die Behörden die Demonstration, die morgen in der lettischen Hauptstadt stattfinden sollte. Andris Grinbergs, ein Sprecher der Stadtverwaltung, begründete dies mit vertraulichen polizeilichen Informationen, denen zufolge es während der Parade zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen könnte.

Bereits im Dienstag hatte Lettlands Innenminister und Mitglied der rechten „Lettischen Ersten Partei”, Dzintars Jaundzeikars, ein Verbot der Veranstaltung gefordert. Radikale Gruppierungen könnten eine bedrohliche Situation provozieren. Es sei schwierig, die Sicherheit jedes Einzelnen zu garantieren.

Das Verbot von Homo-Demonstrationen hat in Lettland Methode. Auch im vergangenen Jahr hatte die Stadtverwaltung die „Rigas Praids 2005” mit der noch fadenscheinigeren Begründung untersagt, dass moralische Werte gefährdet seien. Schließlich fand die Parade doch statt, nachdem ein Gericht einem Widerspruch der Organisatoren stattgegeben hatte.

Maris Sants, landesweit bekannter schwuler und mittlerweile aus der Kirche ausgeschlossener protestantischer Pastor, hält das Sicherheitsargument für vorgeschoben. Im kommenden Herbst werde in Lettland gewählt, und da wolle vor allem die rechte „Erste Lettische Partei” punkten. „Es geht hier nicht um Schwule und Lesben, sondern um die Demokratie. Und die ist ernsthaft bedroht, wenn Menschen, die friedlich demonstrieren wollen, dieses Verfassungsrecht verweigert wird”, sagt Sants.

Derartige Probleme haben die Gegner der Homos nicht. Mit dem Segen der Stadtverwaltung, der Kirchen und Losungen wie „Homosexualität ist unmoralisch” sowie „Brüssel – diktiere uns nicht, wie wir zu leben haben”, protestieren sie in Riga seit Wochenanfang täglich mehrere Stunden gegen die Parade.

Der Unterstützung vieler Letten können sie sich sicher sein. Laut einer soziologischen Umfrage unter dem Titel „Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten: Messungen und Temperatur”, die die lettische russischsprachige Tageszeitung Tschas gestern in Auszügen veröffentlichte, meint die Hälfte der Befragten, dass die Homos alles tun sollten, um ihre „Neigung” zu überwinden. Jeder Fünfte hält Homosexualität für eine Krankheit, jeder Dritte glaubt, dass Homosexualität aufs Engste mit Pädophilie verbunden sei. Die Mehrheit der Befragten ist zudem der Meinung, dass Homos weder Lehrer werden noch in der Armee dienen dürfen.

Die lettische Nichtregierungsorganisation Mozaika, die die Interessen sexueller Minderheiten vertritt, hat Widerspruch gegen das Verbot der Stadtverwaltung eingelegt. Die Entscheidung wird für heute erwartet. „Sollte das Gericht das Verbot bestätigen, wird es am Samstag keine Parade geben. Wir wollen nichts Illegales tun”, sagt Maris Sants. Der Rechtsstreit werde dann aber in die nächste Instanz gehen.

BARBARA OERTEL

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Niederlande: Pädophile wollen ins Parlament Parteiverbot scheiterte vor Gericht / Kinderrechtsorganisationen protestieren: „Das sind kranke Menschen“
MARKAL0020060720e27k000jz
LOHMARHE
381 Words
20 July 2006
Märkische Allgemeine
MAN
German
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SASKIA JANSENS

HILVERSUM Die Niederlande finden sich plötzlich auf der Anklagebank wieder. Die italienische Parlamentarierin Gabriella Carlucci von Silvio Berlusconis „Forza Italia“ fordert sogar den Ausschluss des Polderlandes aus der EU. Der Grund: Bei den Parlamentswahlen im November könnte eine Partei der Pädophilen antreten.

Die Gruppe nennt sich beschönigend „Partei der Nächstenliebe, Freiheit und Demokratie“ (PNVD). Doch ihr wichtigstes Ziel ist die Zulassung des Geschlechtsverkehrs zwischen Erwachsenen und Minderjährigen. Minderjährige unter 16 Jahren sollen sich auch prostituieren und in Pornofilmen mitarbeiten können. Die Stiftung Soelaas, die gegen Pädophilie kämpft, hat versucht, die Partei gerichtlich verbieten zu lassen. Damit sollten künftige Pädophilie-Opfer geschützt werden. Doch aus der Sicht der Richter in Den Haag ist die Stiftung nicht klageberechtigt, da sie nur aus moralischer Besorgnis handle, selbst aber nicht betroffen sei. Sie entschieden auch, dass die PNVD sich auf die verfassungsmässigen Bürgerrechte berufen könnte. Jeder habe das Recht, mit politischen Mitteln eine Änderung der Gesetzgebung anzustreben. Es sei Sache der Wähler, über die Forderungen der Partei zu entscheiden, urteilten die Richter am Montag.

Auch die niederländische Öffentlichkeit war geschockt. Der Rechtspopulist Geert Wilders forderte vom Justizminister, die Partei dennoch zu verbieten. Die Kinderrechtsorganisation „Profit for the World’s Children“ sammelt Unterschriften, um gegen die drohende Legalisierung der Pädophilie zu protestieren. Doch selbst die am meisten geschockten Kommentatoren geben der Partei keine Chance bei den Wahlen. Auch Ireen van Engelen von der Stiftung Soelaas nimmt die PNVD nicht ernst. „Das sind kranke Menschen, denen geholfen werden muss.“

Wenn die Partei tatsächlich an den Wahlen teilnehmen will, muss sie 570 Unterschriften von Sympathisanten sammeln. Bisher sind erst 20 eingegangen. Die Parteiführer wollen die Unterschriften auf offener Straße sammeln. Vorausgesetzt, sie sind in Sicherheit: „Ich habe keine Lust, Opfer von sinnloser Gewalt zu werden“, sagt Ad van de Berg, einer der Initiatoren. Seine Furcht ist nicht unbegründet. Die Internetseite der Partei wird ständig angegriffen. Ein Gründungsmitglied der Partei musste einen Campingplatz nach ernsten Drohungen verlassen.

Nach einer Umfrage sprechen sich trotz des Gerichtsentscheids 80 Prozent der Niederländer für ein Verbot aus. Bisher ist in den Niederlanden erst einmal eine Partei verboten worden. Der rechtsextremen CP’89 waren verbotene rassistische Ziele zum Verhängnis geworden.

596081 | pol
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Holland toleriert Pädosex-Partei
AARGZ00020060719e27j0000c
351 Words
19 July 2006
Aargauer Zeitung
German
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Nach Urteil Nimmt PNVD an den Wahlen teil?

Holland hat als erstes europäisches Land eine Pädophilen-Partei. Das sei völlig legal, meint ein Haager Gericht.

HELMUT HETZEL, den Haag

Obwohl die bereits vor einigen Wochen angekündigte Gründung der umstrittenen Partei, die Sex und Porno mit Minderjährigen und mit Kindern propagiert, auf scharfen Protest in Politik und Gesellschaft stiess und gegen die Pädosex-Partei geklagt wurde, urteilte ein Haager Gericht: Die Partei ist völlig legal. In der Urteilsbegründung heisst es wörtlich: «Die klageführende Organisation will mit ihrer Klage lediglich Ausdruck ihrer moralischen Besorgtheit geben. Das aber ist bei weitem nicht hinreichend, um eine politische Partei zu verbieten.» Denn die Gründung einer politischen Partei sei «ein elementares Grundrecht in einer Demokratie».

Kläger verzichten auf Berufung

Gegen die Pädosex-Partei, die sich offiziell «Partei für Nächstenliebe, Freiheit und Vielfalt» (PNVD) nennt, hatte die Stiftung Soelaas geklagt. Soe- laas ist eine gemeinnützige Organisation, die sich auf wissenschaftlicher Basis mit dem Phänomen Pädophilie beschäftigt. Soelaas forderte, dass die PNVD verboten werden müsse, weil ihre Forderungen gegen geltende Jugendschutzgesetze verstiessen. Nun ist es denkbar, dass die PNVD an den vorgezogenen Neuwahlen in den Niederlanden am 22. November teilnimmt - vorausgesetzt, sie holt das nötige Mitgliederquorum, um vom Wahlausschuss offiziell zugelassen zu werden. Denn ein Sprecher der Stiftung Soe- laas erklärte nach der Urteilsverkündung: «Wir legen keine Berufung ein. Es ist nun deutlich, dass man eine solche Partei in diesem Land tolerieren will.» Gross war der Jubel unter den pädosexuellen Gründern der PNVD. Ihr Vorsitzender Martin Uittenbogaard erklärte: «Ich muss gestehen, dass wir diesen Richterspruch erwartet haben. Denn wir begehen keine Straftaten. Es gibt also keinen Grund, die PNVD zu verbieten.» Der einzige Programmpunkt der PNVD lautet: Sex ab 12. Das heisst, dass die Altersgrenze für Sex zwischen Erwachsenen und Heranwachsenden von bisher 16 auf 12 Jahre gesenkt werden soll. Auch sollen 12-jährige Jugendliche das Recht erhalten, in Pornofilmen mitspielen zu können, wenn sie das wollen. Der parteilose Haager Abgeordnete Geert Wilders kritisierte den Urteilsspruch scharf. Er forderte Justizminister Piet Hein Donner dazu auf, über eine Gesetzesänderung die PNVD doch noch verbieten zu lassen.

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Angeklagter: Nur zufällig hineingeraten
STUGTR0020060719e27j0003o
Kreis Ludwigsburg
Jenkner, Lukas
459 Words
19 July 2006
Stuttgarter Zeitung
22
German
(c) 2006, Stuttgarter Zeitung Ansprechpartner: 0049-711-7205-782

Haftstrafe auf Bewährung für den Besitz kinderpornografischer Fotos und Filme

REMSECK. Ein 56-Jähriger ist vom Ludwigsburger Amtsgericht verurteilt worden, weil er kinderpornografische Bilder und Filme über das Internet bezogen und weiterverteilt hat. Die Dateien, so sagte er dem Richter, seien ihm zunächst gegen seinen Willen zugeschickt worden.

Von Lukas Jenkner

Immerhin: dass er sich strafbar gemacht habe, das wisse er durchaus, sagte der 56-Jährige dem Amtsrichter. Deshalb habe er auch keinen Verteidiger mitgebracht. Der Remsecker musste sich verantworten, weil er Anfang 2003 mehrere CDs mit kinderpornografischen Fotos und Filmen besessen und mindestens einmal ein entsprechendes Foto per E-Mail weitergeschickt hatte. Der Mann war der Polizei bei einem Schlag gegen einen einschlägigen Internettauschring aufgefallen. Den Ermittlern waren im Jahr 2003 gleich mehrere Schläge gegen solche Tauschringe gelungen, bei denen mitunter mehrere hundert Tatverdächtige aufgespürt wurden. Er habe diese Dateien besessen, sagte der 56-Jährige, da gebe es nichts zu beschönigen.

Wesentlich wortreicher erklärte der Remsecker dann allerdings dem Richter, wie er zu den Dateien gekommen war - aus seiner Sicht nämlich weit gehend schuldlos. Zunächst aus Neugier habe er sich in einem so genannten Chatroom umgetan, um Kontakt zu Homosexuellen zu bekommen. Er habe dann jemanden kennen gelernt, der ihm eines Tages ein einschlägiges Foto geschickt habe. Das habe er allerdings abgelehnt. Die Adressen hätten sie dann aber doch ausgetauscht, angeblich, um Musik-CDs zu tauschen. Schließlich habe er die bei einer Durchsuchung beschlagnahmten CDs zugeschickt bekommen, deren abstoßender Inhalt keine Fragen offen ließ. Auf den Bildern und in den Filmen waren vor allem vier- bis sechsjährige Buben bei sexuellen Handlungen zu sehen. Die CDs habe er kaum durchgesehen, sagte der 56-Jährige zunächst. Er sei weder pädophil noch homosexuell und habe im Übrigen seit 22 Jahren eine Freundin.

"Machen Sie sich da vielleicht nicht etwas vor?" fragte der Richter den Angeklagten mehrmals nach seinen Motiven. Wenn er solche Bilder ablehne, warum habe er sie dann aufbewahrt und überdies auch noch weiterverteilt? Die Antwort darauf blieb der 56-Jährige letztlich schuldig. Er wisse nicht mehr, was ihn dabei bewegt habe und wie es dazu gekommen sei, sagte er. Von einer tiefer sitzenden Motivation, sprich einer Veranlagung zur Pädophilie und zur Homosexualität, wollte er bis zum Schluss der Verhandlung nichts wissen. Im Übrigen sei ihm erst im Laufe der Zeit klar geworden, dass er sich strafbar gemacht habe. Es tue ihm Leid, was geschehen sei, sagte der Mann, und er werde es nicht wieder tun.

Der Amtsrichter verurteilte den nicht vorbestraften 56-Jährigen schließlich zu neun Monaten Haft, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt sind. Der Mann muss außerdem 1600 Euro an die Silberdistel, die Ludwigsburger Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt, zahlen. Die Staatsanwältin hatte zwölf Monate Haft auf Bewährung gefordert.

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Neu gegründete Pädophilen-Partei "völlig legal"
DIEP000020060719e27j00003
a
360 Words
19 July 2006
Die Presse
German
(c) Die Presse 2006 www.diepresse.at.

Empörung über Urteil eines Haager Gerichts. Partei könnte bei Parlamentswahl im November antreten. Von unserem Korrespondenten HELMUT HETZEL

DEN HAAG. Die Niederlande sind das erste Land Europas, das eine "Pädophilen-Partei" hat. Obwohl die Gründung dieser umstrittenen Partei, die Sex und Porno mit Kindern propagiert, auf scharfen Protest gestoßen war und gegen die Partei geklagt wurde, urteilte jetzt ein Haager Gericht: Die Pädophilen-Partei sei völlig legal _ denn "die Gründung einer politischen Partei ist ein elementares Grundrecht in einer Demokratie". Einzige Einschränkung: Die Partei dürfe nicht ihre ursprüngliche Abkürzung NVD verwenden _ da dies bereits das Logo eines Haarlemer Unternehmens sei. So wählte die umstrittene Gruppierung, die sich offiziell "Partei für Nächstenliebe, Freiheit und Vielfalt" nennt, nun das Kürzel PNVD. Geklagt hatte die Stiftung Soelaas, die sich mit dem Phänomen Pädophilie beschäftigt. Die Organisation hatte gefordert, dass die PNVD verboten werden müsse, weil ihr "Programm" gegen Jugendschutzgesetze verstoße.

"Begehen ja keine Straftaten"

"Wir legen gegen das Urteil keine Berufung ein. Denn es ist klar, dass man eine solche Partei in diesem Land tolerieren will", sagte ein Soelaas-Sprecher enttäuscht. Nun ist es denkbar, dass die PNVD an den vorgezogenen Neuwahlen in den Niederlanden am 22. November teilnimmt _ vorausgesetzt, sie hat das nötige Mitgliederquorum, um offiziell zugelassen zu werden. Parteichef Marthijn Uittenbogaard jubelt jedenfalls: "Wir haben diesen Richterspruch erwartet. Denn wir begehen ja keine Straftaten." Seine Forderung: Die Altersgrenze für Sex zwischen Erwachsenen und Heranwachsenden von bisher 16 auf künftig zwölf Jahre zu senken, zudem sollen Zwölfjährige "das Recht" erhalten, in Pornofilmen mitspielen zu können, wenn sie das wollen. Und Kinderpornos sollen legalisiert werden. Der parteilose Abgeordnete Geert Wilders kritisierte den Urteilsspruch scharf. Er ist einer der wenigen Abgeordneten, die noch nicht im Urlaub sind. Wilders forderte Justizminister Piet Hein Donner dazu auf, über eine Gesetzesänderung die Pädosex-Partei verbieten zu lassen. Auch die Universität Nimwegen hat bereits gehandelt. Sie hat ein PNVD-Mitglied, einen 24-Jährigen, von der Universität verwiesen und ihn exmatrikuliert. Er hatte sich offen zu seinen pädophilen Neigungen und zur Pädophilen-Partei bekannt. Der junge Mann hatte Pädagogik studiert. Später wollte er als Lehrer arbeiten. Kommentar Seite 31

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Einziger Programmpunkt: Sex ab zwölf
STUGTR0020060718e27i00016
Politik
Hetzel, Helmut
453 Words
18 July 2006
Stuttgarter Zeitung
5
German
(c) 2006, Stuttgarter Zeitung Ansprechpartner: 0049-711-7205-782

In den Niederlanden lässt ein Gericht gegen starke Proteste eine Pädophilen-Partei zu

Die Niederlande haben als einziges europäisches Land eine ,,Pädophilen-Partei". Die sei völlig legal, urteilte jetzt ein Haager Gericht - sehr zur Überraschung der meisten Niederländer.

Von Helmut Hetzel, Den Haag.

Das hatte keiner erwartet. Obwohl die bereits vor einigen Wochen angekündigte Gründung dieser umstrittenen Partei, die Sex und Porno mit Minderjährigen und mit Kindern propagiert, auf scharfen Protest in Politik und Gesellschaft stieß und obwohl deshalb gegen die neue Partei geklagt wurde, urteilte ein Haager Gericht gestern, dass die neue Partei legal sei. In der Urteilsbegründung heißt es wörtlich: ,,Die klageführende Organisation will mit ihrer Klage lediglich Ausdruck ihrer moralischen Besorgtheit geben. Das aber ist bei weitem nicht hinreichend, um eine politische Partei zu verbieten."

Die Gründung einer politischen Partei sei ,,ein elementares Grundrecht in einer Demokratie", so urteilte das Gericht in Den Haag. Geklagt gegen die Partei, die sich offiziell ,,Partei für Nächstenliebe, Freiheit und Vielfalt" (PNVD) nennt, hatte die Stiftung Soelaas. Soelaas ist eine gemeinnützige Organisation, die sich auf wissenschaftlicher Basis mit dem Phänomen Pädophilie beschäftigt. Soelaas forderte, dass die PNVD verboten werden müsse, weil ihre Forderungen gegen geltende Jugendschutzgesetze verstießen. Die Klage der Stiftung wurde mit oben genannter Begründung jedoch zurückgewiesen.

Nun ist es denkbar, dass die Partei PNVD an den vorgezogenen Neuwahlen in den Niederlanden am 22. November teilnimmt. Voraussetzung ist, dass sie das nötige Mitgliederquorum zusammenbekommt, um vom Wahlausschuss offiziell zugelassen zu werden. Ein Sprecher der Stiftung Soelaas erklärte gestern unmittelbar nach der Urteilsverkündung: ,,Wir legen gegen diesen Richterspruch keine Berufung ein. Denn es ist nun deutlich, dass man eine solche Partei in diesem Land tolerieren will."

Groß war der Jubel unter den pädosexuellen Gründern der PNVD. Ihr Vorsitzender Marthijn Uittenbogaard erklärte: ,,Ich muss gestehen, dass wir diesen Richterspruch erwartet haben. Denn wir begehen keine Straftaten. Es gibt also keinen Grund, die PNVD zu verbieten." Der einzige Programmpunkt der Pädophilen-Partei PNVD lautet: Sex ab zwölf. Das heißt, dass die Altersgrenze für Sex zwischen Erwachsenen und Heranwachsenden von bisher 16 Jahre auf künftig zwölf Jahre gesenkt werden soll. Auch sollen 12-jährige Jugendliche das Recht erhalten, in Pornofilmen mitspielen zu können. Kinderpornografie soll nach Ansicht der PNVD zugelassen und legalisiert werden.

Der parteilose Haager Abgeordnete Geert Wilders kritisierte den Urteilsspruch gestern scharf. Wilders forderte den Haager Justizminister Piet Hein Donner dazu auf, über eine Gesetzesänderung die Pädosex-Partei PNVD verbieten zu lassen. Auch die Universität Nimwegen hat bereits gehandelt. Sie hat ein PNVD-Mitglied, einen 24-jährigen Studenten, der sich offen zu seinen pädosexuellen Neigungen und zur PNVD bekannt hatte, von der Uni verwiesen. Der Student absolvierte eine pädagogische Ausbildung und wollte nach Studienabschluss als Lehrer arbeiten.

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Gericht lehnt Verbot der Pädophilen-Partei ab
FRARUN0020060717e27i00018
111 Words
18 July 2006
Frankfurter Rundschau
5
German
(c) Copyright Frankfurter Rundschau 2006 www.fr-aktuell.de

Niederlande

Den Haag · In den Niederlanden ist am Montag ein Antrag auf Verbot einer Pädophilenpartei gescheitert. Die "Partei für Nächstenliebe, Freiheit und Vielfalt" (PNVD) habe ein Existenzrecht wie jede andere politische Partei auch, erklärte ein Gericht in Den Haag. Die zur Antrags-Begründung angeführte moralische Sorge um den Schutz der Kinder wurde als nicht ausreichend bewertet. Die neue Partei strebt nach Angaben ihrer Gründer danach, Geschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen und Kindern ab zwölf Jahren zu erlauben und Jugendlichen ab 16 Jahren die Mitwirkung an Pornofilmen zu gestatten. Den Verbotsantrag hatten eine Stiftung zur Erforschung der Pädophilie sowie Pädophilie-Opfer gestellt. kna

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Gericht lehnt Verbot von niederländischer Pädophilen-Partei ab
FDG0000020060717e27h0006s
225 Words
17 July 2006
15:56 GMT
Reuters - Nachrichten auf Deutsch
German
(c) 2006 Reuters Limited

Amsterdam, 17. Jul (Reuters) - Ein niederländisches Gericht hat es abgelehnt, eine kürzlich gegründete Pädophilen-Partei zu verbieten. Damit wies das Gericht in Den Haag am Montag den Antrag einer Kinderschutzgruppe zurück, welche die Rechte Minderjähriger sowie gesellschaftliche Werte und Normen durch die Partei und deren Programm gefährdet sieht. Die Parteigründer wollen Sex schon mit Zwölfjährigen ebenso wie Kinderpornografie legalisieren. In der Öffentlichkeit sind sie damit auf breite Ablehnung gestoßen.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass Meinungs-, Versammlungs- und Vereinsfreiheit die Grundlagen des demokratischen Rechtsstaats seien und deshalb auch der Partei für Wohltätigkeit, Freiheit und Vielfalt (PNVD), wie sich die Pädophilen-Partei nennt, zustünden. Diese Grundfreiheiten könnten nur bei einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung eingeschränkt werden. Über die Argumente politischer Parteien zu befinden, sei die Aufgabe der Wähler.

Die Kinderrechtsgruppe "No Kidding" rief die Regierung auf, gegen die PNVD vorzugehen. Die Meinungsfreiheit sei nicht grenzenlos. Die Bürger müssten ihrer Stimme Gehör verschaffen, erklärte die Gruppe und kündigte eine Petition an das Parlament an. Der PNVD-Vorsitzende Marthijn Uittenbogaard sagte dagegen laut der Nachrichtenagentur ANP: "Wir tun nichts Kriminelles, warum sollte man die PNVD also verbieten?" Einer Umfrage zufolge befürworten 82 Prozent der Niederländer ein Einschreiten der Regierung gegen die im Mai gegründete Partei.

dry/kes

NIEDERLANDE/PARTEI/PAEDOPHILIE|LANGDE|GEA|GERT|OE|SWI|DNP
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Und ewig lockt der Ministrant
WELTW00020060712e27d0000s
Essay
Mathias Binswanger
1518 Words
13 July 2006
Die Weltwoche
048
28
German
© 2006 DIE WELTWOCHE. All rights reserved. For further information see http://www.weltwoche.ch

Dass Priester sich um den Nachwuchs kümmern müssen, ist so sicher wie nur irgendwas, aber: Solange die Kirche am Zölibat festhält, wird aus Nächstenliebe immer wieder Pädophilie.

Als typische Schwulenberufe gelten Flight-Attendant, Balletttänzer, Coiffeur, Modedesigner und – katholischer Priester. Gemäss Schätzungen sind heute rund 20 Prozent aller Priester schwul. Eine Prozentzahl, die sowohl die Kirche selbst als auch die Bevölkerung immer wieder in Erstaunen versetzt. Man kann sich ja als Heterosexueller noch zusammenreimen, warum Berufe wie Modedesigner oder Balletttänzer unter Schwulen so gefragt sind. Aber was reizt Schwule am katholischen Priestertum, obwohl die katholische Kirche ja im Allgemeinen alles andere als schwulenfreundlich ist?

Diese Frage würde die Öffentlichkeit kaum so stark interessieren, wenn nicht ein Teil der schwulen Priester auch noch dazu tendieren würde, sich mit Kindern oder Jugendlichen einzulassen. So geht man nicht nur davon aus, dass jeder fünfte Priester schwul ist, sondern jeder fünfzigste ist gemäss Schätzungen obendrein noch pädophil. Die genausten Zahlen dazu stammen aus den USA. Gemäss einem Bericht der Amerikanischen Bischofskonferenz aus dem Jahr 2004 beschuldigten Kinder zwischen 1950 und 2002 insgesamt 4450 katholische Priester (das entspricht 4 Prozent aller in dieser Zeit tätigen Priester) des sexuellen Missbrauchs. Eine Zahl, die man sicher nicht vernachlässigen kann. Und wieder wundern sich Gläubige und Nicht-Gläubige: Wieso gerade Priester?

Die Erklärung ist letztlich ganz einfach und lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Zölibat. Das seit dem Jahr 1139 geltende Eheverbot für Priester setzt einen klaren Anreiz für Schwule, aber auch für Pädophile, den Beruf des Priesters zu ergreifen. Man muss sich ja nur mal überlegen, für wen denn Ehelosigkeit überhaupt ein Problem ist. Und da wird man schnell zur Einsicht gelangen, dass dies die heterosexuellen Normalbürger betrifft. Der Verzicht auf die Ehe und das damit verbundene Gebot der sexuellen Enthaltsamkeit sind für einen Heterosexuellen kein Pappenstiel.

Für Schwule andererseits war die Ehelosigkeit nie ein Problem. Im Gegenteil: Die von der Theologin Uta Ranke-Heinemann als Homo-Gesellschaft titulierte Berufsgemeinde von Priestern und anderen geistlichen Würdenträgern bildet für viele Schwule eine zusätzliche Attraktion des Priesterberufs. Mann ist dort unter seinesgleichen und trifft potenziell interessante Partner, besonders in den Priesterseminaren. Zwar würde das Keuschheitsgelübde eigentlich für Sex mit Partnern jeden Geschlechts gelten, doch offiziell gab es ja bis vor kurzem gar keine schwulen Priester; demzufolge hatten diese per Definition auch kein Keuschheitsproblem.

Und für Pädophile ist der Eheverzicht meist auch kein Problem. Diese wollen ja Sex mit Kindern, wofür die Ehe nicht die geeignete Institution ist. Der Priesterberuf bietet dem Pädophilen hingegen eine Palette an Möglichkeiten, mit Kindern zwanglos Kontakt aufzunehmen. Da wären etwa der Religionsunterricht zu nennen, die Durchführung von Lagern, seelsorgerische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie besonders die Betreuung von Ministranten, wo in der Vergangenheit die meisten sexuellen Übergriffe stattfanden. Und das Allerbeste kommt erst: Drohten solche Vorkommnisse an die Öffentlichkeit zu gelangen, dann konnte ein Pädophiler auf die Unterstützung der Kirche bei der Vertuschung seiner Verfehlungen zählen. Die katholische Kirche war so bis vor kurzem nicht nur ein Schwulen-, sondern auch ein Pädophilenparadies.

Man sollte sich also nicht wundern, dass sich unter Priestern relativ viele Schwule und Pädophile befinden. Die katholische Kirche hat mit dem Zölibat alles getan, um Heterosexuelle abzuschrecken. Der hohe Prozentsatz an schwulen und pädophilen Priestern ist nur ein Beweis dafür, dass Menschen auf Anreize entsprechend reagieren. Auf Deutsch übersetzt, lautet die mit dem Zölibat ausgesendete Botschaft nämlich: «Schwule und Pädophile, kommt zu uns, hier könnt ihr euren Neigungen ungestört nachgehen. Und ihr Heterosexuellen, lasst es besser sein mit dem Priesterberuf, denn ihr werdet mit der Ehelosigkeit nur Probleme haben.»

Im Schoss der Kirche

Inzwischen ist auch dem Vatikan klar geworden, dass Handlungsbedarf besteht. Allerdings will er nicht die Ursache, sondern nur die Symptome bekämpfen. Statt die mit dem Zölibat gesetzte perverse Anreizstruktur zu beseitigen, möchte die Kirche jetzt Schwule vom Priesterberuf ausschliessen. Das im November 2005 veröffentlichte Dokument des Vatikans, «Priestertum und Homosexualität», ist de facto ein Schwulen-Verbot, was weder intelligent noch wirksam ist. Das Verbot ist etwa so absurd, wie wenn man junge Menschen grosszügig mit Stipendien unterstützt, damit sie an Universitäten studieren können, und gleichzeitig ein Berufsverbot für Studierte verhängt.

Das Schwulen-Verbot wird in der Realität indes dadurch abgemildert, dass es gar nicht umsetzbar ist. Wie, bitte schön, will die Kirche feststellen, ob ein Priester schwul ist oder nicht? Die Wissenschaft hat bis heute keine überzeugenden Testverfahren zur Klärung dieser Frage geliefert. Hätte es ein solches gegeben, hätten sich die chinesischen Kaiser früher die ganzen operativen Eingriffe zur Bereitstellung von Eunuchen sparen können, indem sie einfach Schwule zur Betreuung ihres Frauenpools angestellt hätten. Aber die chinesischen Kaiser waren klüger als die katholische Kirche heute und gingen auf Nummer Sicher; nur Eunuchen-Priester können die Einhaltung des Zölibats garantieren.

Das Zölibat ist ein besonders krasser Fall von Missachtung der mit einer Bestimmung (meistens Gebote oder Verbote) gesetzten Anreizstruktur. Eine solche Bestimmung würde nur in einer Welt Sinn machen, in der es weder Homosexualität noch Pädophilie gibt und wo die Unterdrückung der Sexualität wie das Ausknipsen eines Lichtschalters funktioniert. Von einer solchen Welt sind wir aber meilenweit entfernt, und in der Realität setzt das Zölibat somit eine völlig falsche Anreizstruktur. Nur eine Ursachenbekämpfung in Form von dessen Beseitigung kann dieses Problem wirklich lösen. Aber die katholische Kirche hat Mühe, sich von ihrem liebgewonnenen Kind zu trennen, und nimmt dafür lieber etwas Pädophilie in Kauf.

Das Zölibat ist symptomatisch für eine Menge weiterer Bestimmungen, die ebenfalls perverse Anreizstrukturen setzen. Ein offensichtlicher Fall war die Prohibition in den USA der zwanziger und dreissiger Jahre. Die Absicht eines solchen Verbots des Alkoholkonsums war es, der Trunksucht vieler Bürger ein Ende zu bereiten. Doch in liberalen Staaten erweist sich ein solches Verbot als untauglich, wie die Zeit der Prohibition deutlich bewies. Nie starben mehr Menschen an Alkoholvergiftungen, weil der in dieser Periode konsumierte, illegal gebrannte Schnaps der Gesundheit äusserst abträglich war.

Die Todesfälle waren eine Folge der Missachtung der durch das Alkoholverbot unbewusst gesetzten Anreize. Das Verbot nämlich machte die Herstellung und den Verkauf von alkoholischen Getränken erst so richtig profitabel, und die Mafia liess sich diese einmalige Chance nicht entgehen. Die Prohibition entwickelte sich zu einer Wirtschaftsförderung von kriminellen Organisationen, die mit illegal gebranntem Schnaps ein Vermögen verdienten. Zwar versuchte der Staat immer wieder, mit rigorosen Massnahmen gegen die Schnapsbrennereien vorzugehen, aber das war reine Symptombekämpfung, genauso wie das jetzt ausgesprochene Schwulen-Verbot für das Priesteramt. Erst das Aufheben der Prohibition brachte den Anreiz zur illegalen Schnapsbrennerei wieder zum Verschwinden.

Auch das geltende Schweizer Asylgesetz enthält Anreize, deren negative Folgen wir seit einigen Jahren deutlich zu spüren kriegen. Darin gibt es ein Arbeitsverbot für Asylbewerber mit der Absicht, die Schweiz als Asylland möglichst unattraktiv zu machen. Dieser Anreiz funktioniert durchaus, aber nur für bestimmte Asylbewerber; das Arbeitsverbot schreckt nämlich vor allem jene ab, die die Absicht haben, ihr Geld in der Schweiz mit legaler Arbeit zu verdienen. Asylbewerber, die diesen Status benutzen möchten, um hier kriminellen Aktivitäten nachzugehen, lassen sich nicht abschrecken. Da ist es kein Wunder, dass der Prozentsatz an kriminellen und arbeitsscheuen Asylbewerbern ständig zunimmt. Das Arbeitsverbot beschert uns somit genau die Probleme, die es verhindern sollte.

Haften oder durchdrehen

Doch es sind nicht nur Verbote, bei denen die damit gesetzten Anreizstrukturen vernachlässigt werden. Ein anderes Beispiel ist die Produkthaftung, wie sie vor allem in den USA konsequent angewendet wird. Dass ein Hersteller für fehlerhafte Produkte bzw. damit verbundene Gefahren haftet, ist zunächst mal sinnvoll, da solch eine Haftung die Firmen zu einer gewissen Sorgfalt in der Produktion zwingt. Doch gleichzeitig wird damit ein Anreiz gesetzt, die Haftung für alle Unfälle und sonstigen Schäden auf den Hersteller abzuwälzen.

So hat ein Autofahrer in den USA eine Millionenklage gegen McDonald’s gewonnen, weil er sich den Pappbecher Kaffee beim Autofahren zwischen die Beine geklemmt und sich beim Bremsen Verbrennungen geholt hatte. Grund: McDonald’s hatte nicht darauf hingewiesen, dass so etwas passieren könnte. Unter solch absurden Fällen leidet letztlich die Allgemeinheit, indem sich die Produkte verteuern, weil sie mit kiloschweren Gebrauchsanweisungen verkauft werden. Diese weisen nämlich auf alle nur erdenklichen Gefahren des Produktes hin, um eine mögliche Haftung auszuschliessen. Profiteure sind einzig die Anwälte, für welche die Produkthaftung eine willkommene Wirtschaftsförderung ist.

Diese Ausführungen sind nicht als generelles Plädoyer gegen Verbote zu verstehen. Allein das Beispiel des Tötungsverbots zeigt, wie wichtig sie sein können. Der Artikel ist vielmehr ein Plädoyer dafür, den mit Geboten und Verboten tatsächlich gesetzten Anreizstrukturen Beachtung zu schenken. Für sie gilt, was der amerikanische Dichter Robert Frost einst so formuliert hat: Before I built a wall, I’d ask to know what I was walling in or walling out (Bevor ich eine Mauer baue, würde ich lieber fragen, was ich ein- und was ich ausmauere).

Nicht alle Menschen sind gleich, und bei jedem Gebot oder Verbot sollte man sich zuerst überlegen, wen es anzieht und wen es abstösst. Das Zölibat müsste dann wie zahlreiche weitere Bestimmungen aufgehoben werden, weil die damit unbewusst gesetzten Anreize mehr schaden als nützen.

Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaft an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten.

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? KRITIK Kampf um die Kindheit
EPDMDN0020060717e27c0001j
870 Words
12 July 2006
epd medien
German
(c) 2006 by Evangelischer Pressedienst, Frankfurt/Main Emil-von-Behring-Strasse 3, D-60439 Frankfurt/Main

ARTE-Themenabend "Kindesmissbrauch": "Der unsichtbare Feind - Kindesmissbrauch im Internet", Reportage von Anja Klabunde, Kamera: Uli Fischer/Philippe Marchais, Produktion: taglicht media; "Spuren der Angst - Ermittlungen zum Missbrauch von Kindern", Reportage von Uli Veith, Kamera: Jörg Adams, Produktion: taglicht media (ARTE/WDR, 4.7.06, 20.40-22.45 Uhr)

Ein eigenes Pferd ist der Traum vieler junger Mädchen. Auch die 13-jährige Stephanie wünschte sich nichts sehnlicher als das. In einem Internet-Chat lernte sie einen Mann kennen, der ihr zuerst die große Liebe versprach, dann Geld für Sex bot - worin sie einwilligte - und später Aktfotos von ihr im Netz vertreiben wollte. Dafür hätte er dem Mädchen noch einmal 6000 Francs gezahlt. Doch so weit kam es nicht mehr: Als das Angebot per SMS eintrudelte, hatte Stephanies Mutter ihre Tochter bereits in die Hände eines Psychologen gegeben.

Eines von drei Kindern wird im Netz sexuell angesprochen, wissen die Verantwortlichen der Organisation "Innocence en danger" (dt. "Unschuld in Gefahr"), die gegen die Online-Pädophilie kämpft. Ihr ehrenamtlicher Informatiker David Chocron stellt zudem fest: "Einmal im Netz entziehen sich die pädophilen Bilder der Kontrolle." Ein Kommissar von einer Sondereinheit für Pädokriminalität im Internet pflichtet bei: "Am frustrierendsten ist zu sehen, welche Menge an Fotos im Internet zirkuliert. Das hört nicht auf, sondern nimmt vielmehr einen immer größeren Umfang an."

Den "Kindesmissbrauch im Internet" behandelte die erste Reportage des ARTE-Themenabends "Kindesmissbrauch", die diesen Begriff durchaus weit fasste. Vielleicht zu weit: Dafür, dass die Autorin Anja Klabunde auch die Selbstmorde mehrerer Gothic-Foren-Fans mit den pädophilen Annäherungsversuchen und Bildportalen erwähnte, erntete sie Kritik im Onlineforum, das der Sender ARTE extra zum Thema eingerichtet hatte. Doch ganz so falsch liegt Klabunde nicht: Auch die Verbreitung gefährlicher Ideologien kann durchaus ein Missbrauch von Schutzbedürftigen sein. Allein, dann hätte auch von einigen anderen, ähnlichen Phänomenen die Rede sein müssen.

Immerhin war keine Dämonisierung des World Wide Web zu erkennen: "Das Internet ist nicht an allem schuld", urteilte der befragte Psychologe und mahnte die Sorgfaltspflicht der Eltern an. Auch Voyeurismus kann man dem Film nicht vorwerfen: Von der Obszönität der zahlreichen anderen, sich aufklärend schimpfenden Sendungen, die sich dieses Themas bereits annahmen, weil sie Quote witterten, ist Klabundes Reportage weit entfernt. Die Bilder sind ruhig und besonnen, die Autorin nimmt sich Zeit, oft erklingt nur eine weniger dramatisierende als vielmehr pointierte Musik im Hintergrund. Manchmal zeigt die Kamera nur den Himmel und ein paar Baumspitzen; oder den Sonnenuntergang, den Hochspannungsleitungen queren. Zeit zum Nachdenken über das eben Vernommene.

Zu zeigen, was zu zeigen eigentlich verboten ist, bleibt weiterhin die Schwierigkeit solcher Dokumentationen. Klabunde hat das gut gelöst, die Gewalt erscheint nur selten ästhetisiert, jeder Pädophile, der in falscher Hoffnung an diesem Abend ARTE einschaltete, konnte enttäuscht werden: Wenn der Computerspezialist Chocron mit Googles Hilfe einschlägige Seiten klickt, ist seine Eingabe in das Suchfeld geweißt, die betreffenden Bilder und Seiten sind nur verschwommen zu betrachten. Mehr will man auch gar nicht sehen: Die viele nackte Haut und die Minderjährigkeit der Fotografierten ist dennoch gut zu erkennen und abstoßend genug.

Ein "sacre paquet", ein verdammter Haufen, solcher Bilder finde sich im Netz, seufzt Chocron. Und demonstriert, wie legal das ist: Fotografien einer Neunjährigen in Bikini und sexy Posen werden als "Portfolio" eines Kindermodells deklariert - der Jurist bleibt machtlos, der Pädophile hat seine Freude daran.

Die zweite Dokumentation des Abends fasste sich enger, begleitete ausschließlich die Arbeit der Angestellten des KID, einer Einrichtung für verhaltensauffällige Kinder in Düsseldorf, mit denen sonst niemand mehr klar kommen kann und will. Uli Veith konzentrierte den Blick auf drei sexuell missbrauchte Kinder. Wie schon im vorherigen Film fängt auch hier eine aufmerksame, aber unaufdringliche Kamera kommentarlos die Gesten, Worte und Widerstände der Alleingelassenen und Unverstandenen ein.

Veith beobachtet lieber anstatt umgehend zu erklären. Das gibt den Kindern Raum, überlässt dem Zuschauer die Einschätzung und ist zudem ganz im Sinne des KID. "Wir versuchen die Kinder erstmal wirklich zu verstehen", erklärt die Psychologin Julia von Weiler. Und später: "Man muss offen sein, darf sich nicht zu früh Meinungen bilden." An diese Devise hält sich glücklicherweise auch der Film.

So nahmen beide Reportagen Anteil an den Schicksalen, ohne in sensationsheischendes Mitleid zu verfallen - wozu auch die recht abgeklärten Mütter beitrugen, die immer wieder zu Wort kamen, um nüchtern und ehrlich von ihrem falschen Vertrauen in sich selbst, ihre Kinder oder Freunde und Verwandte zu erzählen - ein Dilemma, auf das es keine einfachen Antworten gibt, wie beide Reportagen deutlich machen: Kontrolle ist zwar nicht unbedingt besser, aber oft schlicht notwendig.

Es geht also um Aufklärung über erste Anzeichen für Missbrauch und die Gefahren für Kinder, die im Netz und anderswo lauern. Nicht mehr und nicht weniger: Lösungen präsentiert hier niemand. Gute Gesprächspartner, die alle einen reichen Schatz an - persönlicher oder beruflicher - Erfahrung vermitteln können, haben beide Autoren gefunden.

Selbst die Demonstration eines Chatverlaufs mithilfe zweier 18-jähriger Mädchen, die der erste Film unternimmt, dient der Information: Die wenigsten Erwachsenen ahnen wohl, wie schnell da viele zur Sache kommen ("Beschreib mir dein Unterhöschen", "Ist deine Mutter da?", "Gibst du mir deine Telefonnummer?"). Die Dokumentarfilmer wussten das Bewusstsein zu schärfen für die Probleme und die Hindernisse im Kampf um die Kindheit. Und das vor allem ohne den Missbrauch medial zu wiederholen. Katrin Schuster

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Die grosse Wut des Volkes
SCHWBE0020060706e2770000c
Brennpunkt
Daniel Benz und Gian Signorell
1885 Words
07 July 2006
Der Schweizerische Beobachter
016
14
German
© 2006 Der Schweizerische Beobachter. All rights reserved. For further information see http://www.beobachter.ch

Kinderschänder kann man nicht hart genug bestrafen – so die vorherrschende Meinung in der Bevölkerung. Eine Initiative will nun das Gesetz verschärfen. Doch sie geht selbst Opferhilfeorganisationen zu weit.

Norbert Sommer (Name geändert) war ausser sich: «Ich wollte ihn totschlagen.» Der 42-jährige Solothurner spricht von einem früheren Arbeitskollegen. Dabei kannten sich die beiden gut – der Kollege war zugleich Götti von Sommers Sohn. Dass er auch der Schänder seiner Tochter Sabine war, hatte ihm diese im April des vergangenen Jahres erzählt. «Ich wollte in meiner Wut sofort zu ihm hinfahren. Meine Frau überzeugte mich aber, dass ich besser bei der Polizei Anzeige erstatten sollte», sagt Sommer.

Nach der Anzeige nahm der staatliche Strafverfolgungsapparat seine Arbeit auf – Einvernahmen und Videobefragungen, Anwaltstermine folgten. Am Ende der Strafuntersuchung dann der Schock: Das Verfahren wurde eingestellt. Die sexuellen Handlungen mit dem Kind hätten, so formulierte es die Solothurner Staatsanwaltschaft im Februar lapidar, «nicht rechtsgenügend erhärtet werden können». Jetzt begegnet die elfjährige Sabine jenem Mann, der sie nach ihren Angaben geküsst, im Schambereich angefasst und ihr sein nacktes Glied gezeigt hat, regelmässig in den Strassen ihres gemeinsamen Wohnorts. «Sie kann nicht begreifen, wie so etwas möglich ist», erzählt ihr Vater.

Dass Verfahren im Zusammenhang mit Kindsmissbrauch für die Beschuldigten keine oder nur geringfügige strafrechtliche Konsequenzen haben, sorgt in der Bevölkerung immer wieder für Empörung. Zuletzt etwa im Kanton Thurgau. Dort verurteilte das Bezirksgericht Arbon einen ehemaligen Sekundarlehrer zu 16 Monaten Zuchthaus bedingt. Der Pädagoge hatte drei seiner Schüler wiederholt sexuell missbraucht. Auch das Bezirksgericht Zürich beliess es beim Urteil gegen den ehemaligen Datenschutzbeauftragten der Stadt Zürich bei einer bedingten Strafe. Zwölf Monate lautete das Verdikt gegen den Mann, der mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern zugegeben hatte.

Am liebsten die Todesstrafe

Repräsentativ sind solch milde Urteile für Pädokriminelle nicht – so zumindest lautet die Auskunft aus Justizkreisen. «Die Urteile sind seit den spektakulären Fällen Ende der neunziger Jahre» – etwa jenem von Babyquäler René Osterwalder – «klar härter geworden», heisst es bei der Zürcher Staatsanwaltschaft. Wird aber ein Ausreisser nach unten bekannt, macht sich in den Leserbriefspalten Unmut breit. «Ich habe eine riesengrosse Wut im Bauch! Wie lange noch werden kleine Kinder und Frauen sexuell misshandelt, vergewaltigt und geschlagen?», kommentierte eine Leserbriefschreiberin das Urteil des Bezirksgerichts Horgen ZH. Die dortigen Richter hatten das Verschulden eines Primarlehrers zwar für schwer befunden – er hatte zwölf Schülerinnen im Alter von neun bis dreizehn Jahren missbraucht –, die unbedingte Gefängnisstrafe von zwei Jahren aber zugunsten einer Therapie aufgehoben.

Kindsmissbrauch bewegt die Bevölkerung wie kaum ein anderes Verbrechen. Auf dem Internetportal yousay.ch etwa äussert sich der ungeschminkte Volkszorn. Die Kastrierung von Tätern wird gefordert, die Einführung der Todesstrafe – wobei die Hinrichtungen nach den Vorstellungen von Benutzer «TX 1000» öffentlich sein sollten. «Papa Hegel» wiederum möchte Kinderschänder mittels Tätowierung auf der Stirn brandmarken.

«Pädophilie entspricht nicht der gesellschaftlichen Norm. Der primäre Wunsch, Sex mit Kindern zu haben, ist immer abgelehnt worden», sagt Frank Urbaniok, Chefarzt des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes beim Justizvollzug des Kantons Zürich. Unschuld und Wehrlosigkeit der Kinder wecken Beschützerinstinkte. Umso grösser ist die Welle der Empörung, wenn diesen Instinkten zuwidergehandelt wird. Zusätzlich angeheizt wird die Stimmung durch die Verbreitung von Zahlen zum Ausmass, denen mitunter Plausibilität oder Seriosität fehlt (siehe «Eine Frage der Definition», Seite 20).

«Möchte es gern mit dir treiben»

Es ist eine Ironie der modernen Technik, dass ausgerechnet das Internet, in dem Wutentbrannte gegen Kindsmissbrauch mobil machen, zum bevorzugten Tummelplatz von Pädophilen geworden ist. Danièle Bersier, Sprecherin des Bundesamts für Polizei, spricht von einer «Besorgnis erregenden Tendenz». Immer mehr pädophil veranlagte Menschen würden versuchen, via Internet-Chats Kinder zu treffen. «Das Angebot an kinderpornografischen Inhalten im Internet ist hoch und leicht verfügbar. Das ist gefährlich, denn Personen können dadurch auf den Geschmack kommen und an eine Tathandlung herangeführt werden», sagt Frank Urbaniok. Unverblümt kommen die Täter in den Chats zur Sache: «Möchte es gern mit dir treiben», schrieb etwa der Pädokriminelle «Eduard» an «Marco», der sein Alter mit 14 angegeben hatte. Doch «Marco» war ein verdeckter Ermittler, und «Eduard» wurde wegen versuchter sexueller Handlungen mit Kindern zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt – bedingt.

Den bedingten Vollzug gesteht das schweizerische Strafrecht Ersttätern mit einer Strafe unter 18 Monaten zu, sofern ihnen eine gute Prognose gestellt wird. Dies mag ein Grund sein für die in der Bevölkerung vorherrschende Meinung, dass die Täter zu milde bestraft werden. Kommt hinzu: Viele der Taten sind zum Zeitpunkt ihrer Beurteilung bereits verjährt. Bei sexuellen Gewalttaten an Kindern unter zehn Jahren kann der Täter nach heutiger Gesetzgebung ab dem vollendeten 25. Altersjahr des Opfers strafrechtlich nicht mehr belangt werden. Missbrauch an älteren Kindern verjährt generell nach 15 Jahren.

«Diese Regelung schützt die Täter und nimmt auf die Situation der Opfer keine Rücksicht», ärgert sich Ruth Ziltener, Vizepräsidentin der Kinderschutzorganisation Marche Blanche. Sexueller Missbrauch finde meist innerhalb der Familie oder im Beziehungsumfeld statt, so Ziltener. Die Betroffenen würden das Geschehene deshalb oft während Jahren, mitunter gar Jahrzehnten mit sich tragen, ehe sie sich überhaupt jemandem anvertrauen könnten (siehe «‹Ich konnte mit niemandem reden›», Seite 22). Der Schritt, den Peiniger anzuzeigen, brauche dann nochmals seine Zeit – doch diese sei nicht vorhanden. «Wegen der kurzen Verjährungsfrist kommen viele Täter ungeschoren davon», kritisiert Ziltener. «Das ist ein Hohn für die Opfer, die ein Leben lang leiden.»

Dem will Marche Blanche mit einer radikalen Forderung den Riegel schieben: Pädokriminelle Straftaten sollen in der Schweiz künftig unverjährbar sein, so verlangt es eine im März eingereichte Initiative. Das trifft den Puls des Volkes. Obwohl die 2001 in Genf von besorgten Eltern gegründete Bürgerbewegung bislang praktisch nur in der Romandie bekannt ist, kamen für das Begehren problemlos 116000 Unterschriften zusammen. «So einfach haben sich die Leute noch nie von einem politischen Vorstoss überzeugen lassen», sagt Vizepräsidentin Ziltener, die als CVP-Lokalpolitikerin im Kanton St. Gallen häufig Unterschriften sammelt.

Zur Abstimmung gelangt die eidgenössische Volksinitiative «für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern» frühestens in zwei, eher erst in vier Jahren. Doch schon heute ist absehbar, dass sie eine emotionale Diskussion auslösen wird, in der das Vergeltungsbedürfnis im Vordergrund steht. Ruth Ziltener betont deshalb: «Die Bestrafung der Täter ist nicht unser Hauptanliegen.» Vielmehr gehe es den Initianten darum, dass sich die Opfer zu Wort melden und Anzeige erstatten könnten, wenn sie dazu bereit seien – ohne Zeitdruck durch das Gesetz. «Das ist eine Frage der Gerechtigkeit», sagt die vierfache Mutter.

Genug vom «Kuschelkurs»

Bei Marche Blanche, gebildet aus lauter Freiwilligen, stellt man sich auf einen einsamen Kampf ein. Ausser Sympathiebekundungen durch einzelne Exponenten steht die offizielle Politik weitgehend abseits. «Dafür haben wir das Volk im Rücken», gibt sich Ruth Ziltener gelassen. Sie beruft sich dabei auf die im Februar 2004 an der Urne gutgeheissene Verwahrungsinitiative, die die lebenslange Wegsperrung von besonders gefährlichen Straftätern anstrebt. Die Parallelen sind in der Tat frappant: Die Verwahrungsinitiative wurde ebenfalls von privaten Initiantinnen – gemieden von Parteien, belächelt von Fachleuten – im Alleingang zum Erfolg geführt, genährt von der Stimmung in der Bevölkerung, die den vermeintlichen Kuschelkurs satt hat. Und auch jetzt wird die Lösung des Problems in einer Verschärfung des Strafrechts gesehen. Wie sehr das aktuelle Unverjährbarkeitsbegehren von diesem Geist geprägt ist, zeigt eine «mathematische Logik» im Argumentarium von Marche Blanche: Je mehr Täter bis an ihr Lebensende verfolgt werden könnten, so die Gründerin Christine Bussat, umso weniger Opfer gebe es.

Derart einfache Rezepte rufen Kritiker auf den Plan. Juristen anerkennen zwar den Wunsch nach einem besseren Schutz der Kinder, doch erachten sie die Initiative als untaugliches Mittel dafür. Bereits schon die Formulierung des Volksbegehrens wird bemängelt: «Die Verfolgung sexueller oder pornografischer Straftaten an Kindern vor der Pubertät und die Strafe für solche Taten sind unverjährbar.» «Pubertät» jedoch, moniert unter anderem der Zürcher Strafrechtsprofessor Christian Schwarzenegger, sei juristisch kein trennscharfer Begriff. Zudem würden zwei Straftatbestände in unzulässiger Weise vermischt: sexuelle Handlungen mit Kindern und Kinderpornografie. «Die Bestimmungen im Strafgesetzbuch zur Pornografie sollen die Gesellschaft schützen, jene zu sexuellen Handlungen mit Kindern aber die Kinder selbst», so Schwarzenegger.

Die Annahme der Initiative hätte für das schweizerische Strafrecht weitreichende Folgen – viel weitreichendere, als die Verwahrungsinitiative haben wird. «Erhält das Volksbegehren an der Urne eine Mehrheit, gerät die Verjährung generell für alle Straftaten unter Druck», sagt der Lausanner Kriminologe Martin Killias. Sein Argument: Schwerstverbrechen wie Mord würden verjähren, sexuelle Handlungen mit Kindern aber nicht. Das wäre laut Killias höchst stossend. «In einem solchen Strafgesetzbuch würden die Proportionen überhaupt nicht mehr stimmen», findet auch Christian Schwarzenegger. Ausserdem schwinden die Aufklärungschancen, je weiter ein Verbrechen zurückliegt. Schwieriger wird gleichzeitig aber auch der Nachweis von entlastenden Tatsachen. «Die Aufhebung der Verjährung wird eine Welle von Fehlurteilen auslösen», prophezeit Killias.

Täter werden meist nicht angezeigt

Vom Beweisnotstand bei weit zurückliegenden Straftaten tangiert ist allerdings nicht nur die Rechtsprechung. Andrea Burgener Woeffray, Präsidentin von Kinderschutz Schweiz, verweist auf mögliche Auswirkungen für die Opfer der sexuellen Ausbeutung. «Wenn ein Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt werden muss, erlebt das Opfer erneut das Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber dem Täter – es steht ein zweites Mal als Opfer da», sagt sie. Aus Gründen der Verhältnismässigkeit geht dem Kinderschutz der Wegfall der Verjährungsfrist zu weit – eine Verlängerung der Fristen «muss aber diskutiert werden». Andrea Burgener Woeffray regt die Einsetzung einer Expertengruppe an, die neben den rechtlichen Aspekten auch Fragen der Begleitung und der Therapie im Einzelfall einschliesst. Denn: «Die Verarbeitung von sexueller Ausbeutung ist wohl das Individuellste, das es gibt.»

Das weiss niemand besser als die Verantwortlichen der Opferhilfestellen. Sogar dort wird die Marche-Blanche-Initiative, obwohl «im Namen der Opfer» propagiert, kontrovers aufgenommen. Die Frage stellt sich: Inwieweit ist es überhaupt im Sinn von Betroffenen, dass ihre Missbrauchsgeschichte auch noch juristisch aufgearbeitet wird? «Entscheidend ist der Antrieb, der dahinter steht», sagt Regula Schwager, Psychologin bei der Zürcher Beratungsstelle Castagna. Reine Rachemotive würden kaum die erhoffte Genugtuung bringen. Wenn der Gang ins Strafverfahren Gewaltopfern hingegen helfe, aus ihrem Gefühl der Machtlosigkeit auszubrechen, sei die Anzeigeerstattung ein wichtiges Mittel. Für unabdingbar hält Schwager eine «deutliche Verlängerung» der Verjährungsfrist, die überdies erst ab der Volljährigkeit der Opfer beginnen dürfe. «Das wäre ein Schritt von der Täter- zur Opferorientierung. Da herrscht bei uns ein enormer Handlungsbedarf.»

Die Erfahrung der Beratungsstellen zeigt, dass innerhalb der gesetzten Fristen nur eine Minderheit von Personen, die in ihrer Kindheit ausgebeutet wurden, gegen ihren damaligen Peiniger eine Strafverfolgung auslöst: Angst, Abhängigkeiten und unvollendete Verarbeitungsprozesse fallen oft zu stark ins Gewicht. «In den mir bekannten Fällen erstattet vielleicht jedes zehnte Opfer Anzeige», schätzt Verena Müller vom Selbsthilfeverein gegen sexuellen Missbrauch (GSM). Dem Verein ist es ein Anliegen, aus der Sicht von Betroffenen die versteckten Folgen von pädosexueller Gewalt zu thematisieren.

Dass den Tätern weniger Schlupflöcher geboten werden, um ihrer «gerechten Strafe» zu entgehen, ist für Verena Müller ein vordringliches Ziel. Und Teil des Heilungsprozesses für die Opfer, wie in einem Lied zum Ausdruck kommt, das ein Vereinsmitglied aus eigener Betroffenheit komponiert hat: «Vergangnes ist gut verdaut / aus meiner Mitte bricht Licht / Liebe dringt unter meine Haut / Täter vor nem Gericht.»

Weitere Infos im Internet

– Kinderschutz Schweiz, unter anderem mit Informationen zur Prävention: http://www.kinderschutz.ch

– Infos zur Opferhilfe und Adressen von Beratungsstellen:

http://www.opferhilfe-schweiz.ch

– Zürcher Beratungsstelle für sexuell ausgebeutete Kinder und weibliche Jugendliche: http://www.castagna-zh.ch

– Berner Anlaufstelle für Fragen zu Gewalt gegen Frauen und Kinder: http://www.stiftung-gegen-gewalt.ch

– Interaktive Website für Fragen zu sexueller Gewalt: http://www.lilli.ch

– Selbsthilfeverein von betroffenen Frauen, mit Online-Diskussionsforum: http://www.sexuellermissbrauch.ch

BEO_14_016.pdf
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Der Zweifelsfall
WELTW00020060705e2760000q
Umschau
Peter Holenstein
3326 Words
06 July 2006
Die Weltwoche
038
27
German
© 2006 DIE WELTWOCHE. All rights reserved. For further information see http://www.weltwoche.ch

Er war eine Gefahr für Kinder – ist er es noch? Seit 14 Jahren sitzt Peter Kunz, heute 70, für Sexualdelikte, die nach wenigen Monaten gebüsst gewesen wären. Doch Psychiater sind sich uneins, ob er therapierbar ist. Und deshalb bleibt er in Verwahrung. Ist das Recht?

«Ich bin hier schon vielen traurigen Schicksalen begegnet», schrieb ein Insasse aus dem Zuchthaus Lenzburg der Weltwoche, «aber der Fall meines Mithäftlings Peter Kunz ist eine menschliche Tragödie. Es vergeht kein Tag, ohne dass er gedemütigt oder schikaniert wird. Er ist zu alt und körperlich zu schwach sowie vom Charakter her leider auch zu gutmütig, um sich wehren zu können. Die Aufseher sehen und hören oft weg, wenn ihm etwas passiert oder gesagt wird: ‹Bisch noni verreckt, Chindlificker?› oder ‹Ich schlo di z Tod, du Sauhund!›. Als ‹Kinderschänder› ist er auf der untersten Stufe der Hierarchie, menschlicher Abschaum, mit dem man machen kann, was man will. Von Mitinsassen wird er deshalb oft geschlagen. Damit er dabei weniger Schmerzen spürt, trägt er immer drei Pullover, sogar im Sommer. Ich glaube nicht, dass Peter Kunz unter diesen Umständen resozialisiert oder therapiert werden kann. Das Gegenteil ist der Fall: Der ‹soziale Filter› wird für ihn im Zuchthaus mit jedem Jahr grösser, bis hin zur vollständigen zwischenmenschlichen Isolation. Ich fürchte, er wird total vereinsamen oder eines Tages totgeschlagen.»

Auf Anfrage des Autors erklärte sich Peter Kunz bereit, mit der Weltwoche zu reden und uns alle Gerichtsakten zu seinem Fall sowie die zahlreichen über ihn erstellten psychiatrischen Gutachten zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus verfasste der 1937 Geborene einen Lebenslauf, der nicht nur durch eine aussergewöhnlich schöne Handschrift auffiel, sondern auch grammatikalisch und orthografisch absolut fehlerfrei war.

In seinem Curriculum beschreibt er sich als selbstlosen Menschen, der aus einer einfachen, kinderreichen Arbeiterfamilie aus dem Kanton Aargau stammt und eine unbeschwerte Jugendzeit durchlebte. Bereits während der Schulzeit sei er, «wahrscheinlich aus einem Mangel an Selbstvertrauen», sehr schüchtern gewesen. Unschlüssig, welchen Beruf er ergreifen sollte, habe er mehrere Jahre als Hilfsarbeiter in verschiedenen Betrieben gearbeitet. Das Vorhaben, die Verkehrsschule in Olten zu absolvieren, um in den Bahndienst einzutreten, habe er nach zwei Jahren aufgegeben und stattdessen eine Lehre als Radioelektriker begonnen. 24 Monate später sei ihm gekündigt worden.

Anfang der siebziger Jahre fand Peter Kunz in einer freikirchlichen Vereinigung zu Gott. Tief gläubig geworden, sah er seine Bestimmung fortan darin, «ein frommes Dasein nach der Bibel zu leben». Er absolvierte eine Handelsschule, schloss 1974 mit dem Diplom ab und arbeitete danach für Bibelgesellschaften, einen christlichen Verlag sowie im Aktionskomitee für verfolgte Christen in Heiligenschwendi. «Oft», so Kunz, «stellte ich mich auch als Kurier zur Verfügung, um Bibeln in die Länder hinter dem Eisernen Vorhang zu schmuggeln.»

Als seine freikirchliche Vereinigung 1988 im bündnerischen Tschiertschen ein Hotel eröffnete, welches hauptsächlich von christlichen Reisegruppen belegt wurde, war er dort bis zu seiner Verhaftung Ende März 1990 in leitender Stellung tätig.

Weil er sich abgrundtief schäme, falle es ihm schwer, über den Grund seines Aufenthalts im Zuchthaus zu schreiben. Seine Taten verharmlosend und die Schuld den Opfern zuschiebend, schreibt er: «Ich habe Kinder sehr gern. Das merkten sie wohl und sind mir nachgelaufen und angehangen. Oft waren sie neugierig, und ich machte den Fehler, sie nicht wegzuschicken. Im Hotel war ich die meiste Zeit allein im Haus, was nicht gut für mich war. Diesen Umstand haben die Kinder ausgenützt, und beim Spielen habe ich dann die Grenzen überschritten.»

Kunz’ Darstellung seiner sexuellen Verfehlungen an Kindern könnte aus einem Lehrbuch der forensischen Psychiatrie stammen: Der klassische Unzüchtler, der sich als «guter Onkel» gibt, die Taten verniedlicht und den Kindern die Schuld für sein verwerfliches Treiben zuschiebt. Der Täter als Opfer, die Kinder als die wahren Verführer.

Was nichts zu bedeuten hat

Wenn sich ein Sexualtäter nach einer derart langen Haftzeit immer noch so äussert, stellen sich Fragen: Weshalb haben bei ihm die langen Jahre im Zuchthaus nicht zu einem Umdenken geführt? Weshalb war es nicht möglich, ihn zu therapieren? Handelt es sich tatsächlich um einen jener unbehandelbaren Triebtäter, die zeitlebens verwahrt gehören?

Auch wenn Peter Kunz keine Kinder vergewaltigt oder geschändet hat, wiegt sein Verschulden schwer. Denn es gibt keine «harmlosen» sexuellen Übergriffe auf Kinder, und wie sexuell neugierig sie sich auch verhalten mögen – was durchaus normal ist –, gilt: Bei sexuellen Übergriffen auf Minderjährige hat der Erwachsene und nicht das Kind zu wissen, wo die Grenzen sind. Täter, die sagen, dass sie immer viel Liebe für Kinder empfunden haben, verkennen oder verklären ihr egozentrisches Tun. Sie fragen sich nicht, was ein Kind im Moment des Missbrauchs empfunden oder gedacht hat, weil stets die eigenen Bedürfnisse im Vordergrund standen.

Das aber muss noch lange nicht bedeuten, dass Kunz aus seiner Perspektive die Unwahrheit sagt. Die Liste der pädosexuellen Delikte, bei denen sich die Täter ab einem gewissen Punkt passiv verhielten und bei denen die Aktivitäten von den Kindern ausgingen, ist lang. «Diesbezüglich», so der Zürcher Gerichtspsychiater Frank Urbaniok, «muss man immer sehr vorsichtig sein, nicht mit schematischen Schwarzweissmustern auf die entsprechenden Personen losgehen und sagen, das kann nicht gewesen sein, immer ist es so oder so – Richter, Psychiater und Therapeuten waren ja schliesslich bei den Delikten nicht dabei.»

Die Delikte des Peter Kunz spielten sich immer nach dem gleichen Muster ab. Mit sechs- bis zwölfjährigen Kindern, die er kannte und die ihm durchaus zugeneigt waren, konstellierte er in seiner Wohnung und in den Hotelräumlichkeiten Situationen, bei denen es zu «Doktorspielen» kam. Darin spielte er dann quasi den «Oberarzt»: Nebst anderem demonstrierte er einem Zwölfjährigen «am lebenden Objekt» den Gebrauch eines Präservativs, und Mädchen erklärte er anhand von Fotos aus Aufklärungsbüchern den Geschlechtsverkehr und die Menstruation. Er hatte nichts dagegen, sich von den Kindern fesseln zu lassen, und liess es zu, dass sie ihm anschliessend die Hosen herunterzogen, um sein Glied zu betrachten. Er animierte die Kinder, denen er Kinderbibeln, Klebebilder, Geld oder Kaugummis schenkte, zu «Striptease-Spielen», und versuchte Mädchen, die er «Schätzeli» und «Herzige» nannte, auf die Wangen zu küssen, umarmte sie oder streichelte ihnen über Kopf, Rücken und Beine. Für die Kinder agierte er als der «gute Onkel», vor dem besorgte Eltern ihre Kinder so oft vergeblich warnen.

1989 wurde Peter Kunz erstmals «wegen wiederholter und fortgesetzter Unzucht mit Kindern» verurteilt. Das Verdikt des Bezirksgerichts Zofingen: sieben Monate bedingt, Probezeit zwei Jahre.

Rückfällig geworden, stand er zwölf Monate später bereits wieder vor Gericht. Diesmal verurteilte ihn das Kreisgericht Churwalden zu zwölf Monaten und widerrief die bedingt ausgesprochene Strafe von Zofingen. Gleichzeitig ordnete das Kreisgericht eine psychiatrische Begutachtung sowie eine ambulante psychiatrische Behandlung an.

Da Peter Kunz gegen die Strafe rekurrierte, wurde er aus dem Polizeigefängnis in Landquart entlassen und kehrte an seinen Wohn- und Arbeitsplatz im Hotel in Tschiertschen zurück. Nachdem man ihm dort eröffnete, dass er nicht weiter beschäftigt werde, suchte er eine kleine Wohnung, wurde in Cumbel fündig und übersiedelte in das Bündner Bergdorf. Dort schlug er sich als Gelegenheitsarbeiter durch, arbeitete zeitweise am Skilift und in einer Schreinerei. Seine Hauptbeschäftigung war jedoch der Versand von religiösen Traktaten nach Russland, wofür er von der Slawischen Evangeliumsvereinigung monatlich 1000 Franken erhielt.

Im 260-Seelen-Dorf Cumbel galt er schon bald als komischer Kauz und Eigenbrötler; ein Sonderling, der eine Marginalexistenz führte und der sich seine Verpflegung aus Abfallcontainern beschaffte, aus denen er noch brauchbare Lebensmittel herausnahm. «Angesichts des Hungers in der Welt», so Kunz, «konnte ich es schon damals nicht ertragen, wenn Lebensmittel fortgeworfen werden.»

Im Mai 1990 wurde Kunz in der psychiatrischen Klinik Beverin in Cazis einer zweiwöchigen Begutachtung unterzogen. In ihrem Gutachten zuhanden des Gerichts diagnostizierte die Psychiaterin Dr. M. eine «schwere neurotische Entwicklung im Sinne einer Pädophilie» und empfahl nebst dem sofortigen Vollzug der Strafe «eine ambulante Therapie».

Doktor K. und der Uneinsichtige

Kunz wurde in die Strafanstalt Sennhof in Chur überstellt und besuchte ab März 1991 regelmässig die ambulante Sprechstunde von Dr. K., dem damaligen Chefarzt der psychiatrischen Klinik Beverin. Während Kunz erwartete, therapiert zu werden, biss sich Dr. K. an seinem halsstarrigen Klienten die Zähne aus. «Die therapeutischen Gespräche», hielt der Seelenarzt fest, «handelten zunehmend von dem eigenartigen Lebensarrangement von Herrn Kunz und drangen kaum je zu seinen pädophilen Handlungen durch. Er vermied es, darüber zu sprechen, und verharrte auf dem Standpunkt, selbst Opfer zu sein. Eine Einsicht, etwas Unrechtes getan zu haben, bestand nie.»

Das ungeschriebene Gesetz ignorierend, wonach ein Therapeut im Fall seines Klienten nie auch als dessen Gerichtsgutachter tätig sein sollte, beantragte Dr. K. Anfang 1992 beim Gericht mittels eines Zusatzgutachtens die Umwandlung der Gefängnisstrafe in eine stationäre Massnahme in seiner Klinik. Seinen Antrag begründete der Arzt «aus der Überzeugung heraus, dass eine ambulante Massnahme nicht genüge», und «weil das Angebot des Strafvollzugs seine Isolationstendenz noch verstärken würde: Seine soziale Integration wäre nach dem Strafvollzug schlechter denn je.» Die beabsichtigte Therapiestrategie in der Klinik Beverin, so Dr. K., «wäre denn auch weniger auf eine Behandlung der neurotischen Entwicklung ausgerichtet, sondern gälte vielmehr einer verbesserten sozialen Integration».

Das Gericht folgte dem Antrag des Arztes und wies Peter Kunz Ende März 1992 (mit dessen Einverständnis) in die psychiatrische Klinik Beverin ein. Als unmittelbar vor dem Eintritt bekannt wurde, dass er erneut straffällig geworden war, hielt man die Klinikleitung an, ihn vorerst im Status eines Untersuchungsgefangenen auf der geschlossenen Abteilung zu halten. Da Kunz die neuen Taten vehement bestritt, fühlte er sich von Anfang an ungerecht behandelt.

In der Folge wurde ein erfahrener Klinikpsychologe beauftragt, mit Kunz eine «begleitende Gesprächstherapie» aufzunehmen, und man versuchte, ihn in das Abteilungsleben und in die Beschäftigungstherapie zu integrieren. Doch der Patient vermochte den Sinn einer Behandlung nicht einzusehen und versteifte sich auf Prinzipienreitereien. Er bekämpfte die Raucher auf der Station und warf der Verwaltung vor, verschwenderisch mit Lebensmitteln umzugehen. Aus der Teppichweberei entfernte er alte Kleider, die als Rohmaterial für Flickenteppiche dienten, um sie Bedürftigen nach Rumänien zu schicken. Und als eines Tages eine Schulklasse im Klinikareal Lieder sang, vertraute er einer Krankenschwester an, dass er sich bei einem der Mädchen «mit einem Brief fürs schöne Singen bedanken möchte». Der Schwester, die ihm davon abriet, legte er ein Foto vor, das Bundesrat Flavio Cotti inmitten einer Kinderschar zeigte, und erklärte: «Dieser Mann darf sich auch mit Kindern abgeben und wird nicht bestraft.»

Der Klinikpsychologe, der mit Kunz jede Woche ein einstündiges Gespräch führte, kapitulierte. «Schon beim ersten Gespräch», hielt er in seinem abschliessenden Therapiebericht fest, «trat er mir mit einer grotesken Erwartungshaltung gegenüber. ‹Hier bin ich nun›, sagte er, ‹also behandeln Sie mich. Sie sind doch beauftragt, mich gesund zu machen, oder nicht?› Auf meine Frage, was er denn an sich selber krank und behandlungsbedürftig erachte, gab er zur Antwort: ‹Das müssen doch Sie wissen!›»

Sein Unvermögen, den Kindern als Verantwortungsträger zu begegnen und als Erwachsener die Grenzen zu ziehen, deutete Kunz während der Therapiegespräche in die «Tugend» um, bereitwillig Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen. «Schliesslich wisse er aus eigener Erfahrung», so der Therapiebericht, «wie schmerzlich es sei, von jemandem zurückgewiesen zu werden. Als konsequenter Altruist habe er das den Kindern eben ersparen wollen.»

Fragwürdige Erkenntnisse

Schenkte der Therapeut seinen Aussagen keinen Glauben, reagierte Peter Kunz verbittert. «Es war kaum möglich, seinen ethischen Panzer zu durchstossen», schrieb der behandelnde Klinikpsychologe. «Er zeigte sich in keiner Weise gewillt, sich mit seinen Anstoss erregenden Lebensgewohnheiten auseinander zu setzen. Vielmehr gab er zu erkennen, dass er keine Therapie will und insofern auch nicht therapierbar ist. Eine Weiterführung der stationären Massnahme erachte ich deshalb als nicht zweckmässig.»

Das fand schliesslich auch Chefarzt Dr. K.: «Herr Kunz delegiert die Therapie an die Therapeuten und entwertet diese gleichzeitig, da sie für ihn die eigentliche Therapiearbeit nicht leisten können», hielt er in einem Gutachten fest. Und mit dem Hinweis, dass er die Rückfallgefahr seines Klienten als ausserordentlich hoch einschätze, beantragte er «die sofortige Aufhebung der stationären Massnahme» und die Verwahrung. «Wir sind zur Ansicht gelangt», teilte er dem Gericht mit, «dass die Störung beim Exploranden nicht behandelbar ist. Ich bin zudem der Meinung, dass eine weitere Behandlung lediglich Kosten verursacht und nichts fruchtet. Weitergehende therapeutische Bemühungen erscheinen, gerade im Rahmen des Strafvollzugs, welcher den Exploranden noch vertrotzter macht, nicht angebracht.»

Wegen der erneuten sexuellen Handlungen mit Kindern wurde Kunz vom Kreisgericht Lugnez im Juli 1993 zu weiteren drei Monaten Gefängnis verurteilt. Zudem entsprach das Gericht dem Antrag des Psychiaters auf Verwahrung: «Weil die Dauer der auszusprechenden Strafe nicht ausreicht, um den Täter vor einer weiteren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit abzuhalten, ist Peter Kunz zu verwahren.»

Seit dem Urteilsspruch wurde Peter Kunz wiederholt von einem Zuchthaus ins andere verlegt, und wie bei jedem anderen Verwahrten wurde auch bei ihm jedes Jahr von Amtes wegen mittels eines psychiatrischen Gutachtens überprüft, ob die Verwahrung aufgehoben werden kann. Die diesbezüglichen Entscheide des zuständigen Bündner Kantonsgerichtsausschusses folgten bis heute ausnahmslos den Empfehlungen der psychiatrischen Gutachter: «Ohne eine erfolgreiche deliktorientierte Therapie lässt sich eine bedingte oder gar definitive Entlassung aus der Verwahrung nicht rechtfertigen.»

Davon abgesehen, dass auch eine solche Therapie keine absolute Gewähr dafür bietet, dass ein Täter nicht rückfällig wird: Eine erfolgversprechende therapeutische Behandlung konnte bei Peter Kunz bis heute nicht durchgeführt werden. Der Grund: Weil er sich weder psychisch krank noch persönlichkeitsgestört fühlt, vermag er den Sinn einer solchen Behandlung nicht einzusehen.

«Man kann sich fragen», mutmasst Peter Zimmermann, der die in Frauenfeld domizilierte Gefangenenhilfsorganisation Reform 91 präsidiert, «ob Kunz durch die ihm unverständlichen Inhalte der jährlichen psychiatrischen Gutachten, die er natürlich auch liest, nicht derart ‹psychiatrisiert› worden ist, dass er sich erst recht gegen eine Therapie auflehnt.» Zimmermann kennt Kunz aus vielen gemeinsamen Jahren im Zuchthaus Lenzburg und befürchtet, dass sein ehemaliger Knastkollege «wahrscheinlich nur noch als Leiche im ‹Holzmantel› herauskommt».

Tatsächlich haben sich bis heute über ein Dutzend Psychiater und Psychotherapeuten darin versucht, die bizarre Persönlichkeit des Peter Kunz zu enträtseln. Sie haben seine Delikte bis ins Detail seziert, sein Denken filetiert, seine Handlungsweisen analysiert und seine Gefühlswelt skelettiert. Die gewonnenen Erkenntnisse manifestieren sich in zahllosen Gutachten und Therapieberichten. Sie alle überquellen von Wortkaskaden aus dem Vokabular psychologischer Fachbegriffe und legen mitunter Zeugnis ab vom verzweifelten Bemühen, auch noch dem kleinsten Furz des «Exploranden» eine psychopathologische Bedeutung abzuringen:

«Der Explorand kommt tippelnd laufend ins Zimmer», hielt etwa ein Psychiater fest und fügte hinzu: «Vom Gutachter gefragt, weshalb er sich Notizen mache, antwortete er, dass der Gutachter sich ja auch Notizen mache.» Und nachdem der «Explorand» auf so analytisch-tiefgründige Fragen wie «wie er die Schwangerschaft erlebt habe» oder «ob seine Grossmutter alkoholabhängig gewesen sei» lachen musste, wurde dieses Lachen als «unbewusst ablaufende Vermeidung, sich in entsprechenden Situationen mit sich selber auseinander zu setzen», bewertet.

Seniorenheim als Chance

«Seine Mimik ist eher wenig moduliert», erkannte ein anderer Gutachter, «und es lassen sich keine psychotischen Phänomene eruieren.» Stattdessen zeige sich «eine reduzierte affektive Schwingungsfähigkeit auf einem von Gleichgültigkeit geprägten Grundstimmungsniveau». Immerhin räumte der betreffende Psychiater ein, dass wenigstens die «einfachen Verhältnisse», aus denen der Explorand stammt, «nicht pathologisiert werden dürfen».

Ein weiterer Seelenarzt schien bei der Abklärung mit der Stoppuhr gearbeitet zu haben. Fein säuberlich hielt er in seinem Gutachten fest, wie lange es jeweils dauerte, bis der Explorand auf eine Frage antwortete. Wie und wann er laufen gelernt habe, fragte er beispielsweise und notierte: «Es dauerte 15 Sekunden, bis der Explorand antworten konnte.» Und als ob es sich bei der Begutachtung um ein Verhör handelte, wurde Kunz vor der Begutachtung «auf sein Zeugnisverweigerungsrecht» aufmerksam gemacht. Als Kunz den Arzt einmal enerviert aufforderte: «Nun beginnen Sie doch mal mit der Therapie!», hielt der Gutachter auch gleich seine eigene Antwort fest: «Sie sagen ja, nicht krank zu sein und keine Therapie zu benötigen.»

Dr. R. und Dr. S. wiederum hinterfragten die Diagnose ihrer Kollegin aus der Klinik Beverin («neurotische Entwicklung im Sinne einer Pädophilie»), weil diese «auf einem psychodynamischen Diagnoseansatz beruht», wogegen heute «primär eine syndromalphänomenologische Diagnostik» zur Anwendung komme. Alles klar?

Ein weiterer Psychiater schrieb in seinem Gutachten, «dass beim Exploranden kein Leidensdruck zu erkennen» sei. Und widersprach damit jenem Berufskollegen, der die Meinung vertrat, «dass schon das Alleinsein des Exploranden in verschiedenen Lebensphasen als Leidensdruck verstanden werden muss». Kann sein. Kann nicht sein. Auch das Gegenteil von beidem.

Auch bezüglich der Therapierbarkeit von Peter Kunz gehen die gutachterlichen Einschätzungen teilweise diametral auseinander. Während ihn die einen als «unbehandelbar» oder «therapieresistent» bezeichnen, befindet er sich für andere «in einem erfreulichen therapeutischen Prozess». So schreibt etwa Dr. F.: «Herr Kunz darf als therapie- und gesprächswillig bezeichnet werden.» Und sein Kollege Dr. D. weist sogar darauf hin, dass der Klient «spürbar emotional zugänglicher geworden sei». Für den seit Jahren in der Strafanstalt Lenzburg tätigen Psychotherapeuten V. steht ausser Frage, «dass der Explorand nicht untherapierbar ist».

Zumindest in einem Punkt sind sich alle Gutachter einig: Bis heute lässt sich bei Peter Kunz keine Opferempathie feststellen (ein Psychiater sprach in seinem Gutachten von «Operempathie», aber lassen wir das...). Eine solche ist aber nach einhelliger Meinung Voraussetzung für eine deliktorientierte Therapie im Hinblick auf die Verminderung der Rückfallgefahr. «Wenn Herr Kunz sagt, er habe seine Fehler eingesehen und er bereue diese», so Psychiater Dr. R., «stellt dies zwar eine Tateinsicht dar; eine deliktorientierte Therapie besteht jedoch aus wesentlich mehr Elementen. So zum Beispiel aus der Analyse der Deliktsvorlaufsphase und einer Deliktrekonstruktion.»

«Was kann ich denn mehr sagen», verteidigt Peter Kunz seine Haltung, «als dass es mir aufrichtig leid tut, was passiert ist, dass ich meine Taten aus tiefstem Herzen bereue und mir im Klaren darüber bin, Schuld auf mich geladen zu haben? Bei meinen Opfern, die heute erwachsen sind, habe ich mich schon vor Jahren schriftlich entschuldigt, und sie haben mir verziehen. Weshalb wollen mich die Therapeuten dazu zwingen, mich immer wieder bis zum Gehtnichtmehr mit dem Ablauf und den kleinsten Details meiner Delikte zu befassen? Weshalb wollen sie nicht begreifen, dass mir das Reden darüber nur deshalb so schwer fällt, weil ich mich abgrundtief für die Taten schäme? Abgesehen davon frage ich mich: Muss sich eine Therapie nach der Krankheit richten oder die Krankheit nach Therapie?»

Für den als Chefarzt des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes im Zürcher Amt für Justizvollzug tätigen Frank Urbaniok, der Anfang der neunziger Jahre an der deutschen Langenfeld-Klinik für Psychiatrie die deliktorientierte Therapie massgeblich mitentwickelt hat, steht fest, «dass diese Therapieform sehr individuell an die jeweilige Persönlichkeit des Täters angepasst werden sollte. Die therapeutische Variationsbreite», so Urbaniok, «ist ein wesentlicher Faktor für die Effizienz dieser Behandlungen, und es gibt, wie bei anderen Therapien auch, immer wieder Täter, bei denen man vom Normalweg abweichen muss. So wäre es wichtig, abzuklären, ob es bei Herrn Kunz nicht auch alternative Ressourcen gibt, die, insbesondere bei einem bald siebzigjährigen Mann, ebenso deliktpräventiv eingesetzt werden könnten.»

Zu untersuchen wäre ferner, ob nicht auch das für Peter Kunz so unerträgliche Zuchthausregime, dem er ausgesetzt ist, der Durchführung einer erfolgversprechenden Therapie im Wege steht. Dr. M. Fürer, der Leitende Arzt des Psychiatrischen Dienstes der Strafanstalt Lenzburg, ist überzeugt, dass Kunz «die Sicherheitsstrukturen einer Strafanstalt nicht benötigt, jedoch einer Überwachung seiner Aktivitäten in einer engmaschigen sozialen Einbindung mit Menschen seiner Altersgruppe bedarf».

Eine ideale Möglichkeit dazu böte ein Angebot, das Karl Diener, der Vormund von Peter Kunz, den Bündner Justizbehörden schon wiederholt – aber erfolglos – unterbreitet hat. Diener, der sich seit Jahren für Kunz einsetzt und ihn wie kaum ein Zweiter kennt, besitzt und leitet in der Ostschweiz ein Seniorenheim und wäre bereit, sein Mündel bei sich aufzunehmen, zu beschäftigen und für die Überwachung von dessen Aktivitäten besorgt zu sein. «Ich bin absolut davon überzeugt», so Diener, «dass bei ihm ein Rückfall ausgeschlossen werden kann.» Derselben Meinung ist auch Peter Kunz, dessen grösster Wunsch es ist, sein Leben nicht hinter Anstaltsmauern beenden zu müssen: «Doch wie kann ich das beweisen, solange ich im Zuchthaus bin?»

Inzwischen ist Peter Kunz aus Lenzburg in die als moderat geltende Bündner Strafanstalt Realta versetzt worden. Den Ausschlag dafür gaben weniger humanitäre als pekuniäre Gründe. Bislang musste nämlich die kleine Gemeinde Cumbel, in der Kunz seinen letzten Wohnsitz hatte, für die Kosten seiner Verwahrung in den ausserkantonalen Zuchthäusern aufkommen. Rudolf Caduff, der Gemeindeschreiber: «Der Mann hat uns bis zu seiner Versetzung in den Kanton Graubünden rund eine Million Franken gekostet, was für unsere schwache Gemeindekasse eine enorme finanzielle Belastung darstellte.»

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EU-weite Hotline für missbrauchte Kinder
TANZ000020060705e2750002x
Kehrseite
Stefan Hostettler, Strassburg
431 Words
05 July 2006
Tages Anzeiger
10
German
(c) 2006 Tages Anzeiger Homepage Address: http://www.tages-anzeiger.ch

Nur einen Tag nach der Trauerfeier für die in Lüttich ermordete Stacy verspricht die EU Schritte gegen Pädophilie und Kinderpornografie.

Dass die EU-Kommission ihre Strategie für Kinderrechte zu diesem Zeitpunkt vorstellte, war ein Zufall. Bereits seit mehreren Monaten habe man beabsichtigt, «die Kinder zu den Hauptdarstellern» in der europäischen Politik zu machen, erklärten EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Justizkommissar Franco Frattini gestern im Europäischen Parlament. Vor dem Hintergrund des jüngsten Verbrechens an den beiden belgischen Mädchen erhielt die Ankündigung, Kinder besser vor Gewalt und sexuellem Missbrauch zu schützen, jedoch eine zusätzliche Dringlichkeit.

Zwei Beratungstelefone

Vorgesehen sind in den Überlegungen der EU-Kommission unter anderem EU-weite Notrufnummern. Bis Ende des Jahres sollen diese sechsstelligen Nummern eingerichtet werden, die Hilfe suchende Kinder in allen EU-Mitgliedsstaaten mit qualifizierten Ansprechpersonen verbinden. Unter einer ersten Nummer sollen dringende Anrufe zu vermissten oder sexuell missbrauchten Kindern angenommen werden. Ein zweites Beratungstelefon wird für weniger dramatische Hilferufe eingerichtet. Beide Nummern sollen in Anlehnung an die Notrufnummer 112 die Anfangsziffern 116 haben. Diese neuen Notrufmöglichkeiten werden bestehende nationale Nummern aber nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen.

Ferner will die EU-Kommission Banken und Kreditkartenunternehmen dabei unterstützen, die Verwendung von Kreditkarten zum Bezahlen von pornografischen Kinderbildern im Internet zu verhindern. Der Justizkommissar kritisierte erneut jene 20 Mitgliedsstaaten, die EU-Beschlüsse zum Kampf gegen Kinderpornografie noch nicht in nationales Recht umgesetzt haben. Künftig müsse vermehrt über ein europäisches Netzwerk gegen solche Ringe vorgegangen werden, da diese zumeist auch länderübergreifend organisiert seien. «Die Rechte von Kindern werden noch bei weitem nicht respektiert, und ihre Grundbedürfnisse werden häufig vernachlässigt», sagte Frattini vor den Medien. Die EU könne und sollte mehr zum Schutz von Kindern und somit der eigenen Zukunft tun.

Romakinder häufig Opfer

Eher langfristiger Natur sind die Pläne für eine grössere Berücksichtigung von Kindern in der Entwicklungshilfe. Die EU verfüge über das nötige Gewicht, um die Thematik ganz oben auf der internationalen Tagesordnung zu platzieren, so Barroso. Aber auch in der EU selbst ist ein Fünftel aller Kinder von Armut bedroht. Dies ist deutlich öfter als bei Erwachsenen der Fall, betont die Kommission in ihrem Strategiepapier. Kinder von armen Eltern und aus bestimmten Minderheiten wie Roma sind demnach besonders häufig Opfer von Armut, Ausgrenzung und Diskriminierung.

Ob das gestrige Bekenntnis zur Kinderliebe - wie viele andere gut gemeinte Vorhaben - im politischen Tagesgeschäft versanden wird oder nicht, ist unklar. «Ich hoffe, dass der Prozess, den wir heute angestossen haben, eine Reihe konkreter Massnahmen zur Stärkung der Kinderrechte ermöglicht», sagte Barroso. Sehr überzeugend klang dies leider nicht.

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„Schlimmer als der Tod“
RHEPO00020060705e2750000u
L
VON MARKUS HAEGERT
405 Words
05 July 2006
Rheinische Post
Rheinische Post Dinslaken
German
© Copyright 2006. Rheinisch-Bergische Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH. All rights reserved. For further information see http://www.rp-online.de

dinslaken Als die Mutter im Zeugenstand den Satz ihres zwölf Jahre alten Sohnes wiedergab, musste auch der Angeklagte, ihr eigener Bruder, schwer schlucken: „Nach all den Erlebnissen sagte mein Sohn: Das ist schlimmer als der Tod.“ Mindestens 19 Mal wurden der Junge und seine Schwester im Zeitraum von zwei Jahren von ihrem ebenfalls noch jugendlichen Onkel sexuell missbraucht. In einem Fall davon wurde sogar der Tatbestand der Vergewaltigung erfüllt. Der heute 18 Jahre alte Täter, der ein umfassendes Geständnis ablegte, bekam dafür vor dem Amtsgericht zweieinhalb Jahre Jugendstrafe und wird voraussichtlich vor Ablauf der Haft auf Bewährung entlassen und eine psychiatrische Therapie aufnehmen.

„Nur die Spitze des Eisbergs“ vermutete der Vertreter der Mutter, die als Nebenklägerin auftrat. Die beiden Kinder, die sich inzwischen beide in psychologischer Behandlung befinden, würden sich ständig an weitere Geschehnisse erinnern. Als „absolut abscheulich“ brandmarkte der Anwalt die Taten. Der junge Mann habe einen erschütternden Vertrauensbruch gegenüber seiner Schwester und deren Mann, in deren Haus in Voerde sie ihn vor zweieinhalb Jahren aufgenommen hatten, sowie den beiden Kindern begangen.

Im Sommer 2003 verging sich der Onkel an einem Leipziger Badesee an den damals Neunjährigen. Nach dem Umzug nach Voerde wurden die Übergriffe regelmäßiger. „Sie wollten immer mit mir kuscheln, wenn wir auf der Couch lagen“, berichtete der Angeklagte, „dann fasste ich sie an und es ging so weiter. Ich wollte etwas probieren und schauen, wie sie reagieren. Sie wehrten sich nie. Es war ein gewisser Reiz dabei.“ Zum Geschlechtsverkehr kam es niemals, sei aber irgendwann das Ziel gewesen, räumte der junge Mann ein.

Im Laufe der Zeit distanzierten sich die Kinder zunehmend von ihrem Onkel, mit Geld und Geschenken musste er sie fortan locken. Schließlich wandte er sogar Gewalt an und sperrte das Mädchen im Badezimmer ein, als es aus seiner Umklammerung wollte.

Als, beinahe beängstigend, „normal“ beschrieb der psychologische Gutachter den Täter. Er habe zwar in Halle und Leipzig, wo er aufwuchs, eine schwere Kindheit - Mutter Alkoholikerin, er selbst Opfer eines sexuellen Missbrauchs im Kindesalter - erlebt. Doch leide er weder unter einer krankhaften Störung noch sei er unterdurchschnittlich intelligent.

Dennoch riet der Sachverständige zu einer stationären psychiatrischen Therapie um eine spätere Pädophilie zu vermeiden. Die Rheinischen Kliniken in Viersen hatten dem Täter bereits einen Platz ab August in Aussicht gestellt. Staatsanwältin und Richter stimmten jedoch überein, dass er diese Möglichkeit auch nach der Haft noch habe.

169737509
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Arte diskutiert Präventionsmaßnahmen gegen Kindesmissbrauch.
DDPTD00020060703e273000ji
299 Words
03 July 2006
ddp Themendienste
German
(c) 2006 ddp-Wirtschaftsdienst www.ddp.de

Straßburg (ddp). Der deutsch-französische Kulturkanal Arte widmet sich am Dienstag der Prävention von Kindesmissbrauch. Dabei geht der Sender von der Annahme aus, dass mit zunehmender Sexualisierung der Gesellschaft immer pervertiertere Formen des Verbrechens an Kindern verübt werden. In zwei Dokumentationen und einer abschließenden Diskussionrunde fragt der Sender danach, wie die Spirale der Gewalt zu durchbrechen sei.

Anja Klabunde geht in ihrer Dokumentation (20.40 Uhr) den Gefahren nach, die Kindern durch das Internet drohen. In «Der unsichtbare Feind - Kindesmissbrauch im Internet» berichtet sie von Fällen, bei denen Kinder oder Jugendliche mit Pädophilie im Internet zu tun hatten - zum Teil mit schwer wiegenden Folgen.

In «Spuren der Angst - Ermittlungen zum Missbrauch von Kindern» (21.40 Uhr) stellt Uli Veith die Sozialhilfeeinrichtung KID - Kind in Düsseldorf vor. Die Mitarbeiter versuchen, Ursachen für den Missbrauch zu erkennen und Misshandlungen von Kindern zu ermitteln. Zugleich wollen die Psychologen, Therapeuten und Pädagogen von KID Kontakt zu den Eltern herstellen, um Wege aus der Gewalt zu suchen. Dabei stellt sich nicht selten heraus, dass die Eltern selbst Gewalt, Missbrauch und Misshandlung erlebten und diese in der eigenen Familie weitergeben.

In der abschließenden Gesprächsrunde um 22.30 Uhr diskutiert Moderatorin Annie-Claude Elkaim mit Ruth Schäfer von «Wildwasser». Der Verein betreut Mädchen und Frauen, die von sexuellem Missbrauch betroffen sind.

Für Aufsehen in der Debatte um die Prävention von Kindesmissbrauch hatte im Juni 2005 die Berliner Charité gesorgt. Sie suchte in einem bundesweiten Aufruf Pädophile, um an 180 Betroffenen ein dreijähriges ambulantes Programm an, um dem Missbrauch von Kindern vorzubeugen. Die Mediziner wollen beweisen, dass durch wirksame Behandlungsmethoden die Verhaltenskontrolle der Patienten erhöht und damit die Zahl sexueller Übergriffe gesenkt werden kann. Das Projekt ist laut Charité weltweit einmalig, hatte aber auch Kritik ausgelöst.

ddp/chd/wsd

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Rotkäppchen und der Wolf Selbstjustiz: David Slade dreht mit "Hard Candy" einen moralischen Thriller
TAGSS00020060701e27200064
KULTUR
Von Julian Hanich
488 Words
02 July 2006
Der Tagesspiegel
026
19237
German
Copyright 2006. Verlag Der Tagesspiegel GmbH. All rights reserved. For future information see http://www.tagesspiegel.de

Es beginnt ganz sanft und unpersönlich. Zwei Menschen lernen sich übers Internet kennen, treffen sich, gehen auf einen Drink nach Hause. Er: ein 32-jähriger Fotograf, wortgewandt, gut aussehend, mit Villa in den Hügeln von Los Angeles. Sie: ein 14-jähriges Schulmädchen mit Bubikopf, verführerischer als die berüchtigte Dolores Haze, genannt Lolita. Bald jedoch wird es ziemlich heftig und sehr, sehr persönlich. Das Teenie-Nymphchen mit der Rotkäppchenkapuze streift ihr falsches Gewand ab und fängt an, den Mann mit erregtem Sadismus zu peinigen. Ihr Vorwurf: Pädophilie. Ihr Motiv: Rache aus Prinzip. Ihre Methode: psychische und körperliche Folter.

Die Konstellation erinnert an "Der Tod und das Mädchen". Wie Roman Polanskis Kammerspiel versetzt auch "Hard Candy" das moralische Bewusstsein geschickt in eine Pendelbewegung zwischen zwei Extremen. Unsicher, für wen er Sympathie aufbringen darf, oszilliert der Zuschauer gedanklich zwischen Pädophilieverachtung und dem Verdammen von Folter und Selbstjustiz. Wollte man es zugespitzt sagen: zwischen der Abscheu vor dem Kinderschänder Marc Dutroux und dem Ekel vor Abu Ghraib. Umgekehrt bedeutet das aber auch: Der Film muss den Zuschauer immer wieder dazu verführen, sich in eine Figur von moralischer Widerwärtigkeit einzufühlen - was die Sache brisant macht, aber sehr sehenswert. Regisseur David Slade hat dafür in seinem Kinodebüt mit Patrick Wilson und Ellen Page zwei ausreichend begabte Verführer an der Hand. Insbesondere die junge Ellen Page legt ihre Rolle des Racheengels gekonnt zwischen geiferndem Ernst und fiesem Humor an.

Weil der Film nicht auf Suspense-Momente verzichtet, lässt er sich vielleicht am besten als moralischer Thriller etikettieren. Allerdings gibt es ein paar Szenen, die ihn aufgrund ihrer Drastik in die Nähe von aktuellem Folter-Horror wie "Hostel" oder "Wolf Creek" rücken - wobei Slade peinlich genau darauf achtet, die Grausamkeiten der Einbildungskraft des Zuschauers zu überantworten.

Wollte man dem Film einen Vorwurf machen, dann den, dass er sein Eskalationsszenario am Schluss beinahe über den Abgrund und hinein ins Groteske treibt. Zum anderen versucht Slade, der sich zuvor mit Werbefilmen und Musikvideos einen Namen gemacht hat, aus den beschränkten Möglichkeiten des Zwei-Personen-Stücks stilistisch herauszuholen, was geht. Und das ist manchmal zu viel. Wenn die Protagonistin einen gelben Cocktail in der Hand hält, steht sie selbstredend vor einer gelben Wand. Und wenn der Film den Blickwinkel auf eine Folterszene verändern will, setzt die Kamera zu einer langen Fahrt quer durch den Raum an, bei der sich recht motivationslos eine dunkle Wand dazwischenschiebt.

Durch solche Spielereien zieht die ästhetische Seite des Films mehr Aufmerksamkeit auf sich als nötig. Als ob uns das moralische Dilemma um Pädophilie und Folter nicht genug beschäftigte!

In Berlin in den Kinos Cinemaxx Colosseum und Potsdamer Platz, Cinestar Hellersdorf und Sony Center (OV), Thalia Movie Magic, UCI Kinowelt Friedrichshain und Zoo Palast

200607022627142
Eiskalte Rächerin. Die 14-jährige Hayley Stark (Ellen Page) greift in der Not sogar zur Folter. Foto: Senator
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Skandalöse Züge
SLZNT00020060630e2710002v
gericht
458 Words
01 July 2006
Salzburger Nachrichten
7
German
(c) 2006. SN. All rights reserved.

Nach einem Justizskandal in Frankreich erscheint nun auch der Saarbrückener Prozess um den Tod eines Kindes in schiefem Licht: Unverhältnismäßige Haft.

Saarbrücken (SN, dpa). Erst jüngst erschütterte ein Justizfiasko im Zusammenhang mit der Anklage gegen einen angeblichen Ring von Kinderschändern die französische Öffentlichkeit: Nun scheint sich etwas ähnliches nicht allzu weit von der Grenze entfernt für die deutsche Justiz anzubahnen.

Im Justizskandal von Outreau, einer Trabantenstadt in Nordfrankreich, hatte man zunächst 17 Personen der Pädophilie beschuldigt. Das Ergebnis des Mammutprozesses war schließlich, dass vier der Angeklagten zwar Strafen bis zu 20 Jahren Haft erhielten, 13 andere aber freigesprochen wurden. Auf Grund von Falschaussagen und irreführenden psychologischen Gutachten waren sie zum Teil jahrelang unschuldig in Untersuchungshaft gesessen. Der Oberste Rat der Richter in Frankreich soll nun über die Verantwortung des damaligen Untersuchungsrichters und des zuständigen Staatsanwalts entscheiden.

Seit einem Jahr und neun Monaten wird am Landgericht Saarbrücken darüber verhandelt, ob und in welcher Form zwölf Angeklagte – vier Frauen und acht Männer – den Tod des damals fünfjährigen Pascal verschuldet haben. In dem Monsterverfahren hat das Gericht aber bisher keinen einzigen Beweis zu Tage fördern können, wie das Kind ums Leben kam. Seine Leiche wurde nie gefunden.

Vor zwei Wochen kam ein Paukenschlag des Gerichts: Es wurden auch die restlichen sechs der zwölf Angeklagten aus der Haft entlassen. Einige von ihnen hatten bis zu dreieinhalb Jahre in Untersuchungshaft verbracht. Am Donnerstag wies das Saarländische Oberlandesgericht die dagegen erhobene Beschwere der Staatsanwaltschaft zurück.

Die Anklage geht davon aus, dass der kleine Pascal im Hinterzimmer der Bierkneipe „Tosa-Klause“ von mehreren Männern sexuell missbraucht worden sei und dabei zu Tode kam. Eine 41-jährige, laut psychiatrischem Gutachten „geistig minderbegabte“ Angeklagte hat sich selbst und andere erheblich belastet, indem sie behauptete, sie habe die letzte Lebensstunde des Kindes miterlebt. Um den schreienden Buben zu beruhigen, habe sie ihm einen Polster aufs Gesicht gedrückt. Allerdings hat die Angeklagte dem Gericht bereits mehrere Versionen des angeblichen Tatgeschehens erzählt.

Der Vorsitzende Richter sagte daher in einer Zwischenbilanz des Verfahrens, es bestünden nach der umfangreichen Beweisaufnahme „nicht nur theoretische Zweifel“ an einer möglichen Verurteilung der Angeklagten. Man habe weder die Leiche noch irgendwelche Spuren, die auf so ein Verbrechen hindeuten würden, gefunden. Dutzende Gäste der „Tosa-Klause“ hatten erklärt, sie hätten von so einem Geschehen nichts mitbekommen. Kurzum: Das Gericht begründete die Enthaftungen mit den vielen Widersprüchen und dem nicht mehr bestehenden dringenden Tatverdacht.

Daher will sich das Gericht nun verstärkt auf einen zweiten Komplex neben den Tatvorwürfen zum Tod von Pascal konzentrieren: Einige Angeklagte sollen am sexuellen Missbrauch eines heute zehnjährigen Spielkameraden von Pascal beteiligt gewesen sein. Nur: Die dafür vorgesehenen Strafen stünden – so das Gericht – in keinem Verhältnis zur bisherigen Untersuchungshaft. Ein Ende ist nicht abzusehen.

snstamm | SNZ41-626004701.07.2006 | 41-6260047
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BM-BL - Den Spieß rumgedreht
BERMP00020060702e26t0000c
BERLINLIVE
Sascha Westphal
351 Words
29 June 2006
Berliner Morgenpost
BM-BL
3
26
German
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Rotkäppchen ist der böse Wolf: "Hard Candy" Von Sascha Westphal

Alles in David Slades "Hard Candy" ist Kalkulation. Er manipuliert und provoziert sein Publikum von Anfang an. Das beginnt schon mit dem Internet-Chat, der die Leinwand anfangs ausfüllt: Er macht einen zum Komplizen der 14jährigen Schülerin Hayley (Ellen Page) und des 32jährigen Werbephotographen Jeff (Patrick Wilson). Zugleich werden schlimmste Befürchtungen geweckt. Die Grenze zwischen Koketterie und dunkler Absicht verschwimmt direkt vor unseren Augen. Die kaum gebändigte erotische Spannung wird noch größer, als sich die beiden schließlich in einem Coffeeshop treffen. Daß am Ende das Mädchen die Initiative ergreift, gehört genauso zum Spiel wie Jeffs Zögern.

Zunächst liegt das Provokante in der Selbstverständlichkeit, mit der eine 14-Jährige und ein 18 Jahre älterer Mann zusammenkommen. Wäre da nur nicht dies eine Poster an der Wand des Coffee Shops, das Slade so überdeutlich ins Bild rückt. Es zeigt ein Mädchen, etwa in Hayleys Alter, das verschwunden ist. Als Hayley mit Jeff in dessen Haus geht, verwandelt sich die Situation denn auch in ein Schreckensszenario. Nur dreht Slade die Rollen um: Das Mädchen reißt die Kontrolle an sich und macht den Mann, den sie der Pädophilie und des Mordes bezichtigt, zu ihrem Gefangenen. Dieser Dreh, die Geschichte von Rotkäppchen und dem Wolf auf den Kopf zu stellen, ist die größte Provokation, bricht er doch mit allen Erwartungen. Doch Slade verschenkt die Chance, die dieser Rollentausch mit sich bringt. Er analysiert weder die Psychologie eines Mannes, der sich zu Teenagern hingezogen fühlt, noch hinterfragt er den blinden Rachedurst eines Mädchens. In gelackten Bildern und papiernen Dialogen breitet er statt dessen ein geschmackloses Folterszenario aus, das einmal mehr behauptet, daß der Zweck jedes Mittel rechtfertigt.

Eine Zeit lang fühlt man sich noch unwohl angesichts der Kaltblütigkeit, mit der Ellen Page (die trotz nuancierter Darstellung nie glaubwürdig wirkt) ihren abstrusen Plan durchzieht. Doch am Ende soll man die Soziopathin als Heldin akzeptieren, die einfach getan hat, was getan werden mußte. So wie auch Soldaten in Guantanamo nur das tun, was unumgänglich ist für die Sicherheit der USA.

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Die im Dunkeln sieht man nicht
DBUND00020060628e26t0000e
Ausland
Daniel Kestenholz, Bangkok
767 Words
29 June 2006
Der Bund
7
German
(c) 2006 Der Bund Verlag AG

Trotz Massnahmen gegen Kinderprostitution in Asien floriert das Sexgewerbe im Verborgenen

Der Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern in Asien ist trotz härteren Gesetzen noch nicht gewonnen. Zuhälter, die nun die Justiz fürchten müssen, weichen mit ihren Opfern vermehrt in den kriminellen Untergrund aus.

Daniel Kestenholz, Bangkok

Man hört sie nicht, man sieht sie nicht, sie können sich nicht wehren: die Kinder in Asiens Sexgewerbe. Die meisten sind nicht in mondänen Bordellen zu finden. Sie leben in einer Schattenwelt, über die es keine verlässlichen Zahlen gibt. Auf eine Million wird ihre Zahl geschätzt. Sie haben sich in schummrigen Karaoke-Bars anzubieten, in Coiffeursalons oder verkommenen Stundenhotels bei Häfen und Fabriken.

In den letzten Jahren haben diese Kinder mehr Fürsprache erhalten. Thailand und die Philippinen erliessen harte Gesetze gegen Pädophilie. Auch Aufklärungskampagnen in der Bevölkerung zeigen Wirkung, und spezialisierte Hilfswerke wie Ecpat ( http://www.ecpat.org, End Child Prostitution in Asian Tourism) helfen sexuell ausgebeuteten Kindern. Darüber hinaus haben einige westliche Nationen Gesetze erlassen, um ihre Bürger für im Ausland begangene Schandtaten an Kindern zu belangen.

Entführt und verkauft

Doch all diese Massnahmen sind nicht genug, um den sexuellen Missbrauch von Kindern zu beenden. «Die Lösung wäre, dass sich das Verhalten der Männer ändert», sagt Ron O’Grady von Ecpat. Denn trotz härteren Gesetzen mangelt es nicht an Nachfrage und Angeboten. Kinder werden als leicht ausbeutbare «Massenware» von Provinzen in Städte und über Grenzen verschoben: von Burma nach Thailand, von den Philippinen nach Malaysia, von Indonesien nach Singapur, von Nepal nach Indien und von China und Indien in den Nahen Osten. Auch in Bangladesch und Pakistan werden jedes Jahr Zehntausende von Kindern für Sex verkauft oder entführt.

In Thailand, der Klischee-Nation für Sextourismus, herrschen im Vergleich dazu geradezu fortschrittliche Verhältnisse. Sogar der ehemalige Vizesprecher des Senats kam wegen Sex mit Schulmädchen hinter Gitter; vor wenigen Jahren noch hätte Chalerm Promlert über dem Gesetz gestanden.

Spektakuläre Verhaftungen

Thailands Polizei hat auch den Amerikaner Eric Rosser verhaftet. Der Klavierlehrer missbrauchte seine Schülerinnen vor laufender Kamera und verkaufte die Aufnahmen. Um ein Exempel zu statuieren, dass der Westen auch gegen Kinderschänder in Schwellenländern hart vorgehe, hatten die USA Rosser auf die FBI-Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher gesetzt. Kürzlich geriet auch der Fall des britischen Altrockers Gary Glitter in die Schlagzeilen, der in Vietnam für den Missbrauch von zwei minderjährigen Mädchen verurteilt wurde. Doch Glitter, Rosser und Chalerm sind nur die Spitze des Eisbergs. Gegen Ausländer gibt es zwar regelmässig Schauprozesse. Doch zum grossen Tabuthema in der Region schweigt man: dass Sex mit Kindern unter Einheimischen ohne weiteres geduldet ist.

In gewissen Bordellen Bangkoks ist westlichen Besuchern der Zutritt verboten. Die Bordellbesitzer wissen aus Erfahrung, dass sich «Weisse» über die Verfügbarkeit von Minderjährigen empören und es den Behörden melden könnten. Nur auf massiven Druck aus dem Westen und von Hilfswerken wurde 2003 in Kambodscha das Bordelldorf Svay Pak geschlossen, wo Männer aus China, Korea, Singapur in Reisebussen zur «Bedienung» aufgekreuzt waren.

«Leichtes Geld» für Familien

Die Kinderprostitution geht jedoch auch in Kambodscha weiter. Jeder Hotelangestellte oder Taxifahrer in Phnom Penh kann innert Minuten ein Kind für Sex auftreiben. Familien in Kambodschas bitterarmen Provinzen reden offen vom «leichten Geld», auf das sie nicht verzichten mögen. Bei der harten Arbeit auf dem Feld werde bestenfalls ein Dollar am Tag verdient. Der Verkauf der Tochter bringe mehrere hundert Dollar. Endlich kann der Vater den neuen Fernseher kaufen und erhält der grosse Bruder das Motorrad.

Als in Südthailand im Januar ein Schweizer verhaftet wurde, verloren mehrere Familien ihr Zusatzeinkommen. Er hatte abgeschieden in einem Dorf gelebt, wobei die ganze Nachbarschaft wusste, was bei ihm seit Jahren vor sich ging. Gefasst wurde er dank der FBI-Fahndungsliste im Internet.

Taschengeld aufbessern

Neben den kriminellen Missbräuchen von Kindern gibt es in Asien auch vermehrt eine Art freiwillige Kinderprostitution, zu der vorab Schulmädchen durch Konsumrausch verleitet werden. Mit ihrer Käuflichkeit können sie sich einen Lebensstil erlauben, für den das Taschengeld nie ausreichen würde. In Kampagnen werden Eltern gewarnt, ihre Kinder könnten ein Doppelleben führen, wenn sie immer das neueste Mobiltelefon hätten oder teuren Schmuck trügen. Genau so wurde der Skandal um den thailändischen Senator Chalerm aufgedeckt.

Dass westliche Touristen die Hauptschuldigen für den sexuellen Missbrauch von Kindern in Asien sein sollen, ist denn auch ein Mythos. Die Hauptgründe sind Armut, Habgier und mangelnde Aufklärung in der einheimischen Gesellschaft. Laut O’Grady versucht Ecpat Familien in ländlichen Gebieten zu überzeugen, ihre Kinder nicht zu verkaufen. Doch die Habgier sei oft stärker. Nur «extrem wenige» sexuell missbrauchte Kinder, so O’Grady, «schaffen später die Rückkehr in ein normales Leben».

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Mit Schokolade fängt es an - Fühlen Sie sich doch mal in einen Pädophilen ein: der Psychothriller "Hard Candy"
BERLRZ0020060629e26t000a0
BerlinBerlin
Ulrich Seidler
369 Words
29 June 2006
Berliner Zeitung
K02
German
(c) 2006 Berliner Zeitung

Hmmm, Schokolade!

Die Kuchengabel glitscht schmatzend durch die fette, braune Schichttorte.

Ein zweifellos sündiges, aber doch zumeist harmloses Gelüst durchfährt den Kinozuschauer.

Schwupp, ist er an die Identifikationsmaschine angeschlossen und wird in den folgenden gut hundert Minuten seelisch ausgelaugt.

Der Film pumpt - mit vorhersehbar sich steigender Dosis - moralische Fiesheiten in den Probanden, die dort ihr Unwesen treiben sollen: sich mit eigenen Erfahrungen, mit eigenen Ängsten mischen und auf diese Weise Spannung und Interesse hervorrufen.

Bei Schokolade geht das los, und bei Pädophilie mit Todesfolge hört es auf.

Jeff (Patrick Wilson), ein reicher, schöner, kreativer Mittdreißiger trifft auf die vierzehnjährige, frühreife, ebenfalls schöne Hayley (Ellen Page).

Sie haben sich beim Internet-Chat kennen gelernt und verabreden sich für einen echten Kaffee.

Hübsches Paar, soll man denken, wenn man sie so turteln sieht.

Dann bleibt die Kamera mit absichtsvoller Zufälligkeit auf dem Bild eines vermissten Mädchens hängen und schwenkt schell weg, als hätte sich der Kameramann erschrocken.

Spätestens hier hat auch der Letzte im Saal seine Aufgabe verstanden: Ihm soll Böses schwanen!

Es folgt ein optisch durchgestyltes Kammerspiel mit Bildverwacklungen, Licht- und Farbspielereien, einer Angeber-Design-Ausstattung und zwei intensiven Darstellern, denen die Kamera fast in die Poren, Nasenlöcher und Tränenkanäle fährt, aus denen es

munter sekretiert.

Ähnlich aufdringlich verfährt ja auch die Dramaturgie: Bald schon ist Jeff mit Drogen ausgeknockt, gefesselt und muss die moralisch-ironischen Tiraden dieser naseweisen Männerhasserin Hayley verschmerzen.

Und den Verlust seiner von fachmännischer Teenagerhand entfernten und mit Hilfe eines formschönen Küchengerätes (Toaster oder Eiscrusher?) dauerhaft unschädlich gemachten Hodeneier.

Was noch nicht das Ende der Fahnenstange ist.

Auch wenn die aufgefahrenen Instrumente immer brutaler werden, ändert sich eigentlich nichts mehr an der machtverdrehten Grundsituation.

Der Rest ist Enthüllungsgeschlenker, bei dem sich die schrittweise entbergende Perversion von Jeff und die sich steigernde Brutalität von Hayley ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern.

Dieser Film berührt den Zuschauer nicht, so sehr er auch nach ihm grabscht.

Hard Candy USA 2006.

Regie: David Slade, Buch: Brian Nelson, Kamera: Jo Willems, Darsteller: Ellen Page, Patrick Wilson u.a.; 103 Minuten, Farbe.

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Foto: Ein hübsches Paar - vor der blutigen Moral-Schlacht.

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DWBE-HP - Ein Mädchen sieht rot: "Hard Candy"
DWELT00020060629e26t0003q
FEUILLETON
Sascha Westphal
232 Words
29 June 2006
Die Welt
DWBE-HP
23
149
German
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Von Sascha Westphal

Alles in David Slades "Hard Candy" ist Kalkulation. Er und sein Autor Brian Nelson manipulieren und provozieren von Anfang an. Das beginnt mit dem Internet-Chat, der die Leinwand zunächst ausfüllt. Er macht einen zum Komplizen der 14jährigen Schülerin Hayley und des 32jährigen Photographen Jeff, die kurz davor sind, einen Schritt weiter zu gehen.

Zunächst liegt das Provokante in der Selbstverständlichkeit, mit der in "Hard Candy" eine 14jährige und 18 Jahre älterer Mann zusammenkommen. Alles wirkt so harmlos, wäre da nicht dies eine Poster an der Wand des Coffee Shops, in dem sich beide treffen, das Slade so überdeutlich ins Bild rückt. Es zeigt ein Mädchen, etwa in Hayleys Alter, das verschwunden ist.

Schon bald nach beider Ankunft in Jeffs Haus verwandelt sich die Situation dann auch in ein Szenario des Schreckens. Nur dreht Slade die Rollen um. Das Mädchen macht den Mann, den sie der Pädophilie und des Mordes beschuldigt, zu ihrem Gefangenen.

Doch Nelson und Slade verschenken die Chance dieses Rollentauschs. Sie analysieren weder die Psychologie eines Mannes, der sich zu Teenagern hingezogen fühlt, noch hinterfragen sie den blinden Rachedurst eines Mädchens, das sich in eine verquere Selbstjustiz-Phantasie hineinsteigert. In gelackten Bildern und papierenen Dialogen breitet Slade statt dessen ein geschmackloses Folterszenario aus, das einmal mehr behauptet, daß der Zweck wirklich jedes Mittel rechtfertige.

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DWBE-HP - Heute starten
DWELT00020060629e26t0003v
FEUILLETON
Heute starten
Josef Engels; Leni Höllerer
304 Words
29 June 2006
Die Welt
DWBE-HP
23
149
German
Copyright 2006 Axel Springer AG . Zusatzhinweis: "Dieser Artikel darf ohne die vorherige Zustimmung des Verlages nicht weiter-verbreitet werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechte, die Ihnen generell hinsichtlich der Factiva-Dienste eingeräumt wurden." Notice: "This article may not be redistributed without the prior consent of the Publisher. This is a restriction on the rights granted under the terms of your subscription for Factiva Services."

Offside (Regie: Jafar Panahi). Iranische Politkomödie - Kritik auf dieser Seite

Wie in der Hölle (Regie: Danis Tanovic). Familien-Psychodrama - Kritik diese Seite

Brotherhood (Regie: Je-gyu Kang). Koreakrieg-Film - Kritik auf dieser Seite

Rang de Basanti (Regie: Rakesh Omprakash Mehra). Bollywood-Historien- und Politfilm - Kritik auf dieser Seite

Hard Candy (Regie: David Slade). Pädophilie-Selbstjustizdrama - Kritik auf dieser Seite

Die Chaoscamper (Regie: Barry Sonnenfeld). Man sollte sich nicht von dem klamaukigen Verleihtitel täuschen lassen: Im Kern handelt es sich um eine hochaktuelle Komödie. Ausgangspunkt ist nämlich das komplexe Privat- und Berufsleben im Zeitalter der bedingungslosen Mobilität. Bob Munro (Robin Williams) wird von seinem Chef dazu verdonnert, eine Firmen-Präsentation im tiefsten Colorado abzuhalten. Dummerweise hat Munro seiner Frau und seinen beiden pubertierenden Kindern versprochen, mit ihnen just zum fraglichen Termin nach Hawaii zu fliegen. Den gemeinsamen Urlaub hat die Familie bitter nötig. Munros Idee: Er mietet ein Monstrum von Wohnwagen. Das Vehikel für diese Komödie auf Rädern ist zweifellos das Wohnmobil. Alle denkbaren Tücken des Objekts werden dankbar ausgeschlachtet.

Dabei sein ist alles (Regie: Barry W. Blaustein). Die Brüder Farrelly sind bekannt für Derbes wie "Verrückt nach Mary". Nun haben sie sich als Produzenten an ein heikles Thema gewagt: die Olympiade für geistig Behinderte. In der Hauptrolle: Johnny Knoxville, der hauptberuflich in der MTV-Serie "Jackass" Bruchlandungen aller Art zum Besten gibt. Er spielt einen Nicht-Behinderten, der sich bei den Paralympics ein leichtes Preisgeld verspricht. Aber die Behinderten sind weder naiv genug, sich täuschen zu lassen, noch sportlich leicht zu übertrumpfen. Und sie haben auch ihre Ecken und Kanten, sind keinesfalls alle goldige "Forrest Gumps". Zum Glück gehen auch die Lacher gehen nicht auf ihre Kosten.

Mein verschärftes Wochenende (Regie: Pat Holden). Erfolgloser Werber findet Geistesblitz per Frauen, Sex und Party.

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BM-BL - Wie in der Hölle - Drei Schwestern
BERMP00020060629e26t0000r
BERLINLIVE
Gerhard Midding
474 Words
29 June 2006
Berliner Morgenpost
BM-BL
4
26
German
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Frei nach Dante & Kieslowski: "Wie in der Hölle" Von Gerhard Midding

Manchmal spielt einem das Unterbewußtsein einen bösen Streich. Irgendwann, der Film geht schon allmählich seinem Ende entgegen, entdeckt der Zuschauer, daß das Apartment von Sophie (Emanuelle Béart) eine exakte Rekonstruktion der Wohnung ihrer Eltern ist. Sie hat es mit den gleichen Farben drapiert, in denen sie aufgewachsen ist. Aber Sophie hat damit nicht etwa eine verlorene Geborgenheit eingeholt, sondern sich aus dem Dekor der Kindheit ihre eigene Familienhölle geschaffen. Die Eifersucht auf die Affären ihres Mannes stürzt sie in einen Taumel lustvollen Schmerzes.

Auch ihre beiden Schwestern können dem frühen Trauma nicht entrinnen, eben weil sie es nach Kräften verdrängt haben. Das, was ihnen ihre Kindheit geraubt und seither einander entfremdet hat, tragen sie als Last der Beziehungsunfähigkeit weiter mit sich herum. Die Jüngste, Anne (Marie Gillain), ist heillos in ihren verheirateten Professor verliebt und muß entdecken, daß die einzige Vertraute ihrer Liebesqualen dessen Tochter ist. Die Mittlere, Céline (Karin Viard) bringt ihr Leben in einer Art stiller Buße zu und kümmert sich um die katatonische Mutter (Carole Bouquet), die seit Jahren kein Wort gesprochen hat.

Nachdem im Mittelpunkt von "No Man's Land", seiner Oscar-gekrönten Tragikomödie aus dem Bosnienkrieg, drei Männer standen, wechselt Danis Tanovic in seiner zweiten Regiearbeit die Register. Mit diesem Triptychon weiblichen Unglücks begibt er sich kühn in den Schatten eines Regisseurs, der längst zum Mythos geworden ist. Das Drehbuch von Krzystof Piesiewicz wurde ursprünglich für Krzystof Kieslowski geschrieben. Nach dem von Tom Tykwer verfilmten Buch "Heaven" ist "Wie in der Hölle" der zweite Teil einer Trilogie, die an Dantes "Inferno" angelehnt war.

Tanovics Inszenierung ist eine prekäre Hommage an den polnischen Meister. Er greift vertraute visuelle Topoi auf (Spiegel, Treppen), Farbdramaturgie und Lichtführung sind eine nicht übermäßig eigenwillige Interpretation jener Experimente mit Filtern, zu denen Kieslowski seine Kameraleute animierte. Von den ersten Bildern an zieht sich eine prismatische Wahrnehmung als visuelles Leitmotiv durch den Film. Wie in einem Kaleidoskop zerbrechen die Formen, explodieren die Farben und schaffen eine Atmosphäre der Instabilität. Als Inferno mag man das Leben der Schwestern indes nicht recht begreifen, allzu gelackt und erlesen sieht der Film aus. Als sie endlich das Geheimnis lüften, das ihr Leben vergiftet hat - ihr Vater wurde der Pädophilie verdächtigt und kam, allerdings unschuldig, ins Gefängnis -, lassen die Rückblenden das Trauma reichlich banal erscheinen.

Das Szenario, das explizit auf die antike "Medea"-Tragödie verweist, teilt die Schurkenrolle dabei der Mutter zu, die längst die Wahrheit wußte. Das abscheuliche Make-up, mit dem Carole Bouquet auf alt getrimmt wurde, darf man durchaus als Bestrafung verstehen. Die Hölle liegt für Tanovic im Mangel an Verständigung und Kommunikation. Als die Mutter am Ende ihr Schweigen bricht, ist der Weg ins Fegefeuer bereitet. Sophie hat ihre Wohnung immerhin weiß gestrichen.

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Der Tod und das Mädchen
GNLZGR0020060629e26t000cb
260 Words
29 June 2006
General Anzeiger
German
(c) 2006 General-Anzeiger, Bonn

THRILLER "Hard Candy" lässt handelsübliche Grenzen hinter sich

Von Thomas Krone

Kesse Avancen veranlassen den Fotografen Jeff zu einer Verabredung mit einer Chat-Partnerin aus dem Internet. Er staunt nicht schlecht, als er auf Hayley trifft, die sehr hübsch ist, wortgewandt und minderjährig. Der 32-jährige fühlt sich geschmeichelt und beginnt einen routinierten Flirt. Später, beim Bummel durch die Stadt, hält er das Mädchen in einer Boutique aus. Alle Zeichen stehen auf Erfolg, als Hayley ohne Umschweife einwilligt, Jeff nach Hause zu begleiten. Und als sie sich im Luxus-Appartement in der Vorstadt nach ein paar selbstgemixten Drinks für spontane Fotoaufnahmen anbietet, glaubt sich Jeff am Ziel. Dann wird ihm schwarz vor Augen und als er aufwacht . . .

Hayley hat Jeff eine Falle gestellt. Sie verdächtigt den Mann der Pädophilie und mindestens eines Mordes. Für amerikanische (Spielfilm)-Verhältnisse lässt dieser Film zumindest in der Geisteshaltung handelsübliche Grenzen hinter sich. In schickem Designer-Ambiente, fotografiert in Cinemascope, entfaltet sich ein bizarres Psycho-Märchen, in dem die zarte Ellen Page als Brutal-Rotkäppchen und der smarte Patrick Wilson ein ausgestellt intensives Duell der Worte und Schmerzen austragen. Die Kompromisslosigkeit ist allerdings nur vorgetäuscht und erreicht die Intensität eines Roman Polanski ("Der Tod und das Mädchen") nur auf einem sehr spekulativen Oberflächensektor. Zwar nimmt der Film seine Geschichte ernst und verzichtet dankbarerweise auf jene selbstreferenzielle Ironie, die sich im Genre eingenistet hat.

Die Radikalität bleibt darauf beschränkt, dass Ideen ins Bild gerückt werden, die sonst der Fantasie des Zuschauers überlassen bleiben. Zusätzliche psychologische Dimensionen erschließen sich daraus nicht. Kinopolis

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KAMMERSPIEL Hard Candy
TAGSS00020060628e26t0009v
TICKET
143 Words
29 June 2006
Der Tagesspiegel
T04
19234
German
Copyright 2006. Verlag Der Tagesspiegel GmbH. All rights reserved. For future information see http://www.tagesspiegel.de

Es beginnt sanft und unpersönlich. Ein 32-jähriger Fotograf und ein 14-jähriges Schulmädchen lernen sich übers Internet kennen. Bald wird’s jedoch ziemlich heftig und sehr persönlich. Das Teenie-Nymphchen streift ihr falsches Gewand ab und fängt an, den Mann zu peinigen. Ihr Vorwurf: Pädophilie. Ihr Motiv: Rache aus Prinzip. Ihre Methode: Folter. Die Konstellation erinnert an Polanskis "Der Tod und das Mädchen". Auch "Hard Candy" ist ein Kammerspiel, in dem das moralische Bewusstsein des Zuschauers geschickt in eine Pendelbewegung zwischen zwei Extremen versetzt wird: Pädophilieverachtung und dem Verdammen von Folter und Selbstjustiz. Regisseur David Slade wirkt mitunter etwas übermotiviert, was das Zurschaustellen seiner filmischen Tricks betrifft. Dennoch: Fesselnder moralischer Thriller mit einem Hauch von Horror. Julian Hanich

"Hard Candy", USA, 103 Min., R: David Slade, D: Ellen Page,

Patrick Wilson, Sandra Oh

200606292613523
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Die Tütschen
NEUZZS0020060625e26p0001m
354 Words
25 June 2006
NZZ am Sonntag
1
German
"Besuchen Sie die Website der führenden Schweizer Internationalen Tageszeitung unter http://www.nzz.ch"

Showdown

Mathias Ninck

Heute habe ich mir eine Deutschlandflagge gekauft. Nein, Leser, das ist kein Witz, kein kleiner Kolumnistenscherz zur allgemeinen Erheiterung, es ist die nackte Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Gelb, Rot, Schwarz auf billigem PVC und an einer kleinen Plasticfahnenstange angeklebt. Eigentlich ja recht hübsch, das Ding. Die Flagge hängt jetzt aus dem Fenster meines Büros, und wenn ich abends nach Hause fahre, hol' ich sie rein und klemme sie ins Fenster des Trams. Das flattert und rattert so lustig! Und daheim kommt sie an den Balkon, ja, jeder soll es sehen. Deutschland, olé! Natürlich gibt es Leute, eigentlich sind es alle, die mich deswegen schief angucken - als Schweizer für Deutschland zu sein, das ist, als bekenne man sich zur Pädophilie. Das ist im Übrigen wissenschaftlich erhärtet; die Uni Zürich hat kürzlich eine Sympathierangliste westeuropäischer Länder erstellt, basierend auf einer grossen Umfrage in der Schweiz. Deutschland wurde Letzter.

Ist ja klar, warum das so ist. Für die meisten Schweizer sind die Deutschen ein Problem, weil sie da sind. Wären sie nicht da, sondern dort, wo sie hingehören, nämlich in Deutschland, dann wären die Deutschen schon okay. Dann wären sie einfach die lustigen Biertrinker, die sie in Wahrheit sind, die forschen, lauten Teutonen mit ihrer schnarrenden Stimme, die sie dann von uns aus auch haben dürften. Aber nicht hier in Helvetien!

Mit meiner Deutschlandflagge will ich ein Zeichen setzen gegen diesen absurden Hass. An der WM wird ja augenscheinlich, wohin er führt, nämlich in die Anonymität. Haben Sie, Leser, die Deutschen spielen sehen? Na, also. Elegant spielen sie, richtig gut, sie sind, um in der Sprache des Fans zu bleiben, geil. Geilen Fussball machen die, ja! Aber was passiert mit den Deutschen hierzulande nach einem Sieg? Rasten sie aus, wie es sich gehört? Fahren sie hupend und Fahnen schwenkend durch die Strassen? Nein. Nichts da. Nüüt sottigs. Sie hocken in ihren Wohnungen, hinter heruntergelassenen Rollos, sorgsam bedacht, nicht zu laut zu sein, damit der Nachbar nichts mitkriegt von der Freude. Klammheimlich und unerkannt leben die Deutschen in der Schweiz, aber Herrgott, das ist doch kein Zustand.

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Garantiert familienfreundlich...!?
NGZHOT0020060717e26h0000d
Hotelmarkt
Birke, Elke
3477 Words
17 June 2006
NGZ - Der Hotelier
German
(c) Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag, 2006. All Rights Reserved. For further information see http://www.dfv.de

Reisen mit Kindern Glänzende Prospekte mit lachenden Vätern, Müttern

und glücklichen Kindern bauen Traumwelten auf. Eltern, die das sehen, wissen: Das schaffen wir nie. Die Realität sieht meist anders aus: Kids halten mit ihrem liebenswerten Egoismus Eltern und Großeltern auf Trab.

Verreisen mit dem Nachwuchs ist etwas ganz Besonderes: beglückend

und abwechslungsreich, mitunter besonders anstrengend.

Ändert Eure Werbung", fordert Matthias Schenk provozierend, Berater und Dozent für Elementarpädagogik an der Universität Bamberg. "Bildet das ab, was Wirklichkeit ist. Kinder am Tisch, Nutella verschmiert, das T-Shirt verkleckert. Weinende Kinder, genervte Eltern... Und dann die Botschaft: Wir helfen Ihnen. Solche Fami-lien sind uns willkommen! Das ist die Herausforderung für uns, die nehmen wir an!"

Die Chancen für Hoteliers sind groß: 77 Prozent aller Familien mit Kindern zwischen sechs und 13 Jahren machen Urlaub. Sie unternehmen insgesamt 7,5 Mio. Reisen pro Jahr, 66 Prozent davon in der Hochsaison, gibt die Kieler Forschungsgemeinschaft Urlaub (FUR) in der "Reiseanalyse 2005" bekannt. Und: Familien mit Kindern gelten als attraktive Zielgruppe. Insbesondere diejenigen mit schulpflichtigen Kindern: Sie buchen früh, meist für mindestens eine Woche und verreisen in der teuren Hochsaison.

"Die Nachfrage für Kinderurlaub wird sich trotz des demographischen Wandels bis 2015 kaum verändern", prognostiziert Forscher Martin Lohmann von der FUR zuversichtlich. In der Gruppe "Kinder unter 14 Jahren" sind bis 2010 zwar acht Prozent weniger Kids zu erwarten, jedoch wachsen die Ein-Kind-Familien um acht Prozent an und die Gruppe der Alleiner-ziehenden mit Kind um zwölf Prozent. Bei Berechnungen der touristischen Effekte würden sich die Reisen mit Kindern auf 13,2 Mio. reduzieren - immerhin noch ein beachtliches Segment!

Forscher und Eltern sind sich einig: Entscheidend bei der Wahl des Urlaubsziels ist nicht das Land, sondern das kindgerechte Hotel. Das wissen auch die Hoteliers. Familienfreundlichkeit heißt das vermeintliche Zauberwort und soll Auslastung und Umsatz steigern. Doch nicht jedes Domizil, das sich als familienfreundlich verkauft, hält dieses Versprechen. Immer noch beklagen Kinder und Eltern die wenig kindgerechte Ausstattung und fehlende Spielmöglichkeiten.

Was aber macht ein gutes Familienhotel aus? "Großzügige Familienzimmer oder -appartements sind genauso wichtig wie kinderfreundliches Personal und ungezwungene Atmosphäre", weiß Birgit Leimbeck von der Redaktion Eltern und Eltern for family aus zahlreichen Zuschriften und Gesprächen.

Berater Matthias Schenk geht aufgrund seiner zahlreichen Checks bei Familienhotels einen Schritt weiter und hat beobachtet, dass das Leid bereits am Empfang beginnt. "Wohin mit den Kindern nach der langen Autofahrt? Geht man durch ein Hotel mit der Augenhöhe von 50 bis 70 Zentimetern, was sieht ein Kind da? Verwirrung? Orientierung? Hier bin ich willkommen? "Besser wäre ein "Kinderschalter", wo Kinder ohne Hocker, ohne Hochheben mit der Empfangschefin sprechen können und willkommen sind!" Der Experte registriert, dass zahlreiche Gastgeber nicht mehr den eigenen Fähigkeiten vertrauen, auf Designer und sogenannte Fachleute setzen und viel Geld investieren. Heraus käme teils Erschreckendes wie ein zum "Kinderparadies" umgebauter Heizungskeller. Dunkel, muffig, aber bunt. Dort sollen sich dann Animateure mit den quengelnden Kindern abmühen! "Die Hotelbetreiber schauen nicht, hören nicht, riechen nicht", klagt Schenk an. "Denn am Anfang steht immer das Wahrnehmen dessen, was da ist".

Anregungen und Tipps auf dem Weg zum kindgerechten Familienhotel gibt Autor Dieter Kümpers in seinem Buch "Kinder als Gäste" ( http://www.interhoga.de, 29 Euro). Orientierungshilfe und Unterstützung bieten außerdem Hotelkooperationen, Reiseveranstalter und Tourismusverbände. Aber auch Konzepte der Konzern- und Kettenhotellerie zeigen interessante Möglichkeiten auf. Für alle gilt: Strenge Qualitätskriterien, kreative Ideen, starke Partner und glaubwürdige Familien- beziehungsweise Kinderfreundlichkeit verschaffen Marktvorteile. Schaffen Urlaubsfreuden für Groß und Klein.

"Die persönlichen Ansprüche für die gemeinsame Reisezeit steigen beachtlich", hat auch Siggi Neuschitzer beobachtet, Besitzer von "Europas erstem Babyhotel" in Trebesing. "Beispielsweise übernachten nur noch maximal sieben Prozent der Kinder bei uns in den Zimmern der Eltern." Der österreichische Hotelier spezialisierte sich bereits 1982 auf die Zielgruppe Kinder und gehört zu den Gründungsmitgliedern der Hotelkooperation "Die Kinderhotels". Die 1989 in Österreich ins Leben gerufene Gruppe ist der Trendsetter für Familienurlaub. Unter dem Dach dieser Marke fühlen sich 58 Häuser in Österreich, der Schweiz, Liechtenstein, im italienischen Südtirol und in Deutschland gut aufgehoben. "Wir wollen nicht um jeden Preis expandieren, sondern suchen Betriebe, die zu uns passen", beteuert Neuschitzer in seiner Funktion als Pressesprecher und Kooperationschef.

Ein Geschäftsführer und ein fünfköpfiges Beiratsteam führen straff organisiert die Gruppe und managen die Geschäftspolitik der österreichischen Qualitätsmarke. Die Aufnahmekriterien sind dementsprechend umfangreich und streng. Das erzeugt neben Zuwachs auch Fluktuation. Die Häuser werben nicht mit kinder- oder familienfreundlichen Billigangeboten, sondern mit Leistung und Service, heißt es aus der Zentrale in Villach. Beides hat seinen Preis, für Hoteliers und für Gäste.

Die mit drei bis fünf Smileys kategorisierten Häuser verpflichten sich, ihre Leistungen für Erwachsene und Kinder zu Mindestpreisen innerhalb ihrer Kategorie anzubieten. "In unseren Hotels sind Babys und Kinder nicht kostenlos eingeladen", betont Siggi Neuschitzer. "Der Nachwuchs bekommt die gleiche hochwertige Leistung wie Erwachsene garantiert. Das müssen wir entsprechend kalkulieren und anbieten, sonst wäre es eine Mogelpackung". Dadurch unterscheide sich die Kooperation unter anderem von ihren Mitbewerbern, so Neuschitzer.

Die 58 Mitglieder müssen für die Leistungen tief in die Tasche greifen: Bei der Erstaufnahme sind unter anderem für die Überprüfung 1453 Euro und eine einmalige Beitrittsgebühr von 374 Euro pro Erwachsenenbett fällig. Jedes Mitglied zahlt einen jährlichen Sockelbetrag von 2997 Euro, zusätzlich für Werbemittel zwi-schen 33.620 Euro und 65.137 Euro. Insgesamt kann der Vorstand mit einem Budget von 4,8 Mio. Euro arbeiten. So flattern jährlich neun Mio. Prospekte als Medienbeilage ins Wohnzimmer europäischer Familien. Hinzu kommen beispielsweise Kooperationen mit der Airline hlx.com, C&A oder dem Hersteller für Kindersachen, JAKO-O.

Die große Werbekampagne erzeugt nicht nur bei den Eltern große Resonanz. Die Neubichler-Alm im bayerischen Piding gehört als einziges deutsches Hotel bereits seit 1998 zu der österreichischen Kooperation: "Wir erzielen 50 Prozent unseres Umsatzes durch die Mitgliedschaft bei den Kinderhotels", freut sich Inhaberin Christiane Fischer. Das Kindersporthotel ist ganzjährig geöffnet und verbucht eine durchschnittliche Auslastung von 60 Prozent. "Der hohe Bekanntheitsgrad der Marke und die damit verbundene Qualitätsgarantie beschert unserem Haus viele einkommensstarke Familien aus der Münchner und Stuttgarter Region", so Fischer.

Ob die im Katalog garantierten Standards und Serviceleistungen eingehalten werden, kontrolliert einmal jährlich die Firma Prüfwerk und Familien als sogenannte "Mystery Guests". Sie geben ihre Bewertungen ab und sprechen Empfehlungen aus. Die Belohnung für die strengen Richtlinien und Kontrollen: viele Stammkunden und eine durchschnittliche Auslastung von rund 80 Prozent, umgerechnet auf die Öffnungszeiten ( http://www.kinderhotels.com).

Auch die deutsche Hotelkooperation Familotels befindet sich auf Wachstumskurs: Nach eigenen Angaben verzeichnete die Gruppe 2005 einen Rekordumsatz von rund 88 Mio. Euro, ein Plus von neun Prozent gegenüber 2004. Die Zentrale im bayerischen Amerang verbuchte rund zwei Mio. Übernachtungen. Der durchschnittlich erzielte Zimmerpreis pro Nacht lag bei 92 Euro, der Logieumsatz pro verfügbarem Zimmer bei 67 Euro. Die durchschnittliche Auslastung betrug 73 Prozent. Vorstand und Gründungsmitglied Siegfried Prange betont erfreut: "Es ist das beste Jahr, das Familotels je hatte."

Initiator der 1993 gegründeten Kooperation ist Hannes Neusch, Inhaber des Allgäuer Berghofs in Ofterschwang. Bereits seit Anfang der 80er Jahre spielen Kinder dort die erste Geige. Neusch beobachtete schon damals, dass Hoteliers das Attribut "kinderfreundlich" inflationär verwenden. Viele Gastgeber glaubten beispielsweise, Hochstuhl, Lätzchen und Malset seien ausreichend, um Familien mit Kindern zufrieden zu stellen. Neusch war überzeugt, nur mit dem Qualitätssiegel einer Marke dagegen halten zu können. "Eine Kooperation war notwendig, denn ein kleineres mittelständisches Hotel kann allein keine Marke aufbauen", ist Neusch überzeugt.

Zwischenzeitlich setzen 42 Hotels auf die Kraft der Marke, vorwiegend in Deutschland, aber auch in Österreich, Italien, Ungarn und der Schweiz. Die angesprochene Zielgruppe setzt sich zu 90 Prozent aus deutschen Familien zusammen. Drei bis fünf Kronen kennzeichnen die unterschiedlichen Hotelleistungen der Domizile. Auch die Familotels legen großen Wert auf Qualitäts- und Garantieleistungen. Und die überwachen nicht nur große Tester: Im Kinderzeugnis darf der Nachwuchs Service, Personal, Zimmer und Sauberkeit, Betreuung, Restaurant und den Spielplatz bewerten. Die Antworten der Steppkes sind erfrischend und deutlich: "Das Bett war zu hart." oder "Im Draußenschwimmbecken sollte eine Rutsche stehen.". Aber auch der TÜV Rheinland und der Deutsche Kinderschutzbund prüfen die Hotels.

Für den wirtschaftlichen Erfolg sind die Hoteliers selbst verantwortlich. Es gibt keine Mindestpreise, an die sich die Gastgeber halten müssen. Die Kooperation firmiert als AG und wird von einem Vorstand geführt. Die Mitgliedschaft beginnt für beide Seiten zunächst mit einer zweijährigen Probezeit. Die Kosten: 400 Euro im ersten und 500 Euro im zweiten Jahr. Die Teilnahme an den allgemeinen Werbeaktionen ist freiwillig und beginnt bei Kosten von 6950 Euro jährlich für Anzeigen in Beilegern für Magazine wie Eltern, Spielen und Lernen und Geolino. Rund 1,5 Mio. Exemplare erreichen die Endverbraucher. Kooperationen mit Partnern wie Humana, Legoland, WaltDisney Film und aktuell der Vereinigung Top International erhöhen den potenziellen Kundenkreis. Die Mitglieder müssen ab dem dritten Beitrittsjahr voll bezahlen: 2500 Euro für die einmalige Aufnahmegebühr als Vollmitglied, 9000 Euro Jahresgrundbetrag und 90 Euro pro Zimmer jährlich. Doch das rechnet sich, heißt es aus Mitgliederkreisen.

Hotelier Johannes Tigges ist seit 2005 mit von der Partie. Auf seinem "Bauernhof" im Leissletal können Kids auf 2500 Quadratmetern das Zusammenspiel der Natur erleben. Tigges wünschte sich auf seinem "Hof" auch außerhalb der Ferien mehr fröhliche Kinderstimmen. Deshalb trat er bei. "Wir haben es noch keine Sekunde bereut", schwärmt Tigges. Gleich im ersten Jahr sind die Übernachtungen um 20 Prozent gegenüber 2004 angestiegen. Rund 60 Prozent des Neukundengeschäfts erfolgte in den ersten drei Monaten dieses Jahres über die Familotels.

Neu in der Runde, aber kooperationserfahren ist Alexander Borchard. Der Inhaber des Romantik Hotel Borchard´s Rookhus am See registrierte erfreut: "Von Januar bis April haben wir bereits 100 Buchungen von Familien mit einer Aufenthaltsdauer von mindestens einer Woche verzeichnet." Borchard gefallen die inneren Strukturen der Kooperation: Jedes Mitglied kann durch kreative Ideen die Entwicklung der Gruppe mitgestalten. Durch den Erwerb einer Aktie im Wert von 5000 Euro kann der Wahl-Mecklenburger später als ordentliches Mitglied sogar vom wirtschaftlichen Erfolg der Familotels profitieren. Bis 2015 will der Vorstand mindestens 100 europäische Familienherbergen unter dem Markendach vereinen ( http://www.familotel.com).

Geschulte Kinderbetreuung

Damit sich im Urlaub Eltern und Nachwuchs wohl fühlen, bieten beide Kooperationen umfangreiche Betreuung an. Geschultes Personal wie ausgebildete Kindergärtnerinnen, Säuglingsschwestern und Mütter bereits erwachsener Kinder kümmern sich um die kleinen Gäste. Jährliche Schulungen in der eigenen Hotelakademie gehören für die Gastgeber der Kinderhotels zum Pflichtprogramm.

Die Teilnahme an den Weiterbildungen der "Familotel LERNWELT" ist freiwillig. Die Seminare richten sich themenspezifisch an Kinderbetreuerinnen, Animateure, Köche und erfahrene Hoteliers. Gastdozenten sprechen über übergeordnete Themen.

Die Mitarbeiter der Familotels stellen das geschulte Know-how 35 Stunden wöchentlich in der Praxis unter Beweis. "Das ist das unterste Limit für Kinderbetreuung", sagt Initiator Neusch. Clubs für Kids und Teenies mit sinnvoller und vergnüglicher Beschäftigung sind ebenfalls Garantieleistungen. Mindestens 15 Stunden in der Woche kann der Nachwuchs ab sechs Monaten in einer Babygruppe liebevoll betreut um die Wette "krähen". Die Kinderhotels toppen diesen Service: "Unser Babyservice ab dem siebten Lebenstag an sieben Wochentagen ist einmalig", ist Siggi Neuschitzer überzeugt. Spitzenreiter in der Betreuung sind die Fünf-Smiley-Betriebe der Kinderhotels: Ganztägige Kinderbetreuung ab sechs Wochentagen durch mehrere ausgebildete Fachkräfte ist ebenso garantierte Leistung wie mindestens eine Betreuungskraft pro 20 Erwachsenenbetten oder zehn anwesenden Kindern.

Reiseveranstalter im Visier: Die Forscher der FUR kamen zu dem Ergebnis, dass rund 33 Prozent der Familienurlauber das Angebot von Thomas Cook, IST, TUI und Co. nutzen (47 Prozent ohne Kinder). Der Ferienanbieter TUI verzeichnete 2005 knapp 30 Prozent in diesem Segment. Die Profis sind mit dem Konzept "TUI Family" ein starker Partner für Hotelkooperationen, Ferienanlagen und familiengerechte Einzelhotels.

Die Hotelangebote sind in vier Gruppen unterteilt: familiengerechte Anlagen mit TUI Family Logo, familiengerechte Anlagen mit "Baadingoo Kindertreff", TUI "Baadingoo Kinderclub" mit eigener Kinderbetreuung und TUI Familienclub mit Vollbetreuung für Eltern und Kinder. Die Experten fragen bei den Hotels jährlich über 50 Kriterien ab. Dazu gehören möglichst viele Familienzimmer, direkter Strandzugang, Kinderspielmöglichkeiten drinnen und draußen, Kinderbuffet und gesicherter Zugang zu Straßen. Umfassende Betreuungsangebote sind selbstverständlich: "Oft glauben Hoteliers, Kinderanimateure und ein Spielplatz reichen aus. Das sehen wir anders", erläutert Pressereferentin Lara Vitzthum. Spannende Thementage für Eltern und Nachwuchs, kindgerechte Sportangebote, einmal pro Woche ganztägige Kinderbetreuung unter dem Motto "Eltern haben frei" sowie Säuglingskreise sind Voraussetzungen für die Aufnahme in den TUI-Katalog. Zu den deutschen Anbietern gehören Häuser wie das Vier Jahreszeiten Zingst, das Steigenberger Resort Rügen und das Familotel Granfamissimo Bad Mergentheim.

Das TUI-Team unterstützt die Hotels auch bei der Mitarbeiterschulung, berät bei Umbau der Anlage oder erstellt ein Betreuungskonzept für Kinder. Gerald Schmid ist der TUI-Ansprechpartner für alle Interessierten (Tel. 0511-5676515).

Sterne für Kinder ist das Motto der Deutschen Bahn AG. Das Angebot ist für Familien ebenso interessant wie für Hoteliers: Kinder unter 15 Jahren übernachten kostenlos im Zimmer der Eltern, und klassifizierte Betriebe profitieren von der gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit des DEHOGA und der Deutschen Bahn AG ( http://www.hotelsterne.de/kinder).

Dass Kids bei den Hotelbuchungen der Eltern einen großen Einfluss haben und die Kundenbindung an Marken gar nicht früh genug beginnen kann, bestätigen Umfragen von Instituten und Kinderschutzbund. Darauf bauen Budgethotels genauso wie Luxusmarken. Schrittweise setzen auch die Großen auf die Kleinen.

In vielen Häusern schlafen Kinder bis zum 18. Lebensjahr im Zimmer der Eltern kostenfrei. Mit Maskottchen, Kids-Rucksäcken gefüllt mit Malsets und Trinkbechern, kindgerechte Speisekarten, Bademäntel, Kinderbadeschuhe oder Malwettbewerbe wollen Häuser wie das InterContinental und das Swissôtel in Berlin den Aufenthalt versüßen. Und die Holiday Inns laden die Kleinen unter 13 Jahren kostenlos zum Essen ein (siehe AHGZ vom 11. März 2006).

Bei Ritz-Carlton wissen die Experten, wie wichtig sichere Hotelzimmer für Eltern mit Kleinkindern sind. Die Company hat daher weltweit das Programm "P.O.L.O. - Protect our Little Ones" eingeführt. Speziell geschulte Mitarbeiter sichern Schubläden oder Balkone kindertauglich und achten auf Steckdosenschutz und gefährliche Kanten. Klassiker im Restaurant: Healthy Kids Menues.

Die Novotels wollen mit günstigen "Weekend Breaks" von Freitag bis Sonntag nicht nur Eltern etwas Gutes tun, sondern insbesondere den Kindern: Seit 2002 sind sie offizieller Partner des Deutschen Kinderhilfswerks (DKHW). Jedes Jahr feiert Dorint Novotel in Deutschland unter dem Motto: "Kinder feiern für Kinder" den "Dolfi Kindertag". Die Einnahmen kommen lokalen Kindereinrichtungen und dem Kinderhilfswerk mit einer jährlichen Spende von 40.000 Euro zu Gute. "Wir möchten mit unserer kinderfreundlichen Marke besonders bedürftige Kinder unterstützen", verdeutlicht Pressesprecher Marc Schnerr das Engagement der Drei- und Vier-SterneHotels. Das Angebot reicht vom Trinkbecher, Playstation und Geduldsspiel bis zum Kindermenü und wird vom Maskottchen "Dolfi" begleitet. Flexible Frühstücks- und Re-staurant-Öffnungszeiten sowie Abreise am Wochenende bis 17 Uhr runden das Angebot ab. Besonders beliebt bei den Kleinen sind die "Dolfi-Kindermenüs". "Einmal jährlich dürfen kleine Testesser die beliebten Gerichte der Menüs selbst auswählen", berichtet Schnerr. Die Hits der Kids: Hefeklöße mit Heidelbeeren, Gefügel-Nuggets mit Kartoffelecken oder klare Hühnersuppe mit Gemüse- und Buchstabennudeln. In 2005 verkauften die 28 Dorint Novotels in Deutschland über 15.000 dieser Menüs. Tendenz steigend.

Noch enger bindet Hilton International den Nachwuchs an die Marke. Über 400 Kinder sind seit Herbst 2005 Mitglied bei "My little Hilton", so Daniela Heusel, Marketing Communication Manager Central Europe, in der AHGZ über die Nachfrage des Kinderprogramms. Kinderreise-Angebote, kleine Geschenke zu Ostern, Weihnachten und Geburtstagen sowie 50 Prozent Ermäßigung auf das mit Babybett, Spieluhr und Babyfon ausgestattete Zusatzzimmer gehören zum Jungkundenprogramm.

Viele Goodies der Großen für die Kleinen sind nicht neu, aber wirksam: Eltern schätzen insbesondere bei Städtereisen Hotels, in denen auch der Nachwuchs willkommen ist. Vorteil für die Gastgeber: gesteigerte Auslastung an den Wochenenden und Kundenbindung von Kindesbeinen an.

Elke Birke

Von Eltern gewünscht - 10 Tipps für Hoteliers

Birgit Leimbeck, langjährige Leiterin der Reiseredaktion Eltern/Eltern for family

1.großzügige Familienzimmer bzw. -appartements, mit zunehmendem Alter der Kinder auch getrennte Schlafräume für Eltern und Kinder

2.für Kleinkinder entsprechende Ausstattung (Steckdosensicherung, Babybett, Hochstuhl, Babyküche, Wickeltisch, Podest fürs Waschbecken, Babyphone)

3.kinderfreundliches Personal, ungezwungene Atmosphäre

4.kindgerechtes, gesundes Essen in kleinen Portionen, eventuell Kindertisch bzw. Kinderrestaurant

5.Pool bzw. Hallenbad mit Kinderbecken

6.Spielplatz und gut ausgestattetes Spielzimmer

7.professionelle Kinderbetreuung (nach Alter gestaffelt) mit fantasievollem bzw. naturnahem Erlebnisprogramm

8.gemeinsame Aktivitäten für Eltern und Kinder

9. naturnahe, verkehrsarme Lage

10.interessante Ausflugsmöglichkeiten in der näheren Umgebung

Kinder willkommen - 8 Thesen für Familienhotels

Matthias Schenk baut mit über 50 KünstlerInnen, HandwerkerInnen, Pädagogen und Therapeuten das "Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne und des Denkens" auf. Eine Weiterleitung der Ideen und Arbeitsergebnisse des Anthropologen Hugo Kükelhaus (1900 bis 1984). Zurzeit begleitet Schenk Unternehmen wie Banken, Warenhäuser und Gastronomie- und Hotelbetriebe in Deutschland und Österreich ( http://www.schlossfreudenberg).

Tipps für die Hoteleinrichtung von Matthias Schenk:

separate Eingangstür neben dem Haupteingang für kleine Menschen

Lounge für Kinder mit vielen Kissen

Blumenbeete, in denen Kinder Sträuße pflücken dürfen

keine Kinderbücher, keine Ausmalsets - das hat heute jeder

Kasperletheater, Bibliothek im Zimmer, dazu Vorlesesessel und viele große Kissen; Kinderkleiderschrank mit Kleidern zum Verkleiden

Kinderwaschbecken im Bad - keine Hocker, kleine Wasch-Sets für Kinder und große Kuschelbadetücher

Freizeitspaß für die Kinder

Kinder wollen immer öfter erleben, wie es sich anfühlt, wie die Großen im Wellnessbereich zu entspannen. Was gut ist für Eltern, ist auch gut für den Nachwuchs, glauben weitsichtige Hoteliers und entwickeln zunehmend gesundheitsfördernde Angebote für die junge Zielgruppe. Kinder können sich verkrampfte Muskeln lockern lassen, Yoga lernen oder in der Sauna den Schulstress ausschwitzen.

Einer der Trendsetter für Kinderwellness ist das Kinderhotel Sporthotel Achensee in Tirol. Im Kids-Beauty-Center lernen Kinder in Gruppen ab sechs Jahren, wie man sich richtig pflegt, ernährt und bewegt. Das finden insbesondere Mädchen spannend. Das fünftägige Programm mit Massagen, Gesichtsbehandlung und Ernährungstipps ist im Hotelpreis enthalten.

Im Familotel Ulrichshof in Rimbach im Bayerischen Wald können die Kleinen seit drei Jahren in der 50 Grad warmen Kindersauna entspannen, begleitet von einer speziell geschulten Physiotherapeutin oder Papa und Mama. Das ist besonders beliebt, denn auch Eltern wollen verstärkt in der gemeinsamen Ferienzeit die Gesundheit ihrer Kinder stärken. Sie buchen nach einem Entwicklungs-Check-Up beispielsweise ergotherapeutische oder logopädische Erstbehandlungen. Eine Kinderphysiologin geht mit besonders reizüberfluteten Kindern auf eine, von Musik und Märchen begleitete "Traumreise". Das meditative Angebot ist noch neu für die Eltern und wird noch zurückhaltend gebucht. "Wellness ist zwar momentan in, aber für Kinder sehen wir es eher als interessantes Zusatzangebot", sagt Inhaber Ulrich Brandl.

Wellness für Kinder? Ist es nur eine clevere Marketingidee oder Gesundheit stabilisierend und damit sinnvoll für den Nachwuchs? "Viele Schulkinder klagen heute schon über Stresssymptome wie Migräne und verspannten Rücken oder ernähren sich falsch mit zuviel Fast Food", weiß auch Birgit Leimbeck von der Zeitschrift Eltern. Trotzdem sind Wellnessbehandlungen für Kinder in ihren Augen wenig sinnvoll. Eher eine clevere Marketingidee, um die Kunden von morgen heranzuziehen.

Positiver, aber dennoch kritisch kommentiert die Wellnessexpertin Dagmar Rizzato die Entwicklung: "Kinderwellness soll einen gesundheitlich erzieherischen Sinn machen und inhaltlich sowie pädagogisch konzipiert sein". Die Behandlungen sind nicht mit dem Erwachsenenspektrum zu vergleichen. "Hier einfach Kosmetik und Massage anzubieten, entbehrt jeder Sinnhaftigkeit und Professionalität", sagt Rizzato.

Das Kinderhotel Hagleitner in Zell am See bietet im "Family Balance Center" mit Eltern-Kind-Spielraum, Babymassage, Kinder-Tuina-Zentrum und "Family Wellness Center" innovative Anwendungen für Kinder und Eltern an. "Für viele ist die Massagetechnik "Kinder Tuina" nach den Lehren der Traditionellen Chinesischen Medizin noch ein Fremdwort", weiß Direktor Hönigmann. Die spezielle Massage wirkt insbesondere bei Abwehrschwäche, Neurodermitis, Asthma, Verdauungsbe-schwerden und Bettnässen. Diagnose und Massage der Erstbehandlung dauern 45 Minuten und kosten 45 Euro. Eine ausgebildete Therapeutin betreut Kinder ab den ersten Lebenstagen bis hin zur Pubertät und verzeichnet erfreut eine stark steigende Nachfrage.

Die Wellnessprofi des Hotels Zur Bleiche Resort & Spa im Spreewald haben sich ein "Zwergenmenü" ausgedacht. Familie Clausing will zunächst die Neugierde der Kids wecken, während die Großen entspannen: schmecken, riechen und hören, alles ausprobieren ist hier erlaubt. Wie fühlt sich eine Ganzkörperpackung mit Quark und frischem Erdbeermus auf der Haut an? Wie hören sich Traummärchen mit Klangschalen an? Wie duften Ringelblumenöl und frische Ringelblumenblüten aus dem Garten fein einmassiert auf der Haut? Aber auch voltigieren, tanzen mit den drei Pferden, Abenteuerwanderungen über Feld und Wiese sowie Spreewälder Kindertanz gehören zum sinnlichen Erlebnisprogramm. eb

INTERVIEW - "Kinderseelen berühren"

Dagmar Rizzato, international erfahrene Wellness- und Spa Expertin, über den sensiblen Umgang mit Kinderwellness im Zeitalter der sexuellen Übergriffe und der Angst vor Pädophilie.

Der Hotelier: Was ist bei Kinderwellness zu beachten?

Dagmar Rizzato: Grundsätzlich ist bei Kinderwellness zu beachten, welche Altersgruppe angesprochen werden soll.

Welche Abstufungen sind sinnvoll?

Rizzato: Bei den ganz Kleinen, ab Säuglingsalter bis sechs Jahren, eignen sich vor allem Themen für Mutter und Kind. Aber auch kleinkindgerechte Anwendungen, die auf Körperarbeit basieren und nichts mit Cremes zu tun haben.

In der Altergruppe von acht bis zwölf Jahren geht es vielmehr um ein psychologisches Gesamterlebnis zu Körperbewusstsein, Hygiene- und Ästhetikerziehung, Selbstwert und Selbstgefühl. Dies ist auch in Gruppenerlebnissen durchzuführen.

Im jugendlichen Alter ab zwölf Jahren stehen dann Reinigen der Haut, Pflegen der Aknehaut und richtiges Schminken im Mittelpunkt.

Was dürfen die Angebote kosten?

Rizzato: Wenn die Anwendungen wie bei Erwachsenen stattfinden, kann keine Preisreduzierung erfolgen, da die Kostenstruktur dieselbe ist. Auch aus diesem Grund bieten sich erlebnisstärkende Gruppenangebote an. Die sind ganz anders kalkulierbar.

Die Fragen stellte Elke Birke

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Normal ist relativ - Sexuelle Grenzen klar definieren.
DDPTD00020060616e26g000b9
299 Words
16 June 2006
ddp Themendienste
German
(c) 2006 ddp-Wirtschaftsdienst www.ddp.de

Freiburg (ddp). Vor einigen Jahrzehnten bestimmte der Blümchensex das Bettverhalten. Heute nimmt der sexuelle Ausdruck bisweilen seltsame Formen an. Ist denn das noch normal, fragt sich da der eine oder andere angesichts mancher Wünsche seines Partners. «Alles ist normal, was in der Partnerschaft akzeptiert, toleriert und abgesprochen wird», sagt Sabine Pirnay-Kromer, Geschäftsführerin des Informationszentrums für Sexualität und Gesundheit am Universitätsklinikum Freiburg.

«Es ist sehr schwer die Grenzen zu definieren, denn die Qualität der Sexualität ist so unbestimmt wie das Leben selbst», betont die Expertin. Ausschlaggebend sei der Beziehungskontext: «Wenn der eine auf Sado steht, muss der andere auf Maso stehen», sagt die Pädagogin. Die Grenzen verliefen dort, wo der Beziehungspartner die Wünsche seines Gegenübers ablehnt, egal wie gewöhnlich sie sein mögen. Man sollte Fantasien oder Abneigungen ansprechen, den Partner aber zu nichts drängen.

Dennoch gebe es auch absolute Grenzen. Vor allem dort, wo Personen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stünden. «Eigenständigkeit ist Grundvoraussetzung», betont Pirnay-Kromer. Und hier lägen Missbrauch und Pädophilie eindeutig außerhalb des sexuell Normalen.

Anders bei modernen Gepflogenheiten, die früher verachtet waren. Die Intimrasur spiele neuerdings eine große Rolle. "Auch tolerierter Partnertausch und sadomasochistische Praktiken sind im Trend», sagt Pirnay-Kromer. Vor allem habe das mit den Medien zu tun, in denen mit den neuen Darstellungsformen offener umgegangen werde als früher. «Je öfter man über eine Sache spricht, desto normaler wird sie.»

Dennoch sind diese Entwicklungen keine modernen Erscheinungen. «Sexuelle Fantasien und Variantenvielfalt wie im Kamasutra hat es schon immer gegeben», sagt die Pädagogin. Besonders in morgenländischen Kulturen waren sie weit verbreitet. Jedoch müsse nicht praktiziert werden, was normal sei. Besonders Frauen sollten so zeitig wie möglich sagen, was ihnen nicht gefällt. Wenn jemand schweigt, wird er unzufrieden und irgendwann sein Partner auch.

ddp/tin/kge

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Friedliche Homosexuellenparade in Warschau; Europas mässigender Einfluss hinter der Christopher Street Parade spürbar
NEUZZ00020060612e26c00006
695 Words
12 June 2006
Neue Zürcher Zeitung
3
German
Besuchen Sie die Website der führenden Schweizer Internationalen Tageszeitung unter http://www.nzz.ch

In Warschau haben sich am Wochenende Tausende von Lesben und Schwulen am traditionellen Christopher Street Day ein fröhliches Stelldichein gegeben. Die neue, konservative polnische Regierung, die wie die katholische Kirche zur Homosexualität ein belastetes Verhältnis hat, hat sich dem Druck der EU gebeugt und die Kundgebung zugelassen.

U.Sd. Prag, 11.Juni

In Warschau haben am Samstag ungefähr dreitausend Schwule und Lesben sowie Sympathisanten mit einem bunten Marsch durch die Innenstadt für Toleranz und Menschenfreundlichkeit geworben. Bei prächtigem Wetter wiesen die Teilnehmer mit Musik, phantasievoller Verkleidung und Losungen wie «Europa = Toleranz» auf ihre Rechte in einem säkularen Staat hin - sehr zum Missfallen einiger hinterwäldlerischer Gegendemonstranten, die Poster mit der Aufschrift «Verbietet Pädophile» in die Höhe hoben und die Kundgebungsteilnehmer mit den üblichen, hasserfüllten Parolen eindeckten.

Keine Jagdszenen

Dennoch kam es nicht zu Szenen, wie man sie vor einigen Wochen in Moskau erlebt hatte, als Ordnungshüter, Rechtsradikale und militante Orthodoxe gemeinsam Jagd auf ein paar Dutzend Homosexuelle machten, die am Grab des Unbekannten Soldaten an der Kremlmauer Blumen niederlegen wollten. Dies lag primär daran, dass die polnische Polizei, anders als noch in den letzten beiden Jahren, mit einem Grossaufmarsch dafür sorgte, dass die Demonstranten vor der geifernden Aggressivität ihrer militanten Kritiker geschützt blieben. Laut Polizeiangaben wurden 14 Rechtsradikale verhaftet - ein Vorgang, der wohl viele konservative Bürger empörte, die nicht verstehen können, wie man Schwulen und Lesben das Demonstrieren gestatten kann.

Genau daran aber wird sich die polnische Öffentlichkeit und mit ihr die nationalkonservative, von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) der Brüder Kaczynski angeführte Regierung gewöhnen müssen. Nebst dem Antikommunismus ist der Katholizismus das tragende Element dieser sich als dezidiert «moralisch» verstehenden neuen Führung, und verschiedene ihrer Protagonisten haben bereits klar gemacht, dass sie Homosexualität als etwas Unnatürliches empfinden und Mühe haben, Umzüge von Lesben und Schwulen, wie sie in Westeuropa mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden sind, widerspruchslos hinzunehmen. Ein führendes Mitglied der regierenden Liga Polnischer Familien (LPR) hat Homosexualität jüngst sogar als Pädophilie diskreditiert. Der stellvertretende Regierungschef Roman Giertych, Chef der erzkonservativen, euroskeptischen LPR, bezeichnete die Parade als «obszön» und bat die Warschauer Stadtverwaltung, sie zu verbieten.

Umfassende Minderheitsrechte

Diesen Gefallen konnten ihm die Verantwortlichen nicht erweisen, denn der extrem starke Druck aus der «alten» EU, betont noch durch die Teilnahme zahlreicher westeuropäischer Politikerinnen und Politiker am Marsch, sorgte dafür, dass die zunächst zaudernde Regierung einlenkte. Polen ist Mitglied der EU und bekennt sich somit automatisch zu den Minderheitsrechten, die in der Union Geltung haben. Dies wiederum bedeutet, dass die Konservativen keine taugliche Handhabe hatten, um den Marsch zu verbieten, zumal auch das polnische Verfassungsgericht klipp und klar festgestellt hatte, es gebe weder Grund noch Mittel, freie Polen an der Ausübung ihrer verfassungsmässigen Rechte zu hindern. Und so kam es am Samstag zur schönen Ironie, dass ausgerechnet unter einer nationalkonservativen Landesregierung zum ersten Mal eine Schwulen- und Lesbenparade in Warschau mit dem ausdrücklichen Plazet der Behörden stattfand.

Fraglich ist, ob die starke ausländische, vor allem aus Berlin kommende Unterstützung den polnischen Homosexuellen zum Vorteil gereichen wird. Dass sich die Teilnehmer so sichtbar unter den Schutz der EU stellten, könnte in einer Gesellschaft, die zwar das Geld Brüssels, nicht aber den zum Allgemeingut gewordenen europäischen Libertinismus schätzt, eher kontraproduktiv wirken. Anderseits muss sich die polnische Öffentlichkeit langsam daran gewöhnen, dass in einer freien Gesellschaft alle ihre friedlichen Teile, Andersdenkende zuallererst, ihre Rechte haben. Der lautstarke Protest vieler Katholiken gegen Lesben und Schwule ist im Übrigen insofern heuchlerisch, als unzählige von ihnen täglich gegen die römischen Enzykliken verstossen, wenn sie ausser- oder vorehelichen Geschlechtsverkehr betreiben und Kondome benützen.

Kein Anlass zur Panik

Masshalten ist allerdings auf allen Seiten gefordert. Tatsache ist, dass sich die neue polnische Regierung, die manche Westeuropäer etwas gar eilig als üble Pharisäer und Erzkonservative abgestempelt haben, angepasst und die Homosexuellenparade erlaubt hat. Der Einfluss des übrigen Europa ist spürbar geworden, und er wird künftig noch stärker werden. Tatsache ist auch, dass Polens Demokratie nicht gefährdet ist, dass die Medien frei sind und dass das Land keinen seiner Nachbarn gefährdet. Man wird wachsam bleiben müssen, und vor allem Minderheiten werden gut daran tun, ihre Rechte eifersüchtig zu hüten.

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Sarkozy zeigt Unverständnis über Straffreiheit nach Outreau-Skandal
AFPDE00020060611e26b001b9
PW
282 Words
11 June 2006
09:04 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2006 All reproduction and presentation rights reserved.

Paris, 11. Juni (AFP) -

Der französische Innenminister Nicolas Sarkozy hat mit Unverständnis auf die Entscheidung der Justiz reagiert, im Fall des skandalösen Pädophilie-Verfahrens von Outreau keine Disziplinarmaßnahmen zu verhängen. Vor Mitgliedern seiner UMP-Partei zeigte sich Sarkozy am Samstag in Paris "erstaunt" über das am Freitag veröffentlichte Ergebnis der Justizinspektion, derzufolge die Versäumnisse der Justiz in dem Fall keine Maßnahmen gegen Verantwortliche rechtfertigten. Ironisch fügte er hinzu: "Es gibt also keine Verantwortlichen, keine Schuldigen, keine Disziplinarmaßnahmen, sondern nur einige Menschen, die Monate und Jahre im Gefängnis verbrachten, bis sie freigesprochen wurden."

Nach dem "Justizdesaster" werde nun so getan, als sei nichts geschehen, kritisierte der Innenminister. Bei den Franzosen werde die Schlussfolgerung der Justizinspektion auf Unverständnis stoßen: "Wenn man die Franzosen von den Justizinstitutionen entfremden will, muss man nur so weitermachen wie jetzt." Am Freitag war eine Untersuchung der Justizinspektion zu dem Schluss gekommen, dass sich die Justiz in dem Fall "zahlreiche Versäumnisse" zuschulden kommen ließ, dass aber keine Disziplinarmaßnahmen gerechtfertigt seien.

Bereits im Dezember hatte sich Präsident Jacques Chirac, dessen Nachfolge Sarkozy im kommenden Jahr anstrebt, für den schweren Justizirrtum von Outreau bei 13 Menschen entschuldigt, die jahrelang zu Unrecht als Kinderschänder verfolgt worden waren. Bei dem Justizskandal waren zunächst 17 Menschen aus der nordfranzösischen Trabantenstadt Outreau seit Anfang 2001 als Mitglieder eines Ringes von Kinderschändern verdächtigt worden. Vier von ihnen erhielten Strafen von bis zu 20 Jahren, alle 13 anderen wurden freigesprochen.

Die auf Grund von Falschaussagen und irreführenden psychologischen Gutachten zu Unrecht Angeklagten hatten teilweise Jahre unschuldig in Untersuchungshaft gesessen und das Sorgerecht für ihre Kinder verloren. Besonders der Untersuchungsrichter Fabrice Burgaud war ins Kreuzfeuer der Kritik geraten.

pw/jpf

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Angriffe auf Homosexuelle; Volker Beck fordert von Polen mehr Schutzmaßnahmen
SDDZ000020060624e26a000vq
Politik
Von Thomas Urban
365 Words
10 June 2006
Süddeutsche Zeitung
6
German
Copyright 2006 Süddeutsche Zeitung

Warschau – Die Stadt Warschau hat trotz heftiger Proteste nationalistischer Politiker am Freitag ihre Erlaubnis für die „Parade der Gleichheit“ bestätigt. Zu dem Demonstrationszug von Schwulen- und Lesbenorganisationen, der polnischen Grünen sowie mehrerer alternativen Gruppen werden an diesem Samstag tausende Teilnehmer erwartet. Mehrere hundert Demonstranten haben sich aus Berlin angesagt, unter ihnen auch die Grünen-Politiker Renate Künast, Claudia Roth und Volker Beck.

Die Stadt Warschau hat auch eine Gegendemonstration unter dem Motto „Tradition und Kultur“ genehmigt. Allerdings rief Vizepremier Roman Giertych, der die nationalistische Liga der Polnischen Familie (LPR) führt, seine Anhänger dazu auf, dieser Kundgebung fernzu- bleiben. In den vergangenen Jahren hatten Angehörige der „Allpolnischen Jugend“ Teilnehmer der von einem großen Polizeiaufgebot geschützten Parade beschimpft und angegriffen.

Der stellvertretende LPR-Vorsitzende Wojciech Wierzejski, der in der Vergangenheit Homosexuellen Kontakte zur organisierten Kriminalität unterstellte, hatte vor zwei Wochen die Gegner der Parade aufgerufen, den anreisenden Grünen-Abgeordneten eine Tracht Prügel zu verabreichen. Grünen-Chefin Claudia Roth will Wierzejski deshalb wegen Volksverhetzung verklagen. Auch Volker Beck, der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, dem vor zwei Wochen in Moskau bei einer Schwulen- und Lesbenparade Gegendemonstranten eine Platzwunde am Kopf zugefügt hatten, wurde in Warschau scharf angegriffen. In einer Fernsehsendung wurde er von einem zum konservativen Lager gezählten Journalisten als Verfechter der Pädophilie gebrandmarkt. Beck habe in einem Buch dafür plädiert, den gesetzlichen Rahmen für sexuelle Kontakte auf das zwölfte Lebensjahr zu senken. Jedoch hat Beck weder ein Buch geschrieben, noch je diese Position vertreten. Auch hier dürfte auf den Fernsehsender eine Zivilklage zukommen.

Beck forderte vor seiner Abreise nach Warschau im Bayerischen Rundfunk von der polnischen Regierung stärkere Maßnahmen zum Schutz von Schwulen und Lesben. „Gerade aus der Regierungskoalition in Polen gibt es massive Angriffe auf die Rechte von Lesben und Schwulen“, sagte er. Die Diskriminierung von Minderheiten sei durch die EU-Verträge klar untersagt. Die Bundesregierung müsse dagegen in klarer Sprache protestieren, forderte Beck. Er kritisierte die europäischen Regierungen, die sich vor klaren Stellungsnahmen gegen die Diskriminierung Homosexueller in osteuropäischen Staaten scheuten. (Seite 4)

A27408250
Die Grünen Claudia Roth und Volker Beck kritisieren Übergriffe in Polen gegen Schwule und Lesben.Foto: AFP
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Sarkozy zeigt Unverständnis über Straffreiheit nach Outreau-Skandal
AFPDE00020060610e26a001xk
PW
285 Words
10 June 2006
12:48 GMT
Agence France Presse
German
Copyright Agence France-Presse, 2006 All reproduction and presentation rights reserved.

Paris, 10. Juni (AFP) -

Der französische Innenminister Nicolas Sarkozy hat mit Unverständnis auf die Entscheidung der Justiz reagiert, im Fall des skandalösen Pädophilie-Verfahrens von Outreau keine Disziplinarmaßnahmen zu verhängen. Vor Mitgliedern seiner UMP-Partei zeigte sich Sarkjozy am Samstag in Paris "erstaunt" über das am Freitag veröffentlichte Ergebnis der Justizinspektion, derzufolge die Versäumnisse der Justiz in dem Fall keine Maßnahmen gegen Verantwortliche rechtfertigten. Ironisch fügte er hinzu: "Es gibt also keine Verantwortlichen, keine Schuldigen, keine Disziplinarmaßnahmen, sondern nur einige Menschen, die Monate und Jahre im Gefängnis verbrachten, bis sie freigesprochen wurden."

Nach dem "Justizdesaster" werde nun so getan, als sei nichts geschehen, kritisierte der Innenminister. Bei den Franzosen werde die Schlussfolgerung der Justizinspektion auf Unverständnis stoßen: "Wenn man die Franzosen von den Justizinstitutionen entfremden will, muss man nur so weitermachen wie jetzt." Am Freitag war eine Untersuchung der Justizinspektion zu dem Schluss gekommen, dass sich die Justiz in dem Fall "zahlreiche Versäumnisse" zuschulden kommen ließ, dass aber keine Disziplinarmaßnahmen gerechtfertigt seien.

Bereits im Dezember hatte sich Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac, dessen Nachfolge Sarkozy im kommenden Jahr anstrebt, für den schweren Justizirrtum von Outreau bei 13 Menschen entschuldigt, die jahrelang zu Unrecht als Kinderschänder verfolgt worden waren. Bei dem Justizskandal waren zunächst 17 Menschen aus der nordfranzösischen Trabantenstadt Outreau seit Anfang 2001 als Mitglieder eines Ringes von Kinderschändern verdächtigt worden. Vier von ihnen erhielten als Schuldige Strafen von bis zu 20 Jahren, alle 13 anderen waren unschuldig.

Die auf Grund von Falschaussagen und irreführenden psychologischen Gutachten zu Unrecht Angeklagten hatten teilweise Jahre unschuldig in Untersuchungshaft gesessen und das Sorgerecht für ihre Kinder verloren. Besonders der Untersuchungsrichter Fabrice Burgaud war ins Kreuzfeuer der Kritik geraten.

pw/jpf

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Mit gewalttätigen Übergriffen wird gerechnet
STUGTR0020060610e26a00012
Politik
415 Words
10 June 2006
Stuttgarter Zeitung
4
German
(c) 2006, Stuttgarter Zeitung Ansprechpartner: 0049-711-7205-782

Ausländische Politiker unterstützen Gleichheitsparade von Polens Homosexuellen in Warschau

WARSCHAU (tro). Für Toleranz und Menschenrechte wird heute die "Gleichheitsparade" der polnischen Homosexuellen durch das Zentrum der Hauptstadt Warschau ziehen. Mehrere rechtsextreme Gruppierungen haben Proteste angekündigt.

Der heutige Staatspräsident Lech Kaczynski hatte die Parade der Homosexuellen als Bürgermeister von Warschau in den vergangenen zwei Jahren verboten. In diesem Jahr findet die Veranstaltung erstmals seit drei Jahren wieder legal statt. Zur Unterstützung der sorgengeplagten Minderheit haben außer linken und liberalen Oppositionsparteien auch zahlreiche ausländische Politiker ihre Teilnahme an der Parade zugesagt.

"Menschenrechte, die nicht für alle gelten, sind keine Menschenrechte", begründete am Freitag der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck seine Reise nach Warschau. Er nimmt zusammen mit den Grünen-Politikerinnen Claudia Roth und Renate Künast an der Demo teil. Beck erinnerte an die Übergriffe auf die Teilnehmer der verbotenen Schwulenparade in Moskau Ende Mai, denen er selbst zum Opfer fiel: Der Verlauf der Parade werde zeigen, ob Polens Regierung mit der Tolerierung rechtsextremer Gewalt Putins Russland nacheifere oder friedliche Demonstranten schütze.

Im Vorfeld der Parade hatte vor allem die rechtsklerikale Regierungspartei LPR Stimmung gegen "Päderasten und Abartige" gemacht: Der stellvertretende LPR-Vorsitzende Wojciech Wierzejski hatte gar den Einsatz von Knüppeln gefordert. Kurzfristig sagte der LPR-Ableger Allpolnische Jugend seinen ursprünglich zeitgleich mit der Parade geplanten "Marsch der Kultur und Tradition" allerdings wieder ab. Zwar sei die "Manifestation der Obszönitäten" ein Skandal, doch sollten die Bürger in Ruhe den WM-Sieg Polens feiern und sich auf weitere Erfolge in der nächsten Woche vorbereiten können, begründete der LPR-Chef Roman Giertych die Entscheidung mit der vermeintlichen Sorge um die Sicherheit. Sprecher von Homosexuellen-Organisationen bewerteten den scheinbaren Kurswechsel der LPR indes als rein taktisches Manöver. Der Traditionsmarsch sei von Anfang an als Konfrontation gegen die Parade gedacht gewesen. Da kurzfristig die geplante Route verändert wurde, um den rechtsextremen Marsch zu vermeiden, habe dieser für deren Organisationen seinen "Sinn verloren".

Beobachter schlossen indes nicht aus, dass die LPR wegen des katastrophalen internationalen Presseechos von ihren Koalitionspartnern zur Absage des Traditionsmarschs genötigt wurde. Nicht nur weil die "Nationalistische Wiedergeburt Polens (NOP)" mit Kundgebungen für das "Verbot der Pädophilie" die Parade zu stören hofft, rechnen Polens Homosexuelle indes wieder mit gewalttätigen Übergriffen. Presseberichte, wonach aus Deutschland "Schwulenkämpfer" einreisen würden, die auf Auseinandersetzungen aus seien, bezeichnete Robert Biedron, der Sprecher der "Kampagne gegen Homophobie" als unwahr: "Die Parade wird friedlich, fröhlich und ohne Exzesse über die Bühne gehen. Wir wollen zeigen, dass Homosexuelle ein Teil der Gesellschaft sind."

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Angriffe auf Homosexuelle; Volker Beck fordert von Polen mehr Schutzmaßnahmen
SDDZ000020060610e26a0005g
Politik
Von Thomas Urban
365 Words
10 June 2006
Süddeutsche Zeitung
6
German
Copyright 2006 Süddeutsche Zeitung

Warschau – Die Stadt Warschau hat trotz heftiger Proteste nationalistischer Politiker am Freitag ihre Erlaubnis für die „Parade der Gleichheit“ bestätigt. Zu dem Demonstrationszug von Schwulen- und Lesbenorganisationen, der polnischen Grünen sowie mehrerer alternativen Gruppen werden an diesem Samstag tausende Teilnehmer erwartet. Mehrere hundert Demonstranten haben sich aus Berlin angesagt, darunter Spitzenvertreter der Grünen: Renate Künast, Claudia Roth und Volker Beck.

Die Stadt Warschau hat auch eine Gegendemonstration unter dem Motto „Tradition und Kultur“ genehmigt. Allerdings rief Vizepremier Roman Giertych, der die nationalistische Liga der Polnischen Familie (LPR) führt, seine Anhänger dazu auf, der Demonstration fernzu- bleiben. In den vergangenen Jahren hatten Angehörige der „Allpolnischen Jugend“ Teilnehmer der von einem großen Polizeiaufgebot geschützten Parade beschimpft und angegriffen.

Der stellvertretende LPR-Vorsitzende Wojciech Wierzejski, der in der Vergangenheit schon die Verbindungen von Homosexuellen zur organisierten Kriminalität untersuchen lassen wollte, hatte vor zwei Wochen die Gegner der Parade aufgerufen, den daran teilnehmenden Grünen-Abgeordneten mit Knüppeln eine Tracht Prügel zu verabreichen. Grünen-Chefin Claudia Roth will Wierzejski deshalb wegen Volksverhetzung verklagen. Auch Volker Beck, der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, dem erst vor zwei Wochen in Moskau bei einer Schwulen- und Lesbenparade Gegendemonstranten eine Platzwunde am Kopf zugefügt hatten, wurde in Warschau scharf angegriffen. In einer Fernsehsendung wurde er als Verfechter der Pädophilie gebrandmarkt. Beck habe in einem Buch dafür plädiert, den gesetzlichen Rahmen für sexuelle Kontakte auf das zwölfte Lebensjahr zu senken. Jedoch hat Beck weder ein Buch geschrieben, noch je diese Position vertreten. Auch hier dürfte auf den Fernsehsender eine Zivilklage zukommen.

Beck forderte vor seiner Abreise nach Warschau im Bayerischen Rundfunk von der polnischen Regierung stärkere Maßnahmen zum Schutz von Schwulen und Lesben. „Gerade aus der Regierungskoalition in Polen gibt es massive Angriffe auf die Rechte von Lesben und Schwulen“, sagte er. Die Diskriminierung von Minderheiten sei durch die EU-Verträge klar untersagt. Die Bundesregierung müsse dagegen in klarer Sprache protestieren, forderte Beck. Er kritisierte die europäischen Regierungen, die sich vor klaren Stellungsnahmen gegen die Diskriminierung Homosexueller in osteuropäischen Staaten scheuten. (Seite 4)

A27407634
Die Grünen Claudia Roth und Volker Beck kritisieren Übergriffe in Polen gegen Schwule und Lesben.Foto: AFP
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Das Recht aufs Händchenhalten; An diesem Wochenende findet in Warschau die Parade der Gleichheit statt: Wie Schwule und Lesben in Polen leben, während der Präsident hetzt.
SDDZ000020060610e26a0005z
SZ Wochenende
von Jens Bisky
1688 Words
10 June 2006
Süddeutsche Zeitung
ROM3
German
Copyright 2006 Süddeutsche Zeitung

In der „Voliera“ kann man an Berlin irrewerden. Das gerühmte Nachtleben, die hauptstädtische Schwulenszene, das Getue und Klagen, die müden Eitelkeiten und die aufwändige Suche nach dem Ich, das Dazugehören- und dennoch Besonders-sein-Wollen – all das erscheint plötzlich wie ein leer laufender, in Routine erstarrter Betrieb, der nicht so recht weiß, was sein Witz ist.

Die Diskothek „Voliera“ liegt in Poznan, zweieinhalb gemütliche Zugstunden von Berlin entfernt. Jarek hat mich hierher geführt, ein Kerl von Ende vierzig, mit frechen, immer Blickkontakt suchenden Augen. Er ist hier geboren und nie länger fort gewesen. Seit Stunden sind wir um den Alten Markt herumgeschlichen, durch Bars und Klubs gezogen, vorbei an küssenden, kuschelnden, fummelnden Paaren. So wie in Poznan würde es in Leipzig heute wohl aussehen, hätte es nicht die Milliarden für den Aufbau Ost gegeben: mit einem strahlend restaurierten Zentrum und verfallenden, schäbigen Altbaufassaden in vielen Seitenstraßen, mit verhärmten Gesichtern unter den Älteren – es ist nicht leicht, sich im neuen Polen zu behaupten – und dennoch mit ungebremster Lebenslust. Es ist als bekäme man ein Aufputschmittel, eine Energiespritze, wenn man an einem warmen Abend durch Poznan streift.

Kurz vor Mitternacht gehts raus aus dem Zentrum, vorbei am Schlachthof, in dem nicht mehr geschlachtet wird, hin zu einer Reihe flacher Laden- und Lagerbaracken. Noch muss man nicht anstehen, um hineinzukommen in den riesigen Raum. Zuerst sehe ich, als wäre die Welt ein Comic, „Dick“ und „Dünn“ auf dem gewölbten Tresen tanzen. Der Lange mit den schwarzen Locken und der athletischen Figur wirft der Menge blasierte Blick zu, der kleine Kurzhaarige neben ihm bewegt sich, als gäbe es nichts außer ihm. Es läuft „Cheri, cheri lady“ von Modern Talking. „Das ist von euch“, ruft Jarek. Es kann einem sauer werden, als Botschafter deutscher Kultur herumzufahren.

Ausgefallen oder chic ist nichts an der Ausstattung: Barhocker, Matten, Sofas, Kissen, ein Podest zum Tanzen in der Mitte und kleinere Podeste an den Seiten. Gegenüber des Tresens, an der anderen Seite des Saals, hinter einer Bretterwand, liegt wie das Allerheiligste, der Darkroom: dunkel, kalt und leer. „Da tut sich nie was“, sagt Jarek und schaut dabei so undurchdringlich, dass man nicht wissen kann, ob er das begrüßt oder bedauert. Dann lacht er unvermittelt auf: „Lubie sex jak kon owies“. Ich habe den Satz schon oft gehört. „Ich mag Sex wie ein Pferd Hafer“ – eine Abgeordnete der rechten Bauernpartei „Samoobrona“, die inzwischen mitregiert, ist damit als Dummerchen populär geworden.

Katholizismus hin oder her, Polen ist nicht prüde. Am Bahnhofskiosk liegen, gut sichtbar für Kinderaugen, Pornohefte zum Verkauf. Die Scheidungsrate und die Abtreibungszahlen haben längst westeuropäisches Niveau erreicht. In größeren Städten gibt es Sexshops, auch für Schwule, Saunen, Bars und Clubs.

Ob ich, fragt Jarek, Madame Kaczynski mal gesehen hätte, die Frau des Präsidenten. Wie die rumlaufe, da schäme man sich doch, schließlich seien Eleganz und Schönheit der Polinnen doch selbst in sozialistischen Zeiten Legende gewesen.

Das Ehepaar Kaczynski sei einfach peinigend. Es passe nicht zu Polen. Sündenböcke können ganz schön arrogant sein. Immerhin hat Kaczynski manchen meiner Berliner Bekannten das Weltbild gerettet: tumb, konservativ und nationalistisch, so haben sie sich unsere Nachbarn doch schon immer vorgestellt. Wenn sie wüssten, dass der Präsident manchmal mit der polnischen Grammatik kämpft, würden sie sich noch mehr bestätigt fühlen, die Ahnungslosen.

Auf jeden Fall bezahlt der Präsident seinen homophoben Größenwahn mit bösartiger Nachrede. Sein Zwillingsbruder, Jaroslaw, auch er Politiker der „PiS“ (Recht und Gerechtigkeit) lebe allein mit Mutter und Katze. Jarek blinzelt, ob ich verstanden habe: Jaroslaw Kaczynski sei „einer von uns“. Das ist mir egal, aber die Genugtuung kann ich gut verstehen, die polnische Schwule aus dem Gerücht beziehen. Im März 2006 hat Kaczynski seine Diskriminierung der Schwulen an der Humboldt-Universität verteidigt. Seine Logik hat etwas Sozialistisches: Wenn Schwule sich verstecken, unsichtbar bleiben, dann gibt es sie auch nicht. Wenn sie sich zeigen, muss man sie mit aller Macht zwingen, sich wieder zu verstecken.

Jarek kann sich gut an die Jahre erinnern, als es in der Stadt mit 580 000 Einwohnern nur heimliche Treffpunkte gab. Vor kurzem hat er sich unter seinen Arbeitskollegen geoutet und ist überraschenderweise auf Verständnis gestoßen. Man kennt ihn schon so lange. Und nun will Kaczynski, ein Mann der alten „Solidarnosc“, wieder Verhältnisse wie unter Jaruzelski herstellen.

Der Lange steigt vom Tresen, es ist Serge, den es aus Moldawien nach Poznan verschlagen hat. Er langweilt sich, immer dieselben Gesichter, Provinz. Das mag stimmen. Alles Grelle, Übertriebene fehlt, auch der Körperkult, dem in Berlin oder München so viel geopfert wird, hat sich noch nicht richtig durchsetzen können. Dafür scheint es dem Berliner hier nicht so bemüht und verkrampft. Hier ist nicht jeden Tag alles zu haben und schon deshalb hat man gute Laune, wenn man ausgeht. Man amüsiert sich, während es in Berlin oft so aussieht, als müsse die Zeit verbissen totgeschlagen werden. Aber ist es nicht herablassend, Serge zu erklären, wie lebendig es in der „Voliera“ zugeht, wie gut es der Stimmung bekommt, dass viele Heteropärchen und beste Freundinnen gekommen sind. „Wenn das ein schwuler Club ist“, hatte Jarek stolz gesagt, „dann ist ganz Poznan schwul!“

Am Nachmittag hatte er mir den Platz der Novemberdemonstration gezeigt, gleich in der Nähe der alten Brauerei aus dem neunzehnten Jahrhundert, die zu einem Einkaufs- und Kulturzentrum umgebaut wurde. Zum „Internationalen Tag der Toleranz“, im November 2005 haben sich dort etwa 500 Demonstranten versammelt, um gegen die Diskriminierung von Minderheiten, von Behinderten, Farbigen, Schwulen und Lesben zu protestieren. Die Rechte erhob Einspruch, der Marsch wurde verboten, man traf sich dennoch, wurde von Skinheads attackiert und von der Polizei eingekesselt, die etwa 100 Personen brutal verhaftete.

Polen hat eine Liberalisierung in unvorstellbarer Geschwindigkeit hinter sich, und keiner wird deren Fortgang aufhalten können. Gegen die Macht des Geldes, die zersetzende Kraft der Marktwirtschaft, den Relativismus der Unterhaltungsindustrie kommen die Traditionalisten nicht an. Die Homophobie ist eine ihrer letzten Hoffnungen, ein letztes Aufbäumen. Man ist durchaus stolz, schwulenfeindlich zu sein. Das ist was Besonderes, ein Thema, bei dem man sich von der EU nicht reinreden lassen will. Darauf setzen Kaczynskis „PiS“ und die „Liga der polnischen Familien“, nebst ihrer antisemitischen Krawalltruppe, der „Allpolnischen Jugend“.

Als ich Jan danach frage, der mit 26 gerade sein Jurastudium abgeschlossen hat, verdreht er die Augen: „Bornierte Bauern, Leute aus dem Osten. Die kennen nur eins: rasch heiraten, Kinder zeugen, und dann haben sie die Wahl zwischen Auto putzen oder Frau verprügeln“. Die polnische Rechte gilt ihm als Zusammenrottung der Verlierer, der Daheimgebliebenen. Er hat auch in Berlin studiert, sein Freund wohnt dort. Demnächst will er nach Brüssel oder Paris. Aber man muss als Pole kein Akademiker sein, um einen europäischen Lebenslauf vorweisen zu können. Rafal, der in „Voliera“ seine wilden Jahre verbrachte, ist mit Mitte zwanzig mit nichts als einem Rucksack nach England gegangen, hat dort gekellnert und sich dann in Berlin niedergelassen. Dort schuftet er heute für wenig mehr als den Mindestlohn, allerdings ohne Krankenversicherung. „Jetzt bin ich im Exil“, erklärte er knapp, nachdem Kaczynski die Präsidentenwahl endgültig gewonnen hatte. Mir klang das damals zu theatralisch. Ich hielt es schlicht für übertrieben.

Die letzten Monate haben Rafal Recht gegeben. An die Direktoren der Bildungsanstalten wurden Broschüren über das Problem der Homosexualität verteilt, in denen zu lesen steht, dass Schwule Oralsex praktizieren, um sich Blut einzuverleiben. Dutzende Male ist Homosexualität mit Nekrophilie und Pädophilie gleichgesetzt worden. Für Drogen, AIDS und Mafia werden die Schwulen verantwortlich gemacht. Den Warschauer Club „Le Madame“ hat man geschlossen, weil Schwule dort mit Künstlern und Linken feierten. Einem schwulenfreundlichen Bürgerrechteler wurde in Warschau mal ein Messer in den Leib gerammt. Während der Tage der Toleranz in Krakau schmissen die Jungs von der „Allpolnischen Jugend“ Steine auf demonstrierende Mädchen, der Sejm-Abgeordnete Wojciech Werzejski von der Regierungspartei „Liga polnischer Familien“ rief dazu auf, die Demonstranten des Warschauer „Christopher Street Day“ mit Knüppeln zu empfangen und ordentlich durchzuprügeln. Da Feigheit zur Homophobie gehört, hat er seine Worte halb zurückgenommen. Aber die Botschaft ist angekommen.

Diesen Samstag nun werden sich in Warschau zwei Demonstrationszüge in Bewegung setzen, beide genehmigt, beide auf derselben Strecke, aber in aufeinander zu marschierend. Irgendwann werden sie einander auf dem Rondo de Gaulle gegenüberstehen: die Teilnehmer der „Parada Rownosci“, der Parade der Gleichheit, und die Teilnehmer des „Marsches der Tradition und Kultur“, zu dem die „Allpolnische Jugend“ gerufen hat. Das erinnert an „Casablanca“, wo die einen die „Wacht am Rhein“ intonieren, und die anderen die „Marseillaise“ anstimmen. Aber es ist nicht gewiss, ob es in Warschau beim Gesangswettstreit bleibt. Wer heute in Polen Schwule attackiert, weiß, dass die Regierung hinter ihm steht, sieht sich als Vollstrecker des Mehrheitswillens, als Held des polnischen Nationalstolzes.

Kämen nicht Hunderte aus Berlin, Hamburg, London und den USA nach Warschau, würde sich wohl keiner darum scheren. Die europäische Öffentlichkeit hat man sich immer als Podiumsdiskussion ergrauter Philosophen vorgestellt und beklagt, dass es sie nicht gäbe. Jetzt entsteht sie, weil an der Wisla ein paar Schwule demonstrieren und feiern wollen.

In der „Voliera“ interessiert das wenig. Man ist jung und entschlossen, die Nacht zu nutzen. Die Generation der 35- bis 45-Jährigen fehlt dabei nahezu vollständig. Sie hat Polen verlassen oder sich dem Zwang zum Doppelleben gebeugt. Bevor ich in die Nacht hinausgehe, werde ich wieder einmal mit Ratschlägen versorgt. Ich kenne sie alle und habe die Umsicht doch vor Jahren schon verlernt: Keinem hinterher schauen, nicht küssen, nicht umarmen, erotisch desinteressiert und machohaft auftreten. Es gibt ein normales schwules Leben in Polen, aber die Angst ist immer dabei, die Sorge, aufzufallen und zusammengeschlagen zu werden. Eines Tages, sagt Jan zum Abschied, will er mit seinem Freund händchenhaltend durch Poznan gehen, ohne sich umschauen zu müssen. Noch lieber würde er nach Berlin ziehen.

A27407730
Man ist sehr jung in diesem Land, und man ist gewillt, seine Macht zu nutzen. Die Generation der 35- bis 45-Jährigen, sie fehlt dabei nahezu schon vollständig. Sie hat das Land verlassen oder sich dem Zwang zum Doppelleben gebeugt. Unser Bild entstand im Mai dieses Jahres bei einer Demonstration von Lesben und Schwulen für Gleichberechtigung – in Krakau. Foto: Trzcinski/LAIF
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Ein EU-TÜV für Polen
TAZ0000020060609e26a00053
Themen des Tages
JAN FEDDERSEN
700 Words
10 June 2006
taz - die tageszeitung
taz
4
German
(c) 2006 taz, die tageszeitung

Die heutige Homosexuellen-Parade in Warschau wurde dank internationaler Hilfe – auch von der Kanzlerin – erlaubt

AUS WARSCHAU JAN FEDDERSEN

Vor einem Jahr war er noch Bürgermeister der polnischen Hauptstadt, nun ist Lech Kaczynski Präsident des östlichen Nachbarn der Bundesrepublik. Und er profiliert sich politisch wie eh und je als ein ordokonservativer Tugendwächter, der jedwede Toleranz Homosexuellen gegenüber, so sie denn öffentlich sich selbstbewusst zeigen, nicht gelten lassen möchte. Unter seiner Ägide wurde in Warschau zweimal eine CSD-Parade verboten – jeweils mit dem Hinweis, die Teilnehmer an diesen, wie sie offiziell hießen, Märschen für Toleranz propagierten eine Lebensweise, die für öffentlichen Aufruhr sorge. In der Berliner Humboldt-Universität sprach er zu Jahresfrist unumwunden von der Nutzlosigkeit der Homosexualität als solcher – weil sie keinen Nachwuchs zeuge.

Es ist der polnische Zeitgeist, den der amtierende Präsident, gewählt von einer Allianz von Wendeverlierern, kulturellen Modernisierungslosern und katholoiden Eiferern, verkörpert: Kaczynski ist kein ideologischer Solitär. Voriges Jahr, als trotz des CSD-Verbots ein Umzug stattfand, wurde zeitgleich ein Aufmarsch der militanten altpolnischen Jugend erlaubt – CSD-Mitgänger wurden attackiert, darunter Grünenchefin Claudia Roth. Polen hätten, wird aus dem Umfeld konservativer Politiker erklärt, nichts gegen Homosexuelle – aber diese dürften das Land nicht zu einem Sodom und Gomorrha machen.

Dass dieses Jahr der CSD zelebriert werden kann, ist zunächst der wütenden Arbeit von Homosexuellen wie Tomasz Baczkowski zu danken. Gerade er warb in Berlin, dem Dorado für polnische Lesben und Schwule, um Hilfe. Und die sollte er erhalten, auch jenseits grüner Aktivitäten. Der vor kurzem gegründete Warschauer Pakt 2006, als dessen Schirmmenschen Holger Wicht von der Berliner Siegessäule sowie die TV-Promis Thomas Hermanns und Georg Uecker vorstehen, trommelt seit Ende April in Deutschland für eine Reise nach Warschau an diesem Wochenende, um, wie Uecker sagte, „diese Stadt einem EU-TÜV zu unterziehen”.

Anders als in der Bundesrepublik, wo ein CSD Teil eines postmodernen Lifestyles wurde, ist eine Demonstration für gleiche Rechte Homosexueller in Warschau eine echte Mutprobe – nicht Wattebäusche fliegen dort, sondern häufig Steine, wie bei der Attacke von Nationalisten vor Wochen in Moskau gegen eine Homoparade, bei der unter anderem der grüne Politiker Volker Beck verletzt wurde. Überraschenderweise wurde die CSD-Parade in Warschau nun vor einer Woche erlaubt – auch einigten sich Behörden wie Organisatoren des Umzugs auf eine andere, nicht minder öffentlichkeitswirksame Route. Zugleich wurde der Hassmarsch der Rechten nicht genehmigt: ein Sieg der liberalen Kräfte, auch aus dem Ausland. Und zu ihm mag auch eine Initiative der Bundeskanzlerin beigetragen haben.

In einem Brief an Thomas Birk, grüner Abgeordneter im Berliner Landesparlament, teilte das Kanzlerinnenamt mit, man nehme die Sorge um die Warschauer Demonstration ernst. Die dortigen Stellen wurden gebeten, diesen Sorgen Rechnung zu tragen. Wörtlich heißt es: Die Bundesregierung habe für die am „10. Juni in Warschau geplante Parade der Toleranz gegenüber der polnischen Regierung die Bedeutung der Sicherheit aller Teilnehmer unterstrichen. Die polnische Regierung hat versichert, dieser Frage besondere Aufmerksamkeit zu schenken.” Eine Geste, die umso dringlicher auf die polnische Nomenklatura gewirkt haben muss, als die deutsche Regierung nicht mehr, wie früher von Kaczynski, als „lediglich rot-grün” abgetan werden kann.

Die Kulturwissenschaftlerin Bozena Choluj (siehe Interview) versteht die Wut auf Homosexuelle als Symptom. Sie seien die Sündenböcke für das Leid an den sozialen Verwerfungen seit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Es sind Menschen, die als unpolnisch gelten, als unmännlich, einer Sexualität anhängen, welche nicht auf Reproduktion setzt und damit dem selbst gefärbten Bild vom Polen als gutem Katholiken, stets opferbereit und doch verfolgt, Schaden zufügt.

Und dies sind die Folgen: Nicht allein, dass eine queere Kneipe wie das „Le Madame” nach einem Polizeieinsatz schließen musste, weil dort angeblich Pädophilie gefördert würde. Nicht nur, dass offen auftretende Schwule außerdem gewisser Viertel Warschaus ihr Land als No-go-Area nehmen müssen: Der neue Bildungsminister Roman Giertych von der rechtsradikalen Liga polnischer Familien fordert weiter, die Demo zu verbieten – was ihm misslang. In seinem Machtbereich, vielleicht ebenso gravierend, hat er am Donnerstag Miroslaw Sielatycki, den Leiter des Zentralen Lehrerfortbildungszentrums CODN, gefeuert. Giertych war zu Ohren gekommen, dass die CODN in ihren Medien Schulen ermuntere, sich mit Vertretern von Homoorganisationen zu treffen – was scherte es ihn, dass diese Veröffentlichung auch mit Geldern des Europarates finanziert wurde.

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Pädophile gründen eine Partei
TAZ0000020060608e2690001t
Ausland
RUTH REICHSTEIN
430 Words
09 June 2006
taz - die tageszeitung
taz
9
German
(c) 2006 taz, die tageszeitung

Niederländische Organisation fordert straffreien Sex ab 12. Noch ist sie nicht registriert

BRÜSSEL - taz ■ „Nächstenliebe, Freiheit und Vielfalt”, kurz NVD, nennt sich eine neue Partei in den Niederlanden. Hinter dem harmlos klingenden Namen verbirgt sich ein Zusammenschluss von Pädophilen, die unter anderem fordern, Sex mit Jugendlichen ab zwölf Jahren straffrei zu machen. Das Parteiprogramm, das vor ein paar Tagen in Den Haag vorgestellt wurde, birgt noch andere, ähnlich abenteuerliche Forderungen. So sollen zum Beispiel Pornofilme mit Jugendlichen, die mindestens 16 Jahre alt sind, erlaubt werden. „Pornos sind nicht schädlich”, heißt es in dem Parteiprogramm. Der Besitz von Kinderpornos soll ebenfalls erlaubt werden und die Jahresgrenze von 16 Jahren auch für Prostituierte gelten.

„Wir sind nicht alle wie Dutroux. Es ist an der Zeit, das Bild der Pädophilen zurecht zu rücken”, sagte der Gründer der Partei, Ad van den Berg. Marc Dutroux hatte in den 90er-Jahren mehrere minderjährige Mädchen in Belgien entführt, vergewaltigt und teilweise getötet. „Wir sind ehrlich, idealistisch und nehmen kein Blatt vor den Mund”, heißt es dagegen im NVD-Parteiprogramm. Kinder vor Sexualität zu schützen, sei in unserer Gesellschaft nicht möglich. Deshalb müssten sie früh aufgeklärt und der sexuelle Kontakt mit ihnen erlaubt werden, heißt es weiter. Das gelte allerdings nicht für „gefährliche” Praktiken. Aber die Partei will nicht nur Kinderpornos fördern. In ihrem Parteiprogramm fordern die Gründer auch eine aktive Diskriminierung von Nichtniederländern und die Legalisierung aller – auch harter – Drogen. Darüber hinaus soll es jedem frei stehen, sich in der Öffentlichkeit nackt zu bewegen.

Die Gründer der Partei kommen aus dem Umfeld der Pädophilenvereinigung „Martijn”, die sich in den Niederlanden, aber auch darüber hinaus, dafür einsetzt, dass Pädophilie gesellschaftlich anerkannt wird.

Vor allem im Ausland rief die Ankündigung der Partei Protest hervor. Besonders heftig reagierten die Belgier, die noch gut die schrecklich Taten des Mädchenmörders Dutroux im Gedächtnis haben. „Eine solche Partei wäre in Belgien undenkbar”, sagte Dirk Depover von der Organisation für entführte Kinder „Child Focus”. „Aber in den Niederlanden besteht eine lange Tradition, Pädophile zu verteidigen.”

In Deutschland wurde im Internet bereits eine Unterschriftenaktion gegen die Partei gestartet. Die Niederländer sehen das gelassener. Jeder vierte Niederländer gibt an, dass ein Verbot der Partei eine unzulässige Zensur wäre.

Dennoch macht sich auch in Holland Widerstand breit: Mitglieder des niederländischen Parlaments haben bereits den Justizminister aufgefordert, zu untersuchen, ob eine solche Partei nach der niederländischen Verfassung überhaupt zugelassen werden darf. Noch hat die Partei keinen offiziellen Antrag auf Registrierung gestellt. Deshalb ist es nicht sicher, ob die Partei tatsächlich an den Wahlen im kommenden Jahr teilnehmen kann. RUTH REICHSTEIN

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WDHLG-Nach Justizskandal in Frankreich -Ausschuss fordert Reform
FDG0000020060607e2670008k
222 Words
07 June 2006
04:33 GMT
Reuters - Nachrichten auf Deutsch
German
(c) 2006 Reuters Limited

Paris, 06. Jun (Reuters) - In Frankreich werden die Rufe nach einer Justizreform lauter, nachdem mehrere Unschuldige unter dem Verdacht der Pädophilie monatelang im Gefängnis saßen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss nahm am Dienstag einen Bericht an, in dem eine umfassende Änderung des noch aus Napoleonischer Zeit stammenden Justizsystems gefordert wird. Der Ausschuss war nach der Aufdeckung des so genannten "Outreau-Skandals" eingesetzt worden. Die Anhörungen wurden im Fernsehen übertragen und von der französischen Öffentlichkeit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, weil dort die 13 Justizopfer ihr Schicksal schilderten.

In der nordfranzösischen Stadt Outreau waren sie unter dem Verdacht der Pädophilie inhaftiert, später aber von einem Berufungsgericht frei gesprochen worden. In der ersten Instanz sei das Urteil aufgrund widersprüchlicher und auch manipulierter Beweise gefällt worden, urteilte das Gericht. Der vermeintliche Pädophilen-Ring entpuppte sich schließlich als ein Fall von Inzest begrenzteren Ausmaßes. Präsident Jacques Chirac hatte sich in ungewöhnlicher Weise öffentlich für den Justizirrtum entschuldigt. Im Zentrum der Kritik stand ein junger und unerfahrener Richter, der sein korrektes Verhalten beteuert.

Nach den nun vom Parlamentsausschuss gebilligten Vorschlägen sollen die Rechte der Angeklagten gestärkt und das Rechtssystem transparenter gemacht werden. Die Vorschläge sind bereits öffentlich bekannt, die Entscheidung des Untersuchungsausschusses soll am 13. Juni vorgestellt werden.

ahl/sfi

FRANKREICH/JUSTIZ/REFORM|LANGDE|GERT|SWI|OE|GEA|DNP
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Nach Justizskandal in Frankreich - Ausschuss fordert Reform
FDG0000020060606e26600093
221 Words
06 June 2006
19:54 GMT
Reuters - Nachrichten auf Deutsch
German
(c) 2006 Reuters Limited

Paris, 06. Jun (Reuters) - In Frankreich werden die Rufe nach einer Justizreform lauter, nachdem mehrere Unschuldige unter dem Verdacht der Pädophilie monatelang im Gefängnis saßen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss nahm am Dienstag einen Bericht an, in dem eine umfassende Änderung des noch aus Napoleonischer Zeit stammenden Justizsystems gefordert wird. Der Ausschuss war nach der Aufdeckung des so genannten "Outreau-Skandals" eingesetzt worden. Die Anhörungen wurden im Fernsehen übertragen und von der französischen Öffentlichkeit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, weil dort die 13 Justizopfer ihr Schicksal schilderten.

In der nordfranzösischen Stadt Outreau waren sie unter dem Verdacht der Pädophilie inhaftiert, später aber von einem Berufungsgericht frei gesprochen worden. In der ersten Instanz sei das Urteil aufgrund widersprüchlicher und auch manipulierter Beweise gefällt worden, urteilte das Gericht. Der vermeintliche Pädophilen-Ring entpuppte sich schließlich als ein Fall von Inzest begrenzteren Ausmaßes. Präsident Jacques Chirac hatte sich in ungewöhnlicher Weise öffentlich für den Justizirrtum entschuldigt. Im Zentrum der Kritik stand ein junger und unerfahrener Richter, der sein korrektes Verhalten beteuert.

Nach den nun vom Parlamentsausschuss gebilligten Vorschlägen sollen die Rechte der Angeklagten gestärkt und das Rechtssystem transparenter gemacht werden. Die Vorschläge sind bereits öffentlich bekannt, die Entscheidung des Untersuchungsausschusses soll am 13. Juni vorgestellt werden.

ahl/sfi

FRANKREICH/JUSTIZ/REFORM|LANGDE|GERT|GEA|OE|SWI|DNP
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Schutz vor Übergriffen
AARGZ00020060602e2620004d
367 Words
02 June 2006
Aargauer Zeitung
German
© 2006 AARGAUER ZEITUNG. Sämtliche Rechte zu Artikeln der AARGAUER ZEITUNG sind vorbehalten. Jede Verwendung, die die in Ihrem Factiva-Kundenvertrag geregelten Rechte überschreitet, nur unter Genehmigung der Redaktion. Kontaktaufnahme per Email unter redaktion@azag.ch.

Meldepflicht Bei Delikten gegen körperliche und sexuelle Integrität soll Meldung an Arbeitgeber auch im Baselbiet möglich werden.

Wer Abhängige misshandelt oder sich an ihnen sexuell vergreift, soll zum Schutz möglicher weiterer Opfer dem Arbeitgeber gemeldet werden: Die Baselbieter Regierung will dazu in der Strafprozessord nung die nötige Grundlage schaffen.

Anstoss gab ein Postulat der grünen Landrätin Madeleine Göschke nach Grossaktionen gegen Kinderpornografie von 2002 und 2004. Dass dabei im Baselbiet Lehrer nicht der Anstellungsbehörde gemeldet werden konnten, sei bei Eltern auf Unverständnis gestossen, sagte Justiz- und Polizeidirektorin Sabine Pegoraro am Donnerstag vor den Medien.

Problem am Arbeitsplatz

Eine solche Warnung sieht das Gesetz nicht vor, und daher ist sie aufgrund des Persönlichkeits- und Datenschutzes sowie des Amtsgeheimnisses nicht möglich. Wer entsprechend straffällig geworden ist, kann somit weiterhin an seiner Arbeitsstelle tätig sein, ohne dass dort allfällige Gefahren für potenzielle Opfer geprüft werden könnten. Problematisch ist dies laut der Justiz- und Polizeidirektion vor allem dann, wenn am Arbeitsplatz Personen in einem Erziehungs-, Betreuungs- oder Arbeitsverhältnis zum Verurteilten stehen. Daher sollen Gerichte und Strafverfolgungsbehörden in solchen Fällen künftig auch im Baselbiet Arbeitgeber oder vorgesetzte Behörden über Verurteilungen informieren können.

Über KinderpornograFie hinaus

Die Rechtsgrundlage dazu soll eine Ergänzung der Strafprozessordnung schaffen. Allerdings geht der Vorschlag der Regierung über Kinderpornografie, Pädophilie und Schule hinaus: Gemäss Vorlage soll eine Meldepflicht in der Regel bei allen Straftaten gegen die körperliche und sexuelle Integrität gelten. Bei den Polizeiaktionen gegen Kinderpornografie seien weder Lehrer noch andere Berufsgruppen besonders aufgefallen, sagte dazu Staatsanwältin Caroline Horny. Zudem zeigten andere Fälle, dass Informationen etwa auch bei Übergriffen oder körperlichen Misshandlungen wünschenswert wären. Voraussetzung für eine Meldung an Arbeitgeber oder Aufsichtsbehörde ist jedoch, dass dies zum Schutz von Personen in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Verurteilten nötig ist. Über die Information entscheidet zudem stets eine gerichtliche Behörde, und der Verurteilte kann den Entscheid mittels Beschwerde weiterziehen. Vorgesehen ist eine Meldung erst nach erfolgter Verurteilung. In Ausnahmefällen soll sie aber auch schon während eines noch laufenden Verfahrens möglich sein: dann nämlich, wenn sich ein Strafverfahren über mehrere Jahre erstreckt, eine Gefahr aber ohne die Information des Arbeitgebers nicht abgewendet werden kann. (sda/thu)

Sabine Pegoraro (l.) und Caroline Horny geben Auskunft. OLR

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«Lehrer müssen sich disziplinieren»
SOLOZ00020060601e26100012
1104 Words
01 June 2006
Solothurner Zeitung
German
© 2006 SOLOTHURNER ZEITUNG. Sämtliche Rechte zu Artikeln der SOLOTHURNER ZEITUNG sind vorbehalten. Jede Verwendung, die die in Ihrem Factiva-Kundenvertrag geregelten Rechte überschreitet, nur unter Genehmigung der Redaktion. Kontaktaufnahme per Email unter redaktion@vsonline.ch.

Paul Schmid Der Solothurner Kinder- und Jugendpsychologe geht heute endgültig in Pension

Im Jahr 2000 schied Paul Schmid altershalber aus dem schulpsychologischen Dienst aus. Heute gibt der 70-Jährige die Leitung der Geschäftsstelle der Schweizerischen Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie ab.

elisabeth seifert

Vor 37 Jahren gründeten Sie und einige andere Psychologen die Schweizerische Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie - warum dieses Engagement?

Paul Schmid : Mitte der 60er-Jahre hat man damit begonnen, einmal die begabten Kinder zu fördern, aber auch die schwächeren Schüler besonders zu betreuen. In diesem Zusammenhang wurden in der ganzen Schweiz die schulpsychologischen Dienste aufgebaut. Damit waren neu Fachpersonen zuständig, welche die Bedürfnisse der Kinder neutral abklärten. Das aber brachte Kämpfe mit sich, einerseits mit den Hilfsklassenlehrern, welche ihre Schüler bis dahin selber rekrutierten und andererseits mit den Kinderpsychiatern, die sich die ganze Abklärungsmaschinerie gerne selbst unter den Nagel gerissen hätten. Diese schwierige Situation der Kinder- und Jugendpsychologen hat mich und einige andere dazu bewogen, einen Verein zu gründen, der unsere Interessen verteidigen sollte. Wir setzten uns etwa dafür ein, dass nicht nur die medizinischen Probleme berücksichtigt wurden, sonderen psychologische Faktoren wie Intelligenz und Charakterstruktur (s. auch Text unten).

Sie haben die Entwicklung der Kinderpsychologie über viele Jahre hinweg miterlebt - auch als Leiter des schulpsychologischen Dienstes. Was beschäftigte Sie in Ihren Anfängen?

Schmid: Ein wichtiges Anliegen war es mir zu Beginn, dass wir uns nicht erst dann um die Kinder kümmern, wenn sie bereits Mühe in der Schule haben, sondern dass wir mittels Schulreifeabklärungen ihre Probleme im Voraus erkennen. Zu diesem Zweck führten wir kantonsweit in den Kindergärten Kollektivtests durch. Bei Bedarf kam es dann zu Einzelabklärungen, und zwar durch unzählige Praktikanten, die gleichsam im Akkord Gutachten erstellten. Zudem war die Einweisung in die Kleinklassen eine wesentliche Aufgabe der Schulpsychologen.

Die Verlagerung der schulpsychologischen Tätigkeit hin zur Beschäftigung mit komplexen schulinternen Problemen ist also erst ein neueres Phänomen...

Schmid: Die Arbeit der Schulpsychologen hat sich vor allem mit Beginn der 90er-Jahre stark verändert. Die Schulreifeabklärungen zum Beispiel wurden abgeschafft, das heisst, die Kindergärnterinnen führen diese heute selber durch. Und die Diagnose spezifischer Einzelprobleme erfolgt jetzt vor allem über die heilpädagogische Früherfassung. Dadurch haben wir Jobs verloren, dafür beschäftigt uns die Krisenintervention umso mehr, auch das Thema Gewalt in der Schule.

Sind die Kinder heute schlimmer?

Schmid: Nein, nein. Die Ursachen für die Unruhe sehe ich vielmehr in der Unsicherheit der Lehrer und der Eltern bei der Erziehung. Es gibt heute keinen gesellschaftlichen Konsens mehr darüber, was richtig oder falsch ist. Zu meiner Zeit wurde ein Kind, das sich gegenüber einer erwachsenen Person respektlos verhalten hat, körperlich gezüchtigt. Heute gibt es darüber die unterschiedlichsten Ansichten. Einige Lehrer führen ihre Schüler an der langen Leine, andere weniger. Durch die immer komplexeren Familienstrukturen werden Kinder häufig von mehreren Personen erzogen und dadurch mit verschiedenen Erziehungsstilen konfrontiert. Schliesslich bringen Migrantinnen und Migranten aus dem südosteuropäischen Raum häufig Erziehungsvorstellungen mit, die uns wenig vertraut sind.

Sie sprechen das Wesen unserer pluralistischen Gesellschaft an. Wie lassen sich die negativen Folgen für die Kinder minimieren?

Schmid: Statt die Kinder disziplinieren zu wollen, sollten die Erziehenden, etwa die Lehrer, sich vielmehr selber disziplinieren und sich über die Regeln im Schulhaus einig werden. Es war schon immer meine Überzeugung, dass ein Schulpsychologe vor allem im Lehrerzimmer, im Schulhaus und auch bei den entsprechenden Gemeindebehörden aktiv werden muss. Es ist zehnmal wichtiger, bei Bedarf hier zu intervenieren, als auf die Kinder loszugehen. Indem man nämlich ein Kind zum Sündenbock macht, löst man das Problem nicht. Wohin geht die Entwicklung in der Schulpsychologie? Schmid: Es wird vermehrt zur einer Spezialisierung kommen. Wir spielten auf psychologischem Gebiet lange Zeit die Rolle des Hausarztes. Das ändert sich jetzt mit den Schulsozialarbeitern, die im Schulhaus sitzen und sofort eingreifen können. Ein gewisses Risiko besteht allerdings darin, dass sie durch diese Nähe zu wenig unabhängig sind von den Lehrern und der Gemeinde, die sie anstellt.

Missbrauch eindämmen

Waffen Regierungsrat begrüsst Neuregelung

Der Regierungsrat befürwortet in seiner Vernehmlassungsantwort an das Bundesamt für Polizei alle Neuerungen, die in der Verordnung über Waffen, Waffenzubehör und Munition vorgesehen sind. Damit werde der Waffenmissbrauch erschwert, heisst es in einer Medienmitteilung. Insbesondere befürwortet die Regierung vier Rechtsanpassungen: Für den Handel von Feuerwaffen unter Privaten ist neu ein Waffenerwerbsschein notwendig; ein schriftlicher Vertrag genügt nicht mehr. Für den Kauf von Munition sollen dieselben Voraussetzungen wie für den Waffenerwerb gelten. In der Schweiz hergestellte oder importierte Feuerwaffen müssen neu markiert sein, sodass die Handelswege der Waffe besser zurückverfolgt werden können. Auch für geerbte Feuerwaffen bedarf es neu eines Waffenerwerbsscheins. Diese verschiedenen Änderungen des Schweizerischen Waffengesetzes sind eine Folge des Beitritts der Schweiz zum Abkommen von Schengen. (sks)

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Paul Schmid

Schmid wurde 1936 in Solothurn geboren. Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Er besuchte das Lehrerseminar und war einige Jahre als Lehrer tätig. Im Anschluss studierte er Heilpädagogik und Psychologie. Ende der 1950er-Jahre gehörte er zu den Gründern der Filmgilde, welche internationale Filmtrends nach Solothurn brachte. 1966 trat er in den schulpsychologischen Dienst ein und wirkte von 1973 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000 als dessen Leiter. 1969 gründete der SP-Mann die Schweizerische Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie und leitete bis heute, 1. Juni, deren Geschäftsstelle in Solothurn. (esf)

Gesetzliche Grundlage

Lehrer Kommission will «schwarze Liste»

Die Bildungs- und Kulturkommission (Bikuko) des Kantonsrats spricht sich für die Schaffung der gesetzlichen Grundlage zur Führung einer Liste über Lehrpersonen ohne Unterrichtsbefugnis - zum Beispiel wegen Pädophilie - aus. Gleichzeitig wird die Kompetenz des Departements für Bildung und Kultur (DBK) zur Erteilung und zum Entzug der Unterrichtsberechtigung im Volksschulgesetz verankert. Lehrpersonen ohne Unterrichtsberechtigung werden von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren auf einer Liste registriert. Hierfür wird nun auf Konkordatsebene die gesetzliche Grundlage geschaffen. Die Bikuko hat sich an ihrer letzten Sitzung für die Gesetzesänderungen ausgesprochen. Sie gehen auf einen Auftrag zurück, der im November 2005 vom Kantonsrat überwiesen worden war. (sks)

Geschäftsstelle wandert nach Luzern

Als Paul Schmid und einige andere Psychologen die Schweizerische Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie (SKJP) im Jahr 1969 gegründet haben, zählte sich 30 Mitglieder. Derzeit gehören ihr 680 Kinder- und Jugendpsychologen aus der ganzen Schweiz an. Der Verein unterhält eine Geschäftsstelle, bis heute, 1. Juni 2006, in Solothurn. Ab jetzt übernimmt der Luzerner Psychologe Josef Stamm die Stellenleitung, womit deren Sitz nach Luzern verlegt wird. Der Verein informiert über Beratungs- und Therapieangebote seiner Mitglieder sowie über rechtliche Fragen. Zweimal im Jahr publiziert er die Zeitschrift «Psychologie und Erziehung». Die SKJP vermittelt Weiterbildungsangebote in Zusammenarbeit mit anderen Berufsorganisationen. Für die postgraduale Ausbildung zur Erreichung des Titels «Fachpsychologe für Kinder- und Jugendpsychologie» stellt die SKJP ein Curriculum bereit. (esf)

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Missbrauch eindämmen
OLTNRT0020060601e2610000f
509 Words
01 June 2006
Oltner Tagblatt
German
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kanton Solothurn

Nachrichten

Waffen Regierungsrat begrüsst Neuregelung

Der Regierungsrat befürwortet in seiner Vernehmlassungsantwort an das Bundesamt für Polizei alle Neuerungen, die in der Verordnung über Waffen, Waffenzubehör und Munition vorgesehen sind. Damit werde der Waffenmissbrauch erschwert, heisst es in einer Medienmitteilung. Insbesondere befürwortet die Regierung vier Rechtsanpassungen: Für den Handel von Feuerwaffen unter Privaten ist neu ein Waffenerwerbsschein notwendig; ein schriftlicher Vertrag genügt nicht mehr. Für den Kauf von Munition sollen dieselben Voraussetzungen wie für den Waffenerwerb gelten. In der Schweiz hergestellte oder importierte Feuerwaffen müssen neu markiert sein, sodass die Handelswege der Waffe besser zurückverfolgt werden können. Auch für geerbte Feuerwaffen bedarf es neu eines Waffenerwerbsscheins. Diese verschiedenen Änderungen des Schweizerischen Waffengesetzes sind eine Folge des Beitritts der Schweiz zum Abkommen von Schengen. (sks)

Vermisst Daniela Strähl, Niederbuchsiten

Vermisst wird seit dem letzten Montag, 29. Mai, um 16 Uhr die 18-jährige Daniela Strähl aus Niederbuchsiten. Die Polizei bittet um Hinweise zu ihrem derzeitigen Aufenthaltsort. Die Vermisste ist ca. 175 cm gross und von schlanker Statur. Sie hat lange, kasta- nienbraune/violette Haare. Beim Weggehen von zu Hause trug sie eine schwarze Windjacke, einen hellbeigen Pullover, Blue-Jeans und weisse Turnschuhe. Zudem hatte sie eine schwarze Reisetasche bei sich. Daniela Strähl verliess am Montagnachmittag um 16 Uhr die Wohnung ihrer Eltern in Niederbuchsiten und begab sich zum Bahnhof, um mit der Bahn nach Porrentruy zu gelangen. Dort ist sie jedoch nicht eingetroffen. Es ist nicht auszuschliessen, dass sich die Vermisste im Raum Zürich aufhält. Hinweise über den Aufenthaltsort der Vermissten nimmt die Polizei Kanton Solothurn, Telefon 032 627 71 11, oder jede andere Polizeidienststelle entgegen. (pks)

Nunningen Einbrecher klauten Firmentresor

Eine bislang unbekannte Täterschaft brach in der Nacht von Dienstag auf gestern Mittwoch in das Firmengebäude der Stebler AG in Nunningen ein. Am Bürotrakt wurde ein Fenster aufgewuchtet, danach aus einem Büro der 320 Kilogramm schwere Tresor entwendet. Via Produktionsstätte wurde der Tresor zum Parkplatz transportiert und in ein Fahrzeug verladen. Beim Bergweg, etwa 500 Meter von einer Waldhütte entfernt, wurde der Tresor mit einem grossen Werkzeug aufgewuchtet und der Inhalt in Höhe von mehreren tausend Franken entwendet. Der angerichtete Sachschaden beläuft sich ebenfalls auf mehrere tausend Franken. Die Polizei sucht Zeugen, denen Fahrzeuge oder Personen aufgefallen sind. Hinweise sind zu richten an die Polizei Kanton Solothurn in Breitenbach, Telefon 061 785 77 01. (pks)

Randnotizen

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Gesetzliche Grundlage

Lehrer Kommission will «schwarze Liste»

Die Bildungs- und Kulturkommission (Bikuko) des Kantonsrats spricht sich für die Schaffung der gesetzlichen Grundlage zur Führung einer Liste über Lehrpersonen ohne Unterrichtsbefugnis - zum Beispiel wegen Pädophilie - aus. Gleichzeitig wird die Kompetenz des Departements für Bildung und Kultur (DBK) zur Erteilung und zum Entzug der Unterrichtsberechtigung im Volksschulgesetz verankert. Lehrpersonen ohne Unterrichtsberechtigung werden von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren auf einer Liste registriert. Hierfür wird nun auf Konkordatsebene die gesetzliche Grundlage geschaffen. Die Bikuko hat sich an ihrer letzten Sitzung für die Gesetzesänderungen ausgesprochen. Sie gehen auf einen Auftrag zurück, der im November 2005 vom Kantonsrat überwiesen worden war. (sks)

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Pädophile wollen Partei gründen - Chirac im Kino - die gute nachricht - «Dann findet euch das Glück»
BASLRZ0020060601e26100010
heute
337 Words
01 June 2006
Basler Zeitung
2
German
(c) 2006 Basler Zeitung Homepage Address: http://www.baz.ch

heutedonnerstag.

Bern. Bundespräsident Moritz Leuenberger hat Köbi Kuhn und der Fussball-Nati viel Glück für die WM gewünscht. «Wir Schweizerinnen und Schweizer sind mit Ihnen und Ihrer Mannschaft, auch wenn nicht alles gelingen sollte», schrieb Leuenberger dem Nati-Trainer gestern und scheute dabei kein Pathos: «Ihr könnt alle das Beste geben. Wir wissen es. Vielleicht braucht ihr auch ein wenig Glück. Deswegen hoffen wir, bangen wir und freuen uns mit euch. Denn dann findet euch das Glück.» Am 13. Juni, beim ersten Auftritt der Nati gegen Frankreich, werde das Leben in der Schweiz für zwei Stunden stillstehen. Millionen von Schweizern würden dann der Mannschaft die Daumen drücken, «mit kaltem Schweiss und schnellem Puls», vermutet Leuenberger und beendet seinen Glückwunsch mit beschwörenden Worten: «Wahrlich: Da braucht es das kalte Blut des Profis, um den heissen Tagen von Stuttgart, Dortmund und Hannover mit der richtigen Mischung aus Anspannung und Gelassenheit entgegenzublicken.» ap/si/ag

DEN HAAG. Die angekündigte Gründung einer Partei der Pädophilen hat in den Niederlanden Empörung ausgelöst. Dabei wurde vor allem die Absicht der Parteigründer verworfen, Sex «auf freiwilliger Basis» zwischen Erwachsenen und Kindern von zwölf Jahren an straffrei zu stellen. Die geplante Partei «Nächstenliebe, Freiheit, Vielfältigkeit» (NVD) ist nach Presseberichten auch dafür, dass Jugendliche von 16 Jahren an in Pornofilmen mitwirken dürfen. Sprecher der bestehenden Parteien bezeichneten die Absichten der aus der Pädophilenbewegung hervorgegangen Initiatoren als absolut verwerflich. Bei einer Umfrage von Meinungsforschern waren zwei von drei Niederländern dafür, Förderung oder Beschönigung von Pädophilie unter Strafe zu stellen. dpa

PARIS. «Dans la peau de Jacques Chirac» (In der Haut von Jacques Chirac) heisst der Film der gestern in Frankreich anlief: Ein ehemaliger Fernsehjournalist konfrontiert darin mit Hilfe eines Stimmenimitators den Präsidenten Frankreichs mit Bildern und Zitaten aus 40 Jahren Politikkarriere. Und das Publikum hat die Wahl, ob es diesen Präsidenten zum Lachen oder zum Weinen findet. > Seite 8

Foto Keystone

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Kinderpornos als Programm; Gründung einer Pädophilen-Partei in Niederlanden stößt auf Kritik
SDDZ000020060601e26100013
Politik
358 Words
01 June 2006
Süddeutsche Zeitung
8
German
Copyright 2006 Süddeutsche Zeitung

Die brisante Stelle findet sich im Dickicht des Programms etwas versteckt an Position Nummer neun; dort aber stehen die Worte in schonungsloser Offenheit. Unter dem Kapitel „Sexualität und Intimität“ tritt die niederländische Organisation Nächstenliebe, Freiheit und Vielfalt (NVD) unter anderem dafür ein, dass bereits Zwölfjährige Sex mit Erwachsenen haben dürfen, dass 16-Jährige in Pornofilmen mitwirken können, dass der Privatbesitz von Kinderpornos erlaubt wird. Am gestrigen Mittwoch wollte sich die NVD offiziell als Partei registrieren lassen, um im nächsten Jahr bei der Parlamentswahl anzutreten. Wenigstens einen Sitz im Den Haager Abgeordnetenhaus erhofft sich der 62-jährige Mitgründer Ad van den Berg, der einst Vorsitzender einer Pädophilenorganisation war.

„Verbote machen Kinder nur neugieriger“, rechtfertigt sich van den Berg, der im Nu die gesamte Phalanx der niederländischen Parteien aufgeschreckt hat. Der Abgeordnete Henk Jan Ormel von der christdemokratischen Regierungspartei CDA sagte der Süddeutschen Zeitung, „wir wehren uns gegen eine Partei, die sich für kriminelle Handlungen einsetzt. Pädophilie ist ein Verbrechen, und die Teilnahme einer solchen Partei an der Wahl würde ein schlechtes Licht auf die Niederlande werfen.“ Die CDA lässt nun vom Innenministerium Möglichkeiten prüfen, wie der Staat gegen die NVD vorgehen könnte. „Wir müssen verhindern, dass diese Partei existiert“, sagte er. Ormel räumte allerdings ein, dass es in den Niederlanden kaum möglich sei, eine Partei zu verbieten.

Die Ankündigung der NVD hat indessen erstmals das gesamte Spektrum der Abgeordneten vereint. Auch die inzwischen arg geschrumpfte Fortuyn-Partei und der parteilose Rechtspopulist Geert Wilders sind bereit zum Kampf gegen die Pädophilen-Partei. Schon die offizielle Gründung einer Partei „mit derart kranken Ideen“ müsse unterbunden werden, sagte Wilders.

Nur wie? Die linksliberale Zeitung de Volkskrant schrieb, dass das Wahlgesetz für die Pädophilen wohl kein Hindernis sei. Ein Mitglied des Wahlausschusses wird zitiert, wonach lediglich der Name einer Partei überprüft wird, nämlich daraufhin, ob er der öffentlichen Ordnung zuwiderläuft. Falls nicht doch ein Kniff gefunden wird, die Pädophilen-Partei zu verhindern, dann kann wohl nur der Rat eines Abgeordneten helfen, der sagte: Die Wähler haben sicher genug Urteilsvermögen, dass sie einer solchen Partei keine Stimme geben.

Frank Nienhuysen

A27383588
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Empörung über geplante Pädophilen-Partei Niederlande Ruf nach Verbot schon vor der Anmeldung der Initiative
NWZEI00020060531e26100006
POLITIK | 2
HELLMOLD
189 Words
01 June 2006
Nordwest-Zeitung
19500047
German
© 2006 Nordwest-Zeitung Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Oldenburg. All rights reserved. For further information see http://nwz-online.de

Den Haag/dpa Die angekündigte Gründung einer Partei der Pädophilen hat in den Niederlanden Empörung und Ablehnung ausgelöst. Dabei wurde vor allem die Absicht der Parteigründer verworfen, Sex „auf freiwilliger Basis“ zwischen Erwachsenen und Kindern von 12 Jahren an straffrei zu stellen, berichteten Zeitungen am Mittwoch. Die geplante Partei „Nächstenliebe, Freiheit, Vielfältigkeit“ (NVD) soll nach Presseberichten auch dafür eintreten, dass Jugendliche von 16 Jahren an in Pornofilmen mitwirken dürfen.

Sprecher der bestehenden Parteien bezeichneten die Absichten der aus der niederländischen Pädophilenbewegung hervorgegangen Initiatoren als absolut verwerflich. Einige forderten ein staatliches Verbot noch vor der Anmeldung der neuen Partei bei den zuständigen Instanzen. Andere äußerten sich in ersten Reaktionen zuversichtlich, dass niederländische Wähler genügend Urteilsvermögen besäßen, um einer solchen Partei keine Stimme zu geben.

Bei einer repräsentativen Umfrage von Meinungsforschern hätten sich zwei von drei Niederländern dafür ausgesprochen, Förderung oder Beschönigung von Pädophilie unter Strafe zu stellen, berichtete „De Telegraaf“ am Mittwoch. Jeder Vierte habe aber das Verbot einer Pädophilen-Partei als unzulässige Form der Zensur abgelehnt.

740048
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Partei für Pädophile
SLZNT00020060530e25v0002m
chronik
102 Words
31 May 2006
Salzburger Nachrichten
8
German
(c) 2006. SN. All rights reserved.

den Haag (SN, dpa). Eine Partei, die für Legalisierung von Sex zwischen Erwachsenen und Kindern eintritt, will laut Zeitungsberichten zur nächsten Parlamentswahl in den Niederlanden antreten. Die Parteigründer wollen Pädophilie in der Gesellschaft akzeptabel machen und treten dafür ein, die gesetzliche Altersgrenze für sexuelle Kontakte von Kindern von 16 auf 12 Jahre zu senken und später abzuschaffen. Im Rahmen der Erziehung müssten Kinder mit Sex bekannt gemacht werden, denn Verbote machten sie nur neugierig. Auf freiwilliger Basis sollten Kinder ab 12 Jahren in Pornofilmen mitwirken, rauchen, Alkohol trinken und wählen dürfen.

snstamm | SNZ41-593996031.05.2006 | 41-5939960
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Ist Polen auf die schiefe Bahn geraten? Sorgen und Schreckensszenarien nach der Aufnahme der Populisten in die Regierung
NEUZZ00020060531e25v00002
1566 Words
31 May 2006
Neue Zürcher Zeitung
4
German
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Von unserem Ostmitteleuropa-Korrespondenten Ulrich Schmid

Der Regierungseintritt der Liga Polnischer Familien und der Samoobrona hat in Polen und im übrigen Europa grosse Sorge ausgelöst. Die Lage ist tatsächlich ernst. Doch hysterische Überreaktion ist zwecklos. Die Ereignisse werden weder einen europaweiten populistischen Trend auslösen, noch wird Polen seine neue Demokratie den Populisten opfern.

Warschau, Ende Mai

Man kann die Kritiker der Brüder Kaczynski und ihrer neuen Regierung (in frevlerischer Vereinfachung natürlich) in zwei Gruppen einteilen: in die, die der neuen Regierungsmannschaft engstirnigen Nationalismus, latenten Antisemitismus, Homophobie und generell ein mangelhaftes Demokratieverständnis vorwerfen - und die, die der neuen Regierungsmannschaft engstirnigen Nationalismus, latenten Antisemitismus, Homophobie und generell mangelhaftes Demokratieverständnis vorwerfen, aber darin eine Katastrophe für Polen und Europa sehen. Der Streit, der zwischen diesen beiden Lagern entbrannt ist, ist heftig, aber vorderhand auch etwas akademisch, denn noch ist Polen eine gesunde europäische Demokratie, noch sind Minderheitsrechte und Medienfreiheit garantiert, und noch sind weder Antisemitismus noch deutschfeindliche Politik salonfähig geworden.

Vor schrecklichen Offenbarungen?

Das liegt nur daran, sagen die Pessimisten, dass die Brüder Kaczynski und die Populisten ihr wahres Gesicht noch nicht gezeigt haben. Nein, sagen die Optimisten, es liegt daran, dass in Polen auf populistische Parolen zurückgreifen muss, wer an die Macht kommen will. Nun, belastet mit der Regierungsverantwortung und beobachtet von einem argwöhnischen Europa, würden sich die Nationalkonservativen rasch mässigen. Das beste Beispiel dafür sei der Wandel in der Europapolitik. In den Tiefen ihres Herzens seien alle Regierungsparteien europafeindlich, doch was sei die offizielle Europapolitik Warschaus? Ein entschlossenes, wenn auch sehr auf Eigenständigkeit bedachtes Zusammengehen mit Brüssel. Polen, kaum den Fängen Moskaus entronnen, habe noch immer Angst, unter eine neue Fuchtel, die der EU, zu geraten, und deshalb habe die Regierung für den innenpolitischen Gebrauch eine radikale Rhetorik entwickelt, die in westeuropäischen Ohren furchterregend klinge. Ernst zu nehmen sei dies aber nicht. Denn stets, wenn es konkret werde, übten sich die Bilderstürmer in Mass und Zurückhaltung. De facto habe man sich mit Brüssel, vor allem natürlich mit den willkommenen Transferzahlungen, bestens arrangiert.

Natürlich verbietet sich jede Leichtfertigkeit im Umgang mit den Populisten. Wer hätte sich schon vor Jahresfrist vorstellen können, dass so verpönte Randfiguren wie Andrzej Lepper, der Vorsitzende der Samoobrona (Selbstverteidigung), oder der Chef der Liga Polnischer Familien (LPR), Roman Giertych, einst Regierungsverantwortung tragen würden? Und waren es nicht die Kaczynskis selber, die die Samoobrona einst als üble Kommunistentruppe und Ausgeburt des KGB bezeichnet hatten? Dass all dies nun plötzlich vergessen ist, lässt die stets etwas miesepetrige moralische Gravitas, deren sich die Kaczynskis bei öffentlichen Auftritten befleissigen, als aufgesetzt und heuchlerisch erscheinen. Sie, «die Brüder», sind es, die den Polen vorführen, was wahre Leichtfertigkeit ist.

Wurzeln in der Vergangenheit

Von den beiden Neuen in der Warschauer Regierung ist die Liga, ist vor allem deren Vorsitzender Giertych der ernster zu nehmende. Andrzej Lepper klopft zwar die lautesten Sprüche, doch auch wenn er manchmal lichte Momente hat, ist er dennoch nur ein opportunistischer Schwätzer, eitel und leicht verführbar, im Habitus dem russischen «Liberaldemokraten» Schirinowski eng verwandt. Seine bäuerliche Klientel, die sich fern von Warschaus Glanz als Wende-Verlierer erlebt, überschneidet sich zwar teilweise mit derjenigen Giertychs, doch mit Religiosität und Kirche kann Lepper, der irrlichternde Schweinezüchter mit der weissen Mähne, nicht viel anfangen. Zudem gehört er jetzt selber zu den «Etablierten», die er so lange anfeindete. Seit er vor ein paar Monaten verkündete, er sei jetzt ein Liberaler, nimmt man ihn nur noch bei der Konstruktion von Mehrheiten ernst.

Der Fall Giertych ist interessanter. Auch wenn er heute vehement bestreitet, Antisemit zu sein, kommt niemand daran vorbei, dass es in seiner politischen Biografie Antisemitismus in rauen Mengen gibt. Die Achillesferse dieses ruhigen, überlegt formulierenden Mannes, der ganz und gar nicht dem Prototyp des geifernden Hetzers entspricht, ist die Mlodziez Wszechpolska, die Allpolnische Jugend, eine erzkatholische Organisation, in der es antisemitische Vorfälle gegeben hat und die ihrerseits ihre Wurzeln in den zahlreichen nationalistischen Jugendorganisationen hat, die in den zwanziger, dreissiger und vierziger Jahren die Politik beeinflussten und in denen es von gewalttätigen Antisemiten nur so wimmelte. Wer Giertychs Liga verstehen will, muss aber weiter bis zu Roman Dmowski zurückgehen, zum bekanntesten Gegenspieler des Nationalhelden Jozef Pilsudski. Dmowski stand für alles, was dazu beitrug, Polen von seiner «ewigen» Opferrolle zu befreien und dem Land eine führende Rolle in Europa zu sichern. Er wollte Polen als eine starke, kulturell homogene, autonome Solidargemeinschaft und ähnelte darin paradoxerweise den Zionisten, für die Eigenständigkeit und Wehrhaftigkeit ebenfalls zu den zentralen Voraussetzungen des jungen Israel gehörten.

Das Erbe Dmowskis

Sowohl in der Liga als auch in der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) der Brüder Kaczynski ist nicht nur das geistige Erbe Pilsudskis, sondern auch das Dmowskis spürbar. Etliche Beobachter sind sogar der Meinung, dass Dmowski mit seiner Forderung nach einem Staatsgebilde für «Polen reinen Blutes» das Denken der heutigen Regierung stärker dominiert als Pilsudski, der einen starken föderalistischen Nationalitätenstaat anstrebte, in dem für Minderheiten - Juden, Ukrainer, Weissrussen, Deutsche - durchaus Platz war. Die Regierung von Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz dementiert derartige Deutungen natürlich vehement.

Unbestritten aber ist, dass der ideologische Hauptfeind der Nationalkonservativen der Liberalismus in all seinen Schattierungen und nicht etwa der Sozialismus ist. Die Kaczynskis haben sich von der liberalen Bürgerplattform, mit der sie vor der Wahl noch zusammenzuarbeiten gelobt hatten, abgewandt und propagieren nun den starken, paternalistischen Umverteilungsstaat und einen rigorosen ökonomischen Patriotismus; ihre harte rhetorische Kritik am Kommunismus gilt primär dem Machtapparat, der das Land einst knechtete. Die Grundlagen der verhängnisvollen «neuen Weltordnung» seien Geld und moralischer Liberalismus, befand Giertych jüngst in einem Interview, und beides stehe in einem fundamentalen Widerspruch zur Tradition, zur Kultur und zu den nationalen Interessen Polens. Diese Haltung ähnelt der Abkehr von allem Westlichen und Dekadenten, die man beim russischen Schriftsteller Solschenizyn findet.

Das Fazit dieser Entwicklung ist in der Tat unerfreulich. Obwohl im vergangenen Oktober - bei extrem niedriger Beteiligung von etwa 40 Prozent - nur gut 10 Prozent der Bürger für die PiS stimmten, dominiert heute ein relativ kleines Wählersegment die polnische Politik: das der armen ländlichen Katholiken. Die Zwillinge glauben bis heute fest, dass sie ihren Sieg den rund 4 bis 5 Millionen Hörern von Radio Maryja zu verdanken haben - eine Annahme, die Intellektuelle wie der Chefredaktor der liberalen Zeitschrift «Unia & Polska», Marek Sarjusz-Wolski, als durchaus korrekt einstufen. So gesehen ist es verständlich, dass die Kaczynskis den umstrittenen Sender des Redemptoristen-Paters Tadeusz Rydzyk gegen sämtliche Angriffe verteidigen.

Übertriebene Schreckensszenarien

Doch läuft Polen Gefahr, sich in einen rückständigen, nationalistischen, undemokratischen, antisemitischen, klerikal dominierten Staat mitten in einem aufgeklärt-säkularen Europa zu verwandeln, ja womöglich sogar zur Inspiration für europäische Nationen mit ähnlichen nationalistischen Tendenzen zu werden? Bei allem Verständnis für die Sorgen vieler: Solche Schreckensszenarien scheinen arg übertrieben, vor allem nach der gelungenen Papstvisite, die ganz im Zeichen der Aussöhnung und der Busse stand. Sicher, es gibt besorgniserregende Signale. Die Kaczynskis versuchen konsequent, sämtliche höheren Stellen in der Verwaltung mit ihren Gewährsleuten zu besetzen, und mit der Gründung des Antikorruptionsbüros haben sie ein weiteres - wenn auch weitherum gutgeheissenes - Instrument staatlicher Kontrolle geschaffen. Dass Giertych im Bildungsministerium enormen Schaden anrichten kann, versteht sich; entsprechend argwöhnisch sind die Lehrerschaft und die zuständigen Behörden in Brüssel. Anderseits kann vorläufig von undemokratischen Prozeduren, von Repression der Opposition oder von Medienkontrolle keine Rede sein. Das Parlament funktioniert, die wichtigsten privaten Fernsehkonzerne - TVN und Polsat - schiessen aus allen Rohren auf die Kaczynskis, und die Investoren haben sich bisher von den «Poland first»-Slogans der Kaczynskis auch nicht vertreiben lassen.

Wie die neue Regierung wirklich handelt, wird sich spätestens an der traditionellen Christopher-Street-Parade am 10.Juni in Warschau offenbaren, einer Kundgebung von Schwulen und Lesben, an der auch Hunderte von westlichen Ausländern teilnehmen wollen. Die Veranstaltung, die im Westen regelmässig unter der Schirmherrschaft renommierter Politiker (auch Christlichdemokraten) steht, ist in Polen stark umstritten, und der stellvertretende Vorsitzende der Liga, Wierzejski, hat den Teilnehmern bereits wüste Prügel angedroht. So manche konservative Polen würden offenbar gerne das Hinterwäldlertum imitieren, das sich Ende Mai in Moskau offenbarte, als Polizei, Orthodoxe und Nationalisten vereint demonstrierende Schwule verprügelten.

Wierzejski hat im Übrigen, Affront sondergleichen, Homosexualität und Pädophilie gleichgestellt, ohne dass ihm Giertych den Mund verboten hätte. Die Warschauer Stadtverwaltung hat bisher den Marsch nicht verboten, und so darf man gespannt darauf sein, auf welche Weise die Polizei die Sicherheit der Teilnehmer garantieren wird, die im Übrigen lediglich ihr Verfassungsrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen.

Vitale Medien - liberale Opposition

Doch selbst wenn es zu unschönen Szenen kommen sollte, wäre dies nicht gleichbedeutend mit der Verabschiedung Polens aus dem Kreis der zivilisierten europäischen Nationen. Dazu gibt es ganz einfach zu viele Korrektive: vitale Medien, eine aufmerksame liberale Opposition, eine blühende, absolut westorientierte Wirtschaft und nicht zuletzt eine zutiefst antikommunistische und damit antitotalitäre politische Kultur. Den konservativ-religiös Eingestellten auf dem Lande und im Osten steht eine ebenso starke städtisch-westliche Elite gegenüber, die mit extremen patriotischen Parolen wenig anfangen kann. Der Widerstand formiert sich bereits. Die Popularität Präsident Lech Kaczynskis ist von 70 auf knapp unter 40 Prozent gesunken - und damit deutlich unter den niedrigsten Wert, der je für Präsident Kwasniewski, seinen Vorgänger, gemessen worden war.

Gut hingegen halten sich die oppositionelle Bürgerplattform und Ministerpräsident Marcinkiewicz - ausgerechnet der PiS-Politiker also, der als gemässigt und relativ wirtschaftsliberal gilt. Die Skeptiker weisen darauf hin, dass die Kaczynskis Marcinkiewicz stürzen wollen. Doch selbst wenn das geschieht, wird Polen ein starkes Mitglied im Kreise der europäischen Demokratien und Rechtsstaaten bleiben.

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NACHRICHTEN
TAGSS00020060530e25v0003a
WELTSPIEGEL
292 Words
31 May 2006
Der Tagesspiegel
032
19206
German
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Schneefälle zum

meteorologischen Sommerbeginn

Hamburg - Schnee in den Alpen und den Mittelgebirgen, dazu Minustemperaturen - zum meteorologischen Sommerbeginn am 1. Juni herrschen in Deutschland teilweise winterliche Bedingungen. Im Thüringer Wald wurden 0,2 Grad Celsius gemessen. Zum letzten Mal war ein solcher Wert vor 40 Jahren, am 30. Mai 1966, ermittelt worden, berichtete der Deutsche Wetterdienst am Dienstag. Oberhalb von 800 Metern schneit es in Bayern. Am Riedbergpass im Allgäu fielen 15 Zentimeter Neuschnee, Autofahrer mussten die längst eingemotteten Schneeketten aufziehen und die Scheiben von Schnee und Eis befreien. dpa

Pädophile gründen Partei

in den Niederlanden

Den Haag - Eine politische Partei, die für Legalisierung von Sex zwischen Erwachsenen und Kindern eintritt, soll in den Niederlanden gegründet werden. Die Partei Nächstenliebe, Freiheit und Verschiedenheit (NVD) entstehe aus der Pädophilenbewegung Martijn, berichtete die Zeitung "Algemeen Dagblad" am Dienstag. Die Partei wolle sich schon an der für 2007 geplanten Parlamentswahl beteiligen. Die Parteigründer sehen nach Angaben des Blatts ihre Hauptaufgabe darin, Pädophilie in der niederländischen Gesellschaft akzeptabel zu machen. So setzen sie sich dafür ein, die gesetzliche Altersgrenze für sexuelle Kontakte von Kindern von derzeit 16 auf 12 Jahre zu senken und schließlich ganz abzuschaffen. Im Rahmen der Erziehung müssten Kinder auch mit Sex bekannt gemacht werden, denn Verbote machten sie nur neugierig, zitiert die Zeitung NVD-Sprecher. Auf freiwilliger Basis sollten nach ihrer Ansicht Kinder auch ab 12 Jahren in Pornofilmen mitwirken, rauchen, Alkohol trinken und wählen dürfen. dpa

Mehrheit für Rauchverbot

Brüssel - Die große Mehrheit der Europäer wünscht ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden. In einer repräsentativen Umfrage für die EU-Kommission sprachen sich 84 Prozent der Befragten dafür aus, das Rauchen in U-Bahnhöfen, Flughäfen, Geschäften und ähnlichen Orten zu untersagen. Am heutigen Mittwoch ist Weltnichtrauchertag. dpa

200605312563973
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Niederländische Pädophile gründen eigene Partei
FDG0000020060530e25u00044
187 Words
30 May 2006
12:03 GMT
Reuters - Nachrichten auf Deutsch
German
(c) 2006 Reuters Limited

Amsterdam, 30. Mai (Reuters) - In den Niederlanden wollen sich Pädophile in einer Partei politisch organisieren, um Sex schon mit Zwölfjährigen zu legalisieren.

Auf lange Sicht streben sie sogar eine gänzliche Abschaffung der Altersgrenze für Sex mit Minderjährigen an, die derzeit in den Niederlanden bei 16 Jahren liegt. Dazu wollen sie am Mittwoch die Partei für Wohltätigkeit, Freiheit und Vielfalt (NVD) registrieren lassen, wie sie auf ihrer Internetseite erklärten. Neben der Herabsetzung der Altersgrenze für Sex und der sexuellen Aufklärung bereits von Kleinkindern setzt sich die Organisation dafür ein, dass der Besitz von Kinderpornografie legalisiert wird. Außerdem will sie erreichen, dass pornografische Filme auch tagsüber im Fernsehen gezeigt werden dürfen und Sex mit Tieren erlaubt wird.

Experten räumten der NVP in der Zeitung "Algemeen Dagblad" jedoch wenig Aussichten auf Erfolg ein. "Sie geben vor, sich für mehr Rechte für Kinder einzusetzen", sagte Ireen van Engelen von einer Initiative gegen Pädophilie. "Aber ihre Haltung, Kindern ab einem Alter von zwölf Jahren Sex zu erlauben, beruht nur auf ihrem eigenen Interesse."

ckr/chg

NIEDERLANDE/PAEDOPHILE/PARTEI|LANGDE|GEA|SWI|OE|GERT|DNP
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Niederländische Pädophile wollen eigene Partei gründen
AFPDE00020060530e25u001h8
KL
174 Words
30 May 2006
09:21 GMT
Agence France Presse
German
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Den Haag, 30. Mai (AFP) -

Niederländische Pädophile wollen eine eigene Partei gründen und sich bei der Parlamentswahl im kommenden Jahr zur Wahl stellen. "Wir wollen Pädophilie zu einem Thema machen, über das man diskutieren kann", sagte einer der Initiatoren, Ad van den Berg, der Tageszeitung "Algemeen Dagblad" vom Dienstag. Bislang werde das Thema totgeschwiegen, und Politik sei eine Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen. Laut Parteiprogramm wollen die Mitglieder von "Brüderliche Liebe, Freiheit und Vielfältigkeit" (NVD) erreichen, dass Pornografie mit Kindern ab zwölf Jahren sowie Sex mit Tieren nicht mehr strafbar ist; außerdem solle es erlaubt sein, schon mit Zwölfjährigen Sex zu haben, wenn diese einverstanden sind. Die neue Partei sollte dem Bericht zufolge am Mittwoch gegründet werden.

Obwohl die Niederlande für ihre liberale Gesinnung bekannt sind, sollte die Pädophilenpartei wohl nicht auf allzu viele Abgeordnetensitze hoffen - ihr Programm sieht unter anderem auch vor, dass Kinder schon ab zwölf Jahren rauchen, trinken und Glücksspiel betreiben dürfen. Dagegen soll der Konsum von Fleisch und Fisch verboten werden.

kl/gt

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Gebrüder Gnadenlos; Kabarett Buschtrommel nimmt kein Blatt vor den Mund
SDDZ000020060529e25t000o4
Landkreis
411 Words
29 May 2006
Süddeutsche Zeitung
R5
German
Copyright 2006 Süddeutsche Zeitung

Erding - Auch in unseren Zeiten allumfassender digitaler Kommunikation, diese Buschtrommel verschafft sich Gehör. Landauf, landab, von Niedersachsen bis Bayern und jetzt auch im Stadttheater in Erdings Langer Zeile. Das liegt einmal daran, dass das Drei-Mann-Kabarett hochgelobt und preisgekrönt ist, bald wohl das Dutzend an Auszeichnungen voll machen wird.

Viel entscheidender dürfte jedoch sein, dass dieses Trio infernale der politischen Unkorrektheiten die wundersame Gratwanderung schafft zwischen Comedy-Klamauk auf der einen Seite und stacheldraht-verziertem politischem Kabarett auf der anderen Seite, wie man es seit der Erfindung des Fun-Freitags auf den Fernsehkanälen so schmerzlich und mehr und mehr vermisst. "Organisiertes Versprechen" heißt das aktuelle Programm von Andreas Breiing, Jörg Fabrizius und Ludger Wilhelm, und sie halten es. Meistern auch die Situation, wenn mal ein ungewollter Versprecher vorkommt, jonglieren verbal mit Kommentaren aus dem Publikum und verteilen vor allem dicke, fette Kröten, an denen der Zuhörer mitunter ganz schön zu schlucken hat.

So befinden dann diese Brüder Gnadenlos, dass es ein Widerspruch an sich sei, wenn eine NPD-Kandidatin an einem Gehirnschlag sterbe; Bundesverbraucherminister Horst Seehofer wird zum ersten Erfolg der Gen-Manipulation; Bundeskanzlerin Angela Merkel zur trojanischen Stute, zur späten Rache Honeckers; sie stellen sich Bayerns Ministerpräsidenten Edmund Stoiber bei der Einweihung eines logopädischen Zentrums und eine katholische Fachhochschule für angewandte Pädophilie vor.

Lebensweisheit à la Buschtrommel: "Wer bis zum Hals in der Scheiße steckt, der soll den Kopf nicht hängen lassen!" Das tun sie auch als Tattergreise nicht, nehmen lieber die Gesundheitsreform kräftig auf die Schippe, kalauern sich mal schnell durch den Hindukusch, bemängeln, dass in Hessen ein Koch Ministerpräsident geworden ist und kündigen an, dass Gesundheitsministerin Ulla Schmidt demnächst Einläufe selber macht. "Wenn jeder an sich denkt, dann ist doch an alle gedacht", lautet eine andere Devise.

Eine Gesellschaft von Wegguckern sei das, monieren die Drei, sie würden wenigstens noch hinschauen. Auch wenn dann die Auseinandersetzung mit der Kunst etwas künstlich wirkt, wenn die Buschtrommel in einer Gesprächsrunde das Bild vom Irak-Krieg in der Öffentlichkeit bemängelt - "warum zeigt man uns nicht den Selbstmordattentäter, dem es hinterher leid tut" - und "Willy" als Ich-AG und mit Omas Niere in den Organ-Handel einsteigt, dann muss man ganz schön aufpassen, dass man sich beim Lachen nicht verschluckt. Kein Wunder, dass einem die Zukunft richtig rosig erscheint, wo doch Transrapid demnächst die Menschen "zu den größten Steuergräbern der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte" bringen wird. Verheißt zumindest die Buschtrommel.

PET

A27374196
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Mia - Kampf gegen Pädophilie
BERNRZ0020060526e25q0002a
561 Words
26 May 2006
Berner Zeitung
German
(c) 2006 Berner Zeitung. BZ, die grösste schweizerische Tageszeitung in der Region Bern, Freiburg und Solothurn. Alle Rechte vorbehalten.

Bald wird das Thema «Kinderpornografie im Internet» in den Solothurner Schulen behandelt werden. An der MIA in Grenchen will die Kantonspolizei Solothurn auch Erwachsene sensibilisieren.

Beim Stand der Kantonspolizei Solothurn wird den Besuchern der MIA in Grenchen mulmig zumute. An den Wänden prangen Plakate zum Thema «Kinderpornografie im Internet», Polizisten leisten Aufklärungsarbeit. Die Leute werden unsicher, überlegen, ob sie überhaupt stehen bleiben wollen.

Laut Antonio de Tommaso, IT-Ermittler bei der Kriminalabteilung der Kantonspolizei, ist es schwierig, das Publikum einer Gewerbeausstellung mit diesem Thema zu konfrontieren. Doch die Erfahrungen in den letzten Tagen haben gezeigt: «Wenn das Eis erst einmal gebrochen ist, zeigen sich die Leute sehr interessiert.»

Vermeintlich guter Freund

Mit diesem MIA-Sonderthema unterstützt die Kantonspolizei eine landesweite Kampagne gegen «Pädokriminalität». Deren Ziel ist es, sowohl junge wie ältere Internet-Benutzer mit den Gefahren im Netz vertraut zu machen. «Gerade im Chat kann man nie wissen, mit wem man es zu tun hat», nennt de Tommaso ein Beispiel. Die Jungen, die oft naiv auf die Internetkontakte eingehen, sehen nicht, dass hinter dem «guten Mailfreund» ein Krimineller mit pädophilen Neigungen stecken könnte.

«Deshalb ist es sehr wichtig, dass die Leute beim Surfen gewisse Verhaltensregeln einhalten», so der IT-Ermittler. Für Eltern heisst das: Mit den Kindern Zeitlimiten vereinbaren, kindsgerechte Startseiten einrichten sowie den Chat kontrollieren. Junge werden in erster Linie ermahnt, weder Telefonnummer noch Adresse in Chatrooms zu deponieren. Es gibt aber auch technische Schritte zum Schutz vor «Pädokriminalität» im Internet. Ein Erotikfilter für Kinder und das Blocken von Pop-Ups sind nur zwei mögliche Massnahmen, die die Kantonspolizei den MIA-Besuchern ans Herz legt. Aber: Angesichts der Gefahren müssen Kinder schlussendlich lernen, selbständig und verantwortungsvoll zu handeln.

Prävention auch als Risiko

Antonio de Tommaso ist sich bewusst, dass Prävention auch ein bestimmtes Risiko mit sich bringt. «Es ist nicht förderlich, wenn Private nun aus purer Neugier nach solchen Seiten suchen», sagt er. Im Gegenteil. «Stellen Sie sich vor, dass alle Schweizer einfach nur ihren ‹Gwunder› stillen wollen.» Für die Betreiber solcher Seiten bedeutet jeder Klick ein Zeichen der zunehmender Nachfrage. Und: Bei sieben Millionen Klicks nehme das verbotene Geschäft garantiert kein Ende…

Es kann durchaus vorkommen, dass jemand durch Zufall auf eine Seite stösst, die auf Kinderpornografie hinweist. Dann gilt es, die Koordinationsstelle Internet-Kriminalität (Kobik) zu kontaktieren. Diese leitet ein Dossier ans entsprechende Polizeikorps weiter. «Wir machen uns dann auf die Suche nach der Person, die dahinter steckt», so de Tommaso. In Zusammenarbeit mit dem Kanton will die Polizei das Thema «Kinderpornografie im Internet» schulfähig machen. Wie das Amt für Volksschule und Kindergarten bestätigt, werden unter Federführung der Polizei Unterlagen für Lehrer zusammengestellt. Das Thema «Chat-room» soll im Vordergrund stehen. Ab wann die Lehrmittel zum Einsatz kommen, steht noch nicht fest.Miriam Lenz

Beat Mathys

«Gerade im Chat kann man nie wissen, mit wem genau man es zu tun hat.»

Antonio de Tommaso, IT-Ermittler

Das Wochenende an der mia

Feiern im Schaum

Heute Freitag steht ab 20 Uhr die zweite MIA-Schaumparty auf dem Programm. Ins Leben gerufen wurde die Party im letzten Jahr. Messeleiter Jürg Möri schwärmt: «Junge Leute verschiedenster Nationalität haben miteinander friedlich gefeiert.» Dies sei der Hauptgrund dafür, dass die Schaumparty dieses Jahr erneut stattfinde. Am Samstag dann findet ab 20.30 Uhr die «grosse Jubiläumsparty» der Party-Connection «Rüebli & Moos» statt. Zu Gast sind verschiedene Interpreten.phm

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20 Jahre Haft fürSektenchef in Chile
TAGSS00020060525e25q00041
POLITIK
431 Words
26 May 2006
Der Tagesspiegel
006
19201
German
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Santiago de Chile - Immer wenn der "gute Onkel" baden ging, zitterten die Kinder der "Colonia Dignidad". Neben sein Arbeitszimmer hatte sich Paul Schäfer, der Gründer der berüchtigten Deutschen-Siedlung im Süden Chiles, eigens einen Baderaum anbauen lassen. Vom altdeutsch eingerichteten Zimmer mit Häkeldeckchen hinter Panzerglas ging es durch eine Seitentür in die Bade-Hölle. Dort verging er sich an den Kindern. Neun Jahre nach seiner Flucht aus der Landwirtschaftssiedlung und ein Jahr nach seiner Festnahme in Argentinien ist der 84-Jährige nun wegen Missbrauchs Minderjähriger zu 20 Jahren Haft verurteilt worden.

Der Baderaum ist inzwischen abgerissen worden, und nur noch der zugemauerte Durchgang und nackte Erde erinnern daran, wo Dutzende Kinder leiden mussten. "Wir wurden in Ahnungslosigkeit gehalten und wussten nicht, was sich hinter der bieder-deutschen Fassade tat", erzählt ein heute über 40-jähriger Siedler. Aber im Nachhinein werde vieles klarer. "Schäfer hat alles getan, um Liebesbeziehungen und Ehen zwischen Siedlern zu verhindern", sagt der Mann, der seinen Namen nicht genannt haben möchte. Schäfer habe die Ehe gefürchtet, weil die jungen Männer dann ihren Frauen in der Vertrautheit der Beziehung vom früheren Missbrauch durch Schäfer hätten erzählen können, ist sich der Siedler sicher.

Schäfer hatte offenbar schon früh einen Hang zur Pädophilie. Nachdem er als Gefreiter aus dem Zweiten Weltkrieg entlassen worden war, arbeitete er in Deutschland zunächst als Jugendpfleger. Schon damals tauchten die ersten Gerüchte über den Missbrauch Minderjähriger auf. Dies soll auch einer der Gründe gewesen sein, warum er Ende der 50er Jahre mehrere hundert Menschen aus dem Umkreis der Baptistenkirche dazu überredete, mit allem Hab und Gut nach Chile auszuwandern und die "Colonia Dignidad" aufzubauen. Der Laienprediger überzeugte die gutgläubigen Siedler mit dem Aufruf, selbstlos und unter Verzicht auf Wohlstand eine bessere Welt aufzubauen und den Menschen im Süden Chiles zu helfen.

Durch die harte Arbeit der Siedler, die sieben Tage die Woche oft von früh morgens bis spät in die Nacht schufteten, entstand bald eine blühende Landwirtschaftssiedlung mit Krankenhaus, Schule und Internat. Allerdings riegelte Schäfer die Anlage hermetisch von der Außenwelt ab und herrschte diktatorisch über die sektenartig organisierte Gemeinschaft. Im Muff der Selbstisolierung und hinter einer biederen Fassade führte er selbst ein zügelloses Leben. Die mögliche Beteiligung Schäfers an Mord und Folter durch die Geheimpolizei Dina von Militärdiktator Augusto Pinochet (1973-1990) wird in einem zweiten Strafprozess behandelt.

"Ich hatte schon Kandidaten, aber immer wieder hat Schäfer uns auseinandergerissen", erinnert sich eine heute über 60-jährige Siedlerin. "Irgendwann war ich völlig fertig und habe es aufgegeben", sagt die Frau, traurig und kinderlos. dpa

200605262556257
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PORTRÄT JOZEF MICHALIK GASTGEBER DES PAPSTES: "Ich höre das Echo des Satans"
TAGSS00020060525e25q0004c
MEINUNG
363 Words
26 May 2006
Der Tagesspiegel
008
19201
German
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Eigentlich hätte er zur Zufriedenheit allen Grund. Denn nicht nur während der päpstlichen Visite sind die Gotteshäuser Polens prall gefüllt. Auch ein Jahr nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. gelten die Landsleute von Jozef Michalik als die eifrigsten Kirchgänger des Kontinents: Im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern machen Polens katholischer Kirche keinerlei Nachwuchsprobleme zu schaffen.

Dennoch plagen den Vorsitzenden von Polens Katholischer Bischofskonferenz große Sorgen. Seit dem Tod des polnischen Papstes toben in seiner Kirche offene Richtungskämpfe. Das ratlose Episkopat vermag die Risse in den eigenen Reihen kaum mehr zu kitten. Die lange verdeckte Führungskrise ist auch dem vor zwei Jahren zu Polens Oberhirten gekürten Michalik anzulasten.

Mitten im Zweiten Weltkrieg, 1941, wurde Michalik im ostpolnischen Zambrow als Sohn eines Beamten geboren. Und schon früh entdeckte er seine Liebe zur Kirche. Der Klassenbeste sei täglich zur Messe gegangen, erinnern sich Mitschüler. Kein Wunder, dass er sich nach dem Abitur um die Aufnahme in das Priesterseminar in Lomza bemühte. 1964 zum Priester geweiht studierte er hernach Theologie in Warschau, später in Rom. 1986 wurde er vom Papst zum Bischof von Gorzow (Landsberg), 1993 zum Erzbischof von Przemysl ernannt.

Energisch mühte sich der konservative Kirchenmann fortan, die katholischen Kräfte zu unterstützen - und vergriff sich dabei manchmal im Ton. Ein Katholik habe die Pflicht, für einen Katholiken zu stimmen - genauso wie "ein Jude für einen Juden", schrieb er Mitte der neunziger Jahre. Auch beim Streit um die Verschärfung des Abtreibungsrechts pflegte der heute vorsichtiger formulierende Kirchenmann ordentlich zu poltern. In den Argumenten der Gegner witterte er "das Echo des gegen Gott revoltierenden Satans".

Als einstiger Vertreter des rechten Flügels ist der 65-Jährige im Lauf der Jahre ein wenig mehr in die Mitte von Polens erzkonservativer Kirche gerutscht. Das wichtigste sei die "Einheit der Kirche", so Michalik. Doch in seinem neuen Amt wirkt er oft halbherzig. Ob beim Konflikt um die antisemitischen Hetztiraden von Radio Maryja, die Aufbereitung der Stasi-Vergangenheit von Geistlichen oder die zahlreichen Pädophilie-Skandale - klare Stellungnahmen lässt die geteilte Kirchenführung ebenso wie ihr Vorsitzender vermissen. Thomas Roser

200605262555863
Foto: picture-alliance/dpa
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Ein Gigant auf den Schultern anderer
WELTW00020060523e25o0003e
Titel
Thomas Widmer
4072 Words
24 May 2006
Die Weltwoche
034
21
German
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Nach der Hochzeit mit einer älteren, aber «guten Partie» hätte Mohammed als Businessman froh werden können. Aber er war ja zu Höchstem erkoren. Da das nicht alle so sahen, kam er zu dem Schluss: Wer Gott nicht hören will, muss sein Schwert fühlen. Thomas Widmer versucht, dem Propheten gerecht zu werden.

Von christlicher Seite wurde Mohammed durchs ganze Mittelalter und bis in unsere Neuzeit verhöhnt und verleumdet, als Lüstling abgestempelt, als Lügenprophet verunglimpft, zum Geisteskranken herabgewürdigt; man suchte die bedrohlich erstarkte islamische Welt im Kern zu treffen, indem man ihre Gründerfigur verächtlich machte. Wer dem Manne gerecht werden und ein realistisches Bild seiner geschichtlichen Leistung zeichnen will, dem bereiten die Verklärer allerdings ein ähnliches Problem, da auch sie die biografischen Fakten – zum anderen Extrem hin – biegen: Die islamische Tradition hat Mohammed, der um 570 zu Mekka in einen verarmten Zweig des stadtbeherrschenden Stammes der Quraisch geboren wurde und 632 zu Medina als erfolgreicher Religionsstifter starb, von allen Makeln poliert. Sie propagiert ihn gar als moralisches Vorbild für die Menschheit.

Literatur-Genre: Prophetenlob

Die Stilisierung beginnt früh. Zwar sagt Mohammed im Koran, den er als Gottes Botschaft seinen Arabern über mehr als zwanzig Jahre portionenweise vorträgt: «Ich bin nur ein Mensch wie ihr.» Doch hat sich der junge Islam bald, nicht zuletzt in der Konfrontation mit der Supermacht Byzanz, am sechs Jahrhunderte älteren Christentum zu messen. Dessen Jesus ist es als Gottessohn quasi in die Wiege gelegt, Wunder zu wirken. In der Direktkonkurrenz beginnen die Muslime, ihre eigene Zentralgestalt nach Christi Beispiel zu verheiligen.

Schon bei Mohammeds Zeugung setzen sie an: Sein Vater strahlt an jenem Tage ein Licht aus. Als die Mutter das Knäblein dann in die Welt presst, ist es bereits beschnitten. Jahre später öffnen zwei Engel dem Kind die Brust und waschen sein Herz; Mohammed ist daher sündlos, glauben viele Muslime. Als Erwachsener soll er einen Augenkranken geheilt, einen Baumzweig in ein Schwert verwandelt, aus dem Nichts Wasser für achtzig Dürstende herbeigeschafft, den Mond in zwei Teile gespalten haben; auch soll er der Sprache der Tiere mächtig gewesen sein. Poeten ästhetisieren seine körperliche Erscheinung ins Kosmische, «der Mond verblasst vor der Schönheit Mohammeds», heisst es im 13. Jahrhundert beim Perser Saadi.

«Prophetenlob» gerät zum Literaturgenre, und dieses hält sich bis in die Gegenwart: Mohammed sei in jeder Beziehung perfekt gewesen, als Prophet, Staatsmann, Heerführer, Gatte, Vater, Freund und Mensch, schreibt der einflussreiche ägyptische Schriftsteller Abbas Mahmud al-Aqqad 1943 im Buch «Das Genie Mohammeds».

Eine Art Fehlerlosigkeits-Doktrin, ein Vollkommenheits-Dogma hat sich entwickelt, daher die Wut der Völker von Casablanca bis Dhaka, als eine dänische Zeitung unlängst einige freche Mohammed-Karikaturen publizierte. Wenn das freilich der Anspruch an Mohammed ist: charakterliche Totalreinheit, ethische Unanzweifelbarkeit, dann müssen wir energisch dagegenhalten. Diese unglaublich wirkungsvolle Existenz – 1,2 Milliarden Menschen bekennen sich inzwischen zum Islam und nehmen Mohammeds Leben zur Norm – ist höchst kritikabel. Sie ist es just durch die Vielzahl der in ihr angelegten, gelegentlich miteinander in Konflikt tretenden Rollen.

Durch die Personalunion von Prophet und Kriegsherr vor allem. Während das Christentum erst rund 350 Jahre nach Jesus, dem Gewaltlosen, zur staatlichen Macht avanciert, indem es Roms offizielle Religion wird, ist der Islam von Anfang an auch eine weltliche Success-Story. In Mohammed paaren sich Glauben und Politik. Jenseitsbemühung und diesseitiges Handeln. Gebet und Gefecht. Mohammed sieht sich als Gesandten Gottes in der Nachfolge der alttestamentarischen Propheten, als Mahner und Warner also. Er ist zum anderen Gottes Heerführer, indem er der neuen Religion mit dem Schwert zur Ausbreitung verhilft; 66 Schlachten soll er durchfochten haben. Die Gewalt des Islams ist durch die Praxis ihrer Ursprungsfigur bereits begründet.

Man nehme das Massaker von 627 an einigen hundert Männern des Stammes der Quraiza, das Mohammed autorisierte. Wie es dazu kam, soll später erläutert werden; hier vorerst die Szene, die Sir William Muir, ein britischer Islamwissenschaftler des 19. Jahrhunderts, melodramatisch koloriert hat: «Am Morgen befahl Mohammed, der selber zu den Zuschauern der Tragödie gehörte, dass die männlichen Gefangenen in Gruppen von jeweils fünf oder sechs herbeigeführt werden sollten. Jede Gruppe hiess man in einer Reihe am Rande des Grabens niedersitzen, der bestimmt war, ihr Grab zu werden; dort wurden sie enthauptet und die Leichen hinabgestossen. Die Schlächterei, die am Morgen begonnen hatte, dauerte den ganzen Tag und wurde bei Fackelschein bis in den Abend fortgesetzt.»

Die Arabische Halbinsel, einigermassen deckungsgleich mit dem heutigen Saudi-Arabien, liegt damals im Abseits der grossen Geschichte, eine wilde Welt für sich. Die Region kennt nur wenige Städte, die meisten Araber leben um 600 in nomadisierenden Stämmen, die sich in lockerer Abfolge verbünden und bekriegen. Ihr Glaube ist eine Summe lokaler Kulte: Sie verehren Steine, Felsen, Himmelskörper, sehen mancherorts Geister wirken, beten auch Götterstatuen an. Ein mysteriöser schwarzer Stein samt dem ihn umgebenden Haus befindet sich in Mekka und ist bereits ein überregionales Heiligtum: die Kaaba, die Mohammed zum Mittelpunkt des Islams umfunktionieren wird.

Glück und Geld

Mekka, Handelsstadt. Der vorislamische Kaaba-Kult trägt entscheidend zur Prosperität bei. Wenn zu bestimmten Zeiten des Jahres die Blutrache ruht, pilgern die Araber nach Mekka; sie huldigen der Gottheit der Kaaba, und sie decken sich mit Waren ein. Mekka ist eine merkantile Drehscheibe zwischen Indien, Abessinien, dem Mittelmeerraum.

In diese Zeit des Wohlstands, der freilich kein allgemeiner ist, wird Mohammed geboren. Sein Vater ist kurz zuvor gestorben, die Mutter stirbt, als er sechs ist; er lebt fortan beim Grossvater, später beim Onkel und hütet Schafe; ob er als Bub mit einer Karawane bis nach Syrien gereist ist, wie einige Biografen schrieben – historisch umstritten. Seine ärmliche Jugend macht ihn feinfühlig für die Probleme, die die wirtschaftliche Blüte auch hervorgebracht hat. Geld soll neuerdings mehr wert sein als die alten Ideale der Tapferkeit, Grosszügigkeit, Treue, die man draussen in der Wüste noch hochhält. Die Neureichen foutieren sich um die Schwächeren, Egoismus ist an die Stelle der Solidarität im Kollektiv getreten, gerade Mohammeds Clan darbt. Mit Vehemenz wird der Koran später die Reichen und ihre Habgier anklagen: «Nein! Ihr seid nicht freigebig gegen die Waise und haltet euch nicht gegenseitig dazu an, dem Armen zu essen zu geben, zehrt vielmehr das Erbe eurer Schützlinge völlig auf und liebt Hab und Gut über alles.»

Wie der Koran zu Mohammed kommt respektive Mohammed zum Koran: davon später. Einem Missverständnis sei bereits vorgebeugt: Aus Sicht des Muslims spricht im Koran nicht Mohammed, sondern Gott, der sich den Mann aus Mekka als Boten erwählt hat. Indem Gottes Nachrichten, von Mohammed übermittelt und von Zeitgenossen auswendig gelernt, gut zwanzig Jahre nach dessen Tod gesammelt und in eindeutiger Form verschriftlicht werden, nimmt der Koran Buchform an. Kein Widerspruch, dass die 114 Suren (Kapitel) des Korans dennoch als Mohammeds Autobiografie lesbar sind: Wenn Gott einen Menschen ausschickt, seine Mitmenschen aufzurütteln, sind diese Botschaften so konkret, dass sich darin die Zeit und also auch die Seelenlage des Vermittlers spiegeln. So ist das auch im – in einigen Teilen mehr als 1500 Jahre älteren – Alten Testament, wenn die jüdischen Propheten Jesaja, Daniel, Amos und andere auftreten.

Der junge Mohammed, noch ohne Ahnung von seiner Mission, hätte ausgesorgt, als er mit gut 25 die 15 Jahre ältere, reiche Kaufmannswitwe Chadidscha heiratet; er könnte sich darauf konzentrieren, das gemeinsame Vermögen zu mehren. Er tut dies vorerst ja auch mit Geschick, man anerkennt ihn weitherum als ehrlichen und fähigen Geschäftsmann. Doch das ist ihm nicht genug, er ist eine jener Persönlichkeiten, die an ihrer Gesellschaft leiden.

Innere Stimme? Oder doch nur Epilepsie?

In seinem Fall: am Materialismus. Am spirituellen Vakuum. Mekkas Herren sehen den heiligen Schrein der Kaaba bloss als Business-Opportunity, Mohammed erspürt die Heuchelei, ihn dürstet nach Wahrhaftigkeit. Er zieht sich darum regelmässig zur inneren Einkehr in die Wüste zurück. Vielleicht haben ihn christliche Eremiten dazu inspiriert: Auf den Handelswegen kursieren auch Ideen aller Art, das Christentum ist längst bis nach Mekka gedrungen und hat dort ebenso Anhänger gefunden wie das Judentum im 350 Kilometer nördlicher gelegenen Medina.

Was Mohammed draussen vor der Stadt eines Tages im Jahre 610 geschieht, ist Teil der Heilsgeschichte des Islams. Man glaube es oder glaube es nicht: In oder bei einer Höhle am Berg Hira begegnet der 40-Jährige dem Erzengel Gabriel. Respektive identifiziert er das Wesen im Nachhinein dank einem Cousin seiner Frau, dem Christen Waraqa, als Gabriel. Der bibelfeste Waraqa macht Mohammed auch klar, wie es den früheren Propheten erging: «Jeder, der auf ähnliche Weise wie du seinen Leuten eine Botschaft brachte, wurde mit Feindlichkeit behandelt.»

Mohammed sieht die Gefahr. Aber die jüdisch-christliche Glaubensidee hat ihn in ihrer bestechenden Einfachheit (ein Gott; wenige klare Gebote im Diesseits; Lohn respektive Strafe im Jenseits) offenbar bereits nachhaltig geprägt. Dass ein gerechter Herr im Himmel gegen Willkür und Machtmissbrauch auf Erden vorgeht, es passt exakt zu Mohammeds Sehnen – aus dieser Tatsache wiederum ergibt sich das Selbstverständnis des Islams als Vollender des Judentums und Christentums.

Die Anfangsverse der 96. Sure des Korans gelten als die ersten Worte, die er von Gabriel zu hören bekommt: «Trag vor im Namen deines Herrn, der erschaffen hat, den Menschen aus einem Embryo erschaffen hat! Trag vor! Dein Herr ist edelmütig wie niemand auf der Welt, er, der durch das Schreibrohr gelehrt hat, den Menschen gelehrt hat, was er zuvor nicht wusste.» Der grandios intonierte Befehl lanciert eine neue Weltreligion. Für Mohammed, der davon noch nichts weiss, folgen qualvolle Zeiten. Die Eingebungen, gerade die ersten, knappen, atemlosen, sind verbunden mit Angst und Seelenpein, der Prophet röchelt, stöhnt, friert, kauert sich in seinen Mantel. Feinde spötteln, Dschinn seien in ihn gefahren, Wüstendämonen. Viele Jahrhunderte später werden neuzeitliche Europäer eine Epilepsie wittern.

Freilich müssen die Anhänger der Epilepsietheorie akzeptieren, dass dann auch die Propheten der Bibel krank waren. Aber wie kommt die Stimme sonst in Mohammed hinein? Er will ja ein treuer Bote sein, kein Gaukler. Der Islamwissenschaftler W. Montgomery Watt verweist auf die «kreative Imagination», eine Art innere Stimme, die Propheten, Dichter, Schriftsteller, Maler gleichermassen hören: «Sie alle bringen in eine sinnliche Form (Bilder, Gedichte, Dramen, Romane), was viele fühlen, ohne es voll ausdrücken zu können.» Und: «Sie proklamieren Ideen, die mit dem Tiefsten und Zentralsten in der menschlichen Erfahrung verbunden sind, wobei sie ganz besonders die speziellen Bedürfnisse ihres Zeitalters und ihrer Zeitgenossen aufgreifen.»

Mohammed wäre also einer, der dem Unbewussten seiner Zeit, ihrem Unbehagen eine Sprache verleiht. Manchen ist das zu psychologisierend. Sie neigen zur kruden Vermutung, Mohammed sei schlicht ein Betrüger gewesen. Es ist tatsächlich frappant, wie ihm im Laufe seiner 22 Prophetenjahre immer umgehend die passende Antwort von oben zukommt, wenn sich eine dringende Frage stellt – anderseits zieht er sich in solchen Momenten ja gezielt zurück, um auf die Eingebung zu warten, und natürlich gesteht jene Epoche dem Magischen viel mehr Raum zu als unsere Moderne.

Gegen die Scharlatanthese spricht im Übrigen banal, dass Mohammed den schwierigsten Weg durch sein Leben geht. Ein Geltungssüchtiger könnte sich auf viele Arten leichter Befriedigung verschaffen. Denn die ersten Jahre des Islams sind pure Demütigung. Harmlos noch, dass vor Mohammeds und Chadidschas Haus Abfall geworfen wird. Bald ist ein Handelsboykott im Gang. «Wir werden dafür sorgen, dass deine Waren nicht verkauft werden und du dein Kapital verlierst», schwört der Muslimfeind Abu Dschahl.

Der Prophet wird mürbe

Woher wir das wissen? Mohammeds Leben lässt sich aus drei Quellen erschliessen: Erstens ist da der Koran samt den ihm beigestellten Kommentaren, in denen Gelehrte der folgenden Generationen Vers um Vers, Kapitel um Kapitel erläutern. Zweitens der «Hadith», die Gesamtheit jener gewaltigen Sammlungen, in denen Mohammeds Worte und Taten samt denen der Leute um ihn verzeichnet sind. Der «Hadith» ist die Basis – drittens – der Prophetenbiografie des Ibn Ishaq ein Jahrhundert nach Mohammed. Freilich ist all dies in verehrender Intention geschrieben.

Wenige Jahre nach dem Berufungserlebnis von 610 ist Mohammed, der Verspottete, der Verlachte, mürbe geworden. In der tiefen Selbstzweifelei zeigt der Verkünder des klar auf den einen einzigen Gott fixierten Glaubens in ungewöhnlicher Weise Schwäche. Womit wir bei der berühmten Episode der «Satanischen Verse» wären: Mohammed trägt eines Tages eine aufsehenerregende Botschaft Gottes zu seinen Mekkanern. Diese neuste Offenbarung nennt drei alte Gottheiten Mekkas namentlich – und offenbar soll es möglich sein, auch zu diesen Unter- oder Nebengöttinnen zu beten, deren Existenz damit so nebenbei bejaht wird. «Habt ihr Lat und Uzza gesehen und auch Manat, diese andere, die dritte. Es sind die erhabenen Kraniche, und ihre Fürsprache ist gewiss erwünscht», lauten gemäss al-Tabari die Verse; der altarabische Historiker berichtet auch, dass die Verse (das Wort «Kraniche» bleibt rätselhaft) auf beiden Seiten grossen Anklang finden. Es zeichnet sich ein Kompromiss zwischen Alt und Neu ab, zwischen Vielgötterei und Eingottglaube. Man atmet auf in der Stadt.

Der Harem wächst

Doch dann – wir wissen nicht, wie viel später – kommt es zur Korrektur: Mohammed erscheint mit einer zweiten Eingebung, die die erste ersetzt. Zuvor, macht er geltend, habe Satan ihn zuvor getäuscht und ihm Falsches eingeflüstert. Nun – diese Worte gehen in den Koran ein – stellt er klar, dass die drei Göttinnen nicht existieren: «Das sind blosse Namen, die ihr und eure Väter euch ausgedacht habt und wozu Gott keine Vollmacht herabgesandt hat.»

Mohammed wird danach nie mehr wanken, die Grenze gegen den «schirk», die «Beigesellung», wie in seiner Terminologie der Polytheismus heisst, hat er nun ein für allemal klar gezogen. Freilich bedeutet dies, dass der Druck noch einmal zunimmt. Von Abu Bakr, dem Weggefährten, der nach Mohammeds Tod die Gemeinschaft der Gläubigen in den islamischen Alltag überführen wird, heisst es, er habe von seinem Vermögen von 40000 Dirham nach zehn Jahren als Muslim noch 5000 besessen; den Rest hat er ausgegeben, um sich, die Familie, die Glaubensbrüder und -schwestern durchzubringen. Ärmere, machtlose Muslime werden im eigenen Clan aufs Blut gepeinigt, Todesfälle sind bezeugt.

Um 615 – da kann man von 50 bis 70 bekennenden Muslimen ausgehen – wandert ein Grüpplein, das die Repressalien nicht mehr erträgt, nach Abessinien aus, dessen christlicher Herrscher Protektion verspricht. Auch Mohammed gerät noch stärker in Bedrängnis. 619 stirbt sein Onkel Abu Talib, der nie Muslim geworden ist und doch immer zu ihm gehalten hat. Der neue Clanchef Abu Lahab erweist sich als wankelmütig, Mohammed hat seinen Rückhalt in der Stadt verloren. Auch ein Mordkomplott gegen ihn wird nun geschmiedet.

Noch ein Schlag im selben Jahr: Chadidscha stirbt. Sie, der erste Mensch, der Mohammed glaubte, hat diesem die Tochter Fatima geboren, die als einziges seiner Kinder Nachkommen haben wird. Mohammed hat Chadidscha zu ihren Lebzeiten Respekt gezollt, indem er sich keine anderen Frauen nahm. Nach ihrem Tod holt er sich die aristokratische Umm Salma. Die intelligente Safiya, eine Jüdin. Die mütterliche Sauda. Gut zehn Gattinnen und Konkubinen umfasst sein Harem zeitweise. Bei der «Vielweiberei» wird später die christliche Polemik ansetzen, die ihn als Wüstling zeichnet.

Die Muslime selber sehen darin die einzigartige Virilität des Propheten; dieser habe, rühmen sie, in einer Nacht alle seine Frauen zufrieden stellen können. Aischa, seine Lieblingsfrau nach Chadidscha, ist erst neun oder zehn, als er die Ehe vollzieht, und spielt da noch mit Holzpferdchen. Aus heutiger Sicht rückt Mohammed in die Nähe der Pädophilie. Aber damals ist die Verheiratung eines Mädchens dieses Alters nicht unüblich.

Zwischen Mekka und Medina

Mit den meisten seiner Verbindungen betreibt Mohammed auch gezielte Heiratspolitik. Aischas Vater etwa ist Abu Bakr, sein «Chefleutnant», wie es ein englischer Biograf nennt. Ein schlechter Gatte ist der Prophet im Übrigen nicht, erweist sich gar als bemerkenswert weich. Viel zitiert die Episode, wie Aischa, die bei einigen Expeditionen der Muslime in der Sänfte dabei ist, eines Tages allein in der Wüste zurückbleibt; sie wollte ein Halsband aufheben, das ihr zu Boden fiel, und die Karawane ist ohne sie mit der leeren Sänfte weitergezogen. Ein junger Muslim, ein Nachzügler, findet sie, lädt sie auf sein Kamel und wird zum Ziel einer politisch motivierten Verleumdung; kaum denkbar für die Araber damals, dass ein Mann nicht sexuell davon profitiert, mit einer Frau allein zu sein. Mohammed wird deswegen in seiner Ehre angegriffen und soll sich scheiden lassen. Doch er hält in der sogenannten «Lügen-Affäre» zu Aischa.

Dieses Vorkommnis spielt sich bereits in Medina ab. Denn Mohammeds Leben als Verkünder des Islams teilt sich auf zwei Orte auf: An die ersten zwölf Jahre in Mekka schliessen sich seine zehn Jahre in Medina an, einer von Siedlungen durchzogenen Grossoase, in der man Datteln und Getreide anbaut. Die dortigen Stämme haben zu jener Zeit ein Problem: Sie haben sich untereinander in eine Dauerfehde verstrickt und suchen nach einem neutralen Schlichter von auswärts. Diffizile Sache: Jene Respektspersonen der Halbinsel, die in Frage kämen, haben Blutsverwandte in dem einen oder anderen medinensischen Stamm und gelten daher nicht als unabhängig. Mohammed hingegen: einer, der sich radikal aus den tribalen Bindungen gelöst hat und sich nur einem Herrn unterstellt: Gott. Schliesslich können die Medinenser ihn überzeugen, das Mediatorenamt zu übernehmen, indem sie ihn im Gegenzug als Propheten akzeptieren.

Abgesegnetes Sakrileg

Abrupt wird Mohammed in Medina zum handlungsfähigen Führer einer grösseren Gemeinschaft, nachdem er in Mekka der Verteidiger einer von allen Seiten bedrängten Kleingruppe war. Die Suren des Korans reflektieren die Transformation: Riefen sie zuvor auf, im Hinblick auf Paradies und Hölle das eigene Tun zu überdenken, widmen sie sich nun öfters irdischen Detailproblemen wie dem Erbrecht oder der Stellung der Frau – eine auffällige Zäsur.

Nicht umsonst bildet 622, als Mohammed und seine Gläubigen nach Medina übersiedeln, das Jahr null der islamischen Zeitrechnung. Es ist das Jahr, als der Prophet ein Staatsmann wird. Ein militanter: Die Medinenser haben sich einen Provokateur eingehandelt, der bald gezielt die mekkanischen Karawanen angreift und so die Geschäfte seiner Heimatstadt lähmt. Mohammed schreckt nicht einmal davor zurück, auch im heiligen Monat der Nomaden zuzuschlagen, obwohl dann die Waffen traditionell ruhen. Er bringt einen Koranvers bei, der den zweifelnden Muslim der ersten Stunde zum Sakrileg ermächtigt: «Man fragt dich nach dem heiligen Monat, ob es erlaubt sei, in ihm zu kämpfen. Sag: In ihm kämpfen ist ein schweres Vergehen. Aber seine Mitmenschen vom Weg Gottes abhalten [...] wiegt bei Gott schwerer.»

Die Mekkaner können die Razzien – das arabische Wort bezeichnet den schnellen Überfall – gegen ihre Karawanen nicht hinnehmen. Der Konflikt eskaliert. In der ersten grossen Schlacht, der von Badr 624, obsiegen die von Medina angerückten Muslime. Die Schlacht von Uhud ein Jahr später: ein Rückschlag für die junge Bewegung. Im «Grabenkrieg» von 627 dann gelingt es dem Propheten, indem er die offenbar von den Persern abgeschaute Einrichtung des Schanzengrabens anwendet, die angerückten Mekkaner dauerhaft zu frustrieren – sie müssen einsehen, dass das Problem Mohammed militärisch nicht lösbar ist. Dieser hat nun freie Bahn, einen letzten Medina-internen Widersacher zu beseitigen: Die Juden vom Stamm der Quraiza sind ihm nicht beigestanden und verhindern durch ihr Dasein, dass er die Oase kontrolliert.

Nun umzingelt Mohammed mit 3000 Mann das befestigte Lager der Quraiza. Die Einkesselung währt 25 Tage, endlich strecken die Belagerten ihre Waffen. Und dann werden aufgrund des Urteils eines von Mohammed eingesetzten Richters, der im Kampf verwundet wurde und entsprechend grimmig gesinnt ist, 300, laut vielen Quellen gar 600 Männer und Jünglinge hingerichtet. Mit dem Segen des Propheten.

Der vom Orientalisten William Muir ausgemalte Vorgang, eingangs dieses Artikels zitiert, erscheint unter moralischen Gesichtspunkten krass. Freilich ist die Moral immer eine Frage ihrer Zeit. Das Arabien des siebten Jahrhunderts kennt keine Gefangenenrechte. Und keine Gefängnisse; der isoliert Besiegte, den man freilässt, kann im starken Verbund zurückkommen. Mohammed agiert als Realpolitiker nach den Massstäben seiner Epoche. Bloss kontrastiert die Handlung des Vorbildes aller Muslime scharf mit der Behauptung heutiger Apologeten, der Prophet habe – «Islam» sei etymologisch nicht von ungefähr eng verwandt mit «salam» (Frieden) – nur zu den Waffen gegriffen, wenn er sich verteidigen musste.

Ein paar seiner Kritiker müssen sterben. Öffentlichkeit besteht im alten Arabien aus den Worten der Dichter, die die ruhmreichen Taten der Stammeshelden besingen und verewigen. Sie haben auch die Macht, Schmutzkampagnen in Gang zu bringen, manche lassen sich dafür ebenso honorieren wie für die Dienstleistung des Lobens. Vielleicht bezahlen reiche Mekkaner die Mohammed-Schmäher; auf jeden Fall hat dieser Feinde unter den Dichtern – und lässt ein paar von ihnen ermorden.

Einer, der Mohammed mit seinen Versen besonders zusetzt, ist der Halbjude Ka’b ibn al-Aschraf. Schliesslich gestattet der Prophet einem Helfer, Ka’b mit einer Lüge aus der Deckung zu locken und zu töten. Das Finale reportiert ein Zeitgenosse: «Sie trennten seinen Kopf ab, nahmen ihn mit, legten ihn vor Mohammed. Und er pries Gott.»

Denn wie alle Propheten will Mohammed im höheren Auftrag handeln. Die erwähnte Exekution der Quraiza soll Gott gar direkt befohlen haben. Dazu existiert folgende fromme Anekdote: Nach dem Grabenkrieg, als die Mekkaner abgezogen sind, wird Mohammed im Bade vom Erzengel Gabriel aufgesucht, der ihm sagt, er habe seine Waffen «noch nicht niedergelegt». Worauf Mohammed fragt: «Wohin also des Weges?» Und Gabriel zeigt zum Lager der Quraiza: «Dorthin.»

Fasten wird Pflicht

Im harten Vorgehen Mohammeds gegen die Juden zeigt sich seine Enttäuschung über sie. Er hat in Medina feststellen müssen, dass sie von seiner Prophetie wenig bis gar nichts halten. Nach ihrer eigenen Lehre ist es nun einmal so, dass sie das auserwählte Volk sind, durch das allein Gott sich den Menschen enthüllt. Sobald Mohammed die prinzipielle Ablehnung realisiert hat, ändert er zwei Bräuche, die er just im Werben um die Juden eingeführt hat: Im Jahr 624 wird den Muslimen verordnet, im Monat Ramadan zu fasten statt am jüdischen Sühnefest-Tag Jom Kippur. Zudem – auch dies ein neues Koran-Wort – sollen die Muslime künftig statt nach Jerusalem nach Mekka beten. Die entsprechende Direktive an den Gläubigen: «Wir sehen, dass du unschlüssig bist, wohin am Himmel du dich beim Gebet mit dem Gesicht wenden sollst. Darum wollen wir dich jetzt in eine Gebetsrichtung weisen, mit der du gern einverstanden sein wirst: Wende dich mit dem Gesicht in Richtung der heiligen Kultstätte!»

Gemeint ist die erwähnte Kaaba. Aber wieso sollen die Muslime zu dem aus ihrer Sicht heidnischen Schrein beten? Mohammed dreht die Sache schlau: Er schreibt der alten Kaaba einen biblischen Ursprung ein: Die Kaaba war, sagt er, einst Adams heiliges Haus, das dann zerfiel. Abraham richtete es wieder her, worauf es erneut zerfiel. Und nun kommt er, Mohammed, und setzt den abrahamitischen Kult noch einmal ein. Den noch nicht von den Juden und Christen verfälschten Glauben an den einen Gott. Die purste Form des Monotheismus. Den Islam.

Konnte der Seher doch schreiben?

Ein grossartiges Manöver: Mohammed kann damit auf lange Sicht die Mekkaner gewinnen. Der Islam bedeutet für ihren Handelsplatz nicht mehr Vernichtung, sondern im Gegenteil Aufwertung. Vor allem aber: Der Islam gewinnt totale Eigenständigkeit vom Judentum, als dessen Sekte er hätte enden können, indem er sich kraft der Zentrierung auf Mekka vollständig arabisiert. Mohammed, laut dem der Koran Gottes abschliessende Offenbarung ist und er selber dessen letzter Prophet: der Initiator einer originalen und universalen neuen Religion.

Die Zeit spielt nun für Mohammed. 629 zieht er als Pilger mit 2000 Anhängern in Mekka ein, dessen Bewohner freiwillig für drei Tage die Stadt geräumt haben. Es wird eine triumphale Machtdemonstration. Bald darauf treten einige Männer einflussreicher mekkanischer Familien zum Islam über, darunter Chalid ibn al-Walid und Amr ibn al-As, die Militärheroen jenes bereits nahen Zeitalters der Eroberungen, in dessen Rahmen die Araber nicht mehr unter sich Krieg führen, sondern den neuen Glauben in die weite Welt tragen werden – 635 nehmen sie Damaskus ein, 638 Jerusalem, stossen 649 zum Indus vor und fallen 710 in Spanien ein.

Vorerst allerdings gilt es, dies ist Mohammeds Ziel, die Arabische Halbinsel und vor allem ihr Zentrum ganz zu islamisieren: 630 reitet er wieder gegen Mekka. Diesmal will er den dauerhaften Gewinn des Ortes; jedem, der die Waffen streckt, garantiert er Amnestie. Fast alle Mekkaner nutzen das Angebot. Nun kommt es zum Bildersturm, man «reinigt» die Kaaba, zerstört alle Götterstatuen. Es ist vollbracht, die arabische Spielart des Glaubens an den einen Gott hat gesiegt. Mohammed verkündet: «Heute habe ich euch eure Religion vervollständigt und meine Gnade an euch vollendet.»

Zwei Jahre später, im Juni 632, erkrankt Mohammed unerwartet und verstirbt, den Kopf in Aischas Schoss. Seine Anhänger begraben ihn an Ort und Stelle, das Grab ist heute Teil der «Prophetenmoschee». Auf dem Totenbett soll er, so einige Quellen, gesagt haben: «Bringt mir etwas zu schreiben, und ich werde euch etwas aufschreiben, nach dem ihr nicht mehr in die Irre gehen werdet.» Erstaunlich. Denn eigentlich – das macht das von den Muslimen geltend gemachte Wunder des Korans noch glaubwürdiger – herrscht heute die Lehrmeinung, der Prophet sei des Lesens und Schreibens unkundig gewesen. Mohammed, der arabische Gigant, bleibt eine umstrittene Figur.

Alle Koranzitate nach der Übersetzung von Rudi Paret.

Beste Darstellung von Mohammeds Leben: W. Montgomery Watt: Muhammad. Prophet and Statesman. 1961 (vergriffen, antiquarisch über zvab.com erhältlich)

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Pakistanische Schlepper im Visier
BASLRZ0020060522e25m0001y
schweiz
266 Words
22 May 2006
Basler Zeitung
5
German
(c) 2006 Basler Zeitung Homepage Address: http://www.baz.ch

nachrichten

Bern. Mögliche Aktivitäten pakistanischer Schlepperbanden in der Schweiz nehmen zwei Experten des Bundesamtes für Polizei (Fedpol) zur Zeit unter die Lupe. Die beiden haben die von einer mafiösen Organisation infiltrierte Schweizer Botschaft in Islamabad besucht. Das Kommissariat für Pädophilie, Menschenhandel und Menschenschmuggel sammle Informationen darüber, ob pakistanische Schlepperbanden auch in der Schweiz aktiv geworden seien, bestätigte Fedpol-Sprecher Guido Balmer einen Bericht in der «Sonntagszeitung». Allerdings treffe es nicht zu, dass Schlepper in der Schweiz gesucht würden. Es gebe derzeit keine Ermittlungen. Die beiden Fedpol-Experten führten während ihres einwöchigen Aufenthaltes in Pakistan Gespräche mit Vertretern des Innenministeriums und der Bundespolizei sowie mit ausländischen Vertretungen, die über Polizeiattachés verfügen. Die Erkenntnisse sollen in einen Lagebericht fliessen. sda

Gleichstellungsstelle des EJPD aufgehoben

Bern. Die Stelle der Beauftragten zur Förderung der Sprach- und Kulturpolitik sowie Chancengleichheit von Mann und Frau im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ist aufgehoben worden. EJPD-Sprecher Livio Zanolari bestätigte auf Anfrage eine Meldung der «NZZ am Sonntag», betonte jedoch, nur die Stelle, nicht die Leistung sei aufgehoben worden. Die Leistung werde von der neuen Personalchefin wahrgenommen. Die Streichung der 40-Prozent-Stelle sei Bestandteil der Reorganisation der zentralen EJPD-Dienste. sda

Schweizer Amnesty-Vertreter verhaftet

Tunis/BERN. Yves Steiner, Exekutivmitglied von amnesty international (ai) Schweiz, ist am Sonntagnachmittag von der tunesischen Polizei festgenommen und am Abend nach Paris ausgewiesen worden. Steiner hatte als Gast an der Generalversammlung der tunesischen ai-Sektion teilgenommen. Am Ende der Veranstaltung in Carthage war er ohne Angaben von Gründen von Polizisten festgenommen worden. AP

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Visa-Affäre: Polizei sucht Schlepper in der Schweiz
SONNZ00020060522e25l0000f
Nachrichten
Simon bärtschi und Andrea Bleicher
335 Words
21 May 2006
Sonntagszeitung
6
German
(c) 2006 Sonntags Zeitung

Ex-Wirtschaftsattaché weiterhin flüchtig - Visumsvorschriften für pakistanische Touristen sollen verschärft werden

BERN/ISLAMABAD · In der Visa-Affäre suchen die Ermittler jetzt auch hier zu Lande nach Spuren des Schlepperrings, der möglicherweise Hunderten von Pakistanern mit illegalen Mitteln zum Flug in die Schweiz verhalf. «Das Kommissariat für Pädophilie, Menschenhandel und Menschenschmuggel sammelt Informationen über mögliche Aktivitäten der pakistanischen Schlepperbanden in der Schweiz», bestätigt Guido Balmer vom Bundesamt für Polizei. Alle Erkenntnisse werden demnächst an das Aussenministerium EDA weitergegeben.

Dieses ordnete vergangene Woche ein Disziplinarverfahren an gegen den jetzigen Botschafter Denis Feldmeyer und dessen Vorgänger Christian Dunant, derzeit Missionschef in Marokko. Beide gelten laut Insidern als wenig durchsetzungsfähig.

Disziplinarisch im Visier hat das Aussenministerium auch Kanzleichef Rudolf Aregger. Aregger wurde vom inhaftierten ehemaligen Kanzleimitarbeiter Ashar F. als Mitwisser bezeichnet.

Einer der mutmasslichen Drahtzieher der Visa-Deals, der 53-jährige Ex-Wirtschaftsattaché Muhammad A., ist immer noch flüchtig. «Entgegen früheren Meldungen konnte der Mann noch nicht verhaftet werden», sagt Tariq Khosa, Direktor der pakistanischen Bundespolizei FIA: «Wir wissen, dass er sich in England aufhält. Von seiner Aussage erhoffen wir uns Aufschlüsse darüber, ob auch Schweizer in die Affäre verwickelt sind.» Muhammad A. hat beste Verbindungen in die Schweiz, seine Tochter und ihr Mann leben in der Nähe von Zürich.

«Es kann ja nicht sein, dass wir Einfallstor sind»

Das Bundesamt für Migration (BfM) kündigte inzwischen Konsequenzen aus dem Visa-Skandal an. «Als Folge der Affäre müssen wir möglicherweise die Visumsvorgaben für pakistanische Touristen verschärfen. Dabei geht es auch darum, unsere Verantwortung gegenüber anderen Schengen-Staaten wahrzunehmen. Es kann ja nicht sein, dass wir ein Einfallstor für illegale Immigranten sind», sagt BfM-Sprecher Dominique Boillat.

In der Schweizer Vertretung in Islamabad, so der Verdacht, verkaufte eine Schlepperbande über die Dauer von mindestens fünf Jahren Touristenvisa an Pakistaner. Auf diese Weise gelangten mehr als tausend Einwanderer in die Schweiz. Von hier aus wurden die Immigranten von Schleusern über die grüne Grenze nach Deutschland oder Spanien gebracht.

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DWBE-HP - Ordensgründer wegen Pädophilie-Verdacht entlassen
DWELT00020060520e25k00035
AUSSENPOLITIK
Paul Badde
491 Words
20 May 2006
Die Welt
DWBE-HP
6
117
German
Copyright 2006 Axel Springer AG . Zusatzhinweis: "Dieser Artikel darf ohne die vorherige Zustimmung des Verlages nicht weiter-verbreitet werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechte, die Ihnen generell hinsichtlich der Factiva-Dienste eingeräumt wurden." Notice: "This article may not be redistributed without the prior consent of the Publisher. This is a restriction on the rights granted under the terms of your subscription for Factiva Services."

Vatikan fordert Pater der Legionäre Christi auf, ein zurückhaltendes Leben in "Gebet und Buße" zu führen

Von Paul Badde

Vatikanstadt - Pater Marcial Maciel Degollado, der 86jährige Gründer der Kongregation der Legionäre Christi, ist ab sofort von all seinen Ämtern entbunden und gebeten worden, seinen priesterlichen Dienst nicht mehr öffentlich auszuüben, hat der Vatikan wissen lassen. Verantwortlich für die Entscheidung zeichnete Kardinal William Levada, der Nachfolger Kardinal Ratzingers als Präfekt der Glaubenskongregation.

Der nüchterne Stil des Dokuments steht in starkem Kontrast zum Inhalt des Signals, das der Vatikan damit aussendet - nach innen und außen. Nicht allen gefällt Benedikts XVI. unbedingter Wille zur Aufklärung und Selbstreinigung ohne Rücksichtnahme auf Personen, Verdienste oder Seilschaften, der in dem Entscheid zum Ausdruck kommt. Denn die Legionäre Christi sind seit ihrer Gründung in Mexiko durch Pater Maciel im Jahr 1941 eine durchaus blühende neue Ordensgemeinschaft von rund 650 Priestern und 2500 Seminaristen, deren Einfluß mittlerweile in der Kirche als noch größer eingeschätzt wird als das in diesen Wochen immer wieder zitierte Opus Dei aus Spanien.

1949 gründete Pater Maciel zu der Gemeinschaft der Legionäre noch die Laienbewegung Regnum Christi, die inzwischen um die 50 000 Mitglieder zählt. Beide Gemeinschaften arbeiten in vielen erfolgreichen Projekten zusammen. Die Liste ihrer Förderer (und Anwälte Pater Maciels) reicht im Vatikan bis in die Spitze des Staatssekretariats.

Um so aufsehenerregender ist daher nun das von Papst Benedikt XVI. gebilligte Dokument, das eine strikte Trennung zwischen der Kongregation und ihrem Gründer vornimmt. Indirekt bestätigt es die Stichhaltigkeit der Klagepunkte, die seit einiger Zeit gegen den Gründer vorgebracht wurden. Mit den Anschuldigungen ehemaliger Mitglieder - von denen einige Priester sind - wird ihm in der Hauptsache sexueller Mißbrauch Abhängiger vorgeworfen. Die meisten der Delikte reichen bis in die fünfziger Jahre zurück und wurden von Pater Maciel stets zurückgewiesen, besonders in einer offiziellen Erklärung im Jahr 2002, wo er sich über die angeblich haltlosen Anschuldigungen einiger Ex-Legionäre empörte - bevor er sich 2005 aus Altersgründen vom Amt des Generaloberen der Kongregation zurückzog. Nun war schon vor Tagen durchgesickert, daß Überprüfungen der Einzelfälle allerdings nur noch wenig Zweifel an der Berechtigung der Klagen gelassen hätten. Die Glaubenskongregation habe diese Anschuldigungen seit 1998 erreicht, hieß es offiziell in dem Kommuniqué. Kardinal Ratzinger habe die Untersuchung der Vorwürfe damals als Präfekt der Glaubenskongregation angeordnet, bevor sein Nachfolger nun nach sorgfältigem Studium aller Untersuchungsergebnisse entschied, "mit Rücksichtnahme auf das fortgeschrittene Alter Pater Maciels und im Hinblick auf seine angeschlagene Gesundheit auf einen kanonischen Prozeß zu verzichten. Vielmehr wird er aufgefordert, ein zurückgezogenes Leben des Gebetes und der Buße zu führen und auf jeden öffentlichen Dienst zu verzichten."

Nach diesem Glockenschlag wird "unabhängig von der Person des Gründers" im letzten Satz des Dokuments "das verdienstvolle Apostolat der Legionäre Christi und der Vereinigung Regnum Christi" noch einmal ausdrücklich und dankbar anerkannt. Mit dem Akt der behutsamen Prüfung und Reinigung nach langer Zeit wird der Papst auf ihre Dienste weiter verläßlich zählen können.

47001915
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Vatikan bestraft- Ordensgründer- Hamas als- Geldschmuggler- Netrebko & Villazón feierten Karl Spiehs- 1 Mrd. -verschwendet
DIEP000020060520e25k00016
na
174 Words
20 May 2006
Die Presse
German
(c) Die Presse 2006 www.diepresse.at.

Wegen Pädophilie-Vorwürfen hat der Vatikan gegen den Gründer der "Legionäre Christi" eine Strafe verhängt. Der 85-jährige Mexikaner Maciel muss "ein zurückgezogenes Leben des Gebets und der Buße" führen. Der ultrakonservative Orden soll 60.000 Mitglieder haben. Palästina

Einem der wichtigsten Vertreter der radikalen Hamas-Bewegung sind 639.000 Euro als Schmuggelgeld am Grenzübergang von Ägypten zum Gazastreifen abgenommen worden. Die Kontrolle wird von der konkurrierenden Fatah-Bewegung durchgeführt. Film-Legende

Glanz und Gloria, wie es sich für einen Film- und TV-Produzenten gehört: So wurde Freitag abend Karl Spiehs aus Anlass seines 75. Geburtstags in der Wiener Hofburg von 750 Gästen gefeiert. Moderator: Thomas Gottschalk; einer der Höhepunkte war ein Auftritt des Opern-Traumpaars Anna Netrebko und Rolando Villazón mit den Wiener Symphonikern. Mitternachts-Einlage: Udo Jürgens. EU-Förderungsgelder

Fast eine Milliarde Euro ist im Jahr 2004 an EU-Förderungsgeldern verschwendet worden. 80 Prozent Verdachtsfälle werden aus Italien und Griechenland gemeldet. S. 5

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PORTRÄT DONALD WUERL ERZBISCHOF WASHINGTON DC: "Sound bites sind nicht meine Stärke"
TAGSS00020060517e25i00044
MEINUNG
366 Words
18 May 2006
Der Tagesspiegel
008
19194
German
Copyright 2006. Verlag Der Tagesspiegel GmbH. All rights reserved. For future information see http://www.tagesspiegel.de

Würde der künftige Erzbischof von Washington DC dem demokratischen Präsidentschaftsbewerber John F. Kerry die Kommunion verweigern? Donald Wuerl, derzeit noch Bischof der alten Stahl- und Kohlemetropole Pittsburgh, ist ein prinzipientreuer Geist: gegen Abtreibung, Geburtenkontrolle und Euthanasie; der 65-Jährige ist auch dafür bekannt, dass er konsequent gegen jeden Fall von Pädophilie und Kindesmissbrauch durch Priester seiner Diözese einschritt.

Wie der bisherige Amtsinhaber, Kardinal Theodore McCarrick, der mit 75 Jahren abtritt, gilt Wuerl aber auch als Mann der Mitte. Nach allem, was angesichts seiner Nominierung publik wird, würde er Kerry die Kommunion daher wohl erteilen - trotz dessen Eintreten für ein liberales Abtreibungsrecht. Im Wahlkampf 2004 kam Kerry unangekündigt zur Messe in die St.-Scholastica-Gemeinde in Pittsburgh. Der überraschte Priester Duch gab ihm die Kommunion - obwohl viele in der katholischen Kirche der USA das von der Treue zur Lehre abhängig machen wollen. "Als ich Bischof Wuerl später traf, sagte er mir, ich hätte richtig gehandelt", verriet Duch nun der "Washington Post".

Papst Benedikt XVI. hatte als Vorsitzender der Glaubenskongregation auf innerkirchliche Disziplin geachtet. Aber er wird wissen, was für einem Mann er den herausgehobenen Posten in Washington DC anvertraut: mit 560000 Gläubigen eine kleinere, aber feinere Diözese als Pittsburgh (800000). Einen, der sagt: "Ich diene der Kirche, nicht einer Ideologie". 1995 suchte Wuerl den Schutz Roms gegen die US-Hierarchie. Im Skandal um den Missbrauch jugendlicher Messdiener durch drei Priester hatte er sich gegen den Rat seiner Anwälte mit den Familien der Opfer getroffen und die Beschuldigten aus ihren Ämtern entfernt. Das Kirchengericht warf ihm vor, seine Kompetenzen überschritten zu haben. Rom aber gab ihm Recht.

Wuerl schwimmt jeden Morgen 50 Bahnen, sein Hobby ist mittelalterliche Geschichte. Und obwohl er ein Mann des Wortes ist, sagt er über sich, zugespitzte Zitate für die Medien seien nicht seine Stärke. Im Unterschied zu anderen US-Kirchenführern hat er nicht Partei ergriffen im aktuellen Streit um ein neues Zuwanderungsrecht, hat nicht die Staatsbürgerschaft für die elf bis zwölf Millionen Illegalen, zum Großteil katholische "Hispanics", verlangt. Was immer die Politik entscheide, sie müsse "die Würde der Menschen beachten". Christoph von Marschall

200605182538505
Foto: AP
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Alles gespielt und gar nichts gezeigt
DSTAN00020060514e25f0002d
afze
196 Words
15 May 2006
Der Standard
German
(c) 2006, Der Standard. http://www.derstandard.at/

"Tshepang" im

Wiener Schauspielhaus

Wien - Tshepang. The Third Testament ist ein 70-Minüter der jungen Kapstädter Theaterautorin Lara Foot Newton über das in ihrer Heimat tabuisierte Thema der Pädophilie. Die Diskussion über den sexuellen Missbrauch von Babys wurde dort 2001 losgetreten, als ein neunmonatiges Kind in einem Dorf brutal vergewaltigt wurde. Journalisten stürmten mit vorgestreckten Mikrofonen die Armenviertel und gerieten an dicke Mauern des Schweigens.

Als Koproduktion mit dem (und im) Schauspielhaus gehört Tshepang zum Programm der Festwochen. Eine Arbeit, die sich in ihrer politisch korrekten Art zu legitimieren sucht, sich in ihrer immens unsensiblen Darstellung (Besenstiel als "Tatwaffe" der Vergewaltigung) aber künstlerisch disqualifiziert.

Schauspieler Mncedise Shabangu erzählt auf einer Bühne (mit Township-Minimundus) die Geschichte vom Baby Tshepang und seinem unverhofften Überleben als Heilsgeschichte mit kindgroßen Krippenfiguren. Er setzt so sein Publikum lähmender Betroffenheit aus. Auf einem Sandhaufen hockt die Mutter (Kholeka Quabe), eine Frau, die ihre Lebenswunde als leeres Kinderbett am Körper trägt und kein Wort sagt.

Newton begibt sich hier pädagogisch in den Dienst einer "Kunst", die von dem ihr innewohnenden politisch- moralischen Auftrag erdrückt wird. Totaler Stillstand. Applaus gegen Pädophilie. (afze)

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Und führe uns nicht in Versuchung
SONNZ00020060515e25e0003q
Trend
MARTIN SUTER
890 Words
14 May 2006
Sonntagszeitung
98
German
(c) 2006 Sonntags Zeitung

In einer US-Fernsehserie wählen junge Männer zwischen Gott oder einer Frau. Das ist ernsthafter, als es tönt

Alleine der Titel ist schon eine Gretchenfrage. «God or the Girl» heisst die neuste Reality-Serie des US-Kabelfernsehens über vier junge Männer, die mit dem Gedanken an eine Priesterkarriere liebäugeln. Wer hinter «Gott oder das Mädchen» ein filmisches Feigenblatt für Sex und Verführung vermutet, sieht sich getäuscht. Die Serie meint es ernst, sehr ernst mit der Religion, und das ist wirklich etwas Neues.

Das televisionäre Ostermenü, serviert in fünf Gängen von Mitte bis Ende April, machte vor allem vor seinem Start auf dem Kabelkanal A & E von sich reden. Sicher versuchen hier attraktive Frauen, gläubige Seminaristen vom Pfad der Tugend abzubringen, vermuteten Kritiker. «Viele dieser Reality Shows tönen grauenhaft auf dem Papier», sagt Robert Thompson, der an der Universität von Syracuse das Forschungszentrum für populäres Fernsehen leitet. «Die automatische Reaktion lautet: O je, wie tief sinken wir noch?»

Bei näherem Hinsehen entpuppte sich «God or the Girl» als ernsthafter, fast dokumentarischer Versuch, die schwierigen Fragen zu beleuchten, die der Entscheid zu einem Gott geweihten Leben gläubigen Menschen abverlangt. «Die Realityshows sind als Methode geeignet, um solche Themen zu erkunden», sagt Thompson. «Das Reality-Format ist der Preis, den man zahlt, wenn man eine grosse Zuschauerschaft gewinnen will.»

Vier junge Katholiken ringen mit dem Zölibat

«God or the Girl» begleitet die vier gläubigen Katholiken, wie sie mit dem Opfer ringen, das sie für eine Priesterkarriere bringen müssten, allen voran mit dem Zölibat. In aller Schärfe stellt sich die Alternative Gott oder Mädchen für Mike Lechniak aus Pennsylvania. Der 24-Jährige ist über beide Ohren verliebt in seine ferne Freundin Aly, verehrt aber gleichzeitig den als Mentor agierenden Priester seiner Gemeinde.

Steve Horvath, 25, aus Nebraska hadert weniger mit dem Allmächtigen als mit dem allmächtigen Dollar: Kaum aus dem College, verdient er als Consultant 80 000 Dollar im Jahr, doch dann wirft er alles hin, weil er glaubt, dass Gott ihn zu anderem bestimmt hat.

Joe Adair, 28, aus Ohio hat sich schon zweimal im Priesterseminar angemeldet. Ihn treibt die Mutter zur klerikalen Karriere. «Was brauchst du so lange?», fragt sie ihn schon in der ersten Folge. Der offensichtlichste Priesterkandidat scheint der langhaarige Dan DeMatte, 21, zu sein, der zusammen mit neun anderen zölibatären Studenten auf dem Campus der Dominikaner-Uni von Ohio lebt. Er beweist Führungstalent, als er mit seiner Bibelgruppe im Protestgebet vor einer Abtreibungsklinik niederkniet.

Bevor sie ihre Lebenswahl treffen, erlegen sich die vier Kandidaten allerlei Prüfungen auf. DeMatte bastelt ein 40 Kilogramm schweres Holzkreuz und schleppt es 35 Kilometer weit. Adair pilgert ohne Geld nach Niagara Falls. Lechniak zieht sich in ein Nonnenkloster zurück, und Horvath reist nach Guatemala, um auf der Mission den Ärmsten der Armen zu helfen. Nur er, es sei hier schon verraten, tritt am Schluss ins Priesterseminar ein.

Allen vier grossen Fernseh-Networks war der Stoff zu heiss, erinnert sich der Produzent Darryl Silver. Man fürchtete einen Skandal: «Niemand wollte das Risiko eingehen, dass die Show misslingt und die katholische Kirche das Network boykottiert.» Auch die amerikanischen Diözesen wollten im Vorfeld nichts von einer Zusammenarbeit mit den Machern der Reality-Serie wissen.

Katholiken, die an dem «überraschend ehrfürchtigen» «God or the Girl» jetzt «nichts anstössig» finden, erwarteten eine Abrechnung mit der vom Pädophilie-Skandal durchgeschüttelten US-Kirche. Doch das Thema kommt in der Serie bloss vor, als Steve Horvath einen Verwandten mit dem warnenden Satz zitiert: «Alle werden denken, dass du Kinder sexuell misshandelst.» Für Horvath ist gerade dieses Vorurteil ein Grund mehr, weshalb er den Priesterstand anstrebt.

Auf Grund der früheren Erfahrungen hatte die Kirche wenig Grund, eine schonende Behandlung zu erwarten. Denn auch in den frommen Vereinigten Staaten wird das Thema der Religion am Fernsehen selten im Sinn der Gläubigen dramatisiert.

Strafe, Blut und Leiden statt New-Age-Spiritualität

Lange prägte eine nirgends aneckende, allseits wohltuende New-Age-Spiritualität die religiösen Programme. Die Serien kreisten entweder um Engel, oder sie porträtierten Menschen, denen Gott Aufträge zu guten Werken gibt. Erst nach den Terrorangriffen des 11. September 2001 und auf Grund des Welterfolgs von Mel Gibsons «The Passion of the Christ» rückten die dramatischeren und kontroverseren Aspekte der Religiosität ins Blickfeld: Urteile, Strafe, Blut und Leiden.

Entsprechende Versuche wie die NBC-Serie «Revelations» über das Buch der Offenbarung fanden beim Publikum indes wenig Gefallen. Das um die Apokalypse kreisende Drama wurde nach vier Folgen abgebrochen. Auch an «The Book of Daniel», worin Jesus als Einflüsterer auftritt, verloren die Zuschauer in diesem Frühjahr rasch das Interesse.

Mit der Reality-Serie «God or the Girl» hören die Überzeichnungen auf. Das US-Fernsehen scheint zu einer neuen Affirmation der Religiosität zu finden. Es reagiert damit auf ein gesteigertes Interesse in einer Zeit, da in der Weltpolitik religiöse Motive - zum Beispiel von Muslimen - eine grosse Rolle spielen. Vielleicht kratze die Serie bei den porträtierten Individuen bloss an der Oberfläche, meint der TV-Kritiker Andrew Wallenstein. «Dennoch gewährt sie einen faszinierenden Einblick in die Psychologie des religiösen Eifers», sagt er.

Eifer? Leistet das Fernsehen am Ende gar dem religiösen Fundamentalismus Vorschub? Zum Glück scheint der Boden hierfür auch in den USA nicht allzu fruchtbar. Bei jeder Episode von «God or the Girl» sanken die Einschaltquoten. An eine Verlängerung oder Fortsetzung, das gibt A & E zu, werde nicht gedacht.

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Die Top Ten des Verbrechens
SDDZ000020060509e25900005
Panorama
374 Words
09 May 2006
Süddeutsche Zeitung
11
German
Copyright 2006 Süddeutsche Zeitung

Die amerikanische Bundespolizei FBI hat im Internet ( http://www.fbi.gov) eine aktuelle Liste der zehn meistgesuchten Kriminellen veröffentlicht. Außer Terror-Chef Osama bin Laden (Platz 1) stehen vor allem Verbrecher auf der Liste, die in der Öffentlichkeit kaum jemand kennt.

1. Osama bin Laden wird nicht wegen der Terrorangriffe vom 11. September 2001 gesucht, sondern wegen der Anschläge auf US-Konsulate in Afrika im Jahr 1998. Belohnung für Hinweise, die zur Festnahme führen: 25 Millionen Dollar.

2. Diego Leon Montaya wird wegen Drogenhandels gesucht. Er ist einer der Führer eines kolumbianischen Drogenkartells. Belohnung: fünf Millionen Dollar.

3. James Bulger soll unzählige Morde begangen haben. Von den frühen 70ern an leitete er eine Gruppe innerhalb der organisierten Kriminalität, die Drogen und Waffen verkaufte. Vermutlich hält er sich zur Zeit in Mexiko oder Europa auf und ist stets bewaffnet. Belohnung: eine Million Dollar.

4. Victor Manuel Gerena wird wegen Raubes gesucht. Im Jahr 1983 erbeutete er sieben Millionen Dollar bei einem Überfall auf eine Sicherheitsfirma in Connecticut. Dabei nahm er zwei Angestellte als Geiseln. Gerena gilt als extrem gefährlich und ist wahrscheinlich bewaffnet. Belohnung: eine Million Dollar.

5. Stewart Godwin saß wegen Mordes im Gefängnis und brach 1987 aus. Er flüchtete nach Mexiko und handelte dort mit Drogen. Godwin wurde mehrmals festgenommen, ins Gefängnis gesteckt, brach immer wieder aus. Belohnung: 100 000 Dollar.

6. Richard Steve Goldberg wird wegen Pädophilie gesucht. Er soll mehrere Mädchen in Kalifornien vergewaltigt haben und Videos von den Straftaten gemacht haben. Belohnung: 100 000 Dollar.

7. Robert Fischer soll 2001 zuerst seine Familie getötet und dann das gemeinsame Haus angesteckt haben. Belohnung: 100 000 Dollar.

8. Warren Jeffs wird wegen Verführung einer Minderjährigen und Beihilfe zu Vergewaltigung gesucht. Der Führer einer Mormonen-Sekte tritt für die in den USA verbotene Polygamie ein. Belohnung: 100 000 Dollar.

9. Jorge Lopez-Orozco wird wegen dreifachen Mordes gesucht. Laut den Ermittlern hat er eine Frau und ihre beiden Söhne durch Kopfschüsse getötet und sie dann in einem Auto verbrannt. Belohnung: 100 000 Dollar.

10. Donald Webb soll einen Polizisten umgebracht haben, nachdem er den Beamten brutal misshandelt hatte. Auffällig an ihm: Er liebt Hunde und gibt immer sehr viel Trinkgeld. Belohnung: 100 000 Dollar.

ta/ Fotos: FBI

A27320822
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DWBE-REG - Kindesmißbrauch: Projekt zur Prävention erfolgreich gestartet
DWELT00020060508e25800054
BERLIN
dpa
128 Words
08 May 2006
Die Welt
DWBE-REG
33
106
German
Copyright 2006 Axel Springer AG . Zusatzhinweis: "Dieser Artikel darf ohne die vorherige Zustimmung des Verlages nicht weiter-verbreitet werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechte, die Ihnen generell hinsichtlich der Factiva-Dienste eingeräumt wurden." Notice: "This article may not be redistributed without the prior consent of the Publisher. This is a restriction on the rights granted under the terms of your subscription for Factiva Services."

Die Nachfrage beim Präventionsprojekt der Berliner Charité gegen Kindesmißbrauch ist hoch: Bis Ende April hätten sich schon 375 Menschen beim Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin gemeldet, sagte Psychologe Christoph Joseph Ahlers. Seit vergangenem Herbst läuft bundesweit die Medienkampagne, die potentielle Täter für eine vorbeugende Therapie gewinnen will. Mit 206 Menschen wurde ein Telefoninterview geführt,

171 sind bereits für eine Aufnahme in die Therapie befragt worden. Davon sind bis dato 70 Personen in die Therapie aufgenommen worden.

Die Altersspanne der Hilfesuchenden reiche von 20 bis über 60 Jahre und umfasse alle Gesellschaftsschichten. Erste Ergebnisse über Pädophilie sollen Ende Mai auf der 30. Jahrestagung für Sexualmedizin in Berlin vorgestellt. Die Projekttelefonnummer 450 52 94 50 ist weiter besetzt.

dpa

46852515
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Grundlage für «schwarze Liste»
OLTNRT0020060503e2530000r
222 Words
03 May 2006
Oltner Tagblatt
German
© 2006 OLTNER TAGBLATT. Sämtliche Rechte zu Artikeln des OLTNER TAGBLATT sind vorbehalten. Jede Verwendung, die die in Ihrem Factiva-Kundenvertrag geregelten Rechte überschreitet, nur unter Genehmigung der Redaktion. Kontaktaufnahme per Email unter redaktion@oltnertagblatt.ch.

Gesperrte Lehrer Basis auf Konkordats-Ebene schaffen

Lehrpersonen ohne Unterrichtsberechtigung - zum Beispiel wegen Pädophilie verurteilte Lehrer - werden von der Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) auf einer Liste registriert. Hiefür werde nun auf Konkordats-Ebene die gesetzliche Grundlage geschaffen, teilt die Solothurner Staatskanzlei mit. Gleichzeitig werde die Kompetenz des Departementes für Bildung und Kultur (DBK) zur Erteilung und zum Entzug der Unterrichtsberechtigung im Volksschulgesetz verankert. Der Regierungsrat legt dem Kantonsrat beide Vorlagen zum Entscheid vor.

Der Solothurner Kantonsrat hatte im letzten November den Regierungsrat beauftragt, die Namen von Lehrpersonen, denen die Unterrichtsbefugnis in einem rechtskräftigen und kantonalen Verfahren entzogen wurde, dem Generalsekretariat der EDK zu melden. Die Führung einer Liste über Lehrpersonen ohne Unterrichtsberechtigung durch die EDK wird neu in der Interkantonalen Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen vom 18. Februar 1993 (Diplomanerkennungsvereinbarung) verankert. Lehrpersonen an der Volksschule werden im Solothurnischen nicht vom Kanton, sondern von den Schulgemeinden angestellt. Nach dem Grundsatz, wonach erteilende und entziehende Behörde zwingend identisch sein müssen, wäre demnach heute ein Entzug der Unterrichtsberechtigung nur durch die Schulgemeinde, nicht jedoch durch den Kanton möglich. Solle das Departement für den Entzug zuständig sein, müsse ihm auch die Möglichkeit zur Erteilung gewährt werden, wird argumentiert. Hiefür fehle heute im Volksschulgesetz die gesetzliche Grundlage. Diese solle nun geschaffen werden, damit der Kanton seiner Verpflichtung nachkommen könne. (sks)

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Grundlage für «schwarze Liste»
SOLOZ00020060503e25300018
222 Words
03 May 2006
Solothurner Zeitung
German
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Gesperrte Lehrer Basis auf Konkordats-Ebene schaffen

Lehrpersonen ohne Unterrichtsberechtigung - zum Beispiel wegen Pädophilie verurteilte Lehrer - werden von der Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) auf einer Liste registriert. Hiefür werde nun auf Konkordats-Ebene die gesetzliche Grundlage geschaffen, teilt die Solothurner Staatskanzlei mit. Gleichzeitig werde die Kompetenz des Departementes für Bildung und Kultur (DBK) zur Erteilung und zum Entzug der Unterrichtsberechtigung im Volksschulgesetz verankert. Der Regierungsrat legt dem Kantonsrat beide Vorlagen zum Entscheid vor.

Der Solothurner Kantonsrat hatte im letzten November den Regierungsrat beauftragt, die Namen von Lehrpersonen, denen die Unterrichtsbefugnis in einem rechtskräftigen und kantonalen Verfahren entzogen wurde, dem Generalsekretariat der EDK zu melden. Die Führung einer Liste über Lehrpersonen ohne Unterrichtsberechtigung durch die EDK wird neu in der Interkantonalen Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen vom 18. Februar 1993 (Diplomanerkennungsvereinbarung) verankert. Lehrpersonen an der Volksschule werden im Solothurnischen nicht vom Kanton, sondern von den Schulgemeinden angestellt. Nach dem Grundsatz, wonach erteilende und entziehende Behörde zwingend identisch sein müssen, wäre demnach heute ein Entzug der Unterrichtsberechtigung nur durch die Schulgemeinde, nicht jedoch durch den Kanton möglich. Solle das Departement für den Entzug zuständig sein, müsse ihm auch die Möglichkeit zur Erteilung gewährt werden, wird argumentiert. Hiefür fehle heute im Volksschulgesetz die gesetzliche Grundlage. Diese solle nun geschaffen werden, damit der Kanton seiner Verpflichtung nachkommen könne. (sks)

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Frick: Badmeister üben den Ernstfall
AARGZ00020060502e25200059
309 Words
02 May 2006
Aargauer Zeitung
German
© 2006 AARGAUER ZEITUNG. Sämtliche Rechte zu Artikeln der AARGAUER ZEITUNG sind vorbehalten. Jede Verwendung, die die in Ihrem Factiva-Kundenvertrag geregelten Rechte überschreitet, nur unter Genehmigung der Redaktion. Kontaktaufnahme per Email unter redaktion@azag.ch.

forum für das fricktal Dienstag 2. mai

Kürzlich haben sich die Schwimmbad-Mitarbeiter im Freizeitzentrum Vitamare auf die kommende Sommersaison vorbereitet. In einem Intensivkurs haben sie sich rettungstechnisch schulen lassen. Das Vitamare Badi-Team mit Chef-Badmeister Paul Gürtler wurde kürzlich von Urs Nussbaumer (Ausbildungsinstruktor Berufssanität Zürich) und seiner Frau Carmen (SLRG) auf «Herz und Nieren» geprüft. Bekannterweise setzt das Schwimmbad in Frick in Punkto Retten und Bergen hohe Massstäbe an sein Personal. Nebst den monatlichen Übungen, die einen schwimmerischen Teil und einen Teil zur LESOMA (lebensrettende Sofortmassnahmen) mit externer Herzmassage (CPR) und Defibrillation (AED), werden jährliche Kurse mit verschiedenen Themen wie Gewalt in Bädern, Konfliktlösungen mit Badegästen, Pädophilie oder Energieeinsparung organisiert. Das Badi-Team, dem Badmeister Urs Handschin und Joey de Groot, sowie die Aushilfen Iris Schneider und neu ab Juni 2006 auch Walter Spiess angehören, mussten bereits um 6 Uhr antreten. Nachdem Nussbaumer kurz den Tagesablauf vorgestellt hatte, begann der Weiterbildungstag mit dem SLRG Brevet I Fortbildungskurs. Der Inhalt dieses Fortbildungskurses wurde auf die Infrastruktur des Bades abgestimmt, sodass sehr effizient gearbeitet werden konnte. Tauchen im Sprungbecken, Bergen einer Person aus dem Sprungbecken, Befreiungsgriffe, Transportgriffe, Stilschwimmen, Retten mit Hilfsgeräten (Rettungsball, Schaufelbahre, Spielgeräte usw.), Rettungsparcour und Alarmierung waren die Schwerpunkte. Nussbaumer und seine Frau korrigierten und zeigten diverse Neuerungen der Rettungstechnik. Nach zwei Stunden intensiver Wasserarbeit folgte der theoretische Weiterbildungskurs. Die Theorie wurde immer wieder belegt mit Beispielen aus dem Alltag der Berufssanität Zürich. Anschliessend an den theoretischen Teil durfte das Gelernte in die Praxis umgesetzt werden. Diverse Reanimationsgeräte lagen bereit, an denen die externe Herzmassage geübt werden konnten. Der letzte Teil des Weiterbildungstages war die zusätzliche Theorie für die Defibrillation, und deren Umsetzung in die Praxis. Alle eingeschalteten Prüfungen bestand das Badi-Team Vitamare mit Bravour. (pg)

Das Badi-Team Vitamare probt den Ernstfall. pg

Firmen

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DWBE-HP - Leitartikel Blairs New Labour hat abgewirtschaftet / Von Thomas Kielinger - Dritter Weg ins Verderben
DWELT00020060502e2520001n
FORUM
Thomas Kielinger
666 Words
02 May 2006
Die Welt
DWBE-HP
8
101
German
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Ein Slogan wacht auf aus dem Schlaf der Geschichte, so aktuell heute wie 1979, als Margaret Thatcher ihn im Wahlkampf gegen Jim Callaghans Regierung in Anschlag brachte: "Labour isn't working" - Labour funktioniert nicht. Die Aussage enthielt damals ein zusätzliches Wortspiel um die Millionen von Menschen, die ohne Arbeit waren. Das zumindest kann man der Partei heute nicht anlasten. Arbeit haben sie geschaffen, die zur Marktwirtschaft bekehrten Sozialisten. Aber in allen anderen Belangen der Regierungskunst ähneln New Labour und sein Chef heute dem Märchen von des Kaiser neuen Kleidern: Die Illusion ist demaskiert, das Spiel ist aus, Labour funktioniert nicht mehr.

Dies ist keine plötzliche Entdeckung. Seit Monaten schon ist das Siechtum eines einst strahlenden Projekts nicht mehr zu verschleiern. Es häufen sich die Fälle von Mißmanagement, und das im Kernbereich der Prioritäten, der öffentlichen Sicherheit. Das begann mit der Blamage im Bildungsministerium, wo keine Übersicht herrschte über Lehrer in gültigen Dienstverhältnissen, die wegen Pädophilie vorbestraft waren. Der Zentralismus der britischen Politik erlaubt es, Inkompetenz meist sofort in die Londoner Zentrale zurückzuverfolgen wie eine Lunte.

In einem Fall hatte der zuständige Staatssekretär für das Schulwesen sogar einen Persilschein für einen um Wiedereinstellung ersuchenden Pädagogen ausgestellt, den man mit frommen Wünschen für seinen angeblich geläuterten Lebenswandel neu auf die Laufbahn des Risikos schickte. Die regionale Schulbehörde, im Vertrauen auf die Empfehlung von oben, unterließ es daraufhin, eigene Erkundigungen anzustellen.

Zwei Morde in London enthüllten dann erschütternde Schlamperei bei den sozialen Bewährungsdiensten. Die Taten wurden begangen von Strafgefangenen, die man zur Haftverkürzung - die britischen Gefängnisse quellen über mit kaum mehr zu bewältigender Insassenzahl - in die Obhut von Bewährungsbehörden mit strengen Kontrollauflagen überstellt hatte. Im Kompetenzdschungel innerhalb einer riesigen Bürokratie ging die Spur der zu Überwachenden schnell verloren, und so konnten sie mühelos aus nicht vorhandener Obhut zu neuer Straffälligkeit avancieren, mit zwei Kapitalverbrechen. Law and disorder.

Womit wir beim jüngsten Versagen angelangt sind: der Freisetzung Hunderter von ausländischen Straftätern, die man, anstatt ihre Abschiebung vorzubereiten, seit 1999 ungeprüft in die Gesellschaft versickern ließ. Es gab keine Absprache zwischen dem zentralen Inspektorat für die Gefängnisse und den Immigrationsbehörden über den Umgang mit Ausländern nach ihrer Haftentlassung. Seit vorigem Sommer kamen sogar weitere 288 von ihnen frei, obwohl der zuständige Innenminister Charles Clarke vom "National Audit Office" - endlich einmal eine Behörde mit Übersicht - über das schwelende Problem aufgeklärt worden war.

Man muß die Litanei solcher Vorkommnisse kennen, um zu verstehen, wie entsetzt die Öffentlichkeit über diese Fiasko-Serie von New Labour ist. Die erotischen Bocksprünge des stellvertretenden Premierministers Prescott tun ein übriges, Vorstellungen von den letzten Tagen Pompejis heraufzubeschwören. In der Tat ist oraler Sex À la Clinton in den höchsten Etagen der britischen Regierung selbst in dieser mit Skandalen gewürzten Hauptstadt ein Novum. Wer heute noch vom Dritten Weg sprechen wollte, so giftete ein Kommentator, würde glauben machen, er meine eine neue Stellung des Kamasutra ...

Tony Blair hat die Wahl zwischen dem Ridikülen und dem Inkompetenten, zwischen einem Buffo wie Prescott und dem überforderten Innenminister Clarke. Beide galten für ihn bislang als unersetzlich. John Prescott, mit seinem Gewerkschaftshintergrund und kumpelhaftem Gebaren, fungierte als Brücke zu Old Labour, auch als beruhigender Einfluß in der Krisenbeziehung zwischen Blair und seinem vorbestimmten Nachfolger Gordon Brown. Charles Clarke war ministerielles Schwergewicht, gut für jedes Ressort, ein Grabenkämpfer und eloquenter Verfechter des Labour-Reformprogramms.

Mit Freunden wie diesen - wer braucht da noch Feinde? Vieles würde das Wahlvolk dem Regierungschef durchgehen lassen, der verbreitete Zynismus hielte es mit ihm gerade noch aus bis zur nächsten Wahl in drei Jahren. Aber Versagen solchen Ausmaßes, und das bei der öffentlichen Sicherheit, zerstört den Anspruch Blairs als kompetenter Macher, während die Enthüllungen privater Entgleisungen an der Spitze seine Regierung mit dem gleichen Korruptionsvorwurf belasten wie einstmals die Tories. Sollten die Kommunalwahlen am 4. Mai wie vorausgesagt im Debakel für Labour enden, wird der Ruf nach vorzeitiger Ablösung Blairs in seinen eigenen Reihen zum Sturm anschwellen.

forum@welt.de

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Titel - Triebwerk im Keller der Seele
SPGL000020060508e24t0002y
Titelgeschichte Wissenschaft+Technik
Lakotta, Beate
6938 Words
29 April 2006
Der Spiegel
160
German
(c) 2006 Der Spiegel

Mehr noch als durch Psychoanalyse und Traumdeutung ging Sigmund Freud aufgrund seiner Sexualtheorie in die Geschichte ein. Doch gerade seine Ideen von Ödipuskomplex und frühkindlichem Triebleben galten lange als überholt - bis sie nun von Neurowissenschaftlern ausgelüftet werden.

<!--***ZITAT-ANFANG***-->"Die Allgewalt der Liebe zeigt sich vielleicht nirgends stärker als in ihren Verirrungen." Sigmund Freud<!--***ZITAT-ENDE***-->

Die Urszene

Bedrückend eng ist die Wohnung. Das Kind, sieben oder acht Jahre alt, hört nachts Geräusche aus dem Zimmer der Eltern. Es klingt, als ob der Vater die Mutter schlage. Im Dunkeln tappt der Knabe ins Schlafzimmer und erblickt Vater und Mutter in actu. Vor Schreck und Verwirrung widerfährt ihm, was er mit 43 Jahren in der "Traumdeutung" als prägendes Erlebnis schildern wird: Mutters "Goldener Sigi" pinkelt auf den Fußboden. Der Vater springt aus dem Bett und prophezeit: Aus diesem Buben wird nichts werden.

Die Eltern beim Koitus zu beobachten - Sigmund Freud nennt dies die "Urszene" der Kindheit: ein verstörender Eindruck auf dem Weg zur Erwachsenensexualität - und manchmal in die Neurose, wie bei seinem berühmten Patienten, dem "Wolfsmann". Der russische Adlige hatte ihn wegen selbsterniedrigender Masturbationsphantasien und schwerer Darmstörungen aufgesucht und erzählte ihm einen Traum von Wölfen, die im Nussbaum saßen und in sein Schlafzimmer schauten. Freud glaubte, darin die traumatische Ursache der Beschwerden zu erkennen: Der Wolfsmann hatte Vater und Mutter wie Hunde a tergo kopulieren gesehen.

Freuds eigene Urszene erscheint wie die Keimzelle all seiner späteren epochalen Triumphe und Niederlagen als monomanischer Erforscher des Sexuellen. Alles ist darin enthalten: die Faszination der Schlafzimmergeheimnisse mit ihren verbotenen, verdrängten Phantasien; die mit Scham und Schuld besetzten Triebwünsche des Kindes; das Begehren gegenüber der eigenen Mutter - wie es sich einst in Ödipus regte, dem mythischen Königssohn, der unwissentlich seinen Vater erstach und seine Mutter zur Frau nahm.

"Es arbeitet merkwürdigerweise im untersten Stockwerk", registriert Freud 1899. "Eine Sexualtheorie dürfte die nächste Nachfolgerin des Traumbuchs werden." Da ist er Mitte 40 und ziemlich isoliert vom etablierten Wissenschaftsbetrieb. Ein Nervenarzt, der mit umstrittenen Ansichten und Heilmethoden der Psyche auf den Grund geht, Anschrift: Berggasse 19, Wien. Seine Ehe mit Martha Bernays ist nach der Geburt von sechs Kindern weitgehend eingeschlafen, Eros fristet sein Dasein als Störenfried - im Studierzimmer betreibt Freud Triebsublimierung in Vollendung.

Die Hysteriker, die Freud behandelt, leiden unter Lähmungen, Sprachstörungen, Halluzinationen. Er vermutet den Schlüssel zu allen Symptomen im sexuellen Erleben - schamhaft verdrängte Konflikte,

oft aus der frühen Kindheit, die es in freier Assoziation an die Oberfläche zu befördern gilt, um ihre Macht zu brechen.

Freud sieht sich als Arzt der Gesellschaft, er empfiehlt den "freien sexuellen Verkehr" zwischen jungen, unverheirateten Menschen. Krankmachend sei es, die jungen Damen "luftdicht vom Leben abgeschlossen" zu halten, schädlich die "planhafte Aufzüchtung von Angst". Die Psychoanalyse erwirbt sich den Ruf einer Befreiungsbewegung.

Was in Gestalt der "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" 1905 an die Öffentlichkeit gelangt, ist gesellschaftliches Dynamit: Freud durchstreift die Tabuzone mit dem Sezierblick des Naturforschers und erklärt, der Mensch sei von Geburt an ein sexuelles Wesen. Er präsentiert das Kleinkind als autoerotisches, inzestuöses, "polymorph perverses" Lustbündel voller sadomasochistischer Gelüste. Sein ganzer Körper bestehe aus erogenen Zonen: Mund, Anus, Genitalien und überhaupt die Haut. Später schaue es gern Genitalien anderer Leute an und zeige lustvoll die eigenen her.

In der Pubertät werde aus diesem kindlichen Ungetüm durch Erziehung und natürliche Anlage im Idealfall ein fortpflanzungsfähiger und -williger Erwachsener, doch die Grenze zur pathologischen Sexualentwicklung sei fließend. Onanie, Exhibitionismus, Sadomasochismus: All das identifiziert Freud als Reste der infantilen Sexualität und damit als "ursprüngliche allgemeine Anlage des menschlichen Geschlechtstriebes".

In jedem braven Bürger schlummert also die Perversion - Freud definiert sie wertfrei als jegliches sexuelles Verhalten, das nicht der Fortpflanzung dient. Seine Patienten liefern ihm in ihren Erzählungen auf der Couch reichlich Anschauungsmaterial und sparen - in der Realität wie in der Phantasie - nichts aus: Onanie, Transvestitismus, Kotlecken, Verkehr mit Leichen.

In vielen ihrer Einzelteile ist Freuds Sexualtheorie damals nicht einmal originell, wohl aber in ihrer Synthese: Danach gründen Persönlichkeit und Verhalten jedes Menschen auf seiner psychosexuellen Entwicklung.

Während sich das erwachsene "Ich" der Illusion hingibt, Herr im eigenen Haus zu sein, führt das infantile "Es" mit seinen unbewussten Triebwünschen aus dem Kellergeschoss das Regiment.

Alles in allem ein Skandal, wie ihn der Dichter Gottfried Benn auf die kurze Formel brachte, der Mensch sei nun nicht die "Krone der Schöpfung", sondern vielmehr "das Schwein".

Das Jahrhundertgenie

Im Rückblick betrachtete Freud die nächtliche Szene als Anstoß zu einer Wissenschaftskarriere, die zu einer der aufsehenerregendsten des Jahrhunderts werden sollte: "Es muss eine furchtbare Kränkung für meinen Ehrgeiz gewesen sein", sagte er über den Kontrollverlust im elterlichen Schlafzimmer, "denn Anspielungen an diese Szene kehren immer in meinen Träumen wieder und sind regelmäßig mit Aufzählungen meiner Leistungen und Erfolge verknüpft."

Er will und wird die Kränkung mehr als wettmachen: Sigismund Schlomo, als ältester von acht Geschwistern am 6. Mai 1856 im mährischen Freiberg geboren, Sohn eines mittellosen jüdischen Wollhändlers und seiner 20 Jahre jüngeren Frau, verschlingt die Werke Shakespeares und die Schriftsteller der Antike. Er wird Klassenprimus und träumt sich als Alpenüberquerer Hannibal.

Und wirklich bezwingt der soziale Aufsteiger aus der Wiener Leopoldstadt ein monumentales Gebirge: Unter dem Eindruck der Darwinschen Evolutionslehre will Sigmund, wie er sich bald nennt, "Einsicht nehmen in die jahrtausendealten Akten der Natur, vielleicht selbst ihren ewigen Prozess belauschen und meinen Gewinst mit jedermann teilen, der lernen will", wie er 1873 seinem Freund Emil Fluss mitteilt.

Gefeiert wird, zu seinem 150. Geburtstag, der Schöpfer von Psychoanalyse und Traumdeutung, der "Literat der Seele" und Kulturtheoretiker des 20. Jahrhunderts: Die Bedeutung seiner Entdeckungen für das Selbstverständnis und den Alltag der Moderne ist unbestritten. Kaum etwas hat den Blick auf das menschliche Dasein so tiefgreifend verändert wie Freuds große Menschheitserzählung von der Macht des Unbewussten. Keine anthropologische Metapher erlangte - nach denen der Bibel - im westlichen Kulturkreis mehr Einfluss als Freuds Interpretation des mythischen Ödipus.

Freuds gedankliche Sprengkraft traf auf glühende Bewunderer und Feinde: Wie Marx und Einstein, die beiden an-

deren jüdischen Weltgenies, wird Freud zur Hassfigur der Nationalsozialisten. Arier hatten nichts Vergleichbares vorzuweisen: "Gegen seelenzerfasernde Überschätzung des Trieblebens. Für den Adel der menschlichen Seele", heißt es bei der Bücherverbrennung, die Freud aus dem Londoner Exil verfolgte. "Ich übergebe der Flamme die Schriften des Sigmund Freud."

Der Philosoph Karl Jaspers warf der Psychoanalyse "totalitären Charakter" vor, weil sie versuche, "das Ganze des Menschseins" durch "eine auf wenige Annahmen sich stützende Triebtheorie" zu erklären. Sein Kollege Adorno hielt sie für die einzige kritische Wissenschaft, die "im Ernst den subjektiven Bedingungen der objektiven Irrationalität nachforscht". Apo-Kommunarden lasen Freud - und feierten ihn als Revoluzzer der Seele.

Künstler und Literaten stritten über den Rang des brillanten Stilisten, der 1936 sogar bis in die Endauswahl des Literaturnobelpreises gelangte. Thomas Mann verehrte Freud als "Ritter mit dem erzenen Blick",

dessen Werk beitrage zum "Fundament der Zukunft, der Wohnung einer freieren und wissenden Menschheit". Vladimir Nabokov, Schöpfer des Nymphchens Lolita, erklärte hingegen, er lehne "die vulgäre, schäbige, durch und durch mittelalterliche Welt Freuds mit ihrer spinnerten Suche nach sexuellen Symbolen und ihren verbitterten Embryos ganz und gar" ab.

Nun haben Neurowissenschaftler damit begonnen, Freuds Welt im Kernspintomografen neu zu betrachten, und finden manches überraschend stabil und frisch: Kein Wissenschaftler würde heute mehr die prägende Rolle der Kindheit oder die Existenz des Unbewussten leugnen. Gedächtnisforscher arbeiten mit dem Begriff der Verdrängung, und sogar Freuds lange widerlegt geglaubte Theorie, Wünsche seien der Motor der Träume, erhielt neue Plausibilität (SPIEGEL 16/2005). "Freuds Einblicke in die Natur des Bewusstseins", verkündet der Neuropsychologe Antonio Damasio, "stehen im Einklang mit der Sichtweise der fortgeschrittensten modernen Neurowissenschaften."

Pünktlich zum Jubiläum steht nun auch der provokanteste, umstrittenste Teil seines Lebenswerks zur Wiederentdeckung bereit: die Sexualtheorie. Lange galt Freuds Fixierung auf das Triebleben als verschroben. Inzwischen regt sich der Verdacht, dass er auch hier in mancher Hinsicht erstaunlich richtig gelegen haben könnte. "Aus neurobiologischer Sicht besteht kein Zweifel daran, dass sexuelle Faktoren eine zentrale Rolle in unseren Beziehungen zu anderen Menschen und Objekten spielen müssen", sagt Mark Solms, Neuropsychologe und Psychoanalytiker aus Südafrika.

Vor ein paar Jahren hat er die Internationale Neuropsychoanalytische Gesellschaft ins Leben gerufen und damit eine regelrechte Freud-Renaissance ausgelöst. Solms will Hirnforschung und Psychoanalyse, die ein Jahrhundert lang wie ein zerstrittenes Geschwisterpaar getrennte Wege gingen, wieder an einen Tisch bringen. Sein neuestes Projekt: Freuds alte Ideen über Libido und Triebe auszulüften. Zu diesem Zweck werden sich Hirnforscher, Biologen, Psychologen und Psychoanalytiker im August auf einem Kongress in Los Angeles gemeinsam mit den neuronalen Spuren von Liebe, Intimität und Lust beschäftigen.

Kampf um die Sexualtheorie

Ausgerechnet "das an die Biologie angrenzende Stück der Lehre", grämte sich Freud, rief schon immer den stärksten Widerspruch hervor. Dabei stand und fiel für ihn die Wissenschaftlichkeit der gesamten Psychoanalyse mit seiner Sexual- und Triebtheorie. Er verglich "die erweiterte Sexualität der Psychoanalyse mit dem Eros des göttlichen Plato": "Libido" umfasse neben der Geschlechtsliebe "einerseits die Selbstliebe, andererseits die Eltern- und Kindesliebe, die Freundschaft und die allgemeine Menschenliebe, auch die Hingebung an konkrete Gegenstände und an abstrakte Ideen". Soll heißen: Alle Gefühlsbindung ist im tiefsten Wesen Sexualität.

"Mein lieber Jung, versprechen Sie mir, nie die Sexualtheorie aufzugeben", beschwört er seinen Kronprinzen. "Wir müssen daraus ein Dogma machen, ein unerschütterliches Bollwerk."

Aber C. G. Jung fühlt sich dem Ideal des arischen Herrenmenschen nahe, er glaubt nicht an die Sexualität als beherrschende Triebkraft. Er kritisiert, der Jude Freud reduziere das Seelenleben auf einen "Kehrichtkübel unerfüllbarer Kinderwünsche und unerledigter Familienressentiments". Auch andere Mitstreiter wie Alfred Adler fallen vom rechten Glauben ab: Nicht das sexuelle Triebgeschehen bestimme Charakter und Lebensstil eines Menschen, sondern umgekehrt. Freud verhängt die Exkommunikation.

Kein Zweifel: Seine Sexualtheorie bietet reichlich Angriffsfläche. Evolutionsbiologisch sinnlos, erklärt Freud eine Hälfte der Menschheit zu Mängelwesen. Weil dem Mädchen der Penis fehlt, empfinde es keine Kastrationsangst und entwickle folglich ein schwaches Über-Ich. Daraus resultierten Charakterzüge wie Kindlichkeit, Eifersucht, Passivität, Lügenhaftigkeit und Masochismus. Analytikerinnen wie Karen Horney hatten diesen Auswuchs patriarchalischer Vorurteile schon in den zwanziger Jahren kritisiert. Warum nur hatte Freud verkannt, dass das Gegenstück zu Penis nicht Kastration heißt, sondern Vagina?

Praktisch alles, was er über die Psyche und die Sexualität der Frau sagte - vom Penisneid bis zum vaginalen Orgasmus, an dem allein sich reife weibliche Sexualität erweise -, galt bald als überholt. Das sah Freud sogar selbst ein: Was er über Weiblichkeit zu sagen habe, gab er 1931 in einer Vorlesung zu, sei "unvollständig und fragmentarisch".

Und wie steht es mit seinen Annahmen über die frühkindliche Sexualität? Bei seinem Freund Wilhelm Fließ beklagt sich der sechsfache Vater, dass "die Weiblichkeit meine Forschungen nicht unterstützt". Frau Martha und Schwägerin Minna sind von Experimenten mit "Annerl" im Kinderzimmer nicht angetan. Es hapert mit der Empirie.

Etwa ein halbes Jahrhundert später unterschied sich "der rekonstruierte Säugling der Psychoanalyse ziemlich stark vom empirischen der Verhaltensforschung", wie der amerikanische Säuglingsforscher Daniel Stern feststellte. Als Stern 1999 den Sigmund-Freud-Preis der Stadt Wien erhielt, teilte er nach der Preisverleihung mit, er halte Freuds Vorstellung vom oralen, analen und ödipalen Triebstadium während der kindlichen Entwicklung für "schlicht falsch".

"Ich bin sehr einverstanden, dass Mund, Anus und Genitalien erogene Zonen sind", sagt Stern. "Hoffentlich ist das für jeden so. Aber was die Sexualität des Kindes betrifft, war Freud auf dem falschen Dampfer. Er hielt das Baby für ein asoziales, autoerotisches Wesen, eine Art Monade. Das haben wir geglaubt, bis Bowlby kam."

Der britische Mediziner und Psychoanalytiker John Bowlby postulierte in den fünfziger Jahren, nicht die orale Befriedigung durch das Stillen - und damit der Sexualtrieb des Kindes -, sondern dessen Bedürfnis nach Schutz sei der Auslöser der Bindung zwischen Mutter und Kind. Wie sicher oder unsicher diese Bindung ist, entscheide darüber, wie ein Mensch später auf seine Umgebung zugeht.

Experimente des USamerikanischen Primatenforschers Harry Harlow stützten Bowlbys Bindungstheorie: Harlow ließ Rhesusaffenbabys mit unterschiedlichen Mutterattrappen aufwachsen. Äffchen, die nur ein milchgebendes Gestell aus nacktem Draht erhielten, verkümmerten. Andere bekamen "Mütter", die zusätzlich mit kuscheligem Plüsch überzogen waren, in den sie sich krallen konnten - und überlebten. Als Erwachsene jedoch waren die "Kinder" dieser Plüschgestelle sozial inkompetent und paarten sich nicht. Wenn man sie künstlich befruchtete, erwiesen sie sich als rabiate Mütter.

Bowlby wurde von Freuds Tochter Anna scharf attackiert: Alles drehe sich bei ihm

um Mütter und Babys, um Zuwendung und Vertrauen. Wo seien Sexualität und Aggression geblieben? Doch Annas Vorwürfe verhinderten nicht, dass die Bindungstheorie zu den am besten fundierten analytischen Theorien über die psychische Entwicklung des Menschen avancierte.

Und es blieb nicht bei Bowlbys Distanzierung: Je jünger eine psychoanalytische Theorie, desto weniger Sexualität kommt darin vor. Es scheint, als habe die Psychoanalyse beim Versuch, sich an naturwissenschaftliche Standards anzupassen, ihre eigenen Triebe sublimiert. Während ihre im Laborversuch belegbaren Zöglinge - wie das Modell des kompetenten Kleinkinds, die Objektbeziehungs- oder Bindungstheorien - in Sonntagskleidern um den Tisch sitzen, sind die Schmuddelkinder mit ihren suspekten Phantasien und peinlichen Regungen wieder dorthin verbannt, wo Freud sie hervorgeholt hatte: in den Keller.

"Freud hat es uns mit der Triebtheorie nicht leicht gemacht", sagt der Münchner Analytiker und Psychologieprofessor Wolfgang Mertens. "Es wird oft übersehen, dass es ihm um die psychosexuelle Entwicklung ging, also darum, wie wir zu einem liebesfähigen Menschen werden und nicht bloß zu einem, der kopuliert." Über den Widerstand gegen Freuds Sexualtheorie sei man dabei, das Kind mit dem Bade auszuschütten - ausgerechnet jetzt, wo in den Neurowissenschaften immer klarer zutage tritt, wie sich unser seelisches Erleben vom ersten Tag an auf der Bühne unseres Körpers abspielt. Ganz wie Freud sagte: "Das Ich ist in erster Linie ein körperliches."

Ein neuer Anlauf

Im Sinne Darwins war es durchaus plausibel, die Sexualität zur Nummer eins zu erklären, sagt Neuropsychologe Solms: "Die eigenen Gene weiterzugeben ist der Antrieb aller Lebewesen. Sexualität ist die einzige schöpferische Kraft der Evolution, wenn man so will: das Äquivalent von Gott in der Biologie. Freud erkannte dies zu Recht an. Aber er zog daraus den falschen Schluss. Er glaubte, Sexualität sei die übergeordnete, alles organisierende Kraft unseres Geistes."

Außerdem hatte er einen Begriff von Sexualität, der noch immer reichlich für Missverständnisse sorgt: Anders als wir heute verstand er darunter nicht vor allem genitale Aktivitäten, sondern alles, was Lust bereitet - also auch essen, trinken, ausscheiden oder sich wärmen.

"Intuitiv erfasste Freud, dass diese Aktivitäten etwas fundamental Gemeinsames haben", sagt Solms. Vor einigen Jahren entdeckte man, dass sie im sogenannten Suchsystem des Gehirns zusammengefasst sind. Der amerikanische Verhaltensneurologe Jaak Panksepp vergleicht diesen Neurotransmitter-Schaltkreis mit Freuds "Libido": Die Ausschüttung von Dopamin treibt uns in die Welt hinaus. Dort finden wir Objekte, mit denen wir unsere Bedürfnisse befriedigen: Nahrung, Wasser, einen Partner. Ohne diese Energie würde der Organismus in Trägheit versinken.

"Freud war von der Macht dessen, was er Libido nannte, so hingerissen, dass er irrtümlich alle seelischen Prozesse davon ableitete." Beispielsweise hatte er beobachtet, dass seine Hysteriker, die unter Phobien (Angststörungen) litten, auch sexuelle Probleme hatten. Also mussten neurotische Ängste - wie die seiner Patientin Emmy von N., die Alpträume von Schlangen und Ratten hatte - Resultate verdrängter Triebwünsche sein.

Heute aber weiß man, dass Angststörungen über ganz andere Botenstoffe im "Furcht-Angst-System" des Gehirns gesteuert werden. Weitere solcher Schaltkreise sind mittlerweile identifiziert: das "Ärger-Wut-System", das "Spielsystem" oder das "Verlassenheitspanik-System". Es wird beim Baby aktiv, wenn die Mutter weggeht, ebenso beim Erwachsenen, dessen Liebesbeziehung zerbricht. Das neuronale Zusammenspiel dieser Motoren garantiert unser Überleben.

"Dieses ,Es', das unser ,Ich' antreibt, existiert also, aber viel differenzierter, als Freud glaubte", sagt Solms. "Das Problem ist nur: Wir identifizieren uns nicht mit unseren Trieben. Die gleiche Person, die sich hochstehende Gedanken über die Ideologie der Konzentrationslager oder Beethovens Klaviersonaten macht, fühlt sich nicht als Tier im Sinne Darwins. Das ist ein Schwachpunkt in der Struktur unseres Geistes."

Es wird spannend werden, wenn Solms und seine Kollegen in Los Angeles die Auswirkungen dieses Schwachpunkts auf unseren Alltag zu ergründen versuchen. Sie werden Fragen diskutieren wie: Warum lieben wir einen Menschen, begehren aber einen anderen? Wozu, außer Fortpflanzung, ist Sexualität gut? Warum schwindet unsere Leidenschaft in dem Maße, wie die Intimität wächst?

Und warum haben so gut wie alle Menschen irgendwann im Leben Probleme mit ihrer Sexualität?

Der Alien in uns

Im beschaulichen Londoner Stadtteil Hampstead leiten die beiden renommierten Bindungsforscher Peter Fonagy und Mary Target das Anna-Freud-Centre. Nebenan, in 20 Maresfield Gardens, steht die berühmteste Couch der Welt. Hier verbrachte Freud schwerkrank sein letztes Lebensjahr im Exil, umsorgt von seiner Tochter Anna, die mit ihrer Lebensgefährtin Dorothy Burlingham ein Heim für verstörte Kriegswaisen gegründet hatte. Heute finden hier Therapien für Babys, Kinder, Jugendliche und Erwachsene statt.

Gestützt auf modernste neurowissenschaftliche Erkenntnisse, prägten Fonagy und Target den Begriff der "Theory Of Mind". Er bezeichnet das Vermögen, sich in mentale Zustände anderer Menschen hineinzuversetzen. Die beiden haben gerade ein dickes Buch über "Psychoanalyse und die Psychopathologie der Entwicklung" verfasst*. Es beschreibt die Vielfalt analytischer Theorien - und wie darin seit Freud die soziale Beziehung allmählich den zentralen Platz eingenommen hat, den der Begründer der Psychoanalyse der Sexualität zugewiesen hatte.

Vor allem Fonagy galt bislang als Aushängeschild dieser Richtung, die Sexualität immer nur infolge von etwas anderem betrachtet, etwa als Abwehrstrategie in Beziehungsproblemen, nach dem Motto: "Ich bin promisk, weil ich intime Beziehungen nicht ertragen kann." Oder: "Ich habe extreme Sexpraktiken, weil ich damit meinen miesen Selbstwert aufrichte."

"Ich habe das, ehrlich gesagt, nie restlos geglaubt", sagt Target. "Es gibt Kernerfahrungen, die Menschen unglaublich verstören können, die primär mit Sexualität zu tun haben. Dies in der Analyse auszusparen ist ein Fehler, weil es von Anfang an ein Teil der Persönlichkeit des Patienten ist."

Das führen ihr auch ihre zwei kleinen Söhne vor Augen. Als die Jungs zweieinhalb und vier Jahre alt waren und sie oft mit ihnen zum Schwimmen ging, waren sie aus der Frauenumkleide kaum wegzubekommen, so staunten sie die Frauen an. "Einmal massierte ein Mädchen seine Freundin, die nackt auf einem Handtuch lag. Mein Kleiner bekam eine Erektion und war offenbar total erregt. Er fing gerade an zu sprechen. Also ging er zu dem Mädchen hin und sagte: ,Wenn ich ein Mann bin, reibst du mich dann auch so?'" Die junge Frau hatte gelacht - und Mary Target hatte getan, als sei nichts passiert: "Los Jungs, schnell ab ins Schwimmbecken."

Im Nachhinein fiel ihr kein anderes Verhalten ihrer Kinder ein, auf das sie so vage reagiert hätte. Seither führten sie und Fonagy ziemlich lebhafte Diskussionen. Sie befragten reihenweise Mütter, was sie taten, wenn sie sexuelle Gefühle ihres

Kindes beobachteten. Die Antwort war fast immer gleich: "Wegschauen, ignorieren."

Jahrelang hatten sich Target und Fonagy mit der Frage beschäftigt, wie sich das Selbst des Kindes entwickelt. Die innere Repräsentation, die wir von all unseren Gefühlen haben, so sagen sie, kann nur in der Beziehung zu einem Gegenüber entstehen: Die Mutter, die ihr Baby anschaut, spiegelt mit ihrem Gesicht unwillkürlich dessen Ausdruck, aber auf eine Weise, die signalisiert, dass nicht sie diejenige ist, die sich gerade in der vollen Windel unwohl fühlt. Ihr Gesicht drückt eher aus: "Ich kenne und verstehe dieses Gefühl, das du hast. Es ist in Ordnung." Durch diese Art von Interaktion lernt das Baby, seine Gefühle, sein Selbst zu regulieren.

Jeder kann das vor dem Spiegel ausprobieren: "Machen Sie ein ,Ich bin traurig'-Gesicht und dann eines für ,Ach, du bist sooo traurig'. Versuchen Sie ein ,Es tut schrecklich weh'-Gesicht und ein ,Oje, mein Schatz, hast du dir wehgetan!'-Gesicht", sagt Target. Niemandem falle das sonderlich schwer. "Aber jetzt stellen Sie sich vor, Ihr kleiner Junge habe eine Erektion oder Ihr Töchterchen masturbiere", fährt sie fort. "Machen Sie dazu das passende Gesicht!"

Das gelinge kaum einem, sagt Target. "Und das ist erstaunlich, denn sexuelle Erregung ist ja vom ersten Tag an da, wie jedes andere Gefühl." Ultraschallbilder zeigen sogar Föten mit Erektion. Babys spielen mit ihren Genitalien, wenn die Windel gewechselt wird, und mit neun Monaten masturbieren Mädchen wie Jungen.

Sexualforscher vermuten zwar, dass dieses "Genitalspiel" mehr "Freude am Funktionieren" sein könnte und mit den Gefühlen Erwachsener nicht zu vergleichen sei. "Aber wir können kaum bestreiten, dass sie diese Berührungen genießen", sagt Target. "Und wir fassen es unwillkürlich als etwas Sexuelles auf. Kinder kichern: ,Guck mal, sein kleiner Willy steht!', und Eltern sind irritiert."

Das hat System: "Mütter sind unbewusst in der Lage, alle Emotionen ihres Kindes zu spiegeln", sagt Fonagy, "mit Ausnahme der sexuellen Erregung. Weil unser mimisches Repertoire keine intuitive Antwort darauf hat, erlangt das Kind keine innere Repräsentation davon. Dieses aufregende Etwas wird nicht in unser Selbst integriert wie andere Gefühle."

Diesen blinden Fleck habe die Evolution eigens eingerichtet: "Wir müssen lernen, unsere Gefühle zu regulieren, sonst ist kein soziales Leben denkbar. Dafür hat unsere Spezies die verlängerte Kindheit. Würden wir aber lernen, unsere Sexualität auf die gleiche Weise zu kontrollieren wie unsere Aggression, Eifersucht oder Trauer, wäre bis zur Pubertät nicht mehr genug Triebhaftes übrig, um die Weitergabe unserer Gene zu garantieren. Deswegen muss Sexualität eine Art Alien in uns bleiben. Unsere Sexualität gehört zu uns, ohne uns zu gehören."

Erst später, beim Sex mit einem Partner, wenn man die eigene Erregung in der eines anderen gespiegelt sieht, integriert man seine Sexualität schrittweise in sein Selbst - und im gleichen Maße, wie dies geschieht, nimmt die Triebkraft ab.

Das unbequeme Gefühl des Fremden in uns verschwinde aber nie ganz, erklärt Fonagy. Es macht, dass wir unsere Sexualität, den Alien, gern beiseiteschieben. Und manchmal packen wir unschöne Dinge, die wir auch loswerden wollen, gleich dazu. So können sich Ängste, Aggressionen oder andere Gefühle in der Rumpelkammer der Seele an die Sexualität heften. Oft weiß man dann nicht mehr, was zuerst da war: die Impotenz, durch die sich jemand auch im Job als totaler Versager fühlt - oder Versagensängste, etwa aus der Kindheit, die ihn impotent gemacht haben. Um Sexualität kommt man in der Therapie nicht herum.

Der Mythos vom Unschuldsengel

Mit ihrer brandneuen Theorie ist es Fonagy und Target gelungen, einen Bogen von den ersten sexuellen Regungen bis zur Erwachsenensexualität zu spannen. Das vielleicht größte Tabu aber, an das Freud rührte, bleibt dennoch von Nebel umgeben: die sexuellen Gefühle zwischen Kindern und Eltern.

"Der Verkehr des Kindes mit seiner Pflegeperson ist für dasselbe eine unaufhörlich fließende Quelle sexueller Erregung und Befriedigung von erogenen Zonen", hatte er geschrieben, "zumal da letztere - in der Regel doch die Mutter - das Kind selbst mit Gefühlen bedenkt, die aus ihrem Sexualleben stammen, es streichelt, küsst und wiegt und ganz deutlich zum Ersatz für ein vollgültiges Sexualobjekt nimmt."

Stillen zum Beispiel kann ziemlich sexy sein, für manche Frauen sogar aufregender, als mit dem Partner zu schlafen, das hört Mary Target häufiger. "Wenn Sie einen kleinen Jungen stillen, er hat eine Erektion, und Sie fühlen sich dadurch irgendwie angeregt - ich glaube, da wird bei beiden ein Gefühl eingepflanzt, dass daran etwas verkehrt ist. ,Ich sollte keine sexuellen Gefühle haben', sagt sich die Frau. ,Und der Kleine? Na ja, vielleicht. Aber wir beide zusammen? Das ist zu heiß.'"

Dass auch ein Vater sich erregt fühlen kann, wenn das Kind auf seinen Knien herumrutscht und sich dadurch Lust bereitet, sei eine völlige "Nogo-Area". Was Eltern an dieser Wechselseitigkeit besonders verstört und manchmal Schuldgefühle hervorruft, sind ihre eigenen Empfindungen.

"Wir projizieren dabei auf das Kind unsere Erwachsenensexualität. Auch Freud hat das vermutlich getan." Zum Beispiel bei seinen Beobachtungen über das "Ludeln" oder "Wonnesaugen", das nicht der Nahrungsaufnahme dient: "Wer ein Kind gesättigt von der Brust zurücksinken sieht, mit geröteten Wangen und seligem Lächeln in Schlaf verfallen, der wird sich sagen müssen, dass dieses Bild auch für den Ausdruck der sexuellen Befriedigung im späteren Leben maßgebend bleibt."

Freuds Generalangriff auf das sentimentale, biblisch zementierte Bild vom Kind als Unschuldsengel ist bis heute eine Provokation, ganz besonders für Amerikas prüde Moral Majority. Nach einer aktuellen "Newsweek"-Umfrage lehnen 76 Prozent der US-Amerikaner die Vorstellung von der Existenz einer frühkindlichen Sexualität ab.

Dabei ist die verwirrend erotische Färbung der ersten Bindung offensichtlich naturgewollt. Die Hirnchemie sorgt für gute Gefühle bei Mutter und Kind, etwas schwächer auch beim Vater: Der Neurotransmitter Oxytocin beispielsweise löst einerseits Bindung aus; spritzt man weiblichen, nicht trächtigen Schafen Oxytocin direkt in die Gehirnventrikel, bemuttern sie fremde Lämmer. Oxytocin ist aber auch bei sehr konkreten sexuellen Empfindungen im Spiel. "Beim Orgasmus sorgt dieser Botenstoff für die tiefe Befriedigung, dieses unglaublich entspannende Sättigungsgefühl", sagt die Neurowissenschaftlerin Inga Neumann, die an der Uni Regensburg die Wirkung der angstlösenden Substanz an Nagern untersucht. Bei Rattenmännchen regt Oxytocin Kopulationsbewegungen an.

Auftritt Ödipus

Freud ist 41 Jahre alt, seine Privatpraxis läuft schleppend. Er vergräbt sich in die Selbstanalyse, rekonstruiert seine Kindheit. Das oszillierende Bild seiner geliebten strengen Kinderfrau taucht auf, die ihn bis zum Alter von etwa zweieinhalb Jahren umsorgte: "Sie war meine Lehrerin in sexuellen Dingen und hat geschimpft, weil ich ungeschickt war, nichts gekonnt habe." Es sei "bekannt, dass gewissenlose Kinderfrauen die schreienden Kinder durch Streicheln an den Genitalien einschläfern".

Auch hatten ihm einige seiner Neurotiker von frühem sexuellem Missbrauch erzählt. Andere Nervenärzte hielten solche Geschichten für hysterische Lügengespinste, Freud nicht. Er glaubte, dass diese Patienten, meist Frauen, neurotisch geworden waren, weil man ihnen in ihrer Kindheit etwas Schreckliches angetan hatte. Eine Zeitlang vertrat Freud die These, alle Neurosen seien Symptome früherer Verführung und früheren Missbrauchs.

Doch konnte dies in so unvorstellbar vielen Fällen geschehen sein? Eine weitere Schwäche seiner Verführungstheorie erschien Freud bald gravierender, nämlich dass es "im Unbewussten ein Realitätszeichen nicht gibt, so dass man die Wahrheit und die mit Affekt besetzte Fiktion nicht unterscheiden kann". Dieses Phänomen, das Gedächtnisforscher heute "false memory" nennen, führt mitunter in Missbrauchsprozessen zu fatalen Fehlanschuldigungen.

Aus dem Zwielicht von Freuds Kindheitserinnerung leuchtet eine Szene auf, die seinen Verdacht nährt, dass die Verführungserinnerungen seiner Patienten bloßes Produkt ihrer Phantasie waren. Sigi ist fast vier, als er mit seiner Mutter im Schlafwagen fährt und einen Blick auf sie erhascht - nackt, nur das schwarze glänzende Haar fällt ihr über die Schultern. So überwältigend ist dieser Eindruck, dass Freud es nur auf Lateinisch auszusprechen wagt: "Meine Libido gegen matrem" war erwacht. "Ich habe", schreibt er 1897, "die Verliebtheit in die Mutter und die Eifersucht gegen den Vater auch bei mir gefunden und halte sie jetzt für ein allgemeines Ereignis früher Kindheit."

Der kleine Junge, davon ist er nun überzeugt, begehrt wie Ödipus seine Mutter und will seinen Konkurrenten, den Vater, töten. Doch die Angst vor der Kastration durch den Vater bringe den Knaben dazu, sein Begehren auf andere Frauen zu richten und sich schließlich mit dem Vater zu identifizieren.

Die Anerkennung des Ödipuskomplexes erklärte Freud zum "Schibboleth ...,

welches die Anhänger der Psychoanalyse von ihren Gegnern scheidet". "Jedem menschlichen Neuankömmling ist die Aufgabe gestellt, den Ödipuskomplex zu bewältigen. Wer es nicht zustande bringt, ist der Neurose verfallen."

Verhaltenspsychologen, die versuchten, in Studien eine entsprechende Bevorzugung von Vater oder Mutter nachzuweisen, fanden dafür jedoch keinen Anhaltspunkt. Humanbiologen hielten Freud vor, aufgrund der biologischen Inzesthemmung könnten Kinder ihre Eltern gar nicht sexuell begehren.

Cherchez la mère

Martin Schott leitet seit 25 Jahren die forensische Klinik in Moringen mit 360 Patienten, die Hälfte davon Sexualstraftäter. Viel Papier kommt da zusammen; einen Aktenhaufen auf dem Fußboden hat Schott mit einem Spielzeugeisenbahn-Panorama seines Enkels eingezäunt.

Schott betrachtet seine Patienten nicht in erster Linie als Täter. Er denkt oft daran, dass jeder von ihnen als unschuldiger Säugling in der Wiege lag. Bei allen wurde sehr früh auf dem Weg ins Erwachsenenleben eine Weiche falsch gestellt.

Aber wie und von wem?

"Cherchez la mère", sagt Schott. Viele mögen das nicht hören, aber Schott kann sich nun mal an kaum einen Sexualstraftäter ohne hochproblematische, manchmal verheerende Mutterbeziehung erinnern; übergriffige, vernachlässigende, gewalttätige, kalte, erniedrigende oder verfolgende Mütter. "So lebenswichtig und wunderbar die Mutterbeziehung für ein Kind ist, so belastend und zerstörend kann sie auch sein. Dazu kommt oft noch ein schwacher, brutaler oder abwesender Vater."

Schott sieht den "Ödipus" als familiäres Katastrophenszenario. Ein Gleichnis, in dem die heikle Konstellation Mutter-Vater-Kind nicht zu haltenden, liebevollen Beziehungen führt, sondern verhängnisvoll entgleist.

Der Klinikchef hat einen entlassenen Patienten zum Gespräch gebeten: Edwin H. ist 65, ein wortgewandter Mann mit betont jugendlichem Auftreten und feinen Zügen. Er rasiert sich zweimal täglich, trägt Baseballmütze und kariertes Hemd, sein IQ liegt bei 146. Er war Lehrer, Zeitungsredakteur - und später pädophil.

Der Vater fiel im Krieg, neben seiner Mutter schlief er im Ehebett, bis er 15 war. Vielleicht auch länger. Ein paar Mal erwischte sie ihn beim Masturbieren und verprügelte ihn fürchterlich. "Ich entwickelte eine schreckliche Angst vor meinem Körper." Er war ihr verwöhnter Vorzeigesohn: Knödel, Braten, Krawatten, Anzüge. "Ich war adrett", sagt Herr H. "Zum Kotzen adrett. Sie hat einen Popanz aus mir gemacht."

Einmal wollte er sich befreien, da warf sie ihm ein Messer in den Rücken, die Narbe sieht man noch. Als er eine eigene Wohnung bezog, stand die Mutter mit Koffer und Möbeln vor der Tür. Immerhin konnte er sich ein eigenes Zimmer abtrotzen, das erste Mal eine "mutterfreie Zone", da war er 25. Fußball spielte er erstmals mit 28. Auch als er heiratete und wegzog, wurde er die Mutter nicht los. Die Ehe scheiterte.

Als er 45 war und ihm ein Junge seinen Penis zeigte, fasste er den Jungen an und auch dessen Spielkameraden. "Ihr Entzücken zu spüren war etwas, was ich selbst nie haben durfte." Mit 55 verliebte er sich in einen 13-Jährigen, dessen Mutter ihm erzählte, dass sie den Jungen zum Schmusen in ihr Bett hole. "Dieser Junge war für

mich wie ein Bruder, ein Kind, der geliebte Mensch", sagt Herr H. "Er war mir hörig. Das hätte ich nicht tun dürfen."

Herrn H.s Mutter starb, während er in U-Haft saß. "Dass sie von mir nicht lassen wollte und konnte, ist mein Hauptthema", sagt er. "Aber sie hat nicht anders gekonnt. Sie war eine umfassende Glucke, über die ich nicht schlecht sprechen möchte." Dass in seinem Gutachten etwas von "inzestuösem Verhältnis" stand, empört Herrn H. noch heute: "Angefasst hat sie mich ja nie auf diese Weise."

Schott kennt diese zwiespältige Haltung von vielen seiner Patienten: Die meisten lieben ihre Mutter sehr. "Es ist ein ebenso zerstörerisches wie verführerisches Mutterbild. Wenn man das nicht rauskriegt, dann ist es aussichtslos."

Das Kind wird erst abgelehnt, dann als Partnerersatz missbraucht; die Mutter flüchtet sich nach dem Streit mit dem Vater heulend zum Sohn ins Bett, kuschelt sich an ihn und lässt sich trösten - das sind die klassischen Beziehungsmuster.

Die Moringer Psychologen und Sozialarbeiter machen vor Entlassungen Hausbesuche, um zu sehen, wohin die Patienten zurückkehren. "Manchmal wird einem in dem Moment, wo man eine Wohnung betritt, klar, warum einer so geworden ist", sagt eine Psychologin. "Die Mutter läuft halbnackt herum, Klo und Dusche sind seit 30 Jahren nur durch einen Vorhang in der Küche abgetrennt, im Elternschlafzimmer schlafen auch Kinder, oder es hat gar keine Tür."

Oft sei es eindrucksvoll zu sehen, wie Patienten und ihre Eltern miteinander umgehen. Ein 40-Jähriger setzte sich zum Beispiel vor ihren Augen auf den Schoß seines Vaters, um ihm etwas am Computer zu erklären.

Einen Patienten mittleren Alters sieht man auf dem Klinikgelände oft mit seiner Mutter Hand in Hand spazieren gehen, oder er sitzt in der Cafeteria auf ihrem Schoß. Mit 18 hatte er eine 15-Jährige in den Kofferraum seines Autos gezerrt und ihr eine bemalte Taucherbrille aufgesetzt, weil er sich vor ihren Blicken fürchtete. Er hatte Stäbe dabei, die er in die Scheide des Opfers einführen wollte, und Tampons zum Blutstillen.

Ein anderer hatte einen Jungen missbraucht und erstickt. Als er ein Kind war, hatte sich, wenn er weinte, seine dicke Mutter auf seinen Kopf gesetzt, um ihn zur Ruhe zu bringen.

Viele seiner Patienten, sagt Klinikleiter Schott, seien von sehr archaischen Vorstellungen

besessen. "In diese Seelenlandschaften gelangen Sie nur mit der Psychoanalyse." Er erinnert sich an einen Sexualstraftäter, der davon träumte, eine Kuh oder ein Pferd aufzuschlitzen und in die warmen, weichen Gedärme zu kriechen. "Er stellt es sich da drinnen vor wie in einem Uterus", sagt Schott. "Man muss dazu übrigens kein Sexualstraftäter sein. Manch einer von uns hat solche Phantasien."

In den soeben erschienenen Aufzeichnungen Ernst Blums, dem einzigen kompletten Protokoll einer Analyse bei Freud, ist nachzulesen, wie der sich begeistert für "eine der großartigsten und ursprünglichsten Phantasien, man befinde sich im Mutterleib und habe Anteil an dem Koitus"**. Und flüsterte nicht Prinz Charles in einem heimlich abgehörten Telefonat Camilla ins Ohr, er wolle ein Tampon sein und in sie hineinschlüpfen?

Der bestochene Trieb

In Wolfgang Berners Arbeitszimmer stapeln sich Bücher über Missbrauch, Stalking, Sadomasochismus, dazu mehrere Jahrgänge der polizeilichen Kriminalstatistik. Neun Jahre lang hat Berner in Wien die Psychoanalytische Vereinigung geleitet, als Nachfolger Freuds sozusagen. Heute ist er Direktor des Instituts für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie am Uni-Klinikum in Hamburg.

Er therapiert entlassene Sexualstraftäter oder solche, die fürchten, sie könnten es werden. Andere suchen seine Hilfe, weil sie nach der Arbeit ihren Rechner anwerfen, bis um Mitternacht einen Porno nach dem anderen herunterladen und sich den Wecker stellen, damit sie vor der Arbeit noch mal ins Internet schauen können. "Die kommen, weil sie abhängig sind."

Berners Spezialgebiet sind die Perversionen. Nirgendwo, sagt Berner, habe die Psychoanalyse eine bessere Daseinsberechtigung als bei der Erklärung abnormen Sexualverhaltens. "Wie wollen Sie sonst erklären, dass jemand nur eingezwängt in ein Korsett Lust empfinden kann oder in einem Gummianzug untergetaucht in der Badewanne, durch einen Strohhalm atmend?"

Auch in der Sexualität von Berners Analysandin Susanne Klein spielen Gummi und Plastik eine Rolle. Sie ist Künstlerin, sie hat Videos gedreht, die von Fetischen handeln, und sie hat einen "Körperverbesserungsanzug" hergestellt, der ihre knabenhafte Figur in die Karikatur eines Vollweibs verwandelt, wie ihre Mutter eines war. Auf dem Tisch im Kelleratelier steht die Nähmaschine, daneben zeigt ein Bildschirmschoner abwechselnd Landschaftsbilder

und verstörende Fotos von verschnürten Menschen und Köpfen in engen Ledermasken.

In einigen steckt Kleins Mann, der als Fetischist mit rosa Tutus, Lacklederstiefeln und umgeschnalltem Riesenbusen aus Gummi auf die Straße geht und die geringschätzigen Blicke der Leute sucht. Klein sagt, sie könne nur in hautfarbenen Gummiklamotten richtig geil werden.

Das Paar hat eine eigenartige Erotik: Die beiden schauen sich gegenseitig beim Verkleiden zu. "Du bist schön scheußlich", sagt Frau Klein dann zu ihrem Mann, und der antwortet: "Du schaust heut auch richtig hässlich aus." Wenn ihre Lust am größten ist, masturbieren sie, getrennt voneinander.

Susanne Klein wollte sich nicht ändern, sie wollte nur wissen, weshalb sie so ist. Auf Berners Couch hat sie ihre Kindheit ergründet, jetzt hat sie eine Theorie: Ihr Vater war Maler, ihre Mutter, Kostümbildnerin, eine schöne Frau, sei von so einem "heiligen Schrecken vor Schmutz" geplagt gewesen, dass sie Bad und Klo nicht putzen konnte. Asseln liefen am Boden herum. Für ihre intimen Waschungen benutzte die Mutter Sagrotan.

"Eben war ich noch das schöne Kind - schon hat sie mich in den vollgekackten Windeln ihren Ekel spüren lassen", glaubt die Tochter. Vielleicht auch manchmal einfach liegen lassen. Und erst der Abscheu, wenn das Kind sich da hinlangte, sich eindeutig bewegte! Durch diese "Sauberkeitserziehung" habe sie einen Selbstekel entwickelt, ahnt Frau Klein: "Das Kind fühlt sich hässlich mit seinen Körperausscheidungen, hässlich mit seinem Kindersex, es ist schmutzig: ,Da bleibt die Gummihose drüber, das wird nicht angefasst.'"

Auf dem Dachboden macht sie erregende Experimente mit einem Gummi-Hüpfball. Mit zehn steckt sie sich Plastiktüten in den Schritt und masturbiert damit. Regenmäntel machen sie an, wie alles Abwaschbare, vor allem Windelhosen aus Plastik, außen schön sauber. Es wird so zentral, dass keine andere Art der Sexualität mehr eine Rolle spielt.

Susanne Klein hat ein paar Jahre als Domina Masochisten behandelt: "Der Mann wird bedroht und geschunden, und am Ende geht er als Sieger raus. Es ist dieser Triumph, dass man es wieder mal überlebt hat." Die Erniedrigung der Kindheit wird durch unendliche, selbstinszenierte Wiederholungen unter Kontrolle gebracht. Das Hochgefühl der Misshandelten ist Frau Klein aus ihrer Kindheit vertraut: "Die Ablehnung der Mutter bedeutet Vernichtung. Um der Vernichtungsangst zu entkommen, dreht man sie schon als Kind um in etwas, was man beherrschen kann: Lust. Und an dieser Praxis bleibt man hängen."

Wolfgang Berner hat eine Theorie, wie sich dieses "Hängenbleiben" zwischen Synapsen und Neuronen im Gehirn manifestiert, eine Art Aktualisierung von Freuds "Drei Abhandlungen". Seit der Entdeckung eines Dopaminsystems im Mittelhirn, sagt Berner, ließen sich Phänomene, die man vor hundert Jahren im "Lustprinzip" nur abstrakt zusammenfassen konnte, ziemlich gut beschreiben.

"Wir wissen, dass früh Traumatisierte in einem bestimmten Hirnareal einen niedrigeren Anteil von Dopaminrezeptoren

entwickeln", sagt Berner. Mäusejunge beispielsweise werden traumatisiert, wenn die Mutter sie nicht ableckt. Sie stoßen hochfrequente Laute aus, die wie das Weinen des Kindes klingen. Im Zuge dieser Traumatisierung bilden sich weniger Synapsen im Hirn.

Normalerweise, erklärt Berner, sei das Dopaminsystem beim Menschen vielfältig aktivierbar, so dass zahlreiche Wege zur "Endlust" führen. Verliebte machen sich einen schönen Abend, schauen einen Film, essen bei Kerzenschein - all diese "Vorlustfreuden" führen dazu, dass stimulierendes Dopamin ausgeschüttet wird und das "Suchsystem" einen immer stärkeren Drang nach Sex signalisiert. Kommt es dazu, wird im Gehirn durch die Ausschüttung von Endorphinen, Oxytocin und anderen Substanzen das "Lustsystem" aktiviert, das den Trieb befriedigt - das Suchsystem schaltet sich ab.

Werden Menschen früh traumatisiert - zum Beispiel durch Ablehnung, Gewalt oder auch eine schmerzhafte Erkrankung -, bilden sie weniger Dopaminrezeptoren aus; ihr Lustsystem ist deshalb nur empfänglich für starke Reize.

Es kann zum Beispiel durch Heroin, Alkohol oder Spielen "bestochen" werden - oder eben durch Sex: Ein Kind, das sich bei den Eltern nicht ausweinen kann, entdeckt das lustvolle Spiel mit Klitoris oder Penis als Selbsttröstungsmechanismus. In frühen Masturbationsphantasien werden dann verstörende Eindrücke aller Art sexualisiert und können zum Fetisch werden. Fortan lösen sie eine Art Kurzschluss aus, ein Hyperstimulationsgefühl, das davon ablenkt, dass man eigentlich Probleme hat.

Bei Berners Patienten - viele waren einst einsame, gequälte Kinder - ist der Reiz durch den Fetisch zu einer Art Hijacker geworden, der das Dopaminsystem in seine Gewalt gebracht hat. Er diktiert die einzige Route, die zur Endlust führt.

Berner hatte mal einen masochistischen Patienten, einen Schuhfetischisten, der befürchtete, seine Frau zu verlieren, weil er sein ganzes Geld zwanghaft bei Prostituierten ausgab. Er musste vor ihnen niederfallen und ihre Stilettos küssen, nur das konnte ihn wirklich sexuell erregen. Statt auf das Genitale der Hure zu schauen, das ihm Angst machte, konzentrierte er sich immer auf den Abstand zwischen erster und zweiter Zehe. "Das hatte für ihn etwas Beruhigendes", sagt Berner. "Es lenkte ihn ab von der Kastrationsangst gegenüber der mächtigen Frau."

Die Kindheit des Mannes auf einem großen Gut in Spanien war überschattet vom Suizid des schwachen Vaters und dem Terror, den seine launische, dominante Mutter verbreitete. Wenn sie ihm nachlief, um ihn zu bestrafen, flüchtete er unter das Ehebett und beobachtete, wie die Mutter mit einem Elektrokabel in der Hand auf und abging und schäumte: "Warte nur, wenn du herauskommst, du Hurensohn!" Er sah aus dem Schlitz unter dem Bett nur diese hochhackigen Schuhe und fürchtete sich dabei zu Tode.

Später heiratete er eine Flamencotänzerin und eröffnete mit ihr eine Schule für Flamenco. Dabei hat das Stampfen mit den Füßen eine aggressiv-erotische Bedeutung - doch die symbiotische Beziehung der beiden kam fast ohne Sexualität aus. Sie spielten Mutter-Kind miteinander, hielten und streichelten sich zärtlich.

"An dem Beispiel sieht man sehr schön, wie ein bestochenes Dopaminsystem dazu führt, dass Bindung und Sexualität total auseinanderbrechen", sagt Berner. "Aber das hat ja schon Freud beobachtet."

Den Geschlechtstrieb beschrieb Freud als "etwas aus vielen Faktoren Zusammengesetztes, das in den Perversionen gleichsam in seine Komponenten zerfällt". Er schloss - ein halbes Jahrhundert vor Entdeckung der Sexualhormone - auf die Existenz "besonderer chemischer Stoffe, die im Zentralnervensystem sexuelle Spannungen entstehen lassen". Und er vermutete, jeder Mensch trage die Anlagen beider Geschlechter in sich - Endokrinologie und Entwicklungspsychologie haben dies inzwischen bestätigt. "Für das Psychische spielt das Biologische wirklich die Rolle des unterliegenden gewachsenen Felsens", glaubte Freud. Er konnte es nur nicht belegen.

Es blieb der "unbefriedigende Schluss, ... dass wir von den biologischen Vorgängen, in denen das Wesen der Sexualität besteht, lange nicht genug wissen, um ... eine zum Verständnis des Normalen wie des Pathologischen genügende Theorie zu gestalten".

Freud hatte gemahnt, man solle sein "Gerüste nicht für den Bau halten". Eines Tages werde ein "tieferes Eindringen die Fortsetzung des Weges bis zur organischen Begründung des Seelischen einmal zu finden wissen". Seine Erben stehen heute dafür bereit, Psychoanalyse und Naturwissenschaft haben sich wieder etwas zu sagen. Der Jubilar wäre wohl beglückt. Vor sich sah er "genügend Arbeit für ein nächstes Jahrhundert, in dem unsere Zivilisation es verstehen soll, sich mit den Ansprüchen unserer Sexualität zu vertragen". BEATE LAKOTTA

PETER APRAHAMIAN / CORBIS

Sexualtheoretiker Freud (1931), Analyse-Couch in London: Große Menschheitserzählung von der Macht des Unbewussten ULLSTEIN BILDERDIENST

Sadomasochismus in der Malerei*: In jedem braven Bürger schlummert die Perversion AKG

Freud-Kritiker Nabokov*: Spinnerte Suche, vulgäre Welt H. TAPPE

Freud-Dissident Jung (um 1950): Seelenleben als Kehrichtkübel ARCHIV FRIEDRICH / INTERFOTO

Darstellung der Geschlechterbeziehung in der Kunst ("Die Riesin", Magritte-Gemälde von 1929): Angst vor der mächtigen Frau VG BILD-KUNST, BONN 2006; FOTO: AKG

Neuropsychologe Solms: "Sexualität ist das Äquivalent von Gott in der Biologie" PER-ANDERS PETTERSSON / AGENTUR FOCUS

Primatenforscher Harlow, Versuchsaffe (1964) Mutterattrappe aus nacktem Draht NINA LEEN / TIME LIFE PICTURES / GETTY IMAGES

Bindungsforscher Fonagy, Target (auf Freuds Couch in London): Fremdes, aufregendes Etwas GERAINT LEWIS

Mutter mit Baby: Spiegeln der Gefühle THE IMAGE WORKS / VISUM

Verführung im Film (Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu in "Elementarteilchen"): Warum lieben wir den einen und begehren den anderen? CONSTANTIN / CINETEXT

Ödipus auf der Bühne*: Familiäres Katastrophenszenario IKO FREESE / DRAMA

Pädophilie in der Malerei*: "Das Kind, der geliebte Mensch" VG BILD-KUNST, BONN 2006

Pädophiler Edwin H. "Sie hat einen Popanz aus mir gemacht" BEN BEHNKE

Großvater Freud, Enkel Heinz und Ernst (um 1922): Genügend Arbeit für ein Jahrhundert

Fetisch-Künstlerin Klein, Ehemann "Du bist schön scheußlich" WALTER SCHELS <FUS> * Oben: "Die Siegerin", Gemälde von Gert Wollheim, 1924; unten: um 1970. </FUS> <FUS> * Peter Fonagy, Mary Target: "Psychoanalyse und die Psychopathologie der Entwicklung". Klett-Cotta, Stuttgart; 540 Seiten; 39,50 Euro. </FUS> <FUS> * Sven Lehmann und Elisabeth Trissenaar in Hans Neuenfels' "Sophokles"-Inszenierung 2003 im Deutschen Theater Berlin. </FUS> <FUS> * Werk von Balthus, 1936. </FUS> <FUS> ** Manfred Pohlen: "Freuds Analyse. Die Sitzungsprotokolle Ernst Blums". Rowohlt Verlag, Reinbek; 400 Seiten; 22,90 Euro. </FUS>

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